In der Debatte um ‚Regretting Motherhood‘ geht es aber um mehr, als ‚nur‘ um die Reue über die eigene Mutterschaft. Es geht auch um den Vorwurf fehlender Mutterliebe. Dabei empfinden bereuende Mütter oft beides: Reue und Liebe. Doch stößt vor allem diese benannte Ambivalenz auf Unverständnis, weshalb Betroffene Angst davor haben, kritisiert, stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Daher muss an dieser Stelle formuliert werden, was genau ‚Regretting Motherhood‘ bedeutet: Es handelt sich hierbei nämlich nicht etwa um die Ablehnung der Kinder an sich, sondern lediglich um die Ablehnung der Mutterrolle. Der Gedanke, dass Mutterschaft per se mit Glück einhergeht, basiert nicht nur auf der weiblichen Evolution, er gilt auch heute noch als weitverbreiteter gesellschaftlicher Konsens. Demzufolge stellt Mutterschaft den Lebenszweck und die einzige Aufgabe einer Frau dar. Entsprechend wird die Erfüllung der Mutterrolle als gegeben angesehen und bleibt damit unhinterfragt. Die gesellschaftliche Norm stellt somit zwei essentielle Regeln auf: Eine Mutter hat ihre Kinder zu lieben und sie darf sich nicht wünschen, die Zeit zurückdrehen zu können.
Doch was bedeutet es stigmatisiert zu werden? Der kanadische Soziologe Erving Goffman stellt in seinem Werk „Stigma – Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität“ ((2008) [1967]) seine Erklärungen für Stigmatisierungsprozesse von Menschen im gesellschaftlichen Zusammenleben vor. Mit dem Terminus des Stigmas beschreibt er die ‚individuelle Anomalität‘ von Menschen. Soziale Wesen (‚Normale‘) leben von Akzeptanz, Anerkennung und Sympathie, während Stigmatisierte (‚Unnormale‘) hiervon ausgeschlossen sind. Stigmatisierte Menschen tragen demnach einen Makel an sich, welcher eine diskriminierende Wirkung auf seinen Besitzer ausübt. In Bezug auf das vorgestellte Phänomen setzt sich diese Arbeit daher mit folgender Fragestellung auseinander:
Werden bereuende Mütter nach Goffmans Verständnis stigmatisiert?
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung und gesellschaftliche Relevanz
- II Personale Identität nach Erving Goffman
- III Stigmatisierung bereuender Mütter
- 3.1 Regretting Motherhood
- 3.2 Analyse
- IV Beantwortung der Fragestellung und Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Stigmatisierung von bereuenden Müttern im Kontext der gesellschaftlichen Norm der Mutterschaft. Sie befasst sich mit dem Phänomen "Regretting Motherhood" und analysiert, wie die ambivalenten Gefühle von Müttern, die sich wünschen, ihre Mutterschaft rückgängig machen zu können, von der Gesellschaft wahrgenommen und bewertet werden. Die Arbeit greift auf Erving Goffmans Theorie der Stigmatisierung zurück, um zu untersuchen, ob und wie bereuende Mütter als "Unnormale" stigmatisiert werden.
- Die gesellschaftliche Norm der Mutterschaft und der Muttermythos
- Das Phänomen "Regretting Motherhood" und die damit verbundenen Ambivalenzen
- Stigmatisierungsprozesse nach Erving Goffman
- Die Anwendung von Goffmans Theorie auf die Stigmatisierung von bereuenden Müttern
- Die Auswirkungen von Stigmatisierung auf das Leben von betroffenen Müttern
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema "Regretting Motherhood" vor und beleuchtet seine gesellschaftliche Relevanz. Sie zeigt, wie das Thema in der öffentlichen Debatte kontrovers diskutiert wird und dass es um mehr geht, als nur um die Reue über die eigene Mutterschaft. Die Einleitung führt den Leser in die Problematik der Stigmatisierung von bereuenden Müttern ein.
Kapitel II beleuchtet Goffmans Theorie der personalen Identität. Es erläutert die Zusammenhänge zwischen individueller und sozialer Identität und stellt die Bedeutung von Prestigesymbolen und Stigmasymbolen dar. Dieses Kapitel dient als Grundlage für die Analyse der Stigmatisierungsprozesse im weiteren Verlauf der Arbeit.
Kapitel III befasst sich mit dem Phänomen "Regretting Motherhood" und analysiert, wie es nach Goffmans Verständnis zu einer Stigmatisierung von bereuenden Müttern kommen kann. Es werden die konkreten Auswirkungen von Stigmatisierung auf das Leben von betroffenen Müttern diskutiert.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind "Regretting Motherhood", Stigmatisierung, soziale Identität, Muttermythos, gesellschaftliche Norm, Ambivalenz, Erving Goffman, "normale" und "unnormale" Identität.
- Arbeit zitieren
- Alicia Mathes (Autor:in), 2019, Stigmatisierung von bereuenden Müttern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512440