Die in diesem Band vorgelegten Artikel thematisieren exemplarische Vorgänge (aus den Epochen von Reformation, Aufklärung, Pietismus u.a.), um das kritische Gedächtnis zu stärken und die Instrumentalisierungstendenzen des Präsentismus zu unterlaufen. Zugleich geht es um die gesellschaftsprägende Kraft von Religion.
Seit der geopolitischen Wende im ausgehenden 20. Jahrhundert stehen in Ostmitteleuropa (u.a. Baltische Länder, [Ost-] Preußen) reiche Arbeitsfelder für kirchen- und kulturgeschichtliche Forschungen bereit. "Ehemalige Gegenwarten", Korrelationen in der deutschen Geschichte sind evident, rücken provozierend ins Bewußtsein. "Räume der Vergangenheit", die in Westeuropa vergessen, übersehen oder einfach unbekannt sind, weil sie an der Peripherie liegen, fordern heraus.
Im Fokus stehen die glaubwürdige Auslegung des Evangeliums im Wandel der Zeiten beziehungsweise die Hermeneutik des christlichen Ethos. Historie verstehen impliziert stets ein Sich-selbst-Verstehen. Analysierende und interpretierende Teilnahme an gewesener Wirklichkeit bietet nicht nur die Chance, die Leerstellen des Wissens zu verändern, sondern ermöglicht Resonanzen, die den Augenblick transzendieren.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Vorwort
- Prolog: Über den Präsentismus hinaus
- „Mutatio est dexterae excelsi“ Burkard Waldis (*um 1490, †1556) in Riga und in Hessen
- Kurland im Horizont der Reformation: Resonanz – Korrelation - Interaktion
- Von Kurland nach Hessen
- „Unse leve modder unde fruwe“. Charlotte Sophie von Kurland Äbtissin im Freiweltlichen Reichsstift Herford (1688-1728)
- 99000 gute, frohe und thätige Menschen bilden“ Zur Theologie des Volksaufklärers Gotthard Friedrich Stender (1714-1796)
- Herzog Albrecht von Preußen (1490-1568) als Theologe
- Von Königsberg nach Emden: Was eine Abendmahlskanne „erzählt“
- Im Kontext des Königsberger Jahrhunderts: Eine theologiegeschichtliche Lektüre zu Donelaitis (1714-1780)
- Religionskritik auf der Bühne: Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713-1762)
- Kunst, Religion und kulturelles Gedächtnis im europäischen Horizont: Richard Pfeiffer (1878-1962) und die Fresken in der Kirche von Heydekrug
- Der Calvinismus - „Hebamme“ der Moderne? Anmerkungen zur gesellschaftsprägenden Kraft religiöser Überzeugungen
- ,,Sakralität“ - Herausforderung der Spätmoderne. Oder:,,Heilig ist das Gegenteil von egal“
- Epilog: Begegnungen in „Königsberg\" 2010
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Der vorliegende Band widmet sich der Kirchen- und Kulturgeschichte Ostmitteleuropas, insbesondere Nordostmitteleuropas, mit dem Ziel, die Bedeutung der Region für die europäische Geistesgeschichte aufzuzeigen. Die Aufsätze untersuchen verschiedene Konstellationen der Vergangenheit, die trotz ihrer Vergänglichkeit Verbindungen zur Gegenwart aufweisen. Sie setzen sich mit der Relevanz von „geliehener Geschichte“ für das gegenwärtige Selbstverständnis auseinander.
- Die Bedeutung Ostmitteleuropas für die europäische Geistesgeschichte
- Die Interaktion zwischen Vergangenheit und Gegenwart
- Das kulturelle Gedächtnis und seine Prägung durch politische und gesellschaftliche Veränderungen
- Der Einfluss von Religion auf Gesellschaft und Kultur
- Die Bedeutung der Pluritemporalität für das historische Denken
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Der Prolog stellt den Präsentismus als eine Denkweise in Frage, die die Relevanz von Geschichte allein auf ihren Gegenwartsbezug reduziert. Er argumentiert für eine historisch-theologische Herangehensweise, die die Begegnung der Zeiten und die Relation zwischen "Einst" und "Jetzt" ernst nimmt.
- Das Kapitel über Burkard Waldis (1490-1556) beleuchtet den Einfluss des Reformators auf die Entwicklung der Kirche in Riga und Hessen.
- Das Kapitel über Kurland im Horizont der Reformation untersucht die Auswirkungen der Reformation auf das Herzogtum Kurland, einschließlich der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Akteuren und Einflüssen.
- Das Kapitel über Charlotte Sophie von Kurland (1688-1728) schildert das Leben und Wirken der Äbtissin im Freiweltlichen Reichsstift Herford.
- Das Kapitel über Gotthard Friedrich Stender (1714-1796) analysiert die Theologie des Volksaufklärers und seine Bedeutung für die Gesellschaft seiner Zeit.
- Das Kapitel über Herzog Albrecht von Preußen (1490-1568) widmet sich der theologischen Rolle des Herzogs.
- Das Kapitel über die Abendmahlskanne beleuchtet die Bedeutung von materiellen Objekten für die Vermittlung von Geschichte.
- Das Kapitel über Donelaitis (1714-1780) analysiert seine Werke im Kontext des Königsberger Jahrhunderts.
- Das Kapitel über Luise Adelgunde Victorie Gottsched (1713-1762) untersucht ihre Rolle in der Religionskritik auf der Bühne.
- Das Kapitel über Richard Pfeiffer (1878-1962) befasst sich mit seiner Rolle in der Bewahrung von Kunst, Religion und kulturellem Gedächtnis im europäischen Kontext.
- Das Kapitel über den Calvinismus untersucht die Bedeutung von religiösen Überzeugungen für die Gesellschaft und die Frage, ob der Calvinismus eine "Hebamme" der Moderne war.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Schlüsselwörter des Bandes sind: Ostmitteleuropa, Nordostmitteleuropa, Kirchen- und Kulturgeschichte, Geschichte, Gegenwart, Pluritemporalität, Reformation, Calvinismus, Religion, Kunst, Kultur, Gedächtnis, Präsentismus, "geliehene Geschichte".
- Quote paper
- Prof. Dr. Ulrich Schoenborn (Author), 2019, Unterwegs in gewesenen Wirklichkeiten. Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostmitteleuropas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509488