Beschaffungsprostitution als Problemfeld der Sozialen Arbeit. Handlungsempfehlungen für den Umgang mit drogenabhängigen Prostituierten


Fachbuch, 2020

66 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zum Forschungsstand

2 Prostitution
2.1 Begriffsdefinition und Differenzierung
2.2 Prostitution – Das „älteste Gewerbe der Welt?“
2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen von Prostitution in Deutschland
2.4 Sozialarbeiterische Perspektiven im Umgang mit Prostitution
2.5 Untersuchung der sozialarbeiterischen Praxis

3 Drogenabhängigkeit
3.1 Definition Drogen
3.2 Heroin
3.3 Definition Abhängigkeit
3.4 Soziale Arbeit mit Drogenabhängigen

4 Beschaffungsprostitution
4.1 Definition Beschaffungsprostitution
4.2 Historie und Rahmenbedingungen der Beschaffungsprostitution
4.3 Soziale Arbeit im Feld der Beschaffungsprostitution

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Sonstige Quellen

Anhang

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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Impressum:

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Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

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Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

1 Einleitung

Prostitution ist kein Thema, über das gerne öffentlich debattiert wird. Frauen, die mit Sex ihr Geld verdienen, werden oftmals als Menschen zweiter Klasse gesehen und ihre Arbeit nicht als „richtige“ Arbeit definiert. Zwar ist es seit dem ersten Prostitutiertengesetz von 2001 in den meisten Fällen keine Sittenwidrigkeit mehr, sich zu prostituieren. Repressionen und Verunglimpflichungen sind die Frauen dennoch nach wie vor ausgesetzt. Wenn dann noch eine Suchterkrankung hinzukommt und sich Frauen ihretwegen prostituieren, fällt zumeist jeglicher Schutz durch das Gesetz weg. Die Frauen werden oftmals gleich zweifach kriminalisiert, da sie illegal in Sperrgebieten anschaffen gehen und Suchtmittelkonsum betreiben.

Die Soziale Arbeit, welche sich der Arbeit mit Randgruppen verschrieben hat, gerät bei diesen Frauen an ihre Grenzen und obwohl Arbeit mit Suchtmittelabhängigen und auch die Arbeit mit Prostituierten feste Plätze in ihrem Spektrum haben, tut sie sich mit dem Produkt der Paarung dieser beiden Bereiche schwer.

Dies hat mehrere Gründe, denen diese Arbeit durch einen Zugang über die beiden Teilbereiche, Prostitution und Sucht, auf den Grund gehen wird.

Beginnend mit einem Einstieg in das umfangreiche Thema der Prostitution werden über einen historischen Exkurs die Entwicklung der verschiedenen Arten von Prostitution beleuchtet, und ihre Bedeutung für die spätere Differenzierung zwischen Sexarbeiterinnen* und Prostituierten* aufgezeigt. Ein weiterer Exkurs wird, aufbauend auf der Historie, die rechtliche Handhabung des Gewerbes und der Prostituierten selbst untersuchen und zu diesem Zweck vor allem die jüngsten Gesetzesnovellen vorstellen und vergleichen.

Die Probleme und Auswirkungen, die vor allem das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 mit sich bringt, werden im letzten Unterkapitel der Sozialen Arbeit mit Sexarbeiterinnen thematisiert und damit eine Überleitung zum zweiten, großen Kapitel der Abhängigkeit gebildet.

Da auch das Thema Abhängigkeit sehr umfangreich, und nicht jeder Teilbereich für das Thema dieser Arbeit relevant ist, fiel die Entscheidung auf eine Annäherung durch den feministischen Suchtdiskurs. Des Weiteren geht es im Bereich der Beschaffungsprostitution maßgeblich um Drogensucht, wobei es sich bei den Drogen zumeist um Opiate wie Heroin handelt. Dieser Umstand wird im Unterpunkt der Heroinepidemie der 1980er Jahre untersucht und der Umgang der Gesellschaft und vor allem der Sozialen Arbeit mit dieser Herausforderung bildet den Übergang zum letzten Hauptteil der Arbeit, dem Kapitel der Beschaffungsprostitution.

In diesem werden zuerst die bisherigen Erkenntnisse zu einer differenzierten Definition von Beschaffungsprostitution zusammengefasst und näher untersucht. Hierbei werden verschiedene Typen von Beschaffungsprostitutierten aus den 1980er Jahren vorgestellt und ihre Übertragbarkeit auf die heutige Zeit überprüft. Des Weiteren werden die bereits vorgestellten pädagogischen Ansätze auf ihre Anwendbarkeit auf die Arbeit mit Beschaffungsprostituierten untersucht und basierend auf diesem Ergebnis eine Kritik formuliert. Einen abschließenden Ausblick bildet die Vorstellung der Arbeit der Fachberatungsstelle ragazza e.V., welche sich explizit der Arbeit mit Beschaffungsprostituierten verschrieben hat.

Prostitution und insbesondere die Beschaffungsprostitution ist ein brisantes Thema, welches gesellschaftlich, politisch und moralisch heiß diskutiert wird. Diese Arbeit wird eine gewisse Parteilichkeit mit den betreffenden Frauen vorweisen, welche für gelingende Soziale Arbeit mit ihnen unabdingbar ist. Des Weiteren beschränkt sich diese Arbeit auf die Untersuchung der heterosexuellen Form von sexuellen Dienstleistungen, welche von Frauen erbracht werden. Somit wird im Folgenden auf die Verwendung von Binnen-I, Gendersternen u.Ä. verzichtet, sofern es der Kontext nicht anders verlangt. Mann-männliche Sexarbeit, sowie die Sexarbeit von Transgender-Menschen und Queers würden ihrerseits den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die Untergruppen der minderjährigen, schwangeren und migrierten Beschaffungsprostituierten stellen jeweils sehr komplexe Felder da, welche in dieser Arbeit nur grob und in Bezug auf die sozialarbeiterische Handlungsfähigkeit betreten werden.

1.1 Zum Forschungsstand

Weiterhin handelt es sich bei dieser Arbeit um eine Literaturarbeit, welche über Publikationen in den großen Teilbereichen der Prostitution und der Suchtforschung versucht, in das wenig beforschte Feld der Beschaffungsprostitution vorzudringen. Diese beiden Themenbereiche, welche sich mit gesellschaftlichen Tabuthemen befassen, werden in der Literatur oft teils aus wertender, teils sogar voyeuristischen Perspektive betrachtet. Diese Werke galt es konsequent zu vermeiden. Weiterhin bieten beide Bereiche ein sehr breites Spektrum an Unterthemen.

Da diese Arbeit eine Abschlussarbeit im Fach der Sozialen Arbeit ist, lag der Fokus stets auf Werken aus der sozialarbeiterischen Perspektive. Die Hansestadt Hamburg bietet für diese speziellen Themen aufgrund des gut aufgestellten Suchthilfenetztes auf der einen Seite und der durchaus präsenten, kriminalisierten Prostitutionsszene auf St. Georg ein sehr interessantes Forschungsfeld, was einen lokale Fokus in diesem Kontext sinnvoll macht. Dieser beruht des Weiteren auf dem Umstand, dass vieles an Fachliteratur zum Thema Drogen- bzw. Beschaffungsprostitution eben genau dieses, lokale Feld beforscht hat. Hierzu sei gesagt, dass die Beschaffungsprostitution sonst eine Leerstelle in der Wissenschaft darstellt (vgl. Schrader, S.27) und die Literatur insofern sehr überschaubar ist. Kathrin Schrader, welche seit 2003 als Vorstandsfrau bei ragazza e.V., einer niedrigschwelligen Anlaufstelle für drogenkonsumierende Prostituierte in St. Georg aktiv ist, hat 2013 ihre Dissertation über die Handlungsfähigkeit ihrer Klientinnen geschrieben. Ihre Arbeit wird eine Orientierungsgrundlage für folgende Bachelorthese geben, wobei ihr Schwerpunkt der Handlungsfähigkeit auf Seiten der Klientinnen in dieser durch einen Schwerpunkt der Sozialen Arbeit weichen wird. Weiterhin werden durch von der Autorin geführte Experteninterviews mit den einschlägigen Beratungsstellen in Hamburg differenzierte Einblicke in das Feld ermöglicht.

Zum Thema der Beschaffungsprostitution existieren zwei deutschsprachige Studien aus den frühen 2000 Jahren, eine von Zumbeck (2000) und eine von Zurhold (2005), welche referentiell in dieser Arbeit verwendet werden, sowie eine Studie zur Beschaffungsprostitution in Amsterdam während der 1980er Jahre, die im Kapitel der Beschaffungsprostitution als historische Referenz genutzt wird.

Der weitere Forschungsstand ist aufgrund der „Nicht-Thematisierung“ des Themas der Beschaffungsprostitution, wie im Titel bereits genannt wird, nicht sonderlich weit. Dies soll diese Arbeit aufzeigen und thematisieren.

2 Prostitution

Der folgende, erste Teilbereich dieser Arbeit befasst sich mit der ebenso skandalisierten wie verharmlosten Praxis des gewerblichen Geschlechtsverkehrs, der Prostitution an sich.

Prostitution unterlag schon immer einer eingeschränkten öffentlichen Wahrnehmung und ist nach wie vor in weiten Teilen durch ein hohes Maß an Tabuisierung und Diskriminierung gegenüber den Frauen geprägt (Albert & Wege, 2015). Die folgende Auseinandersetzung mit diesem strittigen Thema erfolgt zu Beginn durch eine grobe Begriffsdefinition und Differenzierung der verschiedenen Formen von Prostitution nach Kavemann (2009). Dieser Differenzierung soll mit Blick auf die Historie eine weitere Tiefe gegeben und die Entwicklung der verschiedener Formen aufgezeigt werden. Darauf folgt eine Überprüfung der Rechtslage und ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit mit Frauen in der Prostitution, sowie eine Vorstellung der verschiedenen sozialarbeiterischen Perspektiven des Themas.

Allgemein lässt sich statuieren, dass die Forschung zum Thema Prostitution noch sehr eingeschränkt ist, was an der schweren Prüfbarkeit des Feldes liegt, welches sich weiterhin in Hell- und Dunkelfeld aufteilt. Diese Unsicherheit äußert sich bereits beim Feststellen der tatsächlichen Anzahl der in der Prostitution tätigen Frauen, welche bisher um 400.000 geschätzt und immer wieder angezweifelt wird (Albert & Wege 2015). Kavemann und Steffan (2013) halten die Zahlen für überhöht und gehen in Deutschland von 64.000–200.000 Frauen aus. Prostitution von Frauen mit ungeklärten Aufenthaltsstatus, übers Internet oder das Anbieten auf dem illegalen Straßenstrich bieten kaum Anhaltspunkte über gesicherte Erkenntnisse (vgl. Albert & Wege 2015), weshalb diese Arbeit nach und nach über die Schwerpunktthemen Prostitution und Abhängigkeit zum Kernthemas der Beschaffungsprostitution vordringen wird.

2.1 Begriffsdefinition und Differenzierung

Im Sinne des Hauptthemas dieser Arbeit, der Beschaffungsprostitution, wird die Grunddefinition nach Paulus genutzt, der Prostitution als das „Anbieten des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen gegen materielle Entlohnung“ (Paulus, 2016) definiert. Da in dieser Definition anstatt Geld die „materielle Entlohnung“ genannt wird, welche auch in Form von Drogen erfolgen kann, ist sie im Kontext des Hauptthemas passend.

Mit Blick auf den gesellschaftlichen Diskurs ist der Euphemismus „Sexarbeit“ nicht auszuklammern, der jedoch im Kontext dieser Arbeit nicht sinnig ist. Die Implikation der legitimen Erwerbstätigkeit, sowie Freiwilligkeit, die mit der Bezeichnung „Sexarbeit“ einhergeht, ist im Bereich der Beschaffungsprostitution kaum gegeben.

Dennoch ist diese Bezeichnung für den Bereich der freiwilligen Prostitution durchaus legitim und wird in diesem Kontext von der Autorin befürwortet.

Gerade diese verschiedenen Bereiche der Prostitution machen die Auseinandersetzung mit diesem Thema schwer, da nicht einheitlich von „der einen“ Prostitution gesprochen werden kann. Neben dem Bereich der Freiwilligen Prostitution bzw. Sexarbeit, in der Prostitution den gewünschten Beruf oder gar ein Abenteuer darstellt (vgl. Angelina 2018) und zumeist die preislich höher angesiedelten Segmente wie Escort und S&M Studios umfasst, sowie für die Frauen eine explizite Wahlmöglichkeit besteht, anderweitig Geld zu verdienen, existieren auch der Graubereich sowie der komplett Unfreiwillige Bereich (Kavemann 2009), für welche die Bezeichnung Sexarbeit nicht haltbar ist.

Der sogenannte Graubereich ist geprägt von Frauen, deren Berufswahl enorm eingeschränkt ist und welche sich aufgrund dieser Alternativlosigkeit prostituieren (vgl. ebd.). Dies kann Suchtmittelabhängige, sowie MigrantInnen betreffen, welche in der Prostitution die einzige Möglichkeit sehen, an (genug) Geld zu kommen, um entweder ihre Sucht zu finanzieren oder Geld für die Familie zu verdienen. Dies führt zur Hinnahme unzumutbarer Arbeitsbedingungen sowie gesundheitlicher Risiken (vgl. ebd.). Das Prostituiertengesetz von 2001 sieht diese Gruppe dennoch zugehörig zum Bereich der freiwilligen Prostitution, ein Umstand, der im Rechtskapitel weiter diskutiert werden soll.

Der dritte Bereich ist die unfreiwillige bzw. Zwangsprostitution. Dieser ist von Gewalt und Ausbeutung geprägt und für die Frauen existiert keinerlei Entscheidungsfreiheit. Sie sind Opfer von Menschenhandel oder der Loverboy-Methode, bei der die Frauen durch das Vorspielen einer Liebesbeziehung gefügig gemacht werden, und sind aufgrund von Täuschungen in die Prostitution geraten. Ihre Einnahmen werden von Zuhältern einbehalten, welche in vielen Fällen auch ihre Papiere besitzen und sie somit komplett von sich abhängig machen. In diesem Bereich von Sexarbeit zu sprechen wäre blasphemisch.

Diese Unterteilung in verschiedene Bereiche, abhängig von Freiwilligkeit und Arbeitsbedingungen, lassen sich in der langen Historie des „ältesten Gewerbes der Welt“ gut nachvollziehen. Dies soll im Folgenden durch selektive Einblicke in dessen Geschichte geschehen.

2.2 Prostitution – Das „älteste Gewerbe der Welt?“

Die Bezeichnung „ältestes Gewerbe“ ist strittig und der Streitpunkt liegt abermals im Puncto Freiwilligkeit. Ein Gewerbe dient grundsätzlich der Gewinnmaximierung, der geschäftlichen Tätigkeit oder der einfachen Existenzsicherung, dem jedoch immer eine gewisse Freiwilligkeit zugrunde liegt (Piasecki 2018, S.79). Diese ist, und vor Allem war, im Verlauf der Geschichte nicht unbedingt gegeben, eher war das Verkaufen ihres Körpers für die Frauen lange die einzige Möglichkeit des Gelderwerbs und es war somit, wie im heutigen „Graubereich“, eine gewisse Alternativlosigkeit gegeben. Prostitution konnte auch, unabhängig von ökonomischen Bezügen, religiösen oder sozialen Zwecken dienen, wie z.B. die Tempel- oder Gastprostitution. Das erste Beispiel der Tempelprostitution soll im Folgenden genauer beleuchtet werden.

2.2.1 Tempelprostitution

Die erste Form der Prostitution war die Tempelprostitution im alten Babylon. Diese fand in Tempeln statt, die der Göttin Ischtar gewidmet waren. Ischtar war die Göttin des Krieges und der Liebe und die Schutzgöttin aller Huren (vgl. Ringdal 2006, 16).

In ihnen „dienten viele Frauen, die sich gegen Zahlung eines bestimmten Betrages an den Tempel mit der heiligen Kraft ihrer Körper um die Männer kümmerten“ (ebd.). Bemerkenswert ist hier, dass die Zahlungen nicht an die Frauen direkt, sondern den Tempel und somit symbolisch an Ischtar gehen. Tempel waren in Mesopotamien Lebensmittelpunkte und dienten vielerlei Zwecken. So konnten die Armen ihre Töchter, wenn sie hübsch genug waren, in den Tempel schicken, wo sie von Priestern und Priesterinnen erzogen und ausgebildet wurden.

„Die jungen Mädchen [..] wuschen und pflegten die Gottheit. Wenn sie älter waren, mussten sie singen und tanzen und konnten an Männer verliehen werden, die im Tempel auf sie aufmerksam geworden waren. Alle Tempelfrauen, sowohl die Priesterinnen als auch die jungen Helferinnen, waren wohl davon überzeugt, dass sie durch ihre Taten der Göttin dienten. Ein Begriff wie Prostitution erscheint vor einem derartigen religiösen [..] Hintergrund doch zu einfach und zu modern“ (Ringdal 2006, 28)

Die mit dem heutigen Verständnis von Prostitution übereinstimmende Tempelprostitution fand vor dem Tempel statt, nicht in ihm. Im Babylonischen Gesetz wird die Verbindung der verschiedenen Gruppen mit dem Tempel deutlich: es gibt die Priesterinnen im Tempel, Helferinnen bzw. Tempeldienerinnen und freie Prostituierte vor dem Tempel.

Jede von ihnen stand im Dienst der Göttin der Liebe, keine von ihnen lebte in der traditionellen Rolle als Hausfrau oder Tochter. Dennoch wird Letzteren in Gesetzestexten ein derartig niedriger Rang zugesprochen, dass es sogar verboten war, sie zu heiraten (vgl. ebd.).Eine viertausend Jahre alte Warnung eines Vaters an seinen Sohn, eingeritzt in eine Tontafel, spiegelt die gesellschaftliche Sicht auf diese Frauen wider, welche, abgesehen von der Erwähnung des Tempels, genauso aus der heutigen Zeit stammen könnte:

„Heirate keine Hure,

Denn viele Ehrenmänner hatte sie schon,

auch keine Priesterin des Tempels,

Denn geweiht hat sie sich den Göttern,

Und auch kein Tempelmädchen

Die schon so viele befriedigte,

Im Stich lassen wird sie dich in der Not,

Und im Gespräch dich verhöhnen.“

So wird schon bei den ersten Prostituierten unterschieden und stigmatisiert: an höchster Stelle stehen die Priesterinnen, denen es vorbehalten war, mit der Gottheit und Königen zu verkehren und mit ihnen die „Heilige Hochzeit“ zu vollziehen, ein Ritual zum Schutz des Königs, seiner Herrschaft und seines Königreichs (Ringdal 2015). Darauf folgten die Tempelmädchen, die mit ihrem Körper als göttliches Instrument dem Tempel und der Gottheit dienten und schlussendlich die Frauen, die den Tempel in seiner Funktion als Lebensmittelpunkt der Gesellschaft nutzten und sich vor ihm verkauften.

Diese Dreiteilung, zum einen abhängig von der Tätigkeit, zum anderen abhängig vom Ort dieser, wird sich in der Geschichte, bis hin zur Gegenwart fortsetzen.

2.2.2 Prostitution im klassischen Griechenland

Auch im klassischen Griechenland um 500 v. Chr. gab es eine klare Unterteilung der sich prostituierenden Frauen: an unterster Stelle standen die Deiktriden, die „ausgestellten Mädchen“, welche an Straßen oder in Hauseingängen der Bordelle standen, in denen sie lebten. Sie waren fast ausschließlich Sklavinnen und lebten in erbärmlichen Verhältnissen, welche zu Geschlechts- und anderen Krankheiten führte und sie zu Opfern gesellschaftlicher Ächtung machten. Es war ihnen sogar verboten, sich am Tage in der Öffentlichkeit zu bewegen, um den „respektablen Frauen ihren Anblick zu ersparen“ (vgl. ebd.).

Ihre Situation ähnelte den heutigen Armuts- und Beschaffungsprostituierten, jedoch hatten Deiktriden als Sklavinnen keinerlei Entscheidungsfreiheit über ihr Schicksal.

Deutlich besser erging es den Auletriden. Auletriden waren „freie Frauen mit besonderen Fertigkeiten“ (ebd.), welche nackt oder in durchsichtigen Gewändern Männer mit Gesang, Tanz und anderen Kunsttücken unterhielten und auf keinem Fest fehlen durften.

Im Gegensatz zu den Deiktriden waren sie gesellschaftlich gut angesehen und konnten relativ viel Geld verdienen, was ihnen die Transition zur höchsten Form der Prostitution, dem Dasein als Hetäre, ermöglichte. Das moderne Pendant zu ihnen könnten Stripperinnen darstellen, welche auch, zumeist leicht bekleidet tanzend, einen Unterhaltungsauftrag erfüllen.

Die höchste Stufe der Prostitution im klassischen Griechenland bildeten die Begleiterinnen bzw. Hetären. Diese waren ehemalige, freigelassene Sklavinnen, welche in der heutigen Zeit den sogenannten Luxus-Escorts entsprechen würden. Sie genossen hohes Ansehen in der Gesellschaft und hatten, besonders für Frauen in der damaligen Zeit, sehr viele Freiheiten und waren in vielerlei Hinsicht die ersten freien Frauen der Weltgeschichte (Ringdal 2005).

Hetären empfingen ihre Kunden, die aristokratische Elite, auf ihren eigenen Anwesen und manche nahmen für ihre Feste sogar Dienste der Auletriden in Anspruch. Sie waren gebildet, gepflegt, wohlhabend und einflussreich und die einzig weiblichen Personen, die von den Männern im klassischen Griechenland als gleichwertig betrachtet wurden (vgl. ebd.).

Am Beispiel der Hetären wird sehr deutlich, dass Prostitution für Frauen durchaus als Mittel zum gesellschaftlichen und finanziellen Aufstieg genutzt werden konnte. Durch das Anbieten des eigenen Körpers und Intellekts konnten Frauen, die ehemalig Sklavinnen waren, zu Gefährtinnen der großen Politiker und Philosophen werden und so in die Geschichte eingehen. Ein Beispiel hierfür ist Aspasia, eine von Sokrates hochgeschätzte Hetäre, an welche als Philosophin und Partnerin Perikles noch heute erinnert wird.

2.2.3 Prostitution im Mittelalter

Die gesellschaftliche Sicht auf die Prostitution im kirchlich geprägten Mittelalter schien zwar theologisch eindeutig, lässt sich in der Praxis jedoch als ambivalent beschreiben: einerseits galt es als selbstverständlich, dass unverheiratete Männer ihre Männlichkeit durch sexuelle Betätigung unter Beweis stellten. Andererseits schickte es sich für die Frauen aus den gehobenen Schichten jedoch aufgrund von kirchlichen und gesellschaftlichen Moralvorstellungen nicht, vorehelichen Verkehr zu haben. Zu diesem Zweck wurden die sogenannten „Dirnen“ konsultiert, welche zumeist Frauen aus den unteren Gesellschaftsschichten waren und bereits für den Preis von zwei Pfennig für Geschlechtsverkehr zu haben waren. Dirnen waren entweder frei auf der Straße oder, im Spätmittelalter, in sogenannten „Frauenhäusern“ anzutreffen (vgl. Ringdal, 2015).

Das Hochmittelalter im 13./14. Jahrhundert stellte den Übergang von der mobilen Prostitution durch „fahrende Frauen“ zur sesshaften Prostitution in Bordellen bzw. Frauenhäusern dar. Diese Häuser wurden oftmals von der Stadt betrieben und waren beliebte Zentren sexueller und geselliger Vergnügungen. Vor Allem aber dienten sie der Zentralisierung des „wilden“ Prostitutionsgewerbes, was aus kirchlicher Sicht zwar als sündig, aber auch als nötig für den Erhalt einer moralischen Gesellschaft galt.. So hieß es von Seiten des mächtigen Dominikanerordens Ende des 15. Jahrhunderts, dass die „Huren zur sittlichen Ordnung beitrügen, da sie bereits gefallen seien“ und ehrbare Frauen so vor sexuellen Übergriffen von Seiten den männlichen Bevölkerung schützten (Schrader 2013).

Es war keine Seltenheit, dass Frauen, die sich allein am Abend auf der Straße aufhielten und demzufolge Prostituierte sein mussten, Opfer von Gruppenvergewaltigungen wurden. Diese Handlungen wurden durch den einmaligen Ruf „Hure“ legitimiert und die Gesellschaft störte sich kaum daran (vgl. Ringdal, 2015). Andererseits waren Prostituierte gern gesehene Gäste auf Volksfesten. So nahmen sie beispielsweise an Hochzeiten und anderen Festen teil, wo sie Tänze vor dem Rat oder anderen hochstehenden Gästen aufführten.

Die bereits erwähnten Frauenhäuser unterlagen strenger Reglementierung, der Frauenhausordnung, welche für die Betreiber wie für die dort lebenden und arbeitenden Frauen verbindlich war und ab dem 15. Jahrhundert in Kraft trat. Sie besagte, dass die Insassinnen des Frauenhauses gut gekleidet, gepflegt und gesund sein mussten. Ihre Einnahmen mussten die Frauen in Kleidung, Nahrung und Unterkunft investieren und außerdem Abgaben an die Stadt leisten. Es galten harte Arbeitsbedingungen und die Frauen erlebten große Einschränkungen ihrer Freiheit indem es ihnen oftmals sogar verboten wurde, das Frauenhaus zu verlassen (vgl. Ringdal, 2015). Dennoch garantierte die Frauenhausordnung den Frauen der städtischen Einrichtungen auch gewisse rechtliche Sicherheiten, wie z. B. das Recht auf Entlohnung, Eigentum und Schutz bei Krankheit und stellte somit die erste Form von Rechtsgrundlage für die Prostituierten da, ein Umstand, der im Rechtskapitel näher beleuchtet werden wird.

2.2.4 Prostitution im deutschen Kaiserreich

Mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 wurde die Kontrolle der Prostitution erweitert und verschärft und bald unterlag die Arbeit, Gesundheit und Lebensführung der sich prostituierenden Frauen in allen Städten sittenpolizeilicher Kontrolle. Abermals wurde damals versucht, die Prostitution zu zentralisieren und auf Kontrollstraßen zu beschränken, diesmal unter der Bezeichnung „Kasernierung“ (Schmitter, 2013) .

Diese Kasernierung, also die Arbeit in den bestimmten Kontrollstraßen, versprach Arbeit ohne Frauenwirte oder Zuhälter und damit einhergehend die freie Verfügbarkeit über den Arbeitslohn, was für viele Frauen ein lukratives Angebot darstellte (vgl. ebd.). Gleichzeitig fielen jedoch sehr hohe Mieten für die Arbeits- und Wohnräume in diesen Kontrollstraßen an, was die Frauen verpflichtete, täglich eine möglichst hohe Anzahl von Freiern zu empfangen. Des Weiteren war die vermeintliche Selbständigkeit der Prostituierten aufgrund der strengen polizeilichen Vorschriften und Kontrolle real kaum vorhanden. Weiterhin hatten sie, durch die Sittenwidrigkeit ihrer Tätigkeit, welche gegen Ende des Mittelalter zu Zeiten der Reformation durch Martin Luther ausgerufen wurde, keinerlei Rechte und konnten nicht einmal ihren Lohn einklagen und führten so ein Arbeitsleben im rechtsfreien Raum (vgl. ebd.). Dies beinhaltete weiterhin, keinerlei Anspruch auf Versicherung gegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit zu haben, da Prostitution nicht als Gewerbe anerkannt wurde, was die Situation der Prostituierten im deutschen Kaiserreich marginalisierte.

2.2.5 Zusammenfassung

Das Leben der Frauen in der Prostitution war zusammenfassend betrachtet vom ersten Auftreten an durch gesellschaftliche Stigmatisierung und Ausgrenzung geprägt. Trotzdem stellte Prostitution lange Zeit die einzige Option des Gelderwerbes für Frauen dar, besonders wenn sie von Armut betroffen waren, und manche hatten das Glück, durch den Verkauf ihres Körpers gesellschaftliche Macht zu erhalten was allerdings nur eine kleine Gruppe betraf.

Auch die verschiedenen Formen von Prostitution waren in der Historie schon frühzeitig ausgeprägt und haben sich innerhalb der Jahrtausende langen Geschichte nur minimal verändert. Prostitution ist ein globales Phänomen, wobei die vorangegangenen Ausführungen nur einen ausgewählten und westlich-zentrierten Bruchteil dessen widergeben, was in der langen Geschichte der Prostitution geschehen ist.

Im Folgenden wird nun die Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland beleuchtet, da sich diese Forschungsarbeit sich mit der Beschaffungsprostitution in der Bundesrepublik befasst und weitere Ausführungen den Rahmen sprengen würden.

2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen von Prostitution in Deutschland

Den ersten Versuch, die Rechte der Prostituierten selber zu formulieren, stellte die bereits erwähnten Regelungen der Frauenhäuser im Mittelalter dar Dieser Fortschritt wurde durch das Aussprechen der Sittenwidrigkeit von Prostitution in der Reformationszeit zunichte gemacht.

Es dauerte noch vier Jahrhunderte bis die Prostituierten begannen, sich in 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zu organisieren und für ihre Rechte stark zu machen. Mit „Hydra“ entstand 1980 die erste autonome Hurenorganisation Deutschlands, welche alsbald begann, rechtliche Forderungen zu formulieren. Die Hauptforderungen enthielten an erster Stelle die Entkriminalisierung des Gewerbes und damit einhergehend einen bindenden Rechtsschutz (vgl. HYDRA). Zwar war Prostitution seit 1927 nicht mehr strafbar, jedoch galt sie bis zum ProstG weiterhin als sittenwidrig und gemeinschaftsschädigend. Weiterhin verlangten die Frauen endlich die Sicherheit, dass Gewaltverbrecher und Vergewaltiger unter ihren Freiern strafrechtlich verfolgt werden und (vgl. HYDRA). Aus heutiger Perspektive sind dies legitime, selbstverständliche Forderungen, doch wie der Blick auf die Geschichte zeigte, war es keineswegs selbstverständlich, für die sich prostituierenden Frauen überhaupt eine geschützte Rechtsposition zu haben. So dauerte es mehr als 20 Jahre, bis die Forderungen Hydras akzeptiert und in einem Gesetz umgesetzt wurden.

2.3.1 Das erste Prostituiertengesetz 2001

Am 1. Januar des Jahres 2002 trat das „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ abgekürzt ProstG, in Kraft und schaffte die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen im Bezug auf Prostitution. Es gilt als eines der liberalsten Prostitutionsgesetze in Europa, insbesondere da der Gesetzgeber damit die Prostitution weder „grundsätzlich befürworten noch bekämpfen“ wollte (vgl. Angelina, 2018). Das erklärte Ziel des Gesetzes war es, Rahmenbedingungen für eine Verbesserung der Situation in der freiwilligen Sexarbeit zu schaffen, welche somit rechtlich als selbstbestimmte Entscheidung respektiert wurde (vgl. BMFSFJ 2007). Weiterhin sollen die Kriminalität im Milieu bekämpft, bessere Arbeitsbedingungen geschaffen und der Ausstieg aus der Prostitution erleichtert werden (vgl. ebd.). Explizit sind folgende Inhalte enthalten:

- §1: Ein Vertrag zwischen Sexarbeiterin und Kunde gilt als rechtmäßig (teilw. Aufhebung Sittenwidrigkeit, siehe Kritik)
- Es gibt die Möglichkeit abhängiger, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse sowie freiberuflicher Tätigkeit der Sexarbeiterinnen
- Das Betreiben eines Bordells und die Schaffung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre werden nicht mehr strafrechtlich verfolgt
- Prostitution unterliegt dem grundrechtlichen Schutz der freien Berufswahl

2.3.2 Kritik am „ProstG“

Zwar war die Schaffung eines einheitlichen Gesetzes ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sind weitere Gesetze, welche die Belange der Prostitution direkt betreffen, nicht mit dem Prostitutionsgesetz geändert worden und nach wie vor „Ländersache“ (vgl. Angelina 2018). Dies betrifft beispielsweise die Sperrgebietsverordnungen, welche noch immer bestehen und insbesondere die Straßen- und Beschaffungsprostitution bestimmen, ein Umstand, der im Kapitel der Beschaffungsprostitution relevant werden wird. Weiterhin enthalten auch Polizeigesetze einiger Bundesländer Eingriffsbefugnisse, die sich spezifisch auf die Prostitution beziehen und so die Stigmatisierung von Seiten der Staatsgewalt aufrecht halten (vgl. ebd.)

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Fokus auf die Sexarbeiterinnen selbst: straf- und ordnungsrechtlich wird vorrangig auf sie und ihr Umfeld eingewirkt, während ihre Kundschaft rechtlich kaum belangt wird. Diese Kritik wurde im folgenden Gesetz aufgenommen, wie später noch ersichtlich wird. Allgemein wird, trotz erster Bemühungen von Seiten der Gesetzgeber, vieles weiterhin milieuintern reguliert und auch die Bereitschaft, vom nun bestehenden Rechtsschutz Gebrauch zu machen, ist aufgrund der weiterhin bestehenden gesellschaftlichen Stigmatisierung der Frauen in der Prostitution nach wie vor gering (vgl. Angelina 2018).

2.3.3 Prostituierten-Schutz-Gesetz 2017

Als Reaktion auf die große Kritik am ersten ProstG wurde 2016 das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ oder kurz Prostituierten-Schutz-Gesetz (ProSchG) beschlossen, welches am 1. Juli 2017 in Kraft trat. Wie der Name beschreibt, sollte dieses Gesetz endlich Mindestvorgaben zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Frauen in der Prostitution bringen und hatte überdies zum Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung von Prostituierten zu stärken (vgl. Angelina 2018). Weiterhin sollten mit ihm Grundlagen für vertragliche Arbeitsbedingungen geschaffen werden und Menschenhandel und andere kriminelle Strukturen im Gewerbe durch vermehrte staatliche Kontrolle unterbunden werden (vgl. ebd.). Dies betrifft vor allem Bordellbetreiber. Aber auch die Gruppe der Freier wird kann nach dem Gesetz belangt werden, womit der Kritik begegnet wurde, dass nur das Verhalten der Frauen in der Prostitution reguliert würde. Folglich ergeben sich für drei Gruppen gravierende Veränderungen; die Prostituierten, die Betreibern und die Freier (vgl. ebd.). Diese Veränderungen sollen nun gruppenspezifisch vorgestellt werden.

2.3.3.1 Veränderungen für Prostituierte

Jede Person, die sich prostituiert, ist durch das Gesetz verpflichtet, sich als Prostituierte/r registrieren zu lassen. Bei dieser Registrierung ist neben den üblichen Angaben des Vor- und Nachnamens, des Geburtsdatum und Geburtsortes, der Staatsangehörigkeit und einer gültige Meldeanschrift auch anzugeben, an welchen Orten geplant ist, der Prostitution nachzugehen und es besteht die Pflicht, an einem Informations- und Beratungsgespräch teilzunehmen (vgl. BMFSFJ 2017). Zusätzlich gibt es eine verbindliche Gesundheitsberatung, welche bei Personen über 21 Jahren alle zwölf bzw. bei Personen, die jünger als 21 Jahre alt sind, alle sechs Monate fällig ist und deren Einhaltung durch einen Stempel in der Anmeldebescheinigung überprüft wird. Nach der Registrierung erhält die Person die Anmeldebescheinigung (im Milieu auch gerne „Hurenpass“ genannt), welche abhängig vom Alter entweder zwei Jahre oder ein Jahr gültig ist und wie ein Personalausweis permanent bei sich zu tragen ist (vgl. BMFSFJ 2017).

2.3.3.2 Veränderungen für Betreiber

Auch für BetreiberInnen von Bordellen hat sich durch das neue Gesetz einiges geändert: sie benötigen in Zukunft eine behördliche Erlaubnis, um ein Prostitutionsgewerbe eröffnen und betreiben zu dürfen (vgl. BMFSFJ 2017). Um diese zu erhalten, müssen sie ein Betriebskonzept, sowie ein Führungszeugnis vorlegen. Geht aus dem Führungszeugnis hervor, dass die betreffende Person innerhalb der letzten fünf Jahre aufgrund einer schwerwiegenden Straftat verurteilt wurde, hat sie „keine Zuverlässigkeit“ und erhält keine Erlaubnis (vgl. Angelina 2018).

Auch an die vom Gewerbe genutzt Anlagen werden jetzt Mindestanforderungen gestellt: die Räume, die zur Prostitution genutzt werden, dürfen nicht mehr einsehbar und auch die Arbeits- und Schlafräume der Prostituierten müssen klar getrennt sein (vgl. BMFSFJ 2017). Weiterhin müssen Betreiber sicher gehen, dass in ihren Betrieben weder Minderjährige noch Personen ohne Anmeldebescheinigungen tätig sind, oder die Personen gar Opfern von Menschenhandel sind (vgl. ebd.).

Auch das Weisungsrecht in Bezug auf das Anbieten bestimmter sexueller Dienstleistungen wurde weiter beschränkt und Betreiber dürfen keinerlei Vorgaben zur Ausgestaltung der sexuellen Handlungen machen (vgl. Angelina 2018). Weiterhin dürfen sie sich nicht an der Vermietung der Räumlichkeiten bereichern, bzw. die Preise dürfen nicht im Missverhältnis zu Normpreisen stehen.

Zudem ist es auch verboten, speziell für Sex ohne Kondom oder insbesondere mit Schwangeren zu werben (vgl. ebd.).

2.3.3.3 Veränderungen für Freier

Mit dem ProSchG werden schließlich auch die Freier belangt, welche lange unbehelligt agieren konnten. Vor Allem betrifft sie die eingeführte Kondompflicht, welche bei Zuwiderhandlung eine Strafe von bis zu 50.000 Euro mit sich bringt und nur für den Freier gilt, die Prostituierte wird in diesem Fall nicht belangt (vgl. BMFSFJ 2017).

Weiterhin macht sich seit dem 15.10.2016 nach § 232a StGB jeder strafbar, der „wissentlich kommerzielle sexuelle Handlungen einer Zwangsprostituierten in Anspruch nimmt und somit ihre Situation ausnutzt“ (Angelina, 2018). Dafür reicht bereits ein bedingter Vorsatz aus, der Täter muss also damit gerechnet bzw. es bewusst in Kauf genommen haben, dass es sich um einen Zwangskontext handelt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der/die Prostituierte Verletzungen aufweist, eingeschüchtert wirkt oder der Täter gar mit einem Zuhälter über die Bezahlung verhandelt hat. Es kann in solchen Fällen jedoch von einer Strafe abgesehen werden, wenn der Freier den Verdacht freiwillig meldet und zur Anzeige bringt (vgl. ebd.).

2.3.4 Kritik am ProstSchG

Der Hauptkritikpunkt im ProstSchG stellt für viele die Anmeldepflicht, bzw. der „Hurenpass“ dar. Durch die darin enthaltenen Daten, insbesondere Anschrift und Klarnamen, befürchten die Beratungsstelle Hydra und der Deutsche Juristinnenbund eine weitere Stigmatisierung und Diskriminierung von Prostituierten (vgl. Angelina 2018). Der Verein Dona Carmen, welcher sich für die sozialen und politischen Rechte von Prostituierten einsetzt, hat im Juni 2018, somit ein Jahr nach in Kraft treten des ProstSchG, einen Evaluierungversuch zur Umsetzung des Gesetzes unternommen. Dieser wird im Folgenden als Hauptquelle dienen, da die offizielle Evaluierung von Seiten der Politik erst im Jahr 2025 abgeschlossen werden wird (vgl. Dona Carmen 2018).

Der Verein Dona Carmen kamen in dieser Untersuchung zu drei Hauptergebnissen;

1. Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes hat ein allgemeines Klima der Rechtsunsicherheit geschaffen und verschärft die bestehende Diskriminierung von Sexarbeit.
2. Durch die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes kam es nachweislich zu einer Verringerung des Angebots sexueller Dienstleistungen und weiterhin zu einer Illegalisierung von Sexarbeit.
3. Die Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes führte zu einer Welle von Schließungen im Prostitutionsgewerben und hat somit nachteilige Folgen für Sexarbeiter/innen.

Aufgrund dieser Ergebnisse vertritt der Verein, wie viele Beratungsstellen und SexarbeiterInnen auch, eine ablehnende Position gegenüber des ProstSchG. „Dieses Gesetz muss weg, es muss durch eine vernünftige und sinnvolle Regulierung des Prostitutionsgewerbes ersetzt werden“ so das wörtliche Fazit von Dona Carmen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die zunehmende Verschiebung des Diskurses über das Gesetz von Bundes- auf die Landesebene. Die Kernaussage der Kritik ist: „Die Debatte um das Gesetz selbst wird in diesem Kontext häufig entpolitisiert und umsetzungsborniert geführt.“ (ebd.).

2.3.5 Zusammenfassung

Festgestellt kann werden, dass sich die rechtliche Situation seit Beginn der Prostitution zwar nach und nach verbessert hat, jedoch der Weg zu einem Gesetz, das alle Seiten einigermaßen zufrieden stellt, noch sehr lang ist. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, das Thema Sexarbeit zu entstigmatisieren. Nur so wird es möglich sein, einen Rechtsdiskurs zu führen, an dem die Betroffenen selbst gestaltend teilnehmen können. Kathrin Schrader, Vorstandfrau bei ragazza e.V., formuliert hierzu wie folgt:

„Eine Gesellschaft, die sich im Sinne der Opfer von Ausbeutung und Misshandlungen einmischen will, muss diese Menschen in jeder Situation als Subjekte ernst nehmen und stärken. Es ist der rechtlose Status illegalisierter Sexarbeiterinnen und nicht die Sexarbeit, die das Verbrechen befördern.“ (Schrader, 2015)

Dies stellt auch eine Herausforderung und Aufgaben für die Sozialen Arbeit dar. Im nächsten Kapitel soll deshalb der Umgang der Sozialen Arbeit mit dem Thema Prostitution und den Frauen an sich beleuchtet werden.

2.4 Sozialarbeiterische Perspektiven im Umgang mit Prostitution

Zwischen der Sozialen Arbeit und dem Prostitutionsgewerbe besteht eine lange historische Verbindung und es gibt kaum eine andere Disziplin, die sich näher und aktiver im Feld der weiblichen Prostitution bewegt, als die Soziale Arbeit. Fokus dieser sozialarbeiterischen Bemühungen waren und sind immer die Frauen und der Einsatz für ihre Rechte (vgl. Albert 2015), ), weshalb von einer grundsätzlich parteilichen und solidarischen Arbeitshaltung gesprochen werden kann. Dennoch unterschieden sich die Perspektiven im Blick auf die Prostitution sehr, weshalb im Folgenden ein Überblick über die drei Hauptanschauungen gegeben werden soll.

[...]

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Beschaffungsprostitution als Problemfeld der Sozialen Arbeit. Handlungsempfehlungen für den Umgang mit drogenabhängigen Prostituierten
Autor
Jahr
2020
Seiten
66
Katalognummer
V513771
ISBN (eBook)
9783963550508
ISBN (Buch)
9783963550515
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziale Arbeit, Prostitution, Beschaffungsprostitution, Drogen, Formen von Prostitution, Heroin, Abhängigkeit, ProstituiertenSchutzGesetz, Drogenabhängigkeit, Sucht, Drogensucht, Sexarbeiterin, Hilfsangebot
Arbeit zitieren
Laura Goergens (Autor:in), 2020, Beschaffungsprostitution als Problemfeld der Sozialen Arbeit. Handlungsempfehlungen für den Umgang mit drogenabhängigen Prostituierten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/513771

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