Laut Hartmann (2000)kommen 80 von 100 Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Unternehmen aus der gesellschaftlichen Schicht des Bürgertums. Dieser relativ kleine Ausschnitt aus der sozialkulturellen deutschen Gesellschaftsstruktur verfügt demnach über wesentlichen Einfluss auf dem ökonomischen Feld, von dessen Bedeutsamkeit Bourdieu überzeugt war, da es die Grundlage für alle anderen Kapitalarten bildet (vgl.: 3.1); und auch der US-amerikanische Soziologe C. Wills (zit. in Hartmann, 2004) zeichnet die Konzernvertreter als wahre Inhaber der Macht. Ausgehend von diesem Sachverhalt leitet sich für den Leser die Frage ab, wie es zu dieser Situation im gegenwärtigen Zustand gekommen ist. Die Wissenschaft ist bezüglich dieser Debatte und auch in der Diskussion über Macht und Einfluss der Wirtschaftselite gespalten (hier stehen Positionen gegenüber die einerseits die Definition der Funktionseliten vertreten, andrerseits die, welche die momentanen Machtstrukturen kritisieren, da sie keinen sozialen Aufstieg zulassen würden). Dieser Artikel wird in Bezug auf diese Situation besonders die Gedanken des französischen Soziologen Pierre Bourdieus – und hier vor allem das Habitus Konzept – in den Aufbau einfließen lassen. Zur Antwortfindung wird der Forschungsfokus kurz auf die Elitensituation in anderen westlichen Kulturen ausgeweitet. Unter Berücksichtigung der bedeutsamen Rolle, welche die Ausbildung und Sozialstruktur bei einer zukünftigen Elite in Bourdieus Überlegungen spielen, wird der Einfluss dieser Faktoren auf die zukünftige Charakter- und Sozialentwicklung eines juvenilen Menschen eruiert. Nach Kapitel 4, in dem die zukünftige Entwicklung der nationalen Eliten aufgezeigt wird, mündet die Antwortfindung in das abschließende Fazit.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was sind Eliten?
2.1 Elitendefinition
2.2 Eliten weltweit
2.3 spezielle Situation der deutschen Wirtschaftselite
3. Bourdieu
3.1 Begründung einer elitären Gesellschaftsschicht anhand der Habitustheorie und den
verschiedenen Kapitalarten Seite
3.2 Anwendung der Theorie auf die Elitensituation in der deutschen Wirtschaft
3.2.1 empirische Untersuchung der deutschen Spitzenmanagements
3.2.2 wie geschieht die Auswahl?
3.2.3 zählt Leistung oder sozialer Background?
3.2.4 Funktionseliten?
3.3 Hatte Bourdieu Recht?
4. Wie entwickeln sich die nationalen Eliten?
4.1 Kommt es zu einer Internationalisierung der Eliten?
4.2 Wenn ja, gibt es Habitus?
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Laut Hartmann (2000)kommen 80 von 100 Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Unternehmen aus der gesellschaftlichen Schicht des Bürgertums. Dieser relativ kleine Ausschnitt aus der sozialkulturellen deutschen Gesellschaftsstruktur verfügt demnach über wesentlichen Einfluss auf dem ökonomischen Feld, von dessen Bedeutsamkeit Bourdieu überzeugt war, da es die Grundlage für alle anderen Kapitalarten bildet (vgl.: 3.1); und auch der US-amerikanische Soziologe C. Wills (zit. in Hartmann, 2004) zeichnet die Konzernvertreter als wahre Inhaber der Macht. Ausgehend von diesem Sachverhalt leitet sich für den Leser die Frage ab, wie es zu dieser Situation im gegenwärtigen Zustand gekommen ist. Die Wissenschaft ist bezüglich dieser Debatte und auch in der Diskussion über Macht und Einfluss der Wirtschaftselite gespalten (hier stehen Positionen gegenüber die einerseits die Definition der Funktionseliten vertreten, andrerseits die, welche die momentanen Machtstrukturen kritisieren, da sie keinen sozialen Aufstieg zulassen würden). Dieser Artikel wird in Bezug auf diese Situation besonders die Gedanken des französischen Soziologen Pierre Bourdieus – und hier vor allem das Habitus Konzept – in den Aufbau einfließen lassen. Zur Antwortfindung wird der Forschungsfokus kurz auf die Elitensituation in anderen westlichen Kulturen ausgeweitet. Unter Berücksichtigung der bedeutsamen Rolle, welche die Ausbildung und Sozialstruktur bei einer zukünftigen Elite in Bourdieus Überlegungen spielen, wird der Einfluss dieser Faktoren auf die zukünftige Charakter- und Sozialentwicklung eines juvenilen Menschen eruiert. Nach Kapitel 4, in dem die zukünftige Entwicklung der nationalen Eliten aufgezeigt wird, mündet die Antwortfindung in das abschließende Fazit.
2.1 Elitedefinition
Trotz der bereits in der Einleitung klar umrissenen Forschungsfrage ist es notwendig den Begriff “Elite“ nochmals zu präzisieren. Der Brockhaus 2004 definiert das Wort Elite (vom lateinischen eligere = auslesen abstammend) als eine politisch oder sozial führende Minderheit. Es wird zwischen verschiedenen Formen derselben unterschieden; u.a.: den Macht-, Geburts-, Wert- und Funktionseliten. Alle diese Ausprägungen spielen eine mehr oder minder wichtige Rolle bei dem hier bearbeiteten Thema, da sie auf unterschiedliche Art und Weise miteinander agieren und auf die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse großen Einfluss nehmen. Nicht behandelt werden so genannte intellektuelle Eliten, die moralische und ethische Werte in der Gesellschaft prägen (beispielsweise: Kirchenvertreter, Schriftsteller und Künstler).
2.2 Elitensituation weltweit
Um die Situation der Gesellschaft bezüglich ihrer Eliten in Deutschland besser einschätzen zu können, wird die Elitensynthese in Ländern mit einer vergleichbaren Kultur wie Deutschland in den Untersuchungsfokus mit einbezogen. Eine sehr gute Aufstellung und Auswertung der empirischen Daten bezüglich dieses Themas für Frankreich, Großbritannien und die USA hat Hartmann (2004) erarbeitet. Auffallend an diesen Ländern ist besonders das Bestehen von akademischen Eliteschmieden mit einer (teilweise unbewussten) sozialen Selektion, wodurch die gehobenen gesellschaftlichen Klassen es verstehen ihre Führungspositionen in der Volksgemeinschaft an die nächste Generation weiterzugeben. Hierin besteht die größte Divergenz zum deutschen System, da in diesem, infolge zweier totaler Zusammenbrüche die subjektive Wahrnehmung des Begriffs Elite im Laufe der Jahrzehnte einer zunehmenden Stigmatisierung unterlag. Verwunderlich ist dennoch, dass trotz dieser Umstände auch in Deutschland Führungspositionen – vor allem in der Wirtschaft – von Angehörigen des gehobenen Bürgertums besetzt wird (Hartmann). Ein weiterer Unterschied Deutschlands zu seinen Nachbarn ist, dass sich die die Abgänger von „Oxbridge“, Harvard und den „Grandes Ecoles“ in allen gesellschaftlichen Positionen festsetzen; in Deutschland geschieht dies hauptsächlich nur in der Wirtschaft und mit Abstrichen in der Justiz (Hartmann).
2.3 Elitensituation in der deutschen Wirtschaft
Die Macht, welche die Wirtschaftselite in Deutschland innehat ist besonders unter der Theorie einer „Privatisierung der Macht“, wie Krysmanski (2004?) sie aufstellt, von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vor allem in den letzten Jahren wird ein neues Problem immer mehr offensichtlich; Die von Dahrendorf (zit. in Hartmann, 2002) propagierte „Basis der Gleichheit“ unter dem „Dachfirst der Eliten“ droht in der jetzigen Zeit auseinanderzubrechen. Verantwortlich hierfür ist einerseits die zunehmende Neoliberalisierung des Managements, als auch das wachsende Misstrauen der Gesellschaft (Schäfer, 2004). Hartmann hat empirisch festgestellt, dass ein Großteil der Topmanager aus den höheren Schichten des Bürgertums kommt. Wir müssen deshalb festhalten, dass eine Funktionselite im klassischem Sinne, welche sich nur über Leistung definiert nicht hundertprozentig bewiesen ist, somit also eine theoretische Grundlage für die Anwendbarkeit des Bourdieuischen Gedankenguts besteht. Auch die klassischen Elitetheorien, welche auf einer pluralistischen Form aller Eliten in beruhten, gehen mittlerweile von einer zunehmenden Bedeutung der Wirtschaftselite aus (Hartmann).
3. Bourdieu
3.1 Begründung einer elitären Gesellschaftsschicht anhand der Theorie von Habitus und symbolischen Kapital
Für Bordieu (2003) wird die gesellschaftliche Position eines jeden Individuums über sein persönliches Kapital, welches sich aus dem ökonomischen, kulturellem, sozialem und dem symbolischem Kapital zusammensetzt, bestimmt. Bourdieu bezeichnet das ökonomische als das wichtigste. Je mehr monetäre Mittel eine Familie zur Verfügung hat umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder sie sozialen Gesellschaftsschicht halten können. (König, 2003). Aus diesen symbolischen Effekten des Kapitals kristallisiert sich der Habitus jedes einzelnen Menschen heraus, der ihm – bewusst oder unbewusst – Anerkennung in einer gesellschaftlichen Schicht verschafft. Der Habitus aber ist noch mehr; er setzt sich nicht nur aus objektiv erkennbaren Faktoren zusammen, sondern ist zugleich auch die Prägung, welche der Einzelne in seinen Kindes- und Jugendjahren erfahren hat; der Habitus ist den Akteuren impliziert und wird nicht bewusst wahrgenommen (Bohn, 1991). Besondere Bedeutung erfährt der Habitus bei der Interaktion mit sozialen Feldern. Dieser Zusammenhang wird von Bohn als Symbiose beider Gegebenheiten wiedergegeben. Der Habitus der einzelnen Mitglieder beeinflusst das soziale Feld, welches wiederum nur komplementäre Habitus zulässt. Für das Thema Elitenmacht in der Wirtschaft ist die Theorie – und insbesondere der von Bourdieu beschriebene Einsetzungsritus als zentrales Element – für das Besetzen von Führungspositionen von großer Bedeutung. Der Einsetzungsritus beschreibt die erfolgreiche Reproduktion einer sozialen Gruppe durch die Selektion neuer Mitglieder, anhand deren Habitus. In den folgenden Abschnitte wird erörtert, ob und wenn ja, wie diese Theorie Bourdieus auf die Verhältnisse in der deutschen Wirtschaft anwendbar ist.
3.2 Anwendung des Habitus und der verschiedenen Kapitalverhältnisse auf die
„Elitesituation“ in der deutschen Wirtschaft
3.2.1 Situation an der Spitze
Der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann schließt aus mehreren empirischen Untersuchungen (2002, 2004) als Ergebnis, dass die Herkunft der Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft im gehobenen und Großbürgertum liegen. Aus diesen Fakten heraus hält Hartmann das Bestehen von Leistungseliten, wie sie besonders in der Nachkriegszeit sooft propagiert wurden für einen „Mythos“. Für ihn ist dieses Phänomen hauptsächlich durch die bourdieuischen Thesen erklärbar, vor allem durch den Habitus, für den Hartmann (2000) in Bezug auf die Wirtschaftselite den Begriff „Stallgeruch“ verwendet. Er tritt hiermit in eine gegensätzliche Meinung zu Hans-Peter Dreitzel für den die Zugehörigkeit in einer modernen Elite nur über Leistung definiert wird: „Der Elitenbegriff bezeichnet die Inhaber von Spitzenpositionen in der Gesellschaft die aufgrund einer sich wesentlich an der Leistung an der Leistung orientierenden Auslese in diese Position gelangt sind“. Ebenso glaubt auch Dahrendorf nicht an eine vererbliche Elitenbestimmung in Deutschland (beide zit. in Hartmann, 2002). In Anlehnung an Hartmanns Studien ergibt sich aber, dass Manager, welche neue Führungskräfte suchen, bei der Auslese eben nicht nur auf objektive Faktoren wie Noten und Berufserfahrung achten, sondern sich bei Bewerbern unterbewusst von subjektiven Merkmalen wie Kleidungsstil und Sprache beeindrucken lassen. Dieses Phänomen erklärt Bourdieu durch den Kooptionseffekt. Die Individuen innerhalb eines Sozialen Raumes – die bereits einen bestimmten Habitus innehaben – versuchen solche Menschen zu finden deren Habitus zu ihnen passt. Der Habitus kreiert also den Habitus.
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- Arbeit zitieren
- Leopold Hensel (Autor:in), 2006, Elitenmacht nach Bourdieu, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51506
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