Die pädagogische Relevanz von Rousseaus "Emil"


Hausarbeit, 2019

32 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung und Begründung der Wahl

2 Zeit der Aufklärung

3 Kurzbiographie zu Rousseau

4 Zusammenfassung von “Emil“

5 Die pädagogische Relevanz von "Emil"
5.1 Vergleich zur Romantik
5.2 Vergleich zur Reformpädagogik
5.3 Vergleich zur Nachkriegszeit
5.4 Vergleich zur Moderne

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung und Begründung der Wahl

Im Rahmen der Hausarbeit im Seminarfach „Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin: Pädagogik in ihrem Selbstverständnis – von der Theorie zur Praxis“ wurde entschieden, dass das Thema: „Die pädagogische Relevanz von Rousseaus 'Emil'“ betrachtet werden soll.

In dieser Facharbeit soll ein Überblick über die Erziehung zur Zeit Rousseaus geschaffen werden. Dabei werden fünf Thesen aus seinem Buch “Emil“ herausgearbeitet und mit den nachfolgenden Epochen verglichen: Romantik, Reformpädagogik, Nachkriegszeit und Moderne. Dabei soll erörtert werden, inwieweit diese fünf Thesen eine pädagogische Relevanz haben, das heißt, inwieweit der Gedanke Rousseaus zur Erziehung die Pädagogik geprägt haben. So wird die Frage gestellt, ob es durch Emils erfundener Erziehung eine Art des Umbruchs gegeben hat und ob das Wesen des Kindes vielleicht neu erfunden wurde. Jedoch wird auch erörtert, ob und welche Thesen über die Epochen hinweg ihre Relevanz verloren und aus welchem Grund dies geschah. Um diese Frage hinreichend zu beantworten, werden Literaturen namhafter Pädagogen herangezogen und verglichen, inwieweit sich die Thesen Rousseaus wiederfinden lassen.

Rousseau ist ein Philosoph und Schriftsteller, welcher vor allem in der Epoche der Aufklärung mit seiner Denkweise viel Kritik erntete. So war er einer der umstrittensten philosophischen Schriftsteller: Es lässt sich eine offene Kritik von Voltaire finden, zum Beispiel in seinen Werken Idées républicaines (XXIX – XXXIX).

Auch Nietzsche verachtete ihn, so lässt sich ein Kapitel in seinem dritten Buch aus dem Werk “Morgenröte“ (1881) finden, welches “Gegen Rousseau“ heißt.

Es ist deutlich zu erkennen, dass Rousseau kontroverse Gedanken in der Zeit der Aufklärung hegte. Heute zeigt sich jedoch, dass seine Gedanken keinesfalls falsch waren und es ist deutlich, dass er einen weitreichenden Blick hatte.

Besonders interessant ist es, dass er das Konstrukt seiner Erziehung eines Kindes mittels einer fiktiven Erziehung erläuterte. Es ist nun wirklich nicht üblich, dass die Thesen fiktiv behandelt und bestätigt werden. Rousseau jedoch lässt seinen erfundenen Emil die Erziehung, die er im Kopf formte, durchleben und schafft es, die Balance zwischen fiktiv und real zu finden. Es gibt keine Stelle in seinem Werk, welche zu fiktiv wirkt. Die Erziehung wirkt wie eine real durchgeführte Erziehung, statt einer durchdachten. Und dabei schaffte er es zudem, Thesen auszuarbeiten, die bis heute noch aktuell sind.

Somit war das Interesse und das Erkundungsziel geweckt, eben jene Thesen genauer unter die Lupe zu nehmen und zu eruieren, welche Thesen sich in den darauffolgenden Epochen wiederfinden und wie die Pädagogen der jeweiligen Epochen diese Thesen unterstützten oder kritisierten.

Dabei wird jedoch zunächst erörtert, in welcher Zeit Rousseau aufwuchs und was für ein Leben er lebte. Danach wird sein Werk „Emil“ kurz zusammengefasst, darauffolgend fünf Thesen aus eben jenem Werk skizziert und diese werden dann mit den verschiedenen Epochen - hier Romantik, Reformpädagogik, Nachkriegszeit und Moderne - verglichen.

2 Zeit der Aufklärung

Die Zeit der Aufklärung begann im 17. Jahrhundert und endete im 18. Jahrhundert. Während dieser Epoche fanden viele Denkbewegungen statt, was in Umschwünge auf allen Gebieten resultierte. Die Politik, Soziologie und Philosophie veränderten sich. So gab es die Französische Revolution, welche unter anderem die Ständegesellschaft beendete. Diese Umschwünge entstanden durch die Unzufriedenheit der Bürger, denn diese waren mit der damals herrschenden Staatsform des Absolutismus unglücklich und forderten eine Freiheit und Demokratie für alle Menschen.

Während der Ständegesellschaft herrschte nämlich eine Ungerechtigkeit. So war die Gesellschaft in Hierarchien aufgestellt: Klerus, Adel, Bürger und Bauern. Klerus und Adel waren nur ein kleiner Teil der Bevölkerung, die Bürger waren mit ungefähr 15 bis 18 Prozent vertreten und die Bauern machten den größten Teil der Bevölkerung aus. Für den Klerus und den Adel gab es Privilegien, Bildung und Reichtum. Unter ihnen befanden sich Bischöfe, Kaiser und Dorfpfarrer. Die Stadtbürger waren unterteilt in Beamte und Arbeiter. Sie waren von Kirche, Glaube und Traditionen geprägt (vgl. Harney/Krüger, 1997: S. 17-35). Die Bauern jedoch waren benachteiligt: Sie mussten Steuern zahlen, verdienten aber kaum etwas, da die Ernte meist schlecht ausfiel durch Trockenheit. Sie hatten zudem keinen Zugriff zur Bildung, wurden untereinander verheiratet und konnten ihrem Stand nicht entfliehen. Während der Revolution wurde beschlossen, dass eine Monarchie mit einer Verfassung aufgestellt werden sollte, in welcher alle das gleiche Recht haben sollten. Die Autorität der Kirche sollte abgebaut und dem Absolutismus ein Ende bereitet werden. Das Volk begann, sich als eine Einheit zu verstehen, sodass das Prinzip des Nationalstaatsgedanken geweckt wurde. Entscheidend für die Aufklärung war daher die Bildung einer neuen Schicht, nämlich die des Bürgertums.

Die Aufklärung wurde also zu einer gesamteuropäischen Bewegung, es wurde auf die Kraft der menschlichen Vernunft vertraut: Der Mensch wurde autonom (vgl. Harney/Krüger, 1997: S. 17-35).

Typische Merkmale der Aufklärung waren vor allem das Hinterfragen und das Denken, sowie das Zweifeln. Hier gab es den ersten Grundgedanken der individuellen Emanzipation des Denkens: „Keine Epoche vor dem 18. Jahrhundert und keine Epoche seither war so fasziniert von der Individualität jedes Menschen, von der Besonderheit jeder Persönlichkeit, von der Originalität eigenen Seins.“ (Hammerstein, Notker; Hermann Ulrich, 2005: S. 61).

Es heißt, die Zeit der Aufklärung war durch den Verstand und die Vernunft geleitet, die Menschen sollten anfangen, alles erworbene kritisch zu hinterfragen. Dabei wurde nicht zwischen greifbarem Gut und wissenschaftlichem Gut unterschieden: Sowohl Lebenssituation als auch das angeeignete Wissen sollte hinterfragt und angezweifelt werden. Daraus entstand der Empirismus, also eine erkenntnistheoretische Lehre, welche von John Locke in seinem Werk “An Essay Concerning Humane Understanding“ (1690) begründet wurde.

Ein oft zitiertes lateinisches Sprichwort, welches zum Leitspruch der Aufklärung wurde, lautet: „Sapere aude!“, zu deutsch: „Wage es, weise zu sein!“. Dieser Leitspruch wurde von Kant in seinem Werk „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) erklärt. Die Aufklärung war also auch der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, also des Unvermögens, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen (vgl. Kant, 1784: S. 481-494).

Auch gab es in der Zeit der Aufklärung die ersten Forderungen der Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen und die Bürger wünschten sich einen Optimismus im Leben. Während sich vorher Gedanken über ein Leben nach dem Tod gemacht wurden, sollte sich nun auf das Leben selbst konzentriert werden.

3 Kurzbiographie zu Rousseau

Rousseau führte ein wechselvolles Leben. Geboren wurde er 1712 in Genf in einer angesehenen Familie. Nach dem frühen Tod seiner Mutter, neun Tage nach seiner Geburt, wurde er vor allem durch den Vater erzogen, unterstützt von einer Tante Jean-Jacques'. Schon als Kind litt Rousseau dabei an einem organischen Fehler der Harnblase. Diese andauernde körperliche Belastung wird oft für Rousseaus empfindliche Gereiztheit erklärt. Die behütete Kindheit endete, als der Vater zehn Jahre nach Jean-Jacques Geburt Genf verlassen musste, nachdem dieser sich mit einem Offizier raufte und den Offizier dabei verletzte.

Die nächsten zwei Jahre lebte er bei Pfarrer Lambercier in Bossey, wo er zwar Unterricht erhielt, jedoch ungerechte Bestrafungen und körperliche Misshandlungen erfuhr. Ähnlich erging es ihm bei seiner Tante väterlicherseits.

Er reiste umher und gelangte schlussendlich in Annecy zu Madame de Warens. Diese war zum Katholizismus konvertiert, zwölf Jahre älter als Rousseau und wohlhabend. Sie schickte Rousseau nach Turin, damit er dort ebenfalls konvertierte. Ein Jahr später kehrte er zu Madame de Warens zurück, wo er von 1729 bis 1740 mit einigen Unterbrechungen blieb. Er arbeitete unter anderem als Hauslehrer, was ihn veranlasste, seine ersten pädagogischen Schriften zu schreiben.

1741 siedelte er nach Paris, wo er sich mit Musik beschäftigte und unter anderem sogar eine Oper schrieb. Er verkehrte in einer gehobenen Pariser Gesellschaft und gewann Interesse an politischen Themen. Mit Thérèse Levasseur, der Wäscherin seiner Wirtin, bekam er sein erstes Kind. Dieses wird jedoch, ebenso wie seine späteren vier anderen Kinder, in ein Waisenhaus abgegeben. Dies war damals eine unübliche Praxis. Sein väterliches Verhalten wird bis heute als schwerster Einwand gegen seine Persönlichkeit erhoben, so auch damals schon von Voltaire. Insbesondere seine Glaubwürdigkeit als Pädagoge wird in Frage gestellt. Rousseau erklärte sein Verhalten mit Geldmangel.

1749 war ein entscheidendes Jahr. Er las in einer Zeitschrift eine Preisfrage („Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und Künste dazu beigetragen, die Sitten zu läutern?“), welche er in seinem Discours sur les Sciences et les Arts (Abhandlungen über die Wissenschaften und die Künste) verneinte. Dies erklärte er später in seiner staatstheoretischen Schrift Du contrat social damit, dass der Mensch in seinem Naturzustand unabhängig und frei lebe, in der auf Konventionen beruhenden Gesellschaft aber ein gefesselter Sklave sei: „Der Mensch ist frei geboren, und liegt überall in Ketten.“ (Rousseau/Ligaran, 2015: erste Zeile des Anfangskapitels) Für diese Antwort erhielt er den ersten Preis und wurde europaweit bekannt. Seine Einkünfte stiegen, dennoch gab er sein drittes Kind ab, welches im Widerspruch zu seiner Erklärung steht.

1754 kehrte er zum Protestantismus zurück, 1762 veröffentlichte er den Contrat social, welcher sofort verboten wurde sowie sein Werk „Emil – oder über die Erziehung“, welches ebenfalls verboten wurde, zudem folgte ein Haftbefehl. Grund dafür war der Einschub im vierten Buch namens „Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars“. Hier trägt Rousseau zunächst eine Philosophie von Erkenntnis und Moral vor, darauf folgt der Entwurf einer natürlichen Religion, verbunden mit scharfer Kritik jeglicher Religion. Dies entrüstete viele Bürger. Rousseau erfuhr den Hass der Pariser Gesellschaft und wollte zurück nach Genf fliehen. Dort wurde er aber ebenfalls verfolgt und wanderte somit in die Schweiz.

Etwa seit 1762 nahmen seine Ängste und Abwehrhandlungen teilweise wahnhafte Züge an, ausgelöst durch die nervlichen Belastungen der zahlreichen Verunglimpfungen und Verfolgungen. 1766 reiste der erneut vertriebene Rousseau nach England und besuchte Hume, kehrte jedoch schon im folgenden Jahr zurück, da er sich mit Hume zerstritt. Er fand Unterkunft in Paris, wo er Thérèse heiratete. 1778 starb er in Ermenonville, wahrscheinlich an einem Schlaganfall.

4 Zusammenfassung von “Emil“

Im nachfolgenden wird die Handlung des “Emils“ kurz skizziert, ehe erörtert wird, inwieweit die Thesen Rousseaus pädagogisch relevant sind.

In “Emil“ erzählt Rousseau von einem fiktiven Jungen, welchen Rousseau erzieht. Dabei erklärt Rousseau sein Erziehungsmodell und analysiert, wie dieses Modell den Jungen beeinflusst.

Insgesamt schrieb er fünf Werke, wobei das erste Buch über die Geburt, das zweite über die Kindheit und Jugend, das dritte Buch um das Erwachsenenalter handelt und das vierte Buch die Heimat und das fünfte Buch das Frauenbild thematisiert.

Erstes Buch: Emils Geburt und früheste Kindheit

„Alles ist gut, wenn es aus den Händen des Schöpfers hervorgeht; alles entartet unter den Händen des Menschen.“ (Rousseau, 2015: S. 5)

Dieses Zitat zeigt deutlich, dass Rousseau Emil natürlich erziehen will. Denn nur so kann Emil, laut Rousseau, sich zu einem guten Menschen entwickeln. Würde Emil gemäß der Vernunft erzogen werden, würde er verkümmern und „entarten“. Somit begleitet Emils Erzieher ihn von der Geburt bis zur Reife ununterbrochen und zeigt die praktische Anwendung seiner natürlichen Erziehung auf.

Diese natürliche Erziehung beginnt bereits mit der Geburt. Emil lebt abgeschottet von der Gesellschaft und bekommt keine Vorschriften, er lernt durch Übung. Auch ist der Erzieher das einzige Vorbild für Emil. Zudem sucht der Erzieher eine Amme, welche nur pflanzliche Kost zu sich nehmen darf und über ein gutes Gemüt, sowie einen gesunden Körper verfügen muss.

Auch darf Emil nicht gewickelt werden und er soll abgehärtet werden, das heißt, er soll leichte Kleidung selbst bei niedrigen Temperaturen tragen. So stärkt er seinen Körper und ist gesund.

Hinzu kommt, dass nicht auf ein Weinen reagiert werden darf, solange es keinem echten Bedürfnis entspricht, ansonsten würde Emil eine unnatürliche Herrschaft zum Erzieher aufbauen. Der letzte Aspekt, der in der frühesten Kindheit deutlich wird ist, dass Emil nicht zum Sprechen genötigt wird. Er soll von selbst anfangen zu sprechen.

Zweites Buch: Übung des Körpers und der Sinne

Sobald Emil die ersten Worte spricht, beginnen die Kinderjahre. Hier wird das erste Bewusstsein entwickelt und Emil wird fähig, Glück und Unglück zu erleben. Ein großes Unglück erklärt Rousseau als Herrschsucht. Für ihn ist die Freiheit das höchste Gut, somit sollte ein guter Erzieher seinem Kind sämtliche Freiheiten überlassen. Emil soll als pures Kind betrachtet werden und nicht als kleinen Erwachsenen, somit erfährt er auch keine verbalen Lehren oder Vorschriften. Er lernt lediglich durch Erfahrung.

Rousseau beschreibt zwar stets, dass sein Zögling natürlich erzogen werden soll und nicht gelenkt werden darf, jedoch tritt hier auch ein Paradox auf. Rousseau erklärt, dass er Emil passiv lenkt, sodass Emil glaubt, er könne stets tun, was er wolle, dabei tut er genau das, was der Erzieher will. Dies ist die negative Erziehung, die für Rousseau einen wichtigen Aspekt spielt, damit Emil zu einem guten Menschen wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 32 Seiten

Details

Titel
Die pädagogische Relevanz von Rousseaus "Emil"
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,0
Jahr
2019
Seiten
32
Katalognummer
V512703
ISBN (eBook)
9783346102119
ISBN (Buch)
9783346102126
Sprache
Deutsch
Schlagworte
relevanz, rousseaus, emil
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Die pädagogische Relevanz von Rousseaus "Emil", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512703

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