Städtische Gemeinschaft und Nachbarschaft in der Stadt


Hausarbeit, 2019

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Gemeinschaft
2.1 Gemeinschaften in der Stadt
2.2 Verlust sozialer Gemeinschaft in der Stadt
2.3 Gemeinschaftsbeziehungen mit sporadischen oder gar keinen face-to-face-Kontakten

3. Nachbarschaft
3.1 Städtische Nachbarschaften
3.2 Verhalten der Nachbarn
3.3 Räumliche Gegebenheiten von Nachbarschaftsbeziehungen

4. Sharing Economy, die neue Kultur des Teilens in der städtischen Nachbarschaft

5. Abgrenzung zwischen dem Begriff der Gemeinschaft und der Nachbarschaft

6. Gesellschaftliche Veränderung und die damit verbundenen Veränderungen der Nachbarschaft und Gemeinschaft

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Gemeinschaften gibt es schon seit jeher, dieser Begriff wird meist in Abgrenzung zur Gesellschaft verwandt. Gemeinschaften existieren in den verschiedensten Formen, doch nur in die Gemeinschaft der Familie werden wir hinein geboren und bleiben dieser meist ein Leben lang verbunden. Die Mitgliedschaften in anderen sozialen Gemeinschaften lassen sich im Allgemeinen frei entscheiden. In der Stadtsoziologie nimmt die Gemeinschaft ein zentrales Thema ein, welches seit Beginn der Urbanisierung zu diversen Diskussionen führte.

Nachbarschaften bestanden vorerst nur auf dem Land und stammen aus den agrarischen Verbindungen er nahebei wohnenden Menschen. Dörfer waren in Nachbarschaften gegliedert, welche sich gegenseitig bei Arbeiten und Nöten halfen. Die Nachbarschaft in der Stadt beginnt mit der Industrialisierung und verändert sich seither stetig. So ist sie zu Zeiten des Mittelalters verknüpft mit verpflichtenden Hilfeleistungen und gegenseitiger Abhängigkeit, während sie heute mehr und mehr frei wählbar ist und eher auf distanziertem Verhalten beruht.

In der folgenden Hausarbeit sollen die städtische Gemeinschaft und Nachbarschaft in der Stadt beschrieben werden. Dabei wird zunächst auf die soziologische Sicht der Gemeinschaft eingegangen und die Herkunft und Entwicklung der Nachbarschaft erörtert. Später werden die Unterschiede der Begrifflichkeiten erläutert, jedoch auch aufgezeigt, was Gemeinschaft und Nachbarschaft miteinander gemein haben. Des Weiteren wird auf die gesellschaftlichen Veränderungen von Nachbarschaft und Gemeinschaft eingegangen und Punkte aufgeführt, welche zu diesen Veränderungen führen können. In diesem Zusammenhang wird die „Neue Kultur des Teilens“ dargestellt und wie diese die Nachbarschaft und die Nachbarschaftshilfe verändert. Das Ziel dieser Arbeit ist es, den Begriff der Gemeinschaft und Nachbarschaft in der Stadt zu erläutern und deren Unterschiede und Veränderungen anhand von Beispielen darzustellen.

2. Gemeinschaft

In der klassischen deutschen Soziologie beschreibt Tönnies schon im 19. Jahrhundert die Grundformen der Gemeinschaft welche die Familie und Verwandtschaft, sowie die Nachbarschaft und Freundschaft bilden. Des Weiteren sagt er, dass das gemeinschaftliche Leben primär durch gefühlsmäßige Beziehungen zwischen Menschen gekennzeichnet ist.1 Die Grundlage dieser Gemeinschaft sind also Gefühl, Gewohnheit, Verständnis und Traditionen. Dabei muss erwähnt werden das Tönnies zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft unterscheidet. Die Sozialbeziehungen in der Gesellschaft stellen bei ihm Tauschgeschäfte und Vertragsgeschäfte dar, diese seien rationale Verhältnisse.2 Die Gemeinschaft ist dem „Wesenwillen“3 zugeordnet und unterscheidet sich vom „Kürwillen“4, welchen er der Gesellschaft zuordnet. Tönnies beschreibt die Gemeinschaft als dauerhafte, intime menschliche Beziehungen. Mitglieder einer Gemeinschaft folgen den gleichen Werten und Normen und sind einander loyal. Ebenso beschreibt auch Max Weber die Grundlagen der Gemeinschaft als emotionale und traditionale soziale Beziehungen. Seine Definition der Gemeinschaft ist stark durch Ferdinand Tönnies beeinflusst. Die Familie gilt auch bei ihm als typisches Beispiel, er allerdings spricht hierbei von Vergemeinschaftung und versteht darunter soziale Beziehungen, die auf subjektiv gefühlter Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruht.5 Als Dritten in der klassischen deutschen Soziologie zu erwähnen gilt Georg Simmel, der nicht den Gegensatz zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft sieht. Bei ihm steht im Vordergrund der Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft.

Eine ontologische Sichtweise auf Gemeinschaft hat sich bereits in der Zeit von Thomas von Aquin (13. Jh) ergeben. Aus der heutigen Zeit sprechen für diese Sichtweise, gattungsgeschichtliche als auch sozialisationsbezogene Beobachtungen. Andere Menschen sind immer schon da und lassen sich auch nicht einfach ausblenden. Mit der ontologischen Sicht ist eine ursprüngliche Form des menschlichen Zusammenlebens gemeint. Der Mensch ist von klein auf in Gemeinschaften eingebunden, er lebt in Familien, Städten, Ländern und Staaten.6 Die Gemeinschaft bezieht sich hier nicht nur auf familiäre, nachbarschaftliche und freundschaftliche Beziehungen wie bei Tönnies, Weber und Simmel. Viel mehr kann hier von Grenzen gesprochen werden die sich auf räumliche Dimensionen wie Nachbarschaft, Stadtteil oder bis zur Nation beziehen. Neben der territorialen Gemeinschaft sprechen Hartmut Rosa u.a. auch von der eigentumsförmigen Gemeinschaft die sich auf Besitz und Güter bezieht oder sich über Kultur und Verhalten definiert. Zudem zählen sie als drittes eine Gemeinschaft auf, die sich habituell definieren lässt, also über gemeinsame Sitten, Sprache, Kultur oder Traditionen.7

Das Tönniessche Gemeinschaftskonzept als spezifisches soziales Miteinander und die Einbeziehung des vormodernen Dorfes ließen eine Forschungstradition entstehen, die Gemeinschaft in Dorf und Stadt untersuchten. Diese Untersuchungen bestätigten die von Tönnies beschriebenen geteilten Werte und sozial-emotionale Bindungen, allerdings wurde festgestellt das Mitglieder nur noch teilweise in ihre Gemeinschaften eingebunden sind. Somit begann in den 1950er Jahren eine Neuerung der ursprünglichen Definition von Tönnies. Von nun an wurde es als ausreichendes Kriterium erachtet, wenn gemeinschaftstypische Beziehungen existierten, womit die Gemeinschaft nun auch in der Stadt präsent ist.

2.1 Gemeinschaften in der Stadt

Die drei klassischen Gemeinschaften sind die Religionsgemeinschaft, die der gemeinsame Glaube verbindet, die Familie, die die gemeinsame Abstammung teilen und die örtlichen Gemeinschaften die sich durch Wohnort oder Nachbarschaft definieren. Gemeinschaften sind in der modernen Stadt überall anzutreffen, ein Beispiel sind Stadtmissionen die sich um Obdachlose kümmern und auf diese zugehen. Diese bieten meist eine Anlaufstelle welche ein Zentrum schafft in dem man verweilen kann und die Möglichkeit erhält sich in einer Gemeinschaft wiederzufinden. Sportvereine bilden ebenso Gemeinschaften, besonders Teamsportarten bilden für die Akteure selbst einen wichtigen Bereich ihres Lebens. Genauso sind auch die Fans in diese Sportgemeinschaft mit eingebunden. Die Grundlagen einer Gemeinschaft sind hier wiederzufinden. Geteilte Werte, emotionale Bindungen und Solidarität, diese Grundbedingungen für Gemeinschaft sind seit jeher mit dem Sport verknüpft. Des Weiteren bilden auch die Nutzer von Gemeinschaftsgütern eine Gemeinschaft. Gemeinschaftsgut oder in der Wirtschaftswissenschaft auch Allmendegut genannt zeichnet sich dadurch aus, dass es rival und nicht ausschließbar ist. Gemeinressourcen sind elementar für unser Leben und sind dadurch bestimmt wie Menschen diese Ressourcen für die Gesellschaft zur Verfügung stellen. Dieses bildet den Unterschied, ob eine Ressource Gemeingut oder Privatgut darstellt. Des Weiteren stellt die Verantwortung für eine Ressource ein wichtiges Merkmal dar, welches Gemeinschaftsgüter von öffentlichen Gütern abgrenzt. Auch das Merkmal der Verantwortung kommt einem privaten Gut zu. Der Unterschied zwischen privaten Gütern und Gemeinschaftsgütern liegt darin, dass die Verantwortung bei Gemeinschaftsgütern geteilt wird und bei Privatgütern nicht. Ein Beispiel hierzu ist das urban gardening auch urbaner Gartenbau genannt. Viele urbane Gärten werden wie Gemeinschaftsgüter genutzt. „Partizipation und das Einbeziehen der Nachbarschaft sind unabdingbare Prinzipien.“8 Gemeinschaftsgärten in der Stadt bringen die unterschiedlichsten Gruppen zusammen. Akteure der verschiedensten Milieus, Länder und Altersklassen können hier in Kontakt treten und erfahren gegenseitige Unterstützung. Durch die regelmäßigen Begegnungen können sich hier soziale Strukturen bilden und die Menschen zu einer festen Gemeinschaft werden. Gemeinschaftliche Gartenprojekte in „Problemvierteln“ bieten auch eine Möglichkeit, dass sich die Menschen des Stadtviertels kennen lernen und es zu Austausch und Kommunikation miteinander kommt. In der städtischen Sozialarbeit wird die Wechselwirkung von Individuum, Gemeinschaft und Gesellschaft und die Bindung des Einzelnen an seine Lebenswelt und an die gesellschaftliche Gemeinschaft thematisiert. Aus diesen Motiven heraus können Gemeinschaftsgärten einen wichtigen Beitrag zu positiven Nachbarschaftsverhältnissen bilden. Die Gemeinschaft wird hier verbunden mit Dialog, Verantwortung, Menschlichkeit und gegenseitiger Hilfe.

Die Verstädterung, die mit der Industrialisierung begann, ging mit einem Wandel der ökonomischen, kulturellen, politischen und sozialen Strukturen einher. Insbesondere die Veränderungen der sozialen Strukturen beeinflusst seitdem die Stadtforschung und hat einen großen Umfang in der Literatur eingenommen. Die Kritik über nicht vorhandene oder den Rückgang von sozialen Beziehungen in der Stadt, mit der sich seitdem große Teile der Literatur befassen, hat bis heute überdauert. Im Fokus stehen hier die soziale Integration von einzelnen Personen in die lokalen sozialen Stadtgemeinschaften. So sei der Verlust von sozialen Gemeinschaften und auch die veränderten sozialen Beziehungen abzuleiten aus der Lebensweise in der Stadt. Die Beziehungen in der Stadt wären überwiegend formeller Natur. So sagt auch Simmel, dass die sozialen Beziehungen der Städter oftmals einen ökonomischen Hintergrund haben. Er versuchte den Effekt der Geldwirtschaft, welche vor allen Dingen in der Stadt wieder zu finden ist, auf die sozialen Beziehungen abzuschätzen. Hierbei spricht er von den Verstandsbeziehungen, die im Gegensatz zu den Gemütsbeziehungen stehen.9 Die Verstandsherrschaft und die Lockerung der sozialen Gemeinschaften sieht er als Besonderheit der Evolution von sozialen Gruppen. Durch den Prozess der Verstädterung in der Gesellschaft gibt es eine anhaltende Veränderung der sozialen Beziehungen und somit auch der Gemeinschaften. Zusammengefasst gibt es Gemeinschaften in der Stadt in den verschiedensten Formen und mit den verschiedensten Hintergründen. Damit es aber zu einer Gemeinschaft kommen kann, bedarf es einem Startpunkt mit nahräumlichen Strukturen, damit sich um diesen herum Gemeinschaftlichkeit entwickeln kann.

2.2 Verlust sozialer Gemeinschaft in der Stadt

Die vorher bereits angesprochene Kritik an der Stadt weißt auf einen Verlust der sozialen Gemeinschaft hin. Beziehungen zu Verwandten und Nachbarn würden verloren gehen, dies sei eine Folge der städtischen Lebensweise. Die gesellschaftliche Entwicklung, welche durch Individualisierung, immer größere Mobilität usw. gekennzeichnet ist, führe zu einem Verlust der nahen Bezugspersonen. Damit gemeint ist die Beziehung zu den nahräumlichen Nachbarn und der Bezug zu der ursprünglichen Gemeinschaft der Verwandtschaft. Soziale Beziehungen der Menschen in der Stadt werden immer individueller und lösen sich von den sozialen Gemeinschaften ab. Der Einzelne ist nicht mehr eingebunden in festgelegte soziale Verbände, sondern findet sich in kleinen, künstlichen Gruppen wieder. Diese Bindungen sind nicht von Dauer und jederzeit von dem Einzelnen wechselbar. Auch die Beziehungen zu weiteren Mitmenschen in der Stadt ist eher von einem Nützlichkeitsfaktor bestimmt, sie werden ausgewählt nach Brauchbarkeit und Nutzen. Eine dauerhafte Bindung mit gegenseitigen Hilfeleistungen, wie sie in einer sozialen Gemeinschaft besteht, wird hierbei umgangen. Diese durch ihren Nutzen bestimmten Beziehungen ergeben die überwiegenden sachlichen Beziehungen der Menschen in der Stadt.10 Auch Rolf Linder schreibt von einer Versachlichung der Beziehungen der Menschen untereinander, welche durch die Geldwirtschaft in der Stadt ausgelöst wird. Die Städter seien individuell unabhängig, allerdings durch unzählige Kontakte aufeinander angewiesen. Diese Kontakte aber basieren nur auf einer rein sachlichen und geldabhängigen Weise.11

Dem Verlust der Gemeinschaft in der Stadt widersprechen unter anderem Anhänger des Community-Saved-Ansatzes. Sie sehen die sozialen Beziehungen zu Nachbarschaft und Verwandtschaft durch die städtische Lebensweise nicht gefährdet. Durch die Möglichkeiten der Mobilität und modernen Kommunikation werden die sozialen Beziehungen frei wählbar und sind nicht lokal gebunden. Somit sind starke soziale Gemeinschaften immer noch vorhanden, können sich aber weitläufiger verteilen. Auch die Community-Liberated-Argumentation weist auf die Flexibilität in der Stadt hin und dass dadurch eine freie Gestaltung sozialer Beziehungen möglich ist. Durch die große Anzahl an Interaktionsmöglichkeiten ist es möglich Zugang zu vielen verschiedenen Netzwerken zu erlangen. Die sozialen Beziehungen eines Stadtbewohners sind ein räumlich weit verteiltes Netzwerk, welches nicht aus einer nahräumlichen und dichtverknüpften Gemeinschaft bestehen muss.12

Die Sichtweise auf gemeinschaftsorientierte Bindungen in denen nach sozialen, kulturellen und religiösen Gemeinsamkeiten im urbanen Raum gesucht wird, kann man überall in der Gesellschaft wiederfinden. Wolf-Dietrich Bukow sagt dazu, dass es überall zu einer Marginalisierung dieser Elemente kommt und bezieht sich hierbei immer wieder auf die Literatur von Georg Simmel. „Warum man hier dennoch immer wieder zu den Gemeinschaftsbindungen zurückkehren will und warum man gerade angesichts zunehmender Migration und Mobilität diese geradezu beschwört, liegt wohl weniger daran, dass man nach wie vor der Zivilgesellschaft zu wenig zutraut, sondern vor allem auch daran, dass, (…) gemeinschaftliche Bindungen gut dazu geeignet sind, eine Privilegienstruktur aufrecht zu erhalten und Rassismus zu pflegen. Hinzu kommt freilich auch, dass man sich zu wenig bewusst ist, wo der „neue“ gesellschaftliche „Ort“ der vermissten gemeinschaftlichen Bindungen eigentlich ist.“13 Diese gemeinschaftsorientierten Bindungen hätten nach wie vor Platz in der Gesellschaft, allerdings nicht in der Konstruktionslogik der Stadtgesellschaft, sondern in der Konstruktionslogik der individuellen Lebenswelt der Menschen.14 In den Lebenswelten der Städter geht es nicht um sozioökonomische Aspekte, sondern um die Interessen der individuellen Gruppen und den Werten und Normen die diese teilen.

2.3 Gemeinschaftsbeziehungen mit sporadischen oder gar keinen face-to-face-Kontakten

Schon seit einigen Jahrzehnten gibt es die Beschreibung einer ‚Gemeinschaft ohne Nähe‘. Die räumliche Nähe oder das tatsächliche Treffen von Personen spielt hierbei nur eine geringe oder gar keine Rolle. Gläser beschreibt diese Begriffsdefinition von Gemeinschaft ohne Nähe anhand des Beispiels von Berufsgemeinschaften. Gemeinden wurden ursprünglich als Berufsgemeinschaften bezeichnet, wenn die Einwohner des Dorfes fast ausschließlich z.B. im Bergbau beschäftigt waren. Der Bezug zur Gemeinde verschwand später und die ursprüngliche räumliche Nähe der Mitglieder war nicht mehr zwangsläufig gegeben. Sie wurden trotzdem weiter als Gemeinschaft bezeichnet und hatten auch weiterhin gemeinsame Werte, Normen und Perspektiven auf ihre Arbeit. Zudem wurden auch weiter soziale Beziehungen gepflegt, welche sich über ihre Arbeit und Freizeit erstrecken. Die von Tönnies beschriebenen Merkmale einer Gemeinschaft werden in diesem Zusammenhang zwar abgeschwächt, allerdings bleiben die zentralen Grundgedanken beibehalten.15 „Gemeinschaften bezeichnen Kollektive, die auf multiplexen, viele Bereiche des alltäglichen Lebens berührenden solidarischen Beziehungen beruhen und in denen geteilte Werte, emotionale Bindungen und Solidarität eine große Rolle spielen.“16 In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden zudem neue Gemeinschaften, welche sich nicht durch neue Inhalte der sozialen Beziehungen zu den ‚alten‘ Gemeinschaften unterscheiden, sondern dadurch das sie Internetbasiert sind. Der Begriff der Gemeinschaft wird somit zunehmend an die heutige Zeit angepasst und wird für immer mehr Kollektive genutzt, welche oftmals nur noch wenig mit der ursprünglichen Definition zu tun haben. Allerdings wird der ursprüngliche Begriff der Gemeinschaft von Autoren wie Christian Stegbauer verteidigt. In ‚Grenzen virtueller Gemeinschaften‘ kommt er zu dem Schluss, dass der Gemeinschaftsbegriff nicht auf virtuelle Gruppe angewendet werden kann, geht man vom klassisch soziologischen Sprachgebrauch aus. Als ein Beispiel nennt er Stegbauer, welcher davon spricht, das Gemeinschaft Macht über einzelne Mitglieder ausübt und über deren Verhalten bestimmen kann. Dies ist im virtuellen Raum so nicht möglich, durch die Anonymität steht es dem Einzelnen offen mit nur einem Mausklick aus einer virtuellen Gruppe auszutreten. Jedoch gibt es auch Definitionen von Einzelnen, die virtuelle Gruppen durchaus als eine Gemeinschaft ansehen. So sagt beispielsweise Rheingold: „Virtuelle Gemeinschaften sind soziale Zusammenschlüsse, die dann im Netz entstehen, wenn genug Leute diese öffentliche Diskussion lange genug führen und dabei ihre Gefühle einbringen, so dass im Cyberspace ein Geflecht persönlicher Beziehungen entsteht“17 Vor dem klassischen sozialwissenschaftlichen Hintergrund lässt sich allerdings festhalten, dass diese Definition Rheingold‘s nicht damit vereinbar ist. Wendet man die Kriterien von Tönnies auf die virtuellen Gruppen an stellt man fest, dass die Mitglieder nicht ausreichend untereinander kommunizieren, die Mitglieder ihre Identitäten nicht kennen und die Gruppen nicht dazu in der Lage sind ihre Mitglieder zu beeinflussen. Komplett ausschließen lässt sich die soziale Seite im Internet aber nicht. Es sind durchaus virtuelle Gruppen zu finden, welche soziale Merkmale aufweisen. Geht man von den Grundbegriffen Homans‘ zu Gruppenprozessen aus sind drei Prozesse entscheidend. Aktivität, also eine gemeinsame Tätigkeit, Interaktion und Gefühle.18 Diese drei sozialen Gruppenprozesse lassen sich zwar nur schwer auf Online-Gruppen übertragen, sind aber durchaus in zum Beispiel in Clans von Onlinespielen zu finden. Verschiedene Gruppen mit diesen Merkmalen nennt Udo Thiedeke: „Als empirische Beispiele virtueller Gruppen können virtuelle Selbsthilfegruppen, Clans in Online-Spielen, Hacker-Gruppen, gated Chat-Channels o.ä. gelten.“19 Somit gibt es zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen auf Gemeinschaften ohne face-to-face Kontakt. Geht man von dem ursprünglich soziologischen Begriff aus, so ist Gemeinschaft ohne direkten Kontakt nicht möglich. Man könnte aber die Möglichkeit in Betracht ziehen den Begriff an die heutige Lebenswelt anzupassen.

[...]


1 Vgl. (Lichtblau, 2000, S. 4-5)

2 Vgl. (Lichtblau, 2000, S. 4-5)

3 Vgl. (Tönnies, 1991)

4 Ebd.

5 Vgl. (Weber, 1984, S. 68-70)

6 Vgl. (Hartmut, Strecker, Gertenbach, & Laux, 2010, S. 21-23)

7 Vgl. (Hartmut, Strecker, Gertenbach, & Laux, 2010, S. 78)

8 (Schell, 2016 , zit. n. Müller, S. 268)

9 (Müller, 2011, S. 172 ff.)

10 Vgl. (Petermann, 2002, S. 25)

11 Vgl. (Linder, 2011, S. 34-35)

12 Vgl. (Petermann, 2002, S. 12)

13 (Bukow, 2011, S. 227)

14 Vgl. (Bukow, 2011, S. 227 ff.)

15 Vgl. (Gläser, 2007, S. 82-84)

16 (Gläser, 2007, S. 84)

17 (Stegbauer, 2001, S. 71) zit. n. Rheingold 1994 S. 16

18 Vgl. (Homans, 1960, S. 59 ff.)

19 (Thiedeke, 2008, S. 429)

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Städtische Gemeinschaft und Nachbarschaft in der Stadt
Hochschule
Hochschule Darmstadt
Veranstaltung
Städtische Lebensweisen
Note
2,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
22
Katalognummer
V509761
ISBN (eBook)
9783346074560
ISBN (Buch)
9783346074577
Sprache
Deutsch
Schlagworte
städtische, gemeinschaft, nachbarschaft, stadt
Arbeit zitieren
Sarah Wies (Autor:in), 2019, Städtische Gemeinschaft und Nachbarschaft in der Stadt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/509761

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