Die Prognosequalität von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren


Bachelorarbeit, 2019

50 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Konzeptionelle Grundlagen der Prognoseberichterstattung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren
2.1 Bedeutung und Zwecke zukunftsorientierter Berichterstattung
2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen des DRS 20

3 Anwendung der Prognoseberichterstattung der Unternehmen des DAX 30, MDAX und SDAX
3.1 Bisherige Erkenntnisse zur Prognoseberichterstattung
3.2 Empirische Analyse der Prognosequalität
3.2.1 Untersuchungsdesign
3.2.2 Prognosegegenstand
3.2.3 Prognosegenauigkeit
3.2.4 Prognosehorizont
3.2.5 Limitationen der Untersuchung

4 Kritische Würdigung

5 Zusammenfassung

Anhang

Rechtsquellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prognosen über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren

Abbildung 2: Prognoseanzahl nach Prognosegegenstand.

Abbildung 3: Verteilung der Prognosen auf Prognosearten

Abbildung 4: Prognosearten nach Prognosegegenstand

Abbildung 5: Anteile der Aktienindizes an der Grundgesamtheit

Abbildung 6: Nichtfinanzielle Prognosen in der Indexbetrachtung.

Abbildung 7: Prognosegegenstände in der Indexbetrachtung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beispielhafte nichtfinanzielle Leistungsindikatoren (DRS 20.107).

Tabelle 2: Studien nach Umsetzung des DRS 20.

Tabelle 3: Zusammensetzung des Samples.

Tabelle 4: Ausgeschlossene Unternehmen.

Tabelle 5: Verschiedene Prognosearten inkl. Beispiele (DRS 20.11).

Tabelle 6: Anzahl der Prognosen je Prognosegegenstand

1 Einleitung

„Ebenso wie der Lagebericht sind die Prognoseberichte zwar gesetzlich vorge­schrieben. Rein faktisch gehören die Aussagen über zukünftige Ergebnisse heutzu­tage daher zum festen Bestandteil eines jeden Geschäftsberichtes. Nur die Qualität der Aussagen variiert zwischen unbrauchbarem Orakelspruch und präziser Ana- lyse.“1

Bereits 2011 hat Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzverei­nigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW)2, nicht nur die hohe Relevanz der Prog­noseberichterstattung im Lagebericht, sondern auch die Unterschiede in der Quali­tät der veröffentlichten Prognosen festgestellt. Ein ähnliches Bild zeigen verschie­dene Studien, welche die Prognoseberichterstattung im Lagebericht deutlich kriti- sieren.3 Durch Einführung des Deutschen Rechnungslegungs Standard 20 „Kon­zernlagebericht“ (DRS 20) wurden die Anforderungen an den Prognosebericht durch das Deutsche Rechnungslegungs Standard Committee (DRSC) 2012 daher grundlegend erneuert und präzisiert.4

Im Jahr nach der Umstellung untersuchen zahlreiche Studien die Qualität der Prog­noseberichterstattung vor dem Hintergrund des neuen Standards. Sowohl publizie­rende Unternehmen, als auch Verfasser einschlägiger Studien konzentrieren sich dabei vorwiegend auf finanzielle Kennzahlen. Dahingegen ist die Berichterstat­tungspraxis zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Prognosebericht bislang kaum untersucht. Diese gewinnen jedoch in den letzten Jahren - durch das CSR- Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) 20175 und aktuelle klima-politische Entwicklungen - an Bedeutung und rücken zunehmend in den Fokus sämtlicher Stakeholdergruppen.6

Ziel dieser Arbeit ist es, diese Forschungslücke zu schließen, indem die Prognose­qualität nichtfinanzieller Leistungsindikatoren in ausgewählten Prognoseberichten kritisch analysiert wird.

Dazu werden zunächst die konzeptionellen Grundlagen der Prognoseberichterstat­tung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren herausgestellt und die geänderten gesetzlichen Anforderungen erläutert. Im Anschluss daran folgt ein Überblick über die Ergebnisse vorab durchgeführter Studien nach Umsetzung des DRS 20. Im Hauptteil der Arbeit wird auf Basis des gesetzlichen Rahmens ein Anforderungs­profil abgeleitet. Dieses bildet die Grundlage für die empirische Inhaltsanalyse, welche die Prognosequalität der Unternehmen untersucht, diezum 31.12.2018 in den größten deutschen Aktienindizes (DAX 30, MDAX und SDAX) gelistet sind. Dabei liegt der Fokus auf dem Erfüllungsgrad der Anforderungen an Prognosege­genstand, Prognosegenauigkeit sowie Prognosehorizont. Die Ergebnisse werden nachfolgend interpretiert. Im letzten Teil wird die Arbeit mit einer kritischen Wür­digung des gesetzlichen Standards und einer Zusammenfassung vervollständigt.

2 Konzeptionelle Grundlagen der Prognoseberichterstattung über nichtfinan­zielle Leistungsindikatoren

2.1 Bedeutung und Zwecke zukunftsorientierter Berichterstattung

Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften sind nach deutschem Handelsrecht dazu verpflichtet, ihren Jahresabschluss um einen Lage­bericht zu ergänzen (§264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dieser steht dabei neben dem Ab­schluss und den zusätzlichen Angaben im Anhang als eigenständiges Instrument der Rechnungslegung.7 Die Inhalte richten sich für den Lagebericht im Einzelab­schluss nach §289 HGB, bzw. für den Konzernlagebericht nach §315 HGB. Die gesetzlichen Formulierungen beider Normen gleichen sich und auch die Zwecke von Lagebericht und Konzernlagebericht stimmen nahezu überein.8 Außerdem gel­ten die ergänzenden Vorschriften des DRS 20 als GoB für die Konzernrechnungs­legung (§342 Abs. 2). Im Folgenden wird sich auf die Vorschriften des §315 HGB berufen, da diese Arbeit ihren Schwerpunkt auf die Untersuchung von Konzernen legt. Aus Vereinfachungsgründen werden die Begriffe Lagebericht und Konzernla­gebericht daher im weiteren Verlauf synonym verwendet.

Der Lagebericht hat über die gesamtwirtschaftliche Situation und die voraussicht­liche Entwicklung des Unternehmens in der Zukunft zu berichten.9 Die Ausführun­gen im Lagebericht sollen dem verständigen Adressaten ein Bild der wirtschaftli­chen Lage des Unternehmens zum Ende des Geschäftsjahres vermitteln und zudem eine Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung ermöglichen.10 Der primär vergangenheitsorientierte Jahresabschluss wird durch den Lagebericht in zeitlicher und sachlicher Hinsicht ergänzt.11 Somit reduziert die Lageberichterstat­tung bestehende Informationsasymmetrien zwischen Management und Adressa- ten.12

Als Adressaten der Lageberichterstattung sind in erster Linie die Anteilseigner, also sowohl die Eigen- als auch Fremdkapitalgeber eines Unternehmens, zu nennen.13 Darüber hinaus richtet sich der Lagebericht mitunter an die Belegschaft, an externe Finanzanalysten sowie an die interessierte Öffentlichkeit.14 Grundsätzlich kann da­von ausgegangen werden, dass die Lageberichtsadressaten mit den Adressaten der Prognoseberichterstattung übereinstimmen.15

Der Prognosebericht nimmt eine entscheidende Rolle in der Lageberichterstattung ein, da dessen Hauptzweck explizit in der Vermittlung zukunftsbezogener Informa­tionen an die Rechnungslegungsadressaten liegt.16 Diese sollen sich u.a. ein Bild darüber machen können, wie die Unternehmensleitung die voraussichtliche Ent­wicklung des Unternehmens einschätzt. Aus Sicht der publizierenden Unternehmen gestaltet sich die Prognoseberichterstattung jedoch keineswegs trivial.17 Vielmehr steht diese in einem Spannungsfeld zwischen Geheimhaltung und den Informati­onsbedürfnissen des Kapitalmarkts.18 Einerseits messen die Adressaten dem Prog­nosebericht eine hohe Bedeutung bei.19 Von Kapitalmarktexperten beispielsweise wird dieser als wichtigstes Element im Konzernlagebericht erachtet.20

Andererseits kann jedoch etwa das Verfehlen veröffentlichter Prognosen zu nega­tiven Kapitalmarktreaktionen führen oder es können sich Nachteile aus der Offen­legung wettbewerbssensibler Informationen ergeben.21 Insofern stellt der Progno­sebericht einen besonders bedeutsamen, gleichzeitig aber auch kritischen Teil in­nerhalb des Lageberichts dar.22

Ähnlich der hohen Relevanz der zukunftsorientierten Publizität, gewinnt auch die Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte fortwährend an Bedeutung.23 Die Stakeholder erwarten seit Jahren vermehrt die Berücksichtigung von Nachhaltig­keitsaspekten seitens der Unternehmen.24 Infolge bestehender Informationsasym­metrien zwischen Management und unternehmerischen Anspruchsgruppen25 ist so­mit neben der reinen Berücksichtigung von Aspekten der Nachhaltigkeit, die Kom­munikation einer derartigen Ausrichtung nach außen von vergleichbar hoher Be- deutung.26

Aus heutiger Sicht wurde die Pflicht zur Aufstellung einer nichtfinanziellen Erklä­rung als gängiges Berichtsinstrument zwar erst durch Einführung des CSR-RUG ab dem Geschäftsjahr 2017 verpflichtend.27 Dennoch lag bereits 2012 bei der Umset­zung des DRS 20 ein besonderes Augenmerk des Gesetzgebers auf nichtfinanziel­len Leistungsindikatoren in der Lageberichterstattung: Mithilfe der parallelen Ge­staltung der Berichtsanforderungen an finanzielle und nichtfinanzielle Leistungsin­dikatoren sollte der gestiegenen Bedeutung Letztgenannter Rechnung getragen werden.28

Mit Verabschiedung des DRS 20 im September 2012 verfolgte das DRSC das Ziel, mitunter eine einheitlichere zukunftsorientierte Berichterstattung zu erreichen. Da­für wurden gegenüber dem bisherigen Standard DRS 15 markante Modifikationen der Vorgaben der Prognosepublizität vorgenommen.29 Diese Neuerungen und die damit einhergehenden Anforderungen an die Prognoseberichterstattung nach deut­schem Handelsrecht werden im Folgenden vorgestellt.

2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen des DRS 20

Grundsätzlich sind Mutterunternehmen dazu verpflichtet, in ihrem Konzernlagebe­richt die voraussichtliche Entwicklung des Konzerns zu beurteilen und zu erläu- tern.30 Weitere gesetzliche Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prognosebe­richterstattung liegen im HGB jedoch nicht vor. Daher erfolgt die Konkretisierung der Pflicht zur Berichterstattung durch den DRS 20 „Konzernlagebericht“.31 Dieser ersetzt damit die Regelungen des DRS 15 „Lageberichterstattung“ (DRS 20.238­241).32

Das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) entwickelt Emp­fehlungen zur Anwendung der Grundsätze für die Konzernrechnungslegung.33 Diese erlangen im Anschluss durch eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Justiz offizielle Wirkung.34 Wird ein Konzernlagebericht entsprechend den Re­geln des DRSC aufgestellt, so wird davon ausgegangen, dass dieser den Grundsät­zen ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung entspricht.35 Während der DRS 20 zunächst nur für Mutterunternehmen gilt, die einen Konzernlagebericht gemäß §315 HGB aufstellen, so wird dennoch eine entsprechende Anwendung des Stan­dards auf den Lagebericht gemäß §289 HGB empfohlen (DRS 20.2). Die Anforde­rungen an den Prognosebericht, deren Anwendung für nach dem 31.12.2012 begin­nende Geschäftsjahre verpflichtend ist (DRS 20.236), sind in DRS 20.118-134 klas­sifiziert.

Im Konzernlagebericht soll die Konzernleitung Prognosen zum Geschäftsverlauf und zur Lage des Konzerns beurteilen und erläutern. Diese Ausführungen sind zu einer Gesamtaussage zu verdichten (DRS 20.118). Als Prognosen gelten Aussagen über zukünftige Entwicklungen und Ereignisse (DRS 20.11).

Außerdem sind die wesentlichen Annahmen anzugeben, die den Prognosen zu­grunde liegen. Diese müssen gleichzeitig mit den Prämissen, auf denen der Kon­zernabschluss beruht, im Einklang stehen (DRS 20.120). Falls diese Annahmen auf Prognosen anderer Organisationen zurückgreifen, ist dies ebenfalls anzugeben (DRS 20.123). Derartige Prognosen zur Entwicklung der Gesamtwirtschaft und der Branche sind nur in dem Maße darzustellen, wie es das Verständnis der Aussagen zur voraussichtlichen Entwicklung des Konzerns erfordert (DRS 20.124). Die Be­schränkung auf wesentliche Informationen soll ein „Information Overload“36 ver- hindern.37

Der Prognosegegenstand orientiert sich gegenüber dem bisherigen Standard expli­zit am Management Approach .38 Demnach sind Prognosen zu den bedeutsamsten finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren abzugeben, sofern sie auch zur internen Steuerung verwendet werden (DRS 20.126). Dies ist der Fall, wenn sie regelmäßig von der Unternehmensleitung beurteilt werden und Grundlage für Ent­scheidungen des Managements sind.39 Infolgedessen fördert das DRSC die Über­einstimmung zwischen externer Berichterstattung und der internen Steuerungsper- spektive.40 Den Adressaten soll somit ein genauerer Einblick in die Planungspro­zesse des Managements ermöglicht werden und ihnen Aufschluss darüber geben, welche Leistungsindikatoren als steuerungsrelevant klassifiziert werden.41

Während es an einer Begriffsdefinition zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren fehlt, bietet DRS 20.107 einen Katalog mit Beispielen für nichtfinanzielle Leis- tungsindikatoren.42 Diese stimmen weitestgehend mit den idealtypischen Kennzah­len der Nachhaltigkeitsberichtsberichterstattung überein.43 Neben Arbeitnehmer-, Kunden- und Umweltbelangen wird auch die gesellschaftliche Reputation des Kon­zerns aufgeführt. Die genannten Kennzahlen sind jedoch nicht als Mindestanforde­rungen zu verstehen.44 Des Weiteren muss ein Vergleich der Prognose- und Istwerte für denselben Berichtszeitraum möglich sein (DRS 20.126). Dies impliziert, dass sich die Werte auf ein und denselben Gegenstand beziehen und dessen Ermittlung auf die gleiche Art und Weise erfolgt.45

Im Rahmen der Umsetzung des DRS 20 wurde auch der Prognosezeitraum neu fest­gelegt. Dieser fordert eine Verkürzung des Prognosehorizonts von zwei Jahren auf ein Jahr, gerechnet vom letzten Abschlussstichtag. Ergänzend müssen jedoch ab­sehbare Sondereinflüsse auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns nach dem Prog­nosezeitraum dargestellt und analysiert werden (DRS 20.127). Der Reduzierung der Anforderungen an den Prognosehorizont steht eine Verschärfung der Anforderun­gen an die Prognosegenauigkeit gegenüber, mit der eine qualitative Aufwertung erreicht werden soll.46 Vor diesem Hintergrund ist neben dem Ist-Wert auch die erwartete Veränderung des jeweiligen Leistungsindikators anzugeben (DRS 20.128).

Zusätzlich sind sowohl Aussagen über die Richtung der Veränderung (z.B. steigen, fallen), als auch die Intensität dieser (z.B. stark, erheblich, geringfügig, leicht) zu treffen (DRS 20.128-20.129). Solche qualifiziert-komparativen Prognosen sind ebenso erlaubt wie sog. Intervall- und Punktprognosen. Dies bedeutet jedoch die Unzulässigkeit von qualitativen und komparativen Prognosen (DRS 20.130).47 Da­mit die Richtung und Intensität der Veränderung erkennbar sind, muss der jeweilige Vergleichswert entweder im Zusammenhang mit der Prognose oder an anderer Stelle im Konzernlagebericht genannt werden (DRS 20.131).48 Ziel dieser Neure­gelung ist es, den Informationsnutzen in zukünftigen Prognoseberichten zu erhö- hen.49

In Ausnahmefällen, in denen besondere Umstände in Zeiten außergewöhnlich ho­her Unsicherheit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Prognosefähigkeit des Unternehmens vorliegen, können Unternehmen von DRS 20.133 Gebrauch ma­chen. Demnach sind unter Angabe der jeweils zugrundeliegenden Annahmen rein komparative Prognosen oder die Darstellung verschiedener Szenarien zulässig. Ins­besondere das Kriterium außergewöhnlich hoher Unsicherheit kann dabei jedoch ausschließlich unternehmensindividuell beurteilt werden.50

3 Anwendung der Prognoseberichterstattung der Unternehmen des DAX 30, MDAX und SDAX

3.1 Bisherige Erkenntnisse zur Prognoseberichterstattung

Die Umsetzung des DRS 20 implizierte umfassende Änderungen sowie Konkreti­sierungen bisheriger Standards.51 Entsprechend ausführlich wurde daher die Um­setzung der neuen Richtlinien insbesondere in empirisch-deskriptiven Studien nach 2013 untersucht. Innerhalb dieser Studien ergeben sich bezüglich des gewählten Untersuchungsdesigns zum Teil enorme Unterschiede. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit wird sich im Folgenden auf Untersuchungsergebnisse zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren konzentriert. Besondere Beachtung sollen dabei die Erkenntnisse zu den Kriterien erhalten, die von den maßgeblichen Verän­derungen der Umsetzung von DRS 20 am stärksten betroffen sind.

Während an dieser Stelle vereinzelte Studien mit besonderer Relevanz vorgestellt werden, findet sich ein gesonderter Überblick über die Vorgehensweise und die Ergebnisse weiterer ausgewerteter Studien ergänzend im Anhang (Tabelle 2).

In 2014 veröffentlichen Kajüter, Hannen und Huth im Auftrag des DRSC eine Stu­die, welche die Erstanwendung der Neuregelungen von Unternehmen im DAX 30 und MDAX in der Praxis untersucht.52 Während im Durchschnitt 7,0 Prognosen zu finanziellen Leistungsindikatoren veröffentlicht werden, geben die Unternehmen lediglich 1,0 nichtfinanzielle Prognosen ab. Bei diesen wird neben einer mangeln­den Prognosegenauigkeit (42% der Unternehmen erfüllen die Anforderungen nicht) ein Anteil zweijähriger Prognosen von 22% festgestellt. Die Verfasser stellen daher in Frage, ob die vom DRSC beabsichtigte Erhöhung des Informationsgehalts tat­sächlich erreicht werden kann.

Eine weitere Studie für das Jahr der Erstanwendung führen Eisenschmidt und Wennekamp (2015) durch.53 Die Autoren wählen jedoch durch Auswertung der Unternehmen im HDAX und SDAX ein größeres Sample. Dies wird aus Gründen der Vergleichbarkeit um Finanzdienstleister (Banken und Versicherungen), sowie Unternehmen mit Sitz im Ausland bereinigt, so dass die endgültige Stichprobe 125 Unternehmen umfasst. Die Verfasser beobachten, dass im Durchschnitt 0,54 nicht­finanzielle Leistungsindikatoren prognostiziert werden. Darüber hinaus werden ebenfalls Mängel hinsichtlich der Genauigkeit der Prognosen bemerkt. Die Verkür­zung des Horizonts auf ein Jahr wird jedoch weitestgehend umgesetzt.

Während den oben genannten Studien empirisch-deskriptive Verfahren zugrunde liegen, kommen in der Literatur auch andere Analysetools zur Beurteilung der Prognosegüte zum Einsatz. Kümpel, Luksch und Oriolo (2015) testen die Progno­sequalität der HDAX-Unternehmen anhand eines selbsterstellten Scoring-Mo- dells.54 Des Weiteren ergänzen Ruhnke, Heinrichs und Kundt (2019) ihre Untersu­chung der Unternehmen aus Prime- und General Standard um Auswertungen mit weiteren statistischen Indizes, sowie einer multivariaten Regressionsanalyse.55 Ob­wohl die Studien aktueller sind und andere Auswertungsverfahren Berücksichti­gung finden, kommen beide übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Bericht­erstattung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren weitestgehend unbefriedi­gend ist.56

Die Studie von Axjonow, Pott und Square (2017) ist ebenfalls hervorzuheben. An­hand der Analyse der DAX 30-Unternehmen für die Geschäftsjahre 2009-2013 wird die Prognosequalität im Rahmen von Nachhaltigkeitsberichten untersucht.57 Dies ist insofern relevant für diese Arbeit, als dass die Studie explizit nichtfinanzi­elle Leistungsindikatoren analysiert. Jedoch stellt die Grundlage der Untersuchung nicht der Prognosebericht im Konzernlagebericht dar, sondern die zu diesem Zeit­punkt noch freiwillig - meist entlang der GRI-Leitlinien - publizierte Nachhaltig­keitsberichterstattung der Unternehmen. Die Autoren stellen gleichwohl eine unzu­reichende Prognosequalität fest. Sie empfehlen daher im Sinne einer Annäherung an die Prognosevorschriften des DRS 20 die Konkretisierung der Vorgaben der GRI-Leitlinien.

Zusammenfassend ist über alle Studien hinweg eine unzureichende Prognosequali­tät nichtfinanzieller Leistungsindikatoren zu konstatieren. Des Weiteren ist die Prognoseberichterstattung zu diesen Kennzahlen auch in ihrem Umfang nicht aus­reichend. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die ausgewerteten Studien zum Teil auf kleinen Grundgesamtheiten beruhen oder aus dem Jahr der Erstanwendung von DRS 20 datieren. Dort könnten mangelnde Erfahrungswerte zu Prognosen über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren Grund für die einschlägigen Untersuchungs­ergebnisse sein.58

Damit dem stetig steigenden Informationsbedarf der Stakeholder nach nichtfinan­ziellen Aspekten Rechnung getragen wird, liegt der Fokus der folgenden empiri­schen Inhaltsanalyse explizit auf der Qualität der Vorhersagen über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren im Prognosebericht.

3.2 Empirische Analyse der Prognosequalität

3.2.1 Untersuchungsdesign

Die Prognosequalität nichtfinanzieller Leistungsindikatoren wird anhand der im Konzernlagebericht veröffentlichten Prognoseberichte analysiert. Die Ausgangsda­tenbasis umfasst die Geschäftsberichte aller Unternehmen, die zum 31.12.2018 in den deutschen Aktienindizes DAX 30, MDAX und SDAX gelistet sind. Dadurch soll ein branchenunabhängiger, indexübergreifender Überblick ermöglicht werden. Insbesondere die Berücksichtigung von kleineren, im SDAX gelisteten Unterneh­men, soll Aufschluss darüber geben, ob und inwiefern sich die Größe eines Unter­nehmens und seine Umsatzstärke auf die Berichterstattung auswirken. Die Werte des TecDAX, die in bisherigen Studien häufig Teil der Untersuchung waren, wur­den zum 24. September 2018 in die übrigen Indizes überführt und sind daher nicht gesondert auszuweisen.

Die Grundgesamtheit der 160 Unternehmen wird aus Gründen der Vergleichbarkeit zunächst um 14 Finanzdienstleister (Banken und Versicherungen) bereinigt, da diese speziellen Rechnungslegungsvorschriften unterliegen.59 Zudem werden 14 Unternehmen mit Sitz im Ausland von der Untersuchung ausgeschlossen, da diese nicht zur Aufstellung eines Konzernlageberichts gem. § 315 HGB verpflichtet sind. Darüber hinaus ist das B2B-Versandhandelsunternehmen TAKKT AG (SDAX) be­sonders hervorzuheben. Es liegt mit insgesamt 16 nichtfinanziellen Angaben im Prognosebericht nicht nur deutlich über dem Sampledurchschnitt, sondern beein- flusst diesen auch maßgeblich. Bei Nichtberücksichtigung des Unternehmens erge­ben sich deutlich aussagekräftigere Werte. Des Weiteren werden im Prognosebe­richt der TAKKT AG zwar die Anforderungen von DRS 20 hinsichtlich Prognose­genauigkeit und -horizont erfüllt. Dennoch erfolgt keine explizite Nennung des Prognosegegenstands, sondern lediglich ein indirekter Verweis auf die im Wirt­schaftsbericht genannten Kennzahlen.60 Daher sind die zukunftsbezogenen Aussa­gen im Geschäftsbericht der TAKKT AG aus Gründen der Vergleichbarkeit fortan nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung. Das finale Sample enthält damit ins­gesamt 131 Prognoseberichte deutscher gelisteter Unternehmen.61

Die Datenerhebung erfolgt im Rahmen einer inhaltsanalytischen Auswertung. Die Aufbereitung und Analyse der Daten findet in Microsoft Excel anhand von deskrip­tiv-statistischen Methoden statt. Dabei wird bewusst auf den Einsatz eines Scoring- Modells wie etwa bei Kümpel, Luksch und Oriolo (2015) verzichtet. Dazu wäre ein objektiver und einheitlicher Kriterienkatalog erforderlich, der durch die Ausrich­tung von DRS 20 am Management Approach nicht vorliegt.62 Dieser fordert die Berücksichtigung der bedeutsamsten finanziellen und nichtfinanziellen Leistungs­indikatoren, die auch zur internen Steuerung herangezogen werden (DRS 20.102 und 106). Derartige Kennzahlen sind jedoch weitestgehend branchen- und unter­nehmensspezifisch, was die Vergleichbarkeit eines solchen Katalogs begrenzen und die Aussagekraft einer Analyse entscheidend limitieren würde.

Die Prognosequalität wird in dieser Arbeit nicht anhand des Erfüllungsgrads der Vorhersagen gemessen. Vielmehr soll die Konformität der Prognosen mit den ge­änderten Vorgaben des DRS 20 und dem damit verbundenen Informationsgehalt für den Adressaten als Grundlage der Analyse dienen. Damit stellt sich die Frage, welche Kriterien als geeigneter Beurteilungsmaßstab verwendet werden können.

Dem DRSC zufolge stellen zunächst der Prognosegegenstand und die Prognose­genauigkeit die entscheidenden Bestimmungsfaktoren einer aussagekräftigen Prognoseberichterstattung dar.63

Durch die Orientierung der gesetzlichen Anforderungen des Prognosegegenstands am Management Approach,64 unterscheiden sich die prognostizierten Kennzahlen in Bezeichnung und Ermittlung teils deutlich. Dennoch kann eine Klassifizierung des Prognosegegenstands anhand der folgenden fünf Kategorien vorgenommen werden:

- Mitarbeiterbelange,
- Kundenbelange,
- Umweltbelange,
- Forschungs- und Entwicklungsbelange (F&E) und
- Sonstige Belange.

Dies ist insofern sachgemäß, als dass sich die Einteilung stark an den vom DRSC vorgeschlagenen Leistungsindikatoren orientiert.65 In dieser Analyse werden die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung als nichtfinanzielle Kennzahl ge­wertet. Dabei wird dem Vorgehen von Hachmeister, Stenzel und Bootsmann (2016) gefolgt.66 In die Kategorie „Sonstige Belange“ fallen größtenteils einzelne bran­chenspezifische Leistungsindikatoren, die nicht einer der anderen Kategorien ein­wandfrei zuordenbar sind.

Hinsichtlich der Prognosegenauigkeit muss zunächst zwischen zulässigen und un­zulässigen Prognosen differenziert werden. Die nach DRS 20 unzulässigen qualita­tiven und komparativen Prognosen besitzen weder eine hohe Aussagekraft, noch ermöglichen diese einen geeigneten Prognose-Ist-Vergleich.67 Indes erfüllen die zulässigen Prognosearten diesen Zweck und erhöhen die Entscheidungsnützlichkeit des Prognoseberichts. Die zulässigen Prognosearten werden entsprechend ihres Charakters unterteilt in:

- Qualifiziert-komparative Prognosen,
- Intervallprognosen und
- Punktprognosen.

Eine Übersicht über die zulässigen und unzulässigen Prognosearten mit zugehöri­gen Beispielen findet sich im Anhang (Tabelle 5).

[...]


1 Hocker (2011)

2 Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. ist der führende deutsche Verband für private Anleger.

3 Vgl. Quick/Reus (2009); Kajüter et al. (2010); Barth/Beyhs (2012).

4 Vgl. Kajüter et al. (2014), S. 2842.

5 Vgl. Axjonow et al. (2017), S. 1.

6 Vgl. Arbeitskreis Externe Unternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebs­wirtschaft e.V. (2015), S. 1.

7 Vgl. Fink et al. (2013), S. 3.

8 Vgl. Baetge et al. (2019), S. 738.

9 Vgl. §315 Abs. 1.

10 Vgl. Fink et al. (2013), S. 3f.

11 Vgl. Baetge et al. (2019), S. 738.

12 Vgl. Fink et al. (2013) S. 4.

13 Vgl. Tesch/Wißmann (2009), S. 19.

14 Vgl. Hartmann (2006) S. 18.

15 Vgl. Barth (2009) S. 28.

16 Vgl. Baetge/Sommerhoff (2010), S. 514.

17 Vgl. Fink et al. (2013), S .163.

18 Vgl. Höfer (2016), S. 2.

19 Vgl. Kajüter et al. (2010), S. 459.

20 Vgl. Prigge (2006), S. 220.

21 Vgl. Kajüter et al. (2014), S. 2841.

22 Vgl. Kajüter et al. (2014), S. 2848.

23 Vgl. Lackmann/Stich (2013), S. 236.

24 Vgl. Axjonow et al. (2017), S. 1.

25 Vgl. Ergün et al. (2012a), S. 435.

26 Vgl. Labbé/Stein (2007), S. 2661.

27 Vgl. Mania (2018), S. 63.

28 Vgl. DRS 20 B26 Satz 4.

29 Vgl. Großkopf/Hitz (2015), S. 1229.

30 Vgl. §315 Abs. 1 Satz 5.

31 Vgl. DRS 20.1.

32 Vgl. Philipps (2015), S. 445.

33 Vgl. §342 Abs. 1 Satz 1 HGB.

34 Vgl. Fink et al. (2013), S. 23.

35 Vgl. §342 Abs. 2 HGB.

36 Die Gefahr des „Information Overload“ im Lagebericht entsteht durch dessen zunehmenden Be­richtsumfang. Dieser erschwert es den Berichtsadressaten, die relevanten Informationen heraus­zufiltern. Vgl. Eisenschmidt/Schmidt (2011), S. 349.

37 Fink et al. (2013), S. 72.

38 Vgl. DRS 20 B13 S. 2.

39 Vgl. Hachmeister/Glaser (2016), S. 23.

40 Vgl. Großkopf/Hitz (2015), S. 1231.

41 Vgl. Ergün et al. (2012b), S. 901.

42 Siehe dafür Tabelle 1 im Anhang.

43 Vgl. Lackmann/Stich (2013), S. 238.

44 Vgl. DRS 20.8.

45 Vgl. Fink et al. (2013), S. 166.

46 Vgl. DRS 20 B34.

47 Vgl. Kolb et al. (2016), S. 168.

48 Vgl. Fink et al. (2013), S. 169.

49 Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Ergün et al. (2012b), S. 899.

50 Vgl. Barth (2012), S. 23.

51 Vgl. Mania (2018), S. 169.

52 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Kajüter et al. (2014), S. 2841-2848.

53 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Eisenschmidt/Wennekamp (2014), S. 363-371.

54 Vgl. Kümpel et al. (2015a), S. 199-204.

55 Vgl. Ruhnke et al. (2018), S. 283-292.

56 Vgl. Kümpel et al. (2015b), S. 250; Ruhnke et al. (2018), S. 292.

57 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Axjonow et al. 2017, S. 26.

58 Vgl. Kajüter et al. (2014), S. 2844.

59 Vgl. dazu Eisenschmidt/Schmidt (2011), S. 349; Barth/Beyhs (2010), S. 562.

60 Vgl. TAKKT AG (2019), S. 95.

61 Eine detaillierte Zusammensetzung des Samples zeigt Tabelle 3 im Anhang, Die relative Vertei­lung der Unternehmen auf die drei Indizes kann Abbildung 5 im Anhang entnommen werden. Tabelle 4 des Anhangs zeigt die aus der Stichprobe ausgeschlossenen Unternehmen.

62 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Eisenschmidt/Wennekamp (2014), S. 366.

63 DRS 20. B32.

64 Vgl. DRS 20.126.

65 Vgl. DRS 20.107.

66 Vgl. Hachmeister et al. (2016), S. 44.

67 Vgl. DRS 20.128-130.

Ende der Leseprobe aus 50 Seiten

Details

Titel
Die Prognosequalität von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Note
1.7
Autor
Jahr
2019
Seiten
50
Katalognummer
V509663
ISBN (eBook)
9783346089489
ISBN (Buch)
9783346089496
Sprache
Deutsch
Schlagworte
prognosequalität, leistungsindikatoren
Arbeit zitieren
Jonathan Starke (Autor:in), 2019, Die Prognosequalität von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509663

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