Einleitung
In unseren Köpfen arbeiten drei- bis vierhundert Milliarden Nervenzellen, die zu neuronalen Netzwerken verknüpft sind. Die Zahl der Synapsen (Verbindungsstellen) beläuft sich auf schwer vorstellbare 100 Billionen, mal sicher ein paar mehr oder weniger. Über diese kilometerlangen Verbindungen laufen jene Informationen, die es uns ermöglichen, dass wir uns erinnern. Brauchen wir unser Gedächtnis? Schon nach kurzer Überlegung wird einem bewusst, wie unverzichtbar das Gedächtnis ist, da man nicht einmal diese Überlegung über die Notwendigkeit des Gedächtnisses hätte anstellen können, wenn man sich nicht erinnerte, was das Gedächtnis eigentlich ist. Was aber genau ist das Gedächtnis? Um sich der Bedeutung des Gedächtnisses systematisch annähern zu können, trifft Aleida Assmann folgende Differenzierung: Es gilt zwischen drei verschiedenen Stützen des Gedächtnisses zu unterscheiden: „[1.] das biologisch-neuronale System des menschlichen Gehirns, das ausschließlich individuellen Menschen eignet; [2.] das soziale System von körperlicher Interaktion und sprachlicher Kommunikation, durch das soziale Gruppen entstehen und [3.] das System symbolischer Medien, das die Grundlage einer langfristigen, transgenerationellen kulturellen Erinnerung ist.«1 Bei dieser Unterscheidung wird zunächst genauer auf den individuellen subjektiven Aspekt des Gedächtnisses eingegangen. Welche Systeme lassen sich unterscheiden? Was erinnern wir wie, wann und warum? Im zweiten Schritt wird ein Überblick gegeben, über die gesellschaftlichen Erinnerungsformen wie dem sozialen, kulturellen oder kollektiven Gedächtnis. Primär nähert sich die vorliegende Arbeit diesem Thema auf sozialwissenschaftlicher Ebene, der neurologische Aspekt soll hingegen nur bedingt Erwähnung finden.
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1 Vgl. Assmann, A. 2005, Auszug aus der ersten Vorlesung der Reihe „Geschichte, Gedächtnis, Identität“, die Aleida Assmann seit Juni 2005 an der Universität Wien hält. www.ustinov.at/assmann_lv1.htm
2 ENCARTA Enzyklopädie, Microsoft Corporation,1993-2003.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die fünf Gedächtnissysteme
- III. Perspektiven der Erinnerung
- III. 1. Varianten des subjektiven Gedächtnisses
- III. 2. Gedächtnisinhalte
- IV. Das individuelle oder kommunikative Gedächtnis
- V. Das soziale Gedächtnis
- VI. Das kulturelle oder kollektive Gedächtnis
- VII. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem menschlichen Gedächtnis und seinen verschiedenen Ausprägungen. Sie untersucht, wie das Gedächtnis auf individueller und gesellschaftlicher Ebene funktioniert und welche Rolle es in der Konstruktion von Identität und Geschichte spielt. Die Arbeit geht dabei von der Annahme aus, dass das Gedächtnis nicht nur ein biologisches Phänomen ist, sondern auch soziale und kulturelle Dimensionen besitzt.
- Die verschiedenen Systeme des menschlichen Gedächtnisses
- Die Rolle des Gedächtnisses in der Konstruktion von Identität
- Die Bedeutung des sozialen Gedächtnisses für die Bewahrung und Weitergabe von Geschichte und Kultur
- Die verschiedenen Formen des kulturellen oder kollektiven Gedächtnisses
- Die Auswirkungen von Erinnerung auf die Gegenwart
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des menschlichen Gedächtnisses ein und stellt die verschiedenen Gedächtnissysteme vor. Das Kapitel II. beleuchtet die fünf Gedächtnissysteme, die von der Kognitionswissenschaft unterschieden werden: das prozedurale Gedächtnis, das semantische Gedächtnis, das perzeptuelle Gedächtnis, das Priming und das episodisch-autobiographische Gedächtnis. Die Arbeit konzentriert sich im weiteren Verlauf auf die gesellschaftlichen Formen des Gedächtnisses und beleuchtet die verschiedenen Perspektiven der Erinnerung.
Das Kapitel III. behandelt die Varianten des subjektiven Gedächtnisses und die Gedächtnisinhalte, während Kapitel IV. das individuelle oder kommunikative Gedächtnis beleuchtet. Im Kapitel V. wird das soziale Gedächtnis im Detail analysiert, und Kapitel VI. widmet sich dem kulturellen oder kollektiven Gedächtnis.
Schlüsselwörter
Gedächtnis, Erinnerung, Gedächtnissysteme, individuelles Gedächtnis, soziales Gedächtnis, kulturelles Gedächtnis, kollektives Gedächtnis, Identität, Geschichte, Kultur, Erinnerungskultur
- Arbeit zitieren
- Maria Kufeld (Autor:in), Svenja Wesseloh (Autor:in), 2005, Vergangenheit erleben - Das Gedächtnis und seine drei Formen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51438