Einleitung
Kann ein Staat aus lauter gerechten Menschen auf lange Sicht bestehen? Nach einer Mitteilung von Conrad Ferdinand Meyer soll genau diese Fragestellung aus dem berühmten „Dictionnaire“ von dem Frühaufklärer Pierre Bayle Ausgangspunkt für die Handlung der „Drei gerechten Kammacher“ von Gottfried Keller gewesen sein.1 So verwendet der Autor die Thematik von den Charaktereigenschaften einer einzelnen Person in der Verbindung mit der Existenz in einer Gesellschaft. Drei gerechte Kammacher, nach denen die Erzählung Kellers märchenhaft benannt ist, werden im vollen Gegensatz zu den Einwohnern des Schauplatzes Seldwyla eingeführt. Streben die fleißigen, angepassten Kammacher in ihrem blinden Wettbewerb untereinander nach Geld und Besitz, so arbeiten die Seldwyler kaum, verstehen es aber andere und Kapital für sich arbeiten zu lassen.2 „Entscheidend ist, wie Keller die einmal ausgesuchte Konstellation zum Modell erhebt und bis zum Extremfall steigert.“3 Mit aufwendigen Details beschreibt der Autor die Geschichte dieser „Drei gerechten Kammacher“ und zeigt auf, wie der Wettbewerb unter ihnen in einer schließlich ausweglosen Situation endet, ohne wirkliche Gewinner hervorgebracht zu haben. Diese 1856 erschienene Erzählung beschäftigt sich zum einen mit der Grausamkeit in einer Konkurrenzgesellschaft, zum anderen übt Gottfried Keller auch Kritik an ausgewählten Charaktereigenschaften des Menschen und offenbart ihre Konsequenzen. Möglicherweise war die im 19. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung Grund für diese Thematik Kellers, da er das „Verhalten der Handwerksgesellen in den immanenten Anachronismus der Gegenwart einer sich fundierenden Industriegesellschaft“4 setzt. So taucht das Motiv des Wettbewerbs immer wieder auf und in wird in verschiedensten Themenbereichen eingesetzt.
Warum wählt der Autor jedoch gerade Seldwyla als Schauplatz und was zeichnet seine Einwohner aus? Wie werden die einzelnen Charaktere beschrieben und welche Rolle spielen sie in der Erzählung? Woran zeigt sich darin Kellers Gesellschaftskritik?
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1 Vgl. Kaiser, Gerhard: Gottfried Keller, Das gedichtete Leben. Frankfurt am Main: Insel Verlag 1981, S. 324
2 Vgl. Kaiser, Gerhard: Gottfried Keller, S. 330
3 Selbmann, Rolf: Gottfried Keller, Romane und Erzählungen. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2001, S. 69
4 Selbmann, Rolf: Gottfried Keller, S. 70
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Bedeutung des Schauplatzes
- Charakterisierung der wichtigsten Personen
- Die drei Kammacher
- Züs Bünzlin
- Der Meister
- Moraldeutung
- Schlussfolgerungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Gesellschaftskritik, die Gottfried Keller in seiner Novelle „Die drei gerechten Kammacher“ aus dem Band „Die Leute von Seldwyla“ vermittelt. Ziel ist es, die Bedeutung des Schauplatzes Seldwyla und die Charakterisierung der wichtigsten Personen, insbesondere der drei Kammacher, zu analysieren. Darüber hinaus soll die Moraldeutung der Novelle und die Kritik an ausgewählten Charaktereigenschaften des Menschen beleuchtet werden.
- Die Kritik am Wettbewerb in einer Konkurrenzgesellschaft
- Die Darstellung von Charaktereigenschaften und deren Folgen
- Die Kritik an der Lebensweise der Bewohner Seldwylas
- Die Bedeutung des Schauplatzes Seldwyla
- Die Rolle der Moral in der Erzählung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Novelle vor, die sich mit der Existenz von gerechten Menschen in einer Gesellschaft auseinandersetzt. Gottfried Keller verwendet die Thematik der Charaktereigenschaften einer Person in Verbindung mit der Existenz in der Gesellschaft. Die drei Kammacher, die der Erzählung ihren Namen geben, stehen im Gegensatz zu den Bewohnern von Seldwyla. Die Novelle zeigt auf, wie der Wettbewerb unter den Kammachern in einer ausweglosen Situation endet, ohne wirkliche Gewinner hervorzubringen. Die Erzählung beschäftigt sich mit der Grausamkeit in einer Konkurrenzgesellschaft und übt Kritik an ausgewählten Charaktereigenschaften des Menschen.
Die Bedeutung des Schauplatzes
Gottfried Keller beschreibt Seldwyla als eine Stadt voller Ungerechtigkeit und Leichtsinn. Er lenkt den Blick des Lesers auf die Lebensbedingungen der Kammacher, die in einem unmenschlichen Arbeitsumfeld arbeiten. Die Beschreibung des Lebensrhythmus der Kammacher zeigt die Abhängigkeit des Lebensstandards von den herrschenden Verhältnissen, in diesem Fall den Jahreszeiten. Der Leser erhält einen ersten Einblick in ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, in dem sich der Lohn über Angebot und Nachfrage der Arbeitskräfte festlegt. Seldwyla wird nicht als eine bestimmte Stadt dargestellt, sondern als eine Stadt, die aus der Realität gegriffen sein könnte. Dies soll den Leser dazu anregen, die dargestellten Zustände auf seine eigene Heimat zu beziehen. Die Beschreibung des Lebens in Seldwyla zeigt den Gegensatz zwischen den fleißigen Kammachern und den leichtlebigen Bewohnern der Stadt. Die Seldwyler lassen ihr Geld arbeiten, anstatt es wie die Kammacher zu sparen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Erzählung sind: Gesellschaftskritik, Konkurrenzgesellschaft, Wettbewerb, Moral, Charaktereigenschaften, Seldwyla, Kammacher, Gerechtigkei, Ungerechtigkeit, Arbeitsverhältnisse, Kapitalismus.
- Citation du texte
- Anonym (Auteur), 2004, Gesellschaftskritik in Gottfried Kellers Novelle 'Die drei gerechten Kammacher' unter Deutung der vermittelten Moral, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51524