Antizipierte Immobilien- und Wirtschaftskonzepte zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen


Wissenschaftliche Studie, 2019

227 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Hypothesen und Zielsetzung
1.3. Aufbau der Arbeit
1.4. Methodisches Vorgehen

2. Grundlagen und Definitionen
2.1. Reflexion des Terminus „Immobilie“
2.1.1. Die juristische Komponente
2.1.2. Physischer Aspekt
2.1.3. Ökonomische Perspektiven
2.1.4. Soziale Faktoren
2.2. Gütesiegel und Zertifikate
2.2.1. Orientierung durch Gütesiegel und Zertifikate
2.2.2. Immobilienobjekte, mit „ESI“ fit für die Zukunft
2.2.3. „Minergie“-Standard
2.2.4. Auf „Green-Building“ folgt „Blue-Building“

3. Retrospektive
3.1. Erste industrielle Schritte
3.2. Klassische Arbeitswelten
3.2.1. Büroarbeit im historischen Entwicklungsverlauf
3.2.2. Besinnung auf das Arbeitsumfeld
3.3. Prozessinnovation

4. Aktueller Forschungsstand
4.1. Strukturelle Modifikation in der Bauwirtschaft
4.2. Kontinuierlich dezimierte Wohnraumschaffung
4.3. Kostenbewusstsein bewirkt Immobilienmarktveränderung
4.4. Neue Marktteilnehmer substituieren konventionelle Bauherren
4.5. „Health-Care Immobilien“ – Etablierung einer neuen Asset-Klasse
4.6. Ökologische Einflussnahme und Rohstoffkreislauf
4.7. „Green Building“ – ökologisch nachhaltige Objektentwicklung

5. Vertiefende Auseinandersetzung
5.1. Weltbevölkerungszuwachs
5.2. Urbanisierung
5.3. Urbanes Leben abseits der Metropolen
5.4. „Neue“ Arbeitswelt
5.5. Verlagerte Risiken – von Auftraggeber zu Auftragnehmer
5.6. Festanstellung, Leiharbeit und Ich-AG
5.7. Lebenslanger Wissenserwerb
5.8. Führungsdefizite des Immobilienmanagements
5.9. Mobile Kommunikation

6. Hypothesen
6.1. Standortfaktoren
6.2. Zukunftsentscheidende Ressource Wasser
6.2.1. Geforderte ferntransportierte Bedarfsdeckung
6.2.2. Aufbereitung und Wiedernutzung
6.3. Produktivitätssteigerung unter reduzierter Raumanforderung
6.4. Einkommensentwicklung – Immobilienentwicklung
6.4.1. Kaufkraft und Einkommen
6.4.1.1. Urban und rural-peripher überregionaler Kaufkraft- und Einkommensvergleich
6.4.1.2. Kaufkraft in Europäischen Städten
6.4.1.3. Kaufkraftverlust am Exempel Wiens
6.4.1.4. Kaufkraftdifferenzierung Stadt und Land in Deutschland
6.4.2. Modifikation der Lebensgestaltung formt die Immobiliennachfrage
6.4.3. Kooperationsbedarf und Wandel als Erfordernis
6.5. Migration als Erfordernis?

7. Erkenntnis und Formulierung erwarteter Szenarien
7.1. Geforderte Analysen in der immobilen Ökonomie
7.2. Vermögenswert Immobilie
7.2.1. Steigerung und Sicherung von Immobilienwerten
7.2.2. Ungesicherte Anlageoption Immobilie
7.3. Bedürfniswandel der Immobiliennutzer
7.3.1. Veränderte Lebensumstände bewirken Adaption immobiler Anforderungen
7.3.2. Regionale und globale Innovationen
7.4. Märkte an die Macht?
7.5. Die menschenleere Fabrik
7.6. Die Immobilie als Arbeitsort
7.6.1. Home-Office – Fluch oder Segen?
7.6.2. Co-Working
7.7. Das Ende unbeschwerter Zeiten
7.8. Protektionismus versus Globalisierung
7.9. Daten – bedeutenderes Kapital der Zukunft als Immobilien
7.9.1. Informations- und Kommunikationstechnologien
7.9.2. Künstliche Intelligenz
7.9.3. Gelingt einem Handschuh, die Welt zu erobern?
7.9.4. Robotik und Androiden
7.10. Autonome Mobilität
7.10.1. Individualverkehr der Zukunft
7.10.2. Kommunale Mobilität
7.10.3. Globaler Verkehr
7.11. Ressourcenverbrauchsreduktion in der Mobilität
7.12. Tourismus
7.13. Ernährungskrise versus landwirtschaftliche Flächenreduktion
7.14. Ökologie im Bauwesen
7.14.1. Ecopolis - Kleinklimafaktor Ökologie
7.14.2. Objektinterne Wärmegewinne
7.14.3. Thermische Sanierung als Erfordernis
7.15. Innovative Energiequellen
7.15.1. Fossile Energie
7.15.1.1. Steinkohle, Braunkohle, Torf
7.15.1.2. Gas
7.15.1.3. Erdöl
7.15.2. Regenerative Energie
7.15.2.1. Solarenergie, Solarthermie, Photovoltaik
7.15.2.2. Brennstoffzelle und Co
7.15.2.3. Biomasse
7.15.2.4. Windkraft
7.15.3. Hydrologische Energiequellen
7.15.3.1. Wasserkraft
7.15.3.2. Gezeiten, Tidenhub, Wellenkraft, Meeresströmung
7.15.4. Geothermie
7.15.5. Kernenergie
7.16. Regionale Bevölkerungsentwicklung – Deutschland im Fokus
7.16.1. Schwindet die Attraktivität ländlicher Gebiete?
7.16.2. Prosperierende Regionen Ballungszentren
7.16.3. Neuorientierte Stadtsoziologie
7.16.4. Von Leerstandsquoten befreite Metropolen
7.16.5. Attraktive Metropolen umschließende Speckgürtel
7.16.6. Bipolare Städte
7.17. Progression des Bauwesens
7.17.1. Besiedelung und Bauland
7.17.2. Städtebauliche Gesamtplanung
7.17.3. Nachgefragte Wohnraumkonzepte
7.17.4. Sozialer Wohnbau
7.17.5. Kommunalbauten
7.17.6. Altersorientierte Wohnimmobilien
7.17.7. Wachstumsmarkt Pflegeimmobilien
7.17.8. Industrieobjekte
7.17.9. Von der Immobilie zum Erlebniszentrum

8. Ausblick

9. Nicht erreichte Ziele und Ergebnisse, Schwächen der Arbeit

10. Literaturverzeichnis

11. Abbildungsverzeichnis
11.1. Verzeichnis der Abbildungen
11.2. Verzeichnis der Tabellen
11.3. Verzeichnis des Anhangs

12. Tabellenverzeichnis

13. Anhang

1. Einleitung

Immobilien der Zukunft, wie könnten diese wohl beschaffen sein? Eine weitläufige Materie, der unzählige weitere Fragestellungen zum komplexen Thema noch anzufügen wären, um letztlich unbeantwortet zu verbleiben. Historisch bis gegen-wärtig sind wir bereits mit umfangreichen Erkenntnissen und Fakten rund um die Themen Immobilie und Wirtschaft versorgt. Erscheint es zu gewagt, vermessen oder gar töricht, mit allzu weitreichendem Blick Prognosen zur Entwicklung des Immobilienwesens zur fernen Mitte des aktuellen Jahrhunderts erstellen zu wollen? Sind wir nicht versucht, bislang erworbene Erkenntnisse zu Zukunftsszenarien zu vermengen, um wider besseren Wissens diese Szenarien trotzdem zu erwarten, obwohl letztendlich nichts so ungewiss als die Zukunft ist? Es lohnt dennoch, durch Beschäftigung mit dem forderndem Thema einer unbestimmten fernen Entwicklung, aus der Vielfalt bislang gewonnener Erkenntnisse und zahlreicher Prognosen unserer Wirtschaftsweisen, Vordenkern und Zukunftsforschern Überlegungen zu unserer immobilen und ökonomischen Zukunft anzudenken, um diese als Thema dieser Studie aufzugreifen.

1.1. Problemstellung

Wie die Immobilienwirtschaft mit all ihren Aspekten um das ferne Jahr 2050 gestaltet sein wird, wem gelingt, dies gegenwärtig zu erläutern? Von den archaischen, anspruchslos primitiven Behausungen unserer fernen Vorfahren bis zur techno-logisch vollgepackten High-End-Luxusimmobilie, von der spärlichen Streusiedlung über frühe Ortsverbandsbildung bis zur modernen Mega-City, vom einfachsten Gewerbestandort des Handwerks bis zur entwickelten Industriemetropole liegt umfangreich historisch gesicherte Information vor. In Unkenntnis verbleibt jedoch, wohin sich unsere Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen zu den Themen Arbeitswelt und Wohnform, Kultur, Freizeit und medizinischer Versorgung, zu Ökologie, Energiegewinnung, zu Nahrungsmittelproduktion und weiteren an-sprechenden Themen entwickeln.

Nach Würdigung der mannigfaltig mit einwirkenden globalen historischen, ökonomischen, demografischen und soziologischen Aspekte erfolgt primäre Fokussierung dieser Untersuchung auf den innereuropäisch deutschsprachigen Raum, um in diesem Werk, bereichert durch soziologische und demografische Erkenntnisse, den Versuch aufzugreifen, Fragestellungen zur immobilen Entwicklung zu beleuchten, Immobilienkonzepte unserer nahen und ferneren Zukunft zu anti-zipieren.

1.2. Hypothesen und Zielsetzung

Immobilien stellen für private, gewerbliche als auch institutionelle Errichter, Erwerber oder Nutzer eine nachgefragte, hochpreisige Ressource dar, bei der unter man-gelnder Sorgfalt und Planung, vorschnellem Kauf oder Verkauf, nicht erreichten Zielen oder unzureichender wirtschaftlicher Rentabilität rasch finanzielles Desaster erwachsen kann (Kramer, 2011, 6) (Vuk, 2014a, 124). In den Jahren 1946 bis etwa 1970, in der Wiederaufbauphase dem zweiten Weltkrieg folgend, lag das vorrangige Bedürfnis Wohnungssuchender an der Errichtung, am Erwerb oder der Nutzung eines persönlichen Eigenheimes, gesichert durch Schaffung erschwinglichen Wohnraumes. Gegenwärtiger Anspruch an Immobilienobjekte fordert weit mehr als nur Bedürfnisbefriedigung des eigenen Daches über dem Kopf (Meissl, 2010, 6) (Vuk, 2014a, 124). Wohl kaum ist anzunehmen, dass Wünsche, Bedürfnisse und Ansprüche an immobile Inanspruchnahme in naher oder ferner Zukunft in minderem Ausmaß als bislang erfolgen werden. Unser stetig steigender Lebensstandard und technologische Innovationen bereiten die Basis für anschwellende Ansprüche, Bedürfnisse und Erwartungshaltungen.

Als Zielsetzung der Aufgabenstellung dieser Untersuchung gilt, durch Bewertung und Interpretation von Literatur und Konzepten die Forschungsfrage in den Konnex zu wissenschaftlicher Diskussion zu stellen und eigene Thesen zu formulieren. Die Beschäftigung mit Faktoren, Aspekten, Typologien und die Erarbeitung von praktikablen Konzepten in einem Untersuchungsgebiet, welches sich bislang eher geringer in der existenten wissenschaftlichen Literatur in Bearbeitung befand, belässt erworbene Erkenntnisse nicht im Anspruch einer gesicherten Allgemeingültigkeit, diese soll vielmehr als Basis für nachfolgende Forschungen mit erläuterndem Charakteristikum dienen (Hayek, 1972, 10).

Intention des Verfassers ist keinesfalls, umfassende Thesen und theoretische Konstrukte wie bereits umfangreich vorliegend zu formulieren oder lückenlos vor-weggenommene Entwicklungen widerzuspiegeln. Die Untersuchung erfolgt vielmehr im Willen, gewonnene Erkenntnisse zwischen wissenschaftlichem Gebot und praktischer Relevanz zu vermitteln, und diese zu dokumentieren (Held, 2010, 14).

1.3. Aufbau der Arbeit

Nachdem Immobilien, mit all deren Ausformungen, seit der humanen Entstehungs-geschichte intensiv mit unserer Existenz verbunden wurden, erfolgt in dieser Arbeit Beschäftigung mit einer Vielzahl von Themen, welche vordergründig nur tangierend im Kontext zum Thema der Studie befindlich erscheinen. Und dennoch lässt sich in jedem Themenkreis ausreichender Bezug zum Forschungsbereich künftiger Immobilien identifizieren.

Im Kapitel 4 erfolgt Erläuterung zu den Grundlagen und Definitionen dieser Studie. Durch Reflexion des Terminus „Immobilie“ werden im Kapitel 4.1 der juristische Faktor, der physische Aspekt, ökonomische Perspektiven und soziale Aspekte beleuchtet. Kapitel 4.2 bietet Information zu Gütesiegeln und Zertifikaten. Orientierung durch Gütesiegel und Zertifikate, Immobilienobjekte, mit „ESI“ fit gemacht für die Zukunft sowie der „Minergie-Standard“ und Wandel von „Green Building“ zu „Blue Building“ sind Themen der Grundlagenerläuterung.

Im Kapitel 5 erfolgt Beschäftigung mit historischem Rückblick. Auseinandersetzung erfolgt vom Erwachen des Kapitalismus im 19. Jahrhundert am Beispiel der britischen Industriestadt Manchester bis zu zeitgenössischen Faktoren des Arbeits-umfeldes, mit Büroarbeit in historischem Entwicklungsverlauf, mit Besinnung auf das Arbeitsumfeld und mit Prozessinnovation und Produktivität in der Industrialisierung.

Das Kapitel 6 informiert über den aktuellen Forschungsstand. Themen sind die strukturelle Modifikation in der Bauwirtschaft, zunehmende Verringerung der Wohnraumschaffung, ein durch Kostenbewusstsein veränderter Immobilienmarkt, Substitution konventioneller Bauherren durch neue Marktteilnehmer, die Etablierung einer neuen Assetklasse „Health-Care-Immobilien“, ökologische Einflussnahe und der Rohstoffkreislauf, und zuletzt mit „Green Building“ Information zu ökologisch nachhaltiger Objektentwicklung.

Im Kapitel 7 findet vertiefende Auseinandersetzung mit dem Forschungsthema statt. Im Fokus der Auseinandersetzung befinden sich eingangs der Weltbevölkerungs-zuwachs, die Urbanisierung und urbanes Leben abseits der Metropolen. Weitere Themen sind die Veränderungen in der Arbeitswelt, Risiken-Verlagerung von Auftraggeber zu Auftragnehmer, die Beschäftigungsverhältnisse Festanstellung, Leiharbeit und „Ich-AG“ und das Erfordernis lebenslangen Wissenserwerbs. Abschließend erfolgt Beschäftigung mit den Themen der Führungsdefizite im Immobilienmanagement und der mobilen Kommunikation.

Kapitel 8 erläutert die gewonnenen Hypothesen zum Forschungsthema. Eingangs findet Auseinandersetzung mit Standortfaktoren, dem Wertgehalt der zukunftsent-scheidenden Ressource Wasser und der Produktivitätssteigerung unter reduzierter Raumanforderung statt. Danach erfolgt ausführliche Beschäftigung mit der Einkommens- und daran gebunden der Immobilienentwicklung. Zuletzt wird auf das Thema Migration als mögliches Erfordernis eingegangen.

Kapitel 9 gibt Auskunft über Perspektiven, zur Erkenntnis und Formulierung von erwarteten Szenarien. Das Erfordernis von Analysen in der immobilen Ökonomie, Immobilien als Vermögenswert und der Bedürfniswandel der Immobiliennutzer formulieren die eingangs befassten Themenfelder. Mit den Themen der Macht der Märkte, der menschenleeren Fabrik und der Immobilie als Arbeitsort, dem Ende unbeschwerter Zeiten und Protektionismus versus Globalisierung wird fortgeführt. Umfangreicher erfolgt Beschäftigung mit dem Themenfeldern Daten als bedeuten-deres Kapital der Zukunft als Immobilien und der autonomen Mobilität. Tourismus, Ernährungskrise versus landwirtschaftliche Flächenreduktion und eine breitere Betrachtung der Ökologie im Bauwesen schließen daran. Umfangreich findet Auseinandersetzung mit innovativen Energiequellen statt. Anschließend wird auf regionale Bevölkerungsentwicklung, mit Deutschland im Fokus eingegangen, um abschließend ausführlich das Thema der Progression des Bauwesens zu reflektieren.

Das Kapitel 10 informiert zum Ausblick.

Im Kapitel 11 wird zu nicht erreichten Zielen und Ergebnissen und zu Schwächen der Studie Stellung bezogen.

1.4. Methodisches Vorgehen

Erkenntnisgewinn zu den Fragestellungen dieser Untersuchung erfolgt durch Beurteilung der gegenwärtig existenten Literatur in Reflexion der Gedankenansätze und Thesen der Autoren, Wirtschaftsweisen, Philosophen und Zukunftsforschern durch Sichtung und Würdigung der Faktenlage im Konsens mit bislang lokalisierten Trends und erfolgten Entwicklungen. Durch jede Verwertung und Reflektion fremder Erkenntnis besteht Gefahr, dass Prognosen sich eignen, Vertrauen in die vor-formulierten Ergebnisse zu setzen, um aus spezifischer Problematik und missratener Interpretation resultierend falsche Orientierungen aufzuzeigen, und diesen in den eigenen Überlegungen zu folgen. Verständnis und Interpretation der gesichteten Literatur und Daten, Vergleich von Positionen unterstützen in dieser Analyse die Konzeption von Szenarien sowie kritische Beurteilung und Verwertung der gewonnen Erkenntnisse zur Formulierung von eigen erworbenem Gedankengut.

Das restriktive Seitenvolumen dieser Arbeit bedingt, sich manchen Themengebieten nur großflächig zuwenden zu können. Für einen in der Republik Österreich beheimateten Autor wäre es naheliegend, das nationale Umfeld intensiv zu untersuchen. Umso mehr jedoch lohnt ebenso informativer Blick auf die Entwicklung der Immobilienwirtschaft der benachbarten Bundesrepublik Deutschland. Diese bildet mit ihrer höheren Bauleistung, ihrem vielfach vergrößertem Marktvolumen und der ökonomischen Beispielwirkung zu antizipierende Immobilienentwicklungen des heimischen Marktes ab (Vuk, 2014a, 124).

2. Grundlagen und Definitionen

2.1. Reflexion des Terminus „Immobilie“

Das vermutlich bedeutendste Nachschlagewerk in der deutschen Sprachwissen-schaft zu Fragen der deutschen Sprache und Rechtschreibung, der Duden, definiert den Terminus „Immobilie“ als unbeweglichen Besitz, exemplarisch als Grundstück oder als Bauwerk. Als einen räumlich fixierten Vermögenswert, abgeleitet von lateinischem „immobilia“, in der Bedeutung von „unbeweglich“. Besitzungen, Grund-eigentum, Anwesen (sofern bebaut), Liegenschaften (vermehrt in der Schweiz so benannt) und Realitäten (in Österreich) sind einige weitere landesspezifische, umgangssprachlich und wissenschaftlich gebräuchliche Bezeichnungen für Immobilien (Duden, 2016). Allen Bedeutungen gemein ist allenfalls der Umstand der Untrennbarkeit von Sachen oder von Rechten vom bezeichneten Ort.

2.1.1. Die juristische Komponente

„Das Eigentum ist das umfassendste dingliche Recht an einer Sache, dessen Inhalt sich aus dem Gesetz (Art. 14 GG; § 903 BGB), nicht aus dem Grundbuch ergibt“ (Eickmann, 1999, 116). Identifiziert man Grund und Boden als knappe und nachgefragte Ressource von entsprechendem Wert, wird wohl kaum ein Stück Bodenfläche, wie immer diese auch beschaffen, erschließ- oder nutzbar sein mag oder dessen Allokation erfolgt, auf unserem Planeten ohne herrschaftlichen Anspruch verbleiben.

Dem Begriff „Immobilie“ mangelt es in der Gesetzgebung an Definition. Der Begriff „Grundstück“ ist jedoch, weil dieser zur Definition des Immobilienbegriffs führen kann, juristisch von großer Bedeutung. In den §§ 93 bis 97 BGB wurde der Begriff Immobilie als Sammelbegriff für ein Grundstück und für die darauf befindlichen Grundstücksbestandteile, die mit Grund und Boden fest verbunden sind, definiert (Pfnür, 2011a, 12).

Der allgemeine Sprachgebrauch sieht als Grundstück eine räumlich verbundene Oberfläche eines Bodens oder Grundbereiches vor, welche durch Begrenzungs-steine, Zäune, Hecken, Mauern oder ähnliche Hilfsmittel gegen andere Grund-stücksflächen räumlich abgegrenzt wird (Pfnür, 2011b, 5). Dem mittelalterlichem Rechtsverständnis folgend war alles, welches erd-, mauer, niet- und nagelfest ist, juristisch dem Bauwerk verbunden. Doch verblieb die juristische Zu- und Unter-ordnung nicht auf Objekte und Nebensachen beschränkt, auch Grundstücke wurden lediglich als Zubehör sowie Rechte als Zubehör einer Liegenschaft gewertet (Floßmann, 2008, 140). Nachdem äußere Einflüsse jederzeit auf Veränderung der vorherrschenden Rechtslage einzuwirken vermögen, stellte sich eine bestehende Rechtssituation an Grundstücksobjekten als nicht ausreichend präzisiert dar. Abhilfe schuf der katasterrechtliche Grundstücksbegriff. Bodenflächen, mit Flurstück-nummern erfasst und geordnet, finden durch fortlaufende Nummer, aufgeführt im Bestandsverzeichnis eines Grundbuches, die gefordert präzise Aufzeichnung. So werden am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland Grundstücke den Sachen im Zivilrecht (§§ 93 ff. BGB), die Grundstücke betreffenden Rechte dem Sachenrecht (§§ 873 ff. BGB) zugeordnet (Pfnür, 2011b, 5). Sind an Liegenschaften Dienstbarkeiten vereinbart, verpflichten diese Eigentümer des dienenden Grund-stücks zu Duldung oder Unterlassung, jedoch keinesfalls zu einer Leistung (Rechberger & Bittner, 2007, 82). Die deutsche Gesetzgebung sieht neben dem Volleigentum an Grundstücken noch zwei Sonderformen vor, das Wohnungs-eigentum (WEG) und das Erbbaurecht (ErbbauRG) (Steinforth, 2011, 110). Die Wohnungseigentümergemeinschaft tritt im rechtlichen Verkehr als Ganzes unter deren Namen (Adresse) ohne Nennung einzelner Eigentümer auf. Eigenes, zweckgebundenes Verwaltungsvermögen verbleibt vom Privatvermögen der einzelnen Eigentümer, von deren Verfügbarkeit der Anteile an den einzelnen Vermögensgegenständen, getrennt (Bub, 2002, 10). Diese Gemeinschaft ist auf Dauer angelegt, und in ihrem Bestand unabhängig vom Wechsel der Mitglieder (Bub, 2002, 11), welche unmittelbar und persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften (Raiser, 2002, 11).

2.1.2. Physischer Aspekt

Immobilien differenzieren deren Eigenschaften in physisch-technischer oder ökonomischer Natur. Wobei sich die physisch-technischen Eigenschaften als absolut unveränderbar charakterisieren, Beschränkungen ökonomischer Eigenschaften jedoch durch erfolgreiche Bewirtschaftung oder durch gesellschaftlichen Wandel zu überwinden sind (Bone-Winkel & Focke, 2008, 13).

In sowohl physischer als auch ökonomischer Eigenschaft sind Immobilien unbeweglich, sind somit an deren Standort gebunden, wobei ökonomischer Wert und Verwertungsmöglichkeit vornehmlich über die Lage Bestimmung finden. Investitionsentscheide korrelieren in starkem Bezug zu regionaler Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur, zur kulturellen und technischen Infrastruktur des Standortes. Ebenso sind Eigentums- und Nutzungsverhältnisse umliegender Immobilien als nicht veränderbare Faktoren für wirtschaftliche Identität eines Standortes entscheidend (Brauer, 2011, 13) (Schulte, 2008, 13).

„Als dreidimensionales Gebilde aus Wänden, Decken und Böden, mittels derer ein Segment der Erdoberfläche und des dazugehörigen Luftraums künstlich abgegrenzt wird“ definieren Schulte, Schäfers, Hoberg et al. die materiellen Eigenschaften einer Immobilie (Schulte, Schäfers, Hoberg et al., 1998, 9). Dem zweiten Weltkrieg folgend, war dem mehrheitlichen Anteil der Bevölkerung Wohnungsnot, unbedeutende Vermögenswerte und prekäre Einkommenssituation bestimmt, und veranlasste die Gesetzgebung, die verbindliche Einheit zwischen Grundstück und Bauwerk nach dem Verständnis des Bürgerlichen Gesetzbuches aufzulösen. Das Wohnungseigentumsgesetz befähigte mehrere Eigentümer innerhalb eines Gebäudes unter wesentlich geringerem Kostenbedarfes zur Begründung vollen Eigentums an unterschiedenen „Wohnungs“-Einheiten (Stürzer et al., 2010, 29). Dem Wohnungseigentumsgesetz folgend, erläutert dies die Definition einer Wohnung als einen nach der Verkehrsauffassung selbständigen, baulich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes, welcher nach dessen Art und Größe geeignet ist, menschlichem Wohnbedürfnis zu dienen. Zugänglich von allgemeinen Teilen, von anderen Wohnungen abgegrenzt, mit Verbund sämtlicher Räume zueinander (Lenk, 2010, 19). Der Erwerb von Wohnungseigentum bewirkt nicht den Besitzanspruch einer definierten Menge an Vermögenswerten am Beispiel von Ziegeln, von Wandflächen oder Fensterflügeln, sondern vielmehr einen über Kommastellen definierten Anteil an einem physisch ungeteilten Immobiliengesamtobjekt (Konrad & Kopinski, 2011, 10).

2.1.3. Ökonomische Perspektiven

Die fortschreitende Globalisierung des Marktes wirkt durch zunehmenden Wett-bewerbsdruck auf nahezu alle Wirtschaftszweige ein. Dies erweckt Erfordernis beim Immobilienmanagement, zum einen den Bestand von strategisch bedeutenden Ressourcen zu mehren, zum anderen durch Kostenreduktion und Bindung des Kapitalertrages die Positionierung von Unternehmen zu deren Mitbewerbern zu festigen und zu steigern (Pfnür, 2004, 1). Im Fokus einer ertragsorientierten Bewirtschaftung bedarf es ökonomischer Bewertung der mit Immobilien verwobenen Rechte und Pflichten, deren effiziente Allokation zur Realisierung der Zielsetzung von Wirtschaftssubjekten (Pfnür, 2011b, 7). So erwächst Immobilien als Wirtschaftsgut insofern Bedeutung, wie Wirtschaftssubjekte daran befähigt sind, Kosten- und Nutzeneffekte wahrzunehmen. Dies bedingt, dass große Teile der Erdoberfläche nur nahezu unbedeutende oder reine volkswirtschaftliche Bedeutung entfalten, zumal diese für betriebswirtschaftliche Nutzung gering geeignet, unzugänglich oder kaum mit ökonomisch sinnvollem Aufwand zu erschließen sind (Pfnür, 2004, 6f). Unzweckmäßig geschnittene Form und Größe in ungewöhnlich umfangreicher oder geringer Fläche (Metzger, 2013, 49), der Erschließungszustand (Metzger, 2013, 52) oder problembehaftete Untergrundverhältnisse und Bodenbeschaffenheit (Metzger, 2013, 54) üben Einflussnahme auf Bodenwerte aus.

An Kosten und Nutzen orientiert wahrgenommene Werthaltigkeit wirkt vornehmlich auf Abgrenzung einer Immobilie ein. Über das Volumen der Abgrenzung entscheidet vielmehr ökonomisch sinnvolle Nutzbarkeit als juristische und technische Abgrenzbarkeit, wodurch es im wirtschaftlichen Verkehr häufig sinnvoller ist, kollektive Nutzung und organisierten Handel von mehreren Grundbuchgrundstücken vorzunehmen (Pfnür, 2011b, 7). Setzt man Kapitalanlage als primäres Motiv einer Immobilienentwicklung und -nutzung voraus, bedarf es neben einer dreidimen-sionalen ingenieurswissenschaftlichen Abgrenzung einer weiteren vierten Dimension, der Zeit, als integrale Komponente einer ökonomischen Immobiliendefinition. Nimmt man vorweg, die Immobilie an sich besitze keinen intrinsischen Wert, entsteht die Werthaltigkeit erst durch Nutzung im Zeitablauf. Eben diese Inanspruchnahme, durch Nutzungs- und Mieterlöse generierte Transformation von Raum/Zeit-Segmenten zu Geld/Zeit-Einheiten entwickelt die Immobilie zu einem lukrativen Investitionsobjekt. Identifizierung und Berechnung von Errichtungs-, Betriebs-, Instandhaltungskosten und Abbruch-Entsorgungsaufwand sind zwingend in den Kalkulationsmodellen mit zu bedenken (Pfnür, 2004, 7).

Übt man Vergleich an am Grundriss identen Immobilienobjekten, am Beispiel einer von unzähligen Wohnungen in einem großen Plattenbaukomplex des sozialem Wohnbaues, stellt sich dennoch jedes Immobilienobjekt als Unikat dar. Sofern die Objekte an Grundriss und Fläche vollkommen übereinstimmend sind, führen Differenzierung in Ausstattung und Erhaltungszustand, in Beleuchtung und Beschallung, vor allem jedoch bei Etage und Ausrichtung zur Sonnenseite, nach Verkehrszonen oder Grünflächen, zu individueller Bewertung (Brauer, 2011, 13f). Der Wohnungseigentumsobjektwert findet Dokumentation in Ermittlung eines Nutzwertes, aufgrund wertsteigernder oder -mindernder Eigenschaften auf Basis eines Systems von Zu- und Abschlägen, von Ziviltechnikern berechnet oder gerichtlich bzw. von Schlichtungsstellen festgesetzt (Kolba, Resetarits, & Weiser, 2011, 462f). Attraktivität, und vor allem Werte steigen, sofern man sich vom Souterrain zum Penthouse bewegt. Dokumentation findet dieser Wertzuwachs in den nach den oberen Etagen anschwellenden Mietpreisspiegeln.

Diese Individualität begründet die Heterogenität der Immobilienobjekte, welche sich größer gestaltet, sofern vergleichbare Büroimmobilien in unterschiedlichen Städten einem Unternehmen zum Entscheid auf Ansiedelung konkurrieren. Gering hingegen ist die Heterogenität am Beispiel zweier identer Wohnobjekte in einem sozialen Wohnbaukomplex (Brauer, 2011, 14).

2.1.4. Soziale Faktoren

Die soziale Funktion von Immobilien wird maßgeblich durch die “wichtige wechselseitige Verbindung zwischen Menschen und dem von ihm geschaffenem Raum“ ( Bone-Winkel, 1994, 10) geprägt. Besonders die Themenbereiche geschaffene Arbeitswelt, Baukultur und Architektur, sowie der Grad von möglicher Individualisierung und Emotionalisierung wirken direkt auf die Sozialfunktion von Immobilien ein (Harlfinger, 2006, 10). Der zweitgrößte Wirtschaftszweig der deutschen Volkswirtschaft wird von der Immobilienwirtschaft gebildet, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit einem Anteil von über 16 % an der volkswirt-schaftlichen Wertschöpfung. In der Einkommensverwendungsrechnung entfallen auf den Bau- und Immobiliensektor, je nach konjunkturellem Entwicklungsstand, 9 % bis 15 % der Investitionen. Mit einem Wert von 7.288 Mrd. € (Stand 2004) umfasst das Deutsche Immobilienvermögen mehr als die Hälfte des gesamten Deutschen volkswirtschaftlichen Vermögens (Pfnür, 2011b, 3).

Dennoch befindet sich die Bedeutung der Immobilienwirtschaft im Antagonismus zu den institutionellen Strukturen dieses Wirtschaftszweiges. Ungeachtet der großen Baukonzerne vollbringt die Immobilienwirtschaft Ihre Leistungswertschöpfung mit geringer Arbeitsteilung in kleinteiligen Strukturbereichen, weit entfernt von industrialisierten Fertigungsprozessen am Beispiel der Automobil- oder der Elektrogerätefertigung. Begründung für die geringe Professionalisierung und Entwicklungsdefizite mögen in der historisch bedingten, primären Anforderung an das Immobilienwesen zur Schaffung von Lebensräumen, und erst sekundär der Schöpfung von Wirtschaftsgütern als Betriebsmittel in Leistungserstellungsprozessen und als Investitionsgüter der Kapitalanlage verortet sein (Pfnür, 2011b, 3).

Die institutionelle Vereinigung von Eigentum, Nutzung und Betrieb bildete das traditionelle Konglomerat des Verständnisses des deutschen Immobilienbegriffes. Befanden sich im Jahre 2002 in den USA 30 % und in Asien nur geringe 20 % der Unternehmensimmobilien im Unternehmenseigentum, verzeichnete man in Deutsch-land einen Anteil von über 70 %, eine Dekade davor vermutlich mehr als 90 %. Wahrnehmung der laufenden betrieblichen Aufgaben fand ebenso großteils durch die deutschen Eigentümer und Nutzer statt (Pfnür, 2011b, 3).

2.2. Gütesiegel und Zertifikate

2.2.1. Orientierung durch Gütesiegel und Zertifikate

Immobilienunternehmen, Investoren und Nutzungswilligen mangelte es bislang an ausreichender und gesicherter Information zu und Nachweis über Wert und Nachhaltigkeit einer Immobilie. In Zukunftsmärkten bedarf es gesteigerter Orientierungshilfen zu Energieverbrauch, Betriebs- und Unterhaltsaufwänden durch Zertifizierungen und Gütesiegel, um Entscheide zu Erhalt, Entwicklung oder Wertsteigerung von Immobilien im Planungshorizont mehrerer Jahrzehnte zu treffen zu befähigen (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 49).

Das Gütesiegel der „Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen“ (DGNB) oder das amerikanische Zertifikat „Leadership in Energy and Environmental Design“ (LEED) weisen auf künftige Anforderungen zur Orientierung bei Entscheiden hin (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 49).

Maßgeblicher Schritt zu Information zur Energieeffizienz von Bauwerken erfolgte mit dem ab 01.12.2012 in der Europäischen Union in Kraft getretenem Energieausweis-Vorlage-Gesetz, der Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergie-Effizienz von Gebäuden und daraus folgenden bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften (Amtsblatt der Europäischen Union, 2010).

Der „Ausweis über die Gesamtenergie-Effizienz“ von Gebäuden oder Nutzungs-objekten, kurz als „Energieausweis“ bezeichnet, gibt als Dokument Auskunft über:

- spezifischen Heizwärmebedarf
- Primärenergie-Bedarf
- Kohlendioxid-Emissionen
- Gesamtenergie-Effizienz-Faktor

in einer 9-stufigen Skala, gegliedert nach Effizienzklassen, von schlechtestem Wert G zu bestem Wert A++, für einen maximal 10-jährigen Gültigkeitszeitraum (RE/MAX DCI, 2013) (Vuk, 2013, 49f).

2.2.2. Immobilienobjekte, mit „ESI“ fit für die Zukunft

Nachhaltigkeit am Beispiel geringeren Energieverbrauches wird gegenwärtig nur rudimentär in Liegenschaftsbewertungen mit einbezogen. Um Immobilien im Hinblick auf deren Nachhaltigkeit zu bewerten, wurde am „Center for Corporate Responsibility and Sustainability“ (CCRS) der Universität Zürich der „Economic Sustainability Indicator“ (ESI) entwickelt. Dieser gibt Auskunft über langfristige Einwirkung von Parametern wie Energiepreisentwicklung, Klimaerwärmung oder demografische Alterung auf Immobilienwerte durch Einschätzung bis zu einem Zeitraum von 40 Jahren, deren Risiko zukünftigen Wertverlustes oder Chance auf Wertzuwachs (Ritter, 2009) (Vuk, 2013, 50). Beispiele für wertsteigernde Effekte bieten Gebäude, welche durch wärmedämmende Baumaßnahmen in den Sommermonaten kühlere Raumtemperaturen, bei fortschreitender Klimaerwärmung geminderten Klimati-sierungsaufwand bewirken. Ebenso positiv wirkt barrierefreie Bauausführung zur möglichen Nutzung als Wohnraum für Senioren. Dr. Erika Meins, Projektleiterin am Institut CCRS stellte in Ihren Studien fest, das Bestehen von oder der Mangel an Nachhaltigkeitsaspekten wirkt bis zu rund 15 % mindernd oder 7 % steigernd auf Immobilienwerte ein (Ritter, 2009) (Vuk, 2013, 50). Die Schweizerische Unfall-versicherungsanstalt (Suva) unterzog einen Teil ihrer rund 150 Liegenschaften einer Prüfung mit dem „Economic Sustainability Indicator“ (ESI) (Ritter, 2009) (Vuk, 2013, 50). Ergebnisse der Bewertung verzeichneten Abweichung zu gängigen Immobilien-bewertungsmethoden wie der auf intrinsischen und extrinsischen Werthaltungen beruhende hedonischen Methode (Behrmann & Kathe, 2004, 526) (Vuk, 2013, 50f) oder zur DCF (Discounted Cash Flow)–Methode (Meins, 2007, 9) (Vuk, 2013, 51).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bewertungsmethoden und Nachhaltigkeit (Meins, 2007)

Als nachhaltiger und wertvoller wurden Liegenschaften bewertet, welche geringere Lärmbelästigung oder wertigere Bauausführung nach im folgenden Kapitel erläuterten „Minergie“-Standard aufwiesen. Dabei darf nicht unbeachtet verbleiben, dass beim „Economic Sustainability Indicator“ lediglich marktwirtschaftliche Nachhaltigkeitskriterien Beachtung finden, welche Werte mindernd oder erhöhend beeinflussen. Meins verweist auf ändernde gesellschaftliche Anforderungen, wie verdichtete Bauweise zur Unterbindung der Zersiedelung oder geänderte Gesetz-gebung, welche wertverändernd einwirken, da nur tatsächlich vom Markt nach-gefragte Nachhaltigkeitsaspekte im ESI Beachtung finden (Ritter, 2009) (Vuk, 2013, 51).

2.2.3. „Minergie“-Standard

Die wertvolle Ressource Energie wird zunehmend knapper und teurer. Rund die Hälfte des schweizerischen Energieverbrauches wird in Gebäuden aufgewendet. Technisch und baulich wäre es bereits leichtfertig ermöglicht, den Energieverbrauch von Gebäuden massiv zu reduzieren. Dennoch werden weniger als 20 % der Neubauten energieeffizient ausgeführt, lediglich 15 % sind „Minergie“-zertifiziert. Im Bereich der Sanierungen verhält es sich gleichsam verhalten (Meins, 2008, 3) (Vuk, 2013, 51).

Diesem Defizit entgegenzuhalten, wurde das Energielabel „Minergie“ für Neubauten und modernisierte Altbauten gestaltet. Eine Trägerschaft mit geschützter Marke, in dessen primärem Fokus sich die Bewertung des Liegenschaftskomforts für Nutzer befindet. Vordergründig fokussiert auf hochwertige Wärmedämmung und systematische Lufterneuerung. Qualität eines Bauwerks findet Rückschluss in dessen Energiekennzahl (kWh/m[2]). Als Bewertungsmaß dient Wärmeenergiebedarf für Beheizung und Wassererwärmung je m[2] beheizter Wohnfläche, an dem erkennbar ist, ob Entsprechung gemäß dem „Minergie“-Standard erreicht wurde. Es gilt darin noch in drei Standards zu unterscheiden, in breiter Anwendung des Neubau- und Modernisierungsmarktes als „Minergie“, in höherwertiger Ausführung als „Minergie-P“, zusätzlich in ökologischer Bauweise ausgeführt als „Minergie-ECO“ (Meins, 2008, 4) (Meins, 2010, 8ff) (Vuk, 2013, 52).

2.2.4. Auf „Green-Building“ folgt „Blue-Building“

Berechnung von Heiz- und Wärmebedarf, Wirkung von klimatisierenden Maßnahmen erfolgt gegenwärtig bereits problemfrei, Wissen um Wirkung von Bauausführungen und Tools zur Berechnung sind ausreichend verfügbar. Gewonnene Erkenntnisse geben Auskunft über gegenwärtige oder künftige Werte.

„Blue Building“ führt diesen Gedanken weiter und bezieht die gesamte ökologische Belastung in diese Betrachtung mit ein. Im Fokus befindet sich die gesamte Schadstoffbelastung ab Gewinnung der Ressourcen, Transport der Materialien, Bearbeitung und Veredelung bis letztlich zum Abbruch von Immobilienobjekten. Nicht unwesentlich ist dabei der Erkenntnisgewinn, ab wann sich Ökologie, gleichsam einer Nachhaltigkeit 2.0 rechnet. Andreas Karg, Geschäftsleitung Rhomberg Bau, weist auf Anforderung an künftige Wohnräume mit verdichteten Bauweisen durch steigende Attraktivität urbaner Bereiche und Mobilität, verbunden mit architek-tonischer und optischer Qualität zum Zwang neuer Formen der Wohnraum-gestaltung. Friedrich Hinterberger, Geschäftsführer des Sustainable Europe Research Institutes, führt den Gedanken weiter und fordert benötigten Beitrag jedes Einzelnen, um Nachhaltigkeit weitläufig umzusetzen. Sowie Überlegung, künftig verstärkt Ressourcen anstelle der Arbeitsleistung in entsprechende Besteuerungs-modelle einzubinden (Vonbank, 2012) (Vuk, 2013, 52f).

3. Retrospektive

Das Dilemma knapper Nahrungs- und Raumressourcen, ökologischer und ökonomischer Defizite, ist intensiv an Bevölkerungsdichte gebunden, dazu kurzer historischer Rückblick. Zu Beginn der Bronzezeit, im 3. Jahrtausend vor Christi Geburt, war die Erde von geringen 25 Millionen Menschen besiedelt. Zu Beginn der Eisenzeit um 1000 v. Chr. von 70 Mio., zu Beginn der christlichen Zeitrechnung von 170 Millionen. Um das Jahr 1600 von 500 Mio., von 900 Mio. um 1800, von 1,6 Milliarden um 1900, gegenwärtig von rund 7 Milliarden. Führt man diese Entwicklung anhaltend rasant fort, wäre für das Jahr 2080 eine Weltbevölkerung von 34 Mrd. Menschen erwartet, jedes Stück Landfläche so dicht als die BRD gegenwärtig besiedelt. Ruft man sich aktuelle Problematik ausreichender Nahrungsversorgung der Weltbevölkerung in Erinnerung, müsste 2080 die gesamte Erdoberfläche in landwirtschaftlicher Nutzung verpflichtet sein. Führt man den Gedanken noch bis zum Jahr 2285 weiter, wäre eine Bevölkerungsdichte wie im gegenwärtigen Monaco erreicht, jedoch gleichsam erstreckt auf Berge, Wüsten und die Antarktis ebenso, einer einzigen Großstadt gleich. 2600 wäre das Gesamtgewicht der Menschheit gleich dem der aktuell gesamten Biomasse der Erde, die Menschheit zu ernähren wäre nicht mehr gewährleistet (Leitenberger, 2013) (Vuk, 2013, 47).

Doch wie definiert sich Urban, das Verhältnis von Stadt zu Land? Während gemäß Analyse der United Nations Population Division aus dem Jahr 2006 in Lateinamerika Siedlungsräume mit mehr als 2.000 Einwohnern als Städte verstanden werden, sind es in China erst Siedlungen mit Bevölkerungszahlen von über 100.000. Als Megastädte bezeichnen die Vereinten Nationen Städte mit mehr denn 10 Mio. Einwohnern. Wachstum der Metropolen ist keine Entwicklung der Moderne. Bereits in alten Hochkulturen zählte Babylon um 1800 v. Chr. rund 300.000 Einwohner, Chinas Xian um 900 n. Chr. über 1 Mio., London war um 1900 mit 6,5 Mio. weltgrößte Stadt. Im Weiteren wäre noch auf Theben, Rom oder Angkor zu verweisen, welche deren Größe als Verwaltungszentrum, und daran verknüpft, erforderliche Ressourcen als Reichszentralen aus Organisationen, Unternehmen und Körperschaften schöpften (Korff, 2007) (Vuk, 2013, 47). Maßgeblich ist aktuelle Wahrnehmung der Verstädterung als Gefährdung oder als Chance zu gesellschaftlicher Entwicklung zu werten, um daran orientiert nachhaltige Gestaltungsentscheide bilden zu können.

Obwohl Armut, Gewalt und Umweltverschmutzung in urbanen Lebensräumen Konzentration und Intensivierung finden, bilden geradewegs Städte den Volks-wirtschaften entscheidende Entwicklungs- und Wachstumsräume. Benachteiligungen wie ökologische Belastungen der städtisch vermehrten Umweltverschmutzung stehen Vorteile umweltverträglichen Nahverkehrs gegenüber. Erstellung und Verteilung von Produkten und Dienstleistungen, Generierung neuer Absatzmärkte, Kultur und Bildung, Sport- und Freizeitangebot stellen typische Vorteile städtischer Verdichtung dar. Optimierung wirtschaftlicher und sozialer Infrastruktur am Beispiel Energie-, Wasser- und Güterversorgung oder Abfall- und Altstoffentsorgung bildet Aufgabe nachhaltiger Stadtentwicklung, fordert über Jahrzehnte reichend voraus-schauende Planung, um angestrebte Entwicklungsziele realisieren zu können (Bundesregierung.de, 2013) (Vuk, 2013, 47f).

3.1. Erste industrielle Schritte

Kaum ein anderer Ort findet so intensiv Identifikation mit dem Erwachen des Kapitalismus, der Vermengung von Ruß und schwarzem Rauch aus unzähligen ständig qualmenden Schloten mit den Arbeitsstätten und unmittelbar daran benachbarten Wohnslums, den widrigen Arbeitsbedingungen von tausenden Arbeitern, als die triste britische Industriestadt Manchester (Oldag, 2012, 50). Mit „Der erste Hof unterhalb der Ducie Bridge heißt Allen´s Court und war zur Cholerazeit in einem solchen Zustande, dass die Gesundheitspolizei ihn ausräumen, fegen und mit Chlor ausräuchern ließ“ (Oldag, 2012, 50) beschrieb 1843 der aus dem Wuppertalschen Barmen stammende, wohlhabende 22-jährige Textilfabrikantensohn Friedrich Engels anlässlich eines Besuches einer Filiale des väterlichen Betriebes in seinem 1845 publizierten Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ die prekäre Situation. Unter der Freisetzung enormer Produktivitätsschritte erfolgte freie, ungehinderte Entfaltung eines Wirtschaftssystems des privaten Unternehmertums, auf Kosten der Ausbeutung eines am Existenzminimum fristenden Proletariates. Der Einsatz der jüngst erfundenen Dampfmaschine vervielfachte kostengünstig die Textilproduktion, und motorisierte ab 1830 die zwischen Liverpool und Manchester verkehrende erste fahrplanmäßige Eisenbahn, sicherte Großbritannien eine dem europäischen Kontinent weit vorausliegende Positionierung in der industriellen Revolution. Manchester gelang, sich von einer einst negativ behafteten Hochburg der umweltbelastenden und rücksichtslos ausbeutenden Industriegesellschaft zu einem attraktiven, modernen Dienstleistungszentrum zu transformieren, in dem nunmehr in smarten Lofts die Protagonisten einer modernen IT- und Werbebranche Ihr Tagwerk verrichten (Oldag, 2012, 50f).

3.2. Klassische Arbeitswelten

Prozesse in der Ökonomie sind stets an Mitwirkende, an Mitarbeiter oder Unternehmer, oder an Kollektive wie formelle Institutionen oder Unternehmen gebunden (Maier & Tödtling, 2001, 5). Die Mühewaltung dieser Akteure oder Akteur-Kollektive konzentriert sich überwiegend auf einen physischen Ort und ermöglicht dadurch die Lokalisierung der von Ihnen bewerkstelligten Handlungsprozesse. Wobei die lokale Konzentration der ökonomischen Aktivitäten auf einen physischen Ort Akkumulationseffekte bewirken vermag (Gamm, 2006, 5). Während Mobilität auf unsere aktuellen Beschäftigungsformen gestaltend einwirkt, manifestierte die Fabrik noch vor einem Jahrhundert das geografische Zentrum der Existenz der Arbeiter-schaft. Vornehmlich auf Brachland errichtet, in geografischer Nähe zu Rohstoff-quellen und Flüssen zur Nutzung der Wasserkraft als Energiequelle. War ein Ortswechsel, eine Reise, eine Schiffspassage oder Zugfahrt vornehmlich begüterten Kreisen vorbehalten, verblieben Unvermögende an deren Arbeitsort gebunden, zumeist ein Leben lang. Eine sechstägige Arbeitswoche unter harten Bedingungen war Realität, die 35-Stunden-Woche und an der Gegenwart orientierter Urlaubs-anspruch oder Entgeltfortzahlung verblieben noch als ferne Illusion. Soziale Verantwortung war den Unternehmen überantwortet, Schulen, Krankenanstalten und vor allem bescheidener Wohnraum für deren umfangreiche Arbeiterschaft wurden errichtet. Wohl kaum karitativen Motiven folgend, vermutlich vielmehr dem Ziel der Erhaltung der Arbeitskraft unterworfen. Die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts prägten unser Verständnis von Arbeit, die Festlegung von Erwerbsarbeit auf eine bestimmte, oftmals lange Lebensphase, das ein Leben lang bestimmende Ideal eines Berufes sowie die Separation von Arbeitsort und Wohnstätte, formulieren die Historiker Jürgen Kocka und Jürgen Schmidt in deren Studie für das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Haas, 2012, 15).

3.2.1. Büroarbeit im historischen Entwicklungsverlauf

Büroarbeit, als autonomes Betätigungsfeld des Einkommenserwerbes, vollführte einen Paradigmenwechsel vom notwendigen Verwaltungsaufgabenbestandteil bei Produktionsprozessen, vornehmlich zu Buchführungszwecken in den Fabriken, Handelsbetrieben und Manufakturen zum eigenständigen Dienstleistungsfaktor. Erst zu späterem Zeitraum fand Integration des Schriftverkehrs in die Büroarbeit und Spezialisierung der Aufgabenstellungen statt (Segelken, 1994, 12). Gegenüber den Anfängen wird Büroarbeit aktuell verstärkt durch Repräsentation und Kreativität geprägt. Dies übt maßgeblichen Einfluss auf Beschaffenheit der gegenwärtigen Wirkungsstätten aus und wirkt intensiv auf optimierte Gestaltung von Gebäuden und Büroräumlichkeiten ein (Harlfinger, 2006, 12).

Mit modernen Bürogebäuden vergleichbare Immobilien entwickelten sich zum Ende des 19. Jahrhunderts. Vornehmlich der Organisation und Verwaltung dienend, waren diese eng an die Produktion gebunden. Bürobereiche wurden an den Arbeits-bedingungen der Produktion, am Fließband, in Reih und Glied sitzend, orientiert. Der Schreibsaal, die Ursprungsform des Großraumbüros entstand. Zeitnah entwickelte sich auch das Zellenbüro, um privilegierten oder leitenden Erfüllungsgehilfen Raum zu konzentrierter Mühewaltung bereitzustellen. Mit den Veränderungen der Arbeits-situation des Bürobereichs lässt sich kontinuierlich signifikante Trennung von Arbeitsleistung in Produktion und Verwaltung, in Arbeiter und Angestellte ermitteln (Puell, 1994, 12).

3.2.2. Besinnung auf das Arbeitsumfeld

Ein Heer von Beschäftigten bei Fertigung unter niedrigen technischen Standards zeichnete die Kraftfahrzeugproduktion in den Lada-Werken in der frühen Sowjetunion aus. An einem der damalig weltweit größten Produktionsstandorte, am Werks-standort im russischen Togliatti, fanden im Jahr 1991 um die 120.000 Arbeitskräfte Beschäftigung, welche jährlich 725.000 Automobile fertigten. Im gleichen Zeitraum produzierten ein wenig mehr als 718.000 Beschäftigte der Deutschen Automobil-industrie jährlich 5,5 Millionen Fahrzeuge. So gering entwickelt sich die einstigen Fertigungsmethoden bei Lada darstellten, umso innovativer erscheint gegenwärtig, dass Mitarbeiter in zwanzigminütigen Ruhepausen zwischen den Arbeitsschichten in von Aquarien umgebenen Ruheräumen, bei leiser Musik und fallweiser Dichterlesung Entspannung fanden (Deckstein, 2012, 219), derartige Angebote, zum Zweck der Regeneration und des Arbeitskrafterhalts, wohl modernem Verständnis von Mit-arbeiterwohlbefinden zugedacht wäre.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entspannung der Beschäftigten in den russischen Lada-Werken während deren 20-minütiger Pause

(Beise & Jakobs, 2012, 218f, eigene Darstellung nach Sebastião Salgado)

Dass Arbeitsumfeld und Erfüllungsort nicht unbedingt gesundheitsfördernd einwirken, rund 1 Million österreichische Arbeitnehmer betroffen sind, darüber berichtet die Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Statistik Austria aus dem Jahre 2013. Von 10 befragten Erwerbstätigen berichteten 7 von körperlichen Risikofaktoren, welche rund 35 % Überbeanspruchung der Augen, 25 % hantieren mit schwereren Lasten, 25 % schwierige Arbeitshaltungen oder Unfallgefahren, 20 % Staub, Hitze und Lärm, 15 % Kälte und 12 % Kontakt mit chemischen Stoffen als Beeinträchtigung einschätzten. 4 von 10 Befragten berichteten von psychischen Risiken, denen rund 38 % großen Zeitdruck und Überbeanspruchung als Verursachung zuordneten. Nach Beschäf-tigungssituation zugeordnet, sind im Gesundheitswesen 51,2 %, Verkehrswesen 46,7 %, der Kommunikationsbranche 48,9 %, in der Finanzbranche und im öffentlichen Dienst je rund 44 % der Befragten nachhaltig psychischen Belastungen unterworfen (APA/steg, 2014). Eine Studie des österreichischen Marktforschungs-institutes „meinungsraum.at“ informiert, 67 % der Befragten identifizieren Arbeits-unterbrechungen als Verursachung von Stressbelastung in bedeutendem Ausmaß (Kling, 2014, 18).

Von Erkrankung aufgrund Arbeit unter starker Beanspruchung zeugen aktuell rund 1 Mio. Österreicher, und 6,5 Mio. Werktätige der vergangenen Jahrzehnte. Als Folge der Beanspruchung leiden rund 33 % unter Rückenproblemen, rund 20 % bei Nacken, Schultern, Armen und Händen, 16,3 % bei Hüften, Beinen und Füßen. 5,7 % durch Stress, 4,9 % durch Depressionen und Angstzustände, 4,4 % durch Lungen- und Atemprobleme und 4,4 % an Herzproblemen. Im Jahr vor der Befragung hatten 186.000 Beschäftigte, 4,2 % mindestens einen Arbeitsunfall, davon 70 % Männer, primär durch falsche Handhabung von Werkzeugen und Maschinen, sekundär durch hohes Arbeitstempo und massiven Zeitdruck verursacht (APA/steg, 2014) (Hauska, 2014).

3.3. Prozessinnovation

Die Industrialisierung bildete den Treiber unserer stetig anschwellenden Arbeits-belastung, ebenso zeichnet diese jedoch auch für das unausweichliche Dahin-schwinden der Vollbeschäftigungsgesellschaft verantwortlich. Das Erringen stetig höherer Erträge und Ergebnisse unter ebenso sich vermindernden Aufwänden dokumentiert das Ergebnis unserer Arbeitsleistung. Intensive Denkprozesse beflügeln Produktivitätssteigerung und Automation, mit dem Effekt der Intensivierung der Geistesarbeit und der permanenten Reduktion der Handarbeit. Wird den gegenwärtigen Gestaltern der Automatisierungsprozesse ein 14-Stunden-Arbeitstag, den ausgebeuteten Proletariern der an die fünf Generationen zurückliegenden, frühen Industriegesellschaft vergleichbar, abverlangt, werden die Akteure der einfachen geistigen und geistlosen körperlichen Aufgabenstellungen zunehmend ihrer Beschäftigung beraubt (Lotter, 2010, 63f). 2003 publizierte Alliance Capital Management eine Studie über Arbeitsplatzverluste im Produktionssektor der 20 global bedeutendsten Volkswirtschaften, in denen zwischen den Jahren 1995 und 2002 rund 31 Millionen Jobs entschwanden. In dieser Periode wuchs die Produktivität jährlich um 4,3 % und die globale Produktion um 30 % (Carson, 2003, 20). Der Wandel vom Leistungsträger zum Leistungsempfänger vollzieht sich gleitend. Der Wirtschaftshistoriker Wolfgang Reinhard informiert, bereits in den 1990er-Jahren wurden nur noch geringe 25 % unserer Lebenszeit im Erwachsenen-alter für den Einkommenserwerb aufgewandt. Sowohl physisch als auch psychisch zur Arbeitsleistung befähigte Männer, und Frauen ebenso, widmeten im statistischen Mittel ein geringes Viertel deren Lebenszeit dem bislang wohl noch als am bedeutendst erkanntem Bürgerrecht, der Erwerbsarbeit (Lotter, 2010, 64).

4. Aktueller Forschungsstand

Mit über 707.000 Unternehmen und rund 3,8 Mio. Beschäftigten vereinigte im Jahre 2008 die Immobilienwirtschaft in Deutschland 22 % aller Unternehmen und 10 % aller Erwerbstätigen auf sich, trug mit 390 Mrd. € im Jahre 2006 zur gesamt-wirtschaftlichen Wertschöpfung zu 18,6 % des Bruttoinlandsproduktes bei. Wert der Wohn- und Nichtwohnbauten betrug zu Beginn des Jahres 2008 überschlägig 6,6 Billionen €, davon 59 % an Wohnbauten und 41 % an Gewerbe- und Infrastruktur-bauten. Um 2,4 Billionen € an Grundstückswerten vermehrt summiert sich das Immobilienvermögen auf 9 Billionen €. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2008 betrug knapp 2,5 Billionen €, womit die Immobilienwirtschaft das 3,6-fache des BIP erwirtschaftet. Etwa 55 % aller deutschen Kredite sind durch Immobilien besichert, das Kreditvolumen privater Immobilienfinanzierungen und für Unternehmen aus der Immobilienwirtschaft in engerem Sinne, die Bauwirtschaft dabei unberücksichtigt, beträgt rund 1,3 Billionen € (Streibich, 2011, 7) (Vuk, 2014a, 124f).

4.1. Strukturelle Modifikation in der Bauwirtschaft

Lag zur Mitte des 20. Jahrhunderts Interessensorientierung im Baugeschehen an Wiederaufbau und hohen Wachstumsraten, so erfolgte gegen Ende des Jahr-hunderts Wertewandel zu Wirtschaftlichkeit, Ausrichtung zu den besonderen Anforderungen eines neuen Käufer- oder Nutzermarktes. Veränderungen von Bevölkerungsstruktur und Konsumverhalten, Arbeitsbedingungen und Produktions-techniken in gewerblicher Wirtschaft, in Industrie und massiver Anwuchs des Dienstleistungssektors verlagerten ganze Wirtschaftszweige, führten zu Aufgabe von Industrie-, Gewerbe-, Büro- und Verkaufsflächen, und zu Umwandlung in Büro- und Servicezonen, sowie zu Wohnraum oder Freizeitparks (Dietrich, 2005, 5f) (Vuk, 2014a, 125).

Der im internationalen Umfeld als unterbewertet eingestufte Deutsche Immobilien-markt fand Belebung durch vorwiegend mittels internationaler Kapitalquellen bedeckte neue Käufergruppen. Die Eigentümerstruktur der deutschen Immobilien unterlag unter dem Einfluss großvolumiger Portfoliotransaktionen massiver Ver-änderung. War der deutsche Immobilienmarkt in vielen Fällen bislang durch passives Immobilienmanagement mit stabilen Cash-Flows und langfristigen Wertsteigerungen gekennzeichnet, zeigen sich nunmehr die internationalen Investoren bestrebt, in kurzen Zeiträumen hohe Eigenkapitalrenditen und rasche Realisierung angestrebter Wertsteigerungspotenziale zu erringen (Guenther, 2007, 1). Die gesteigerte Immo-biliennachfrage, und daran orientierte Kaufpreiserhöhungen, führten zum Absinken der Renditen aller Immobiliennutzungsarten deutlich unterhalb der Letztjahres-niveaus. Zeitgleich reduzierten gestiegene Kapitalmarktzinsen die angestrebten Überschüsse (Jones Lang LaSalle, 2006, 1). In Regionen mit hohem Mietwachstum werden Leerstände und kurze Mietvertragslaufzeiten als Chance wahrgenommen, um unter aktivem Immobilienmanagement stetig erweiterte Vorteilhaftigkeit für Käufergruppen zu bewirken (Guenther, 2007, 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Trends und Veränderungen in der Bauwirtschaft 1950–2000
(Dietrich, 2005, 5)

4.2. Kontinuierlich dezimierte Wohnraumschaffung

Geänderte demografische und ökonomische Rahmenbedingungen zeichnen seit Mitte der 1990er-Jahre tiefgreifende Veränderung in der Baunachfrage ab. Studien und Statistiken zeigen eine Umverteilung vom bislang wichtigsten Bauwirtschafts-segment Wohnungsbau zum Wirtschaftsbau hin. Nachfolgende Grafik gibt Auskunft zu Wohnangebotsminimierung in den alten deutschen Bundesländern von 505.000 Wohnungsfertigstellungen in 1994 zu lediglich 226.000 im Jahr 2003. In den neuen Bundesländern von 178.000 in 1997 zum Jahr 2003 mit 42.000. In etwa 10 Jahren wurde das Volumen der Wohnungsneuerrichtungen mehr als halbiert. Abgesehen von regionalen Unterschieden wird Bedarf an modernem Wohnraumangebot als gesichert zu betrachten sein, wenn auch verringert. Unattraktiven Lagen und Gebäudestrukturen werden verstärkt anschwellende Leerstandquoten bewirken, da gegenüber schlichter Wohnungsnot der Nachkriegsjahre neuzeitlich zunehmend individuellen Bedürfnissen und Anforderungen zu entsprechen gilt (Dietrich, 2005, 1) (Vuk, 2014a, 125f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Fertiggestellte Wohnungen pro Jahr im Bundesvergleich von 1992–2003 (in Tsd., DE) (Dietrich, 2005, 2)

Zunahme kleinerer Haushaltsgrößen durch Singlehaushalte und Verlust des klassischen Großfamilienverbandes, Nutzungsdauerverkürzungen durch steigende Mobilitätsanforderungen, sowohl bei Mietern als auch bei Eigentümern, zunehmende Dezentralisierung von Produktions- und Aufgabenerfüllungsstandorten, verstärkte Verlagerung der Erwerbstätigkeit in die eigene Wohnsituation, Trendänderungen des Freizeitverhaltens, steigendes Umweltbewusstsein und zum einen steigender Bedarf an altersgerechtem Wohnraum, zum anderen wachsende Betreuung und Versorgung von Senioren in stationären Einrichtungen, sind nur einige, die Umschichtung wesentlich beeinflussende Faktoren. Flächenbedarf und vordergründige Lage-bedingungen als Primärentscheid weichen zunehmend qualitativen Aspekten wie Funktionalität, Flexibilität, Wertbeständigkeit bis zu komplexer Betrachtung des Kundennutzens im gesamten Lebenszyklus einer Bauinvestition als Entscheidungs-kriterium (Dietrich, 2005, 2f) (Vuk, 2014a, 126f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Wohnungsbedarf in Deutschland bis zum Jahr 2025
(Pestet-Institut & GEWOS, 2011, 19)

Weit hinter Bedarf verbleibt der deutsche Wohnungsbau zurück. 2008 wiesen die Baugenehmigungen ein historisches Tief von etwa 175.000 Wohneinheiten aus. Experten sehen tatsächlichen, jährlichen Neubaubedarf bis 2025 von 270.000 bis 350.000 Wohnungen voraus, um 50 % bis 100 % mehr als die tatsächliche Bauleistung. Zunahme von Umwidmung bestehender Gebäude und Abriss nicht mehr marktgerechter Wohneinheiten fordert Ersatzbedarf durch Neubauten. Setzt man diesen mit 0,4 % bis 0,5 % des Gesamtbestandes an und unterstellt eine durchschnittliche Nutzungsdauer von weit über 100 Jahren, ergibt dies bei rund 40 Mio. Wohnungen 150.000 bis 200.000 Ersatzeinheiten, in Summe jährlichen Ersatz- und Zusatzbedarf von 300.000 bis 400.000 Wohneinheiten (Streibich, 2011, 19) (Vuk, 2014a, 127).

4.3. Kostenbewusstsein bewirkt Immobilienmarktveränderung

Unternehmenserfolge sind maßgeblich von deren Organisationsstruktur abhängig (Lütge, 2009, 19). Strategische Unternehmensziele, monetäre wie Gewinnmaxi-mierung und Erfolgsorientierung, oder nicht monetäre wie Marktpositionierung und Unternehmenspräsenz sind langfristig nur zu sichern, sofern Unternehmen befähigt sind, durch Veränderung oder Verbesserung in deren Organisation und Abläufen nachhaltig Wettbewerbsvorteile zu bilden (Wöhe, 2000, 2) (Vuk, 2014a, 128).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Index für Wohn und Gewerbeimmobilien 1990–2003 (DE) (Dietrich, 2005, 7)

Waren falsche Bedarfs- und Kosteneinschätzungen, in privatem und gewerblichem Bereich rasch durch Wertsteigerungen, im öffentlichen Sektor durch Steuer- und Abgabenerhöhungen ausgeglichen, bestand ab den 1980er-Jahren Notwendigkeit, die traditionelle Struktur der Bauwirtschaft den geänderten Anforderungen anzu-passen. Wurde in den Bauboom-Phasen des mittleren bis späteren 20. Jahrhunderts dem Faktor Kostenaufwand an den Beispielen sozialer Wohnbau, Sondergebiets-förderung oder steuerprivilegierter Bauherrenmodelle geringere Bedeutung bei-gemessen, trat ab den 1990er-Jahren Ertrag, Nutzen und Nachhaltigkeit bei Entscheidungsfindungen in den Vordergrund. Erbrachten Phasen hoher Nachfrage um 1970 bis 1980 dem Markt bei Mieten und Baupreisen mühelos jährliche Wertsteigerungsraten von mehr als 6 %, erfolgte bei Wohnimmobilien seit 1990 Stagnation. Durchschnittliche Werte der Gewerbeimmobilien verminderten sich seit deren Höchststand 1993 im gleichen Zeitraum um etwa 20 %. Die verhaltene Entwicklung, und daran orientiert gemindertes Interesse an Gewerbeimmobilien, ist auf einige Faktoren zurückzuführen. Attraktivität als Kapitalanlage schwindet vermehrt unter geringen Wertsteigerungsraten, fallende Erträge senken die Wertentwicklung der Immobilien, das Erfordernis langfristiger Kapitalbindung engt finanzielle Operationsfähigkeit ein, globale und steuerliche Veränderungen wie ausgeweitete Spekulationsfristen führen zu Verunsicherung von Investoren (Dietrich, 2005, 5ff) (Vuk, 2014a, 128f).

4.4. Neue Marktteilnehmer substituieren konventionelle Bauherren

Den Leistungserstellungsprozess in der Immobilienbetriebslehre kennzeichnet Abweichung von der traditionellen Abfolge Beschaffung, Produktion und Absatz. Immaterialität, und daraus resultierende Nichtlagerfähigkeit von Dienstleistungs-prozessen lässt in der Immobilienbetriebslehre Produktion und Absatz zeitgleich entstehen. Durch Dienstleistungserbringung des Maklers beim Verkauf erfolgt Absatz, durch Bewirtschaftung einer Immobilie mittels eines Verwalters wird in dessen Dienstleistung Produktion und zeitgleicher Absatz generiert (Brauer, 1999, 2). Bauträgermaßnahmen und Public-Private-Partnerships lassen sich als Teilbereiche der Immobilienentwicklung akzentuieren (Blankenstein, 2011, 5). Klassische Bau-herrenfunktion tritt zunehmend zugunsten von Immobiliengesellschaften und Projekt-entwicklern in den Hintergrund, welche Bautätigkeit zumeist als Erfüllungsgehilfen anonymisierter Investorengruppen und indirekter Kapitalanleger ausüben. Strategie-beratung, Projektentwicklung und -realisierung, Vermarktung, Vermietung, Haus-verwaltung und Facility Management in verbundener Kombination als ganzheitlicher Lösungsansatz aus einer Hand. Mit hoher Kapitalkraft sind diese neuen Markt-teilnehmer bestrebt, umfangreiche Liegenschaften, Betriebe aus Industrie und Objekte aus öffentlicher Hand zu erwerben und wertschöpfend zu entwickeln (Dietrich, 2005, 7) (Vuk, 2014a, 129).

4.5. „Health-Care Immobilien“ – Etablierung einer neuen Asset-Klasse

Stetige Erhöhung der Lebenserwartung, Veränderung der Altersstruktur und Reduktion des familiären Pflege- und Fürsorgeangebotes bewirkt verstärkte Nachfrage nach Pflegeplätzen und -einrichtungen. Sowohl bei reinen Pflege-einrichtungen als auch an Seniorenwohnungen für mobile Nutzer oder mit Pflegeanbindungsmöglichkeit. Daraus folgert erhöhte Nachfrage nach Immobilien, welche ambulante oder stationäre Pflegedienstanforderungen erfüllen können und bewirkt die Etablierung einer neuen Assetklasse in der Immobilienwirtschaft (Ritt, 2011, 1f) (Vuk, 2014a, 129). Medizinischer Fortschritt, Entwicklung und Verbesserung spezialisierter Therapiemaßnahmen, gesteigertes Gesundheits-bewusstsein und Wachstumssteigerung am gesamten Gesundheitssektor führen zu Bedarfserhöhung an medizinischen Versorgungs- und Gesundheitseinrichtungen. Dem gegenüber gestellt erfolgt Konzentration und Reduktion von Krankenanstalten durch Privatisierungen, Professionalisierung deren Managements , erhöhtem Kosten-druck und Wandel der Therapieformen zu Tagesklinik und verstärkter häuslicher Pflege (Ritt, 2011, 3f) (Vuk, 2014a, 129f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Bevölkerungspyramide in Österreich im Jahr 1952, 2013 und 2075 (Statistik Austria, 2014)

In Deutschland erfolgte vom Jahr 1996 bis 2007 bei Krankenanstalten bzw. Kliniken Zuwachs privater Trägerschaften um 41,6 %, dennoch verringerte sich die Zahl der Krankenanstalten von 1998 mit 2.263 bis 2008 mit 2.083 um rund 9 % (Ritt, 2011, 10) (Vuk, 2014a, 130). Zu Bedenken gilt im Weiteren, dass ein Großteil der Einrichtungen gegenwärtig bereits veraltet sind und aktueller Gesetzgebung und Anforderungen nicht mehr ausreichend entsprechen, wirtschaftliche Betriebsführung nicht mehr in vollem Umfang gewährleisten (Dietrich, 2005, 20) (Vuk, 2014a, 130).

Fritz Beske, dem Direktor des Instituts für Gesundheitssystemforschung in Kiel folgend, führt die Alterung der deutschen Bevölkerung von 2007 bis 2050 zu Anstieg der Erkrankungen wie Lungenentzündung um 149 %, altersbedingter Makula-Degeneration um 125 %, Demenz um 104 %, Oberschenkelhalsfrakturen um 88 %, Herzinfarkt um 75 %, Schlaganfall um 62 %, Krebs um 27 %, Osteoporose um 26 % und Diabetes Mellitus um 22 %. Trotz Bevölkerungsrückgang wird die Anzahl der Belegungstage in Krankenanstalten von 2009 bis 2030 um 13 % erhöht erwartet. Aktuell fordern die Kosten des Gesundheitswesens bei +65-jährigen Personen jährlich rund 7.000 €, bei jüngeren Versicherungsnehmern nur rund 1.900 €, wodurch aufgrund der Mehrung der Ruhestandsbezugsbezieher bis 2030 die Beitragssätze der Pensionskassen auf 26 % anzuheben wären, sofern gleichbleibende Leistungs-erbringung erwartet wird (Textor, 2017a).

Die Anzahl von Pflegebedürftigen in Deutschland wird von 2,5 Mio. in 2013 auf 3,4 Mio. in 2030 anschwellen. Das Beratungsinstitut Georg & Ottenströer erhob in dessen Pflegeheimstudie, der Bedarf an stationären deutschen Pflegeheimplätzen von aktuell 760.000 steigt bis 2015 auf 1,2 Mio., eine Bertelsmann-Studie verweist auf 500.000 fehlende Pflegekräfte bis 2030. Die Alterung der Gesellschaft fordert aufgrund der Minderung familiärer Versorgungsleistungen rasche Bedarfsdeckung bei sozialen Einrichtungen und Diensten zur Versorgung der Pflegebedürftigen mit Service- und Beratungs-, Freizeit- und Kultur- sowie Begegnungseinrichtungen. Um das Jahr 2030 wird jeder vierte über 60-jährige Bewohner Deutschlands zugewandert sein, mehrheitlich Muslime. Gegenwärtig finden diese Heim, Versorgung und Pflege vornehmlich im Kreis der Familie. Sofern die Familienmitglieder vermehrt deren Lebensgestaltung an abendländischen Gepflogenheiten orientieren, sich verstärkt am Arbeitsmarkt einbringen und daraus resultierend die Unterstützung der Senioren reduzieren, erfolgt intensivierte Inanspruchnahme kommunaler Institutionen wie Pflegeheime und ambulanter Versorgungsdienste. Zusätzlich bedarf es adaptierter Konzepte in der Altenpflege bei der Ernährung am Beispiel Lamm statt Schwein, eigener Gebetsräume und sanitärer Einrichtungen für rituelle Waschungen. Neben immobilen Anforderungen bedarf es ebenso geschulten Pflegepersonals, wobei Inanspruchnahme von Personen mit entsprechendem Migrationshintergrund sich als der Beschäftigung am Arbeitsmarkt förderlich darstellt (Textor, 2017a).

Besinnt man sich auf das Verständnis, dass nicht die Gesellschaft altert, sondern nur deren Menschen, die Bevölkerung älter wird, führt dies zur Erkenntnis, sofern durch Präzisierung die Unterscheidung zu identifizieren gelingt, dass neben den Gefahren sich auch Chancen der demografischen Entwicklung bieten (Zellmann, 2010, 61). Folgt man den Ausführungen von Leo A. Nefiodow zu den langen Wellen der Konjunktur und deren Basisinnovationen, sieht dieser Gesundheit im ganzheitlichen Sinn für den 6. Kondratieffzyklus im 21. Jahrhundert als tragenden Leitsektor der den langfristig wirtschaftlich bestimmenden Innovationen zugrunde liegenden, lang anhaltenden Innovationsschübe vor (Nefiodow, 2001, 133).

4.6. Ökologische Einflussnahme und Rohstoffkreislauf

Hohe Akzeptanz von Nachfragern und Nutzern wird künftig nachhaltige Gebäude-gestaltung mit geringem Jahresprimärenergiebedarf, sparsamem Materialverbrauch, Gebäudemanagement mit langfristig geringen Betriebskosten bedingen. Rohbau-strukturen werden Langlebigkeit in mehreren Erneuerungszyklen, hohe Flexibilität bei Nutzungsänderungen mit steigender Reaktionsgeschwindigkeit bei Marktverän-derungen, Austausch- und Recyclingfähigkeit der eingesetzten Materialien und Nachrüst- und Erneuerbarkeit der Gebäudetechnik auferlegt, um Leerstände zu vermeiden und durch hohe Flächenwirtschaftlichkeit Renditen zu sichern (Harlfinger, 2006, 50) (Vuk, 2014a, 130).

Bautätigkeit ist ökologisch betrachtet mit erheblichem Ressourcenverbrauch an Land, Bau- und Rohstoffen verbunden. Steigendes Bewusstsein für die Endlichkeit der Ressourcen führte seit den 1970er-Jahren vorerst zu technischen Lösungsansätzen wie zu ökologischem Bauen. Zunehmend rücken Redevelopment- und Moderni-sierungsmaßnahmen in den Mittelpunkt des Baugeschehens (Harlfinger, 2006, 53) (Vuk, 2014a, 130f), um den Rohstoffkreislauf geringer zu belasten, Ressourcen-verbrauch und Beeinträchtigung der Umwelt zu minimieren.

4.7. „Green Building“ – ökologisch nachhaltige Objektentwicklung

Bei Bau und Betrieb von Immobilien gewinnen ökologische Kriterien zunehmend an Bedeutung. „Green Building“ umschreibt den verstärkten Willen zu ökologisch nachhaltiger Objektplanung bei Investoren und Bauunternehmen (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 48). Neben vordergründigen, werbewirksamen Umweltschutz-bestrebungen befinden sich ebenso ökonomische Motive hinterlegt. Zum einen sind ökologisch nachhaltig gestaltete Immobilien mit Benefit verminderter Energiekosten in Verkauf und Vermietung um 10 % bis 20 % über marktüblichen Preisspiegeln bei gewerblichen als auch privaten Immobilien zu erzielen. Begründung findet dies in deutlichen Energiekostenanstiegen der jüngst vergangenen Jahre, welche Neben-kosten gleich einer versteckten zweiten Miete steigerten (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 48). Weiters bieten die Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main prominentes Beispiel. Die „grüne“ Modernisierung der Bankenzentrale bewirkte Einsparung von 67 % an Heizenergie. Ein Sparvolumen, alternativ verwendet zu ausreichender Versorgung von 750 Einfamilienhäusern (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 48f). Sind gegenwärtig verstärkt Marketingagenden als Motivbildner wohlklingender, jedoch zweifelhaft ökologischer Objektgestaltung zu orten, wird künftig energiesparender Sanierungsaufwand maßgeblichen Bestandteil langfristiger Bestandspflege bilden. Der

Zwang zu wirkungsvoller Kostenreduktion und geforderter Werterhalt der Portfolios wird tiefgreifend auf Ausrichtung der Unternehmensstrategien einwirken. Investitionsentscheide von Immobilienfonds und Kapitalanlegern finden zunehmend an Aspekten von Nachhaltigkeit, Ökologie und sozialen Kriterien Orientierung, welche am Maß von Energieverbrauch und Schadstoffbelastung, Entwicklungspotenzial und Sanierungsbedarf zu messen sind. Daraus abgeleitet erwächst Entscheid zu Entwicklung, zu gewöhnlicher Nutzung oder zur Veräußerung einer Immobilie, unter Bedachtnahme eines üblichen Planungs-zeitraumes von 20 bis 30 Jahren (Eickermann-Riepe, 2013) (Vuk, 2013, 49).

[...]

Ende der Leseprobe aus 227 Seiten

Details

Titel
Antizipierte Immobilien- und Wirtschaftskonzepte zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
227
Katalognummer
V515033
ISBN (eBook)
9783346131478
ISBN (Buch)
9783346131485
Sprache
Deutsch
Schlagworte
antizipierte, immobilien-, wirtschaftskonzepte, mitte, jahrhunderts, kontext, entwicklungen
Arbeit zitieren
Dr. Werner Walter Vuk (Autor:in), 2019, Antizipierte Immobilien- und Wirtschaftskonzepte zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/515033

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Antizipierte Immobilien- und Wirtschaftskonzepte zur Mitte des 21. Jahrhunderts im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden