Einleitung
„Nicht nur mein Gewehr auch mein Wort soll Waffe sein.“
(Auch das Wort muß Waffe sein 1980)
Der Sprachgebrauch in der DDR ist sowohl bis 1989/1990 wie auch nach dem Ende der DDR ein häufiger Gegenstand der Sprachwissenschaft gewesen (vgl. MOSER 1961, FLEISCHER 1983, HELLMANN 1992, LÄZER/REIHER 1993, MÖLLER 2000, WOLF 2000, FIX/BARTH 2000). Dabei spielte der Gebrauch von Sprache im politisch-ideologischen Zusammenhang stets eine besondere Rolle (vgl. REICH 1973, PROSS 1974, DIECKMANN 1975, KLEMPERER 1975, GIRNTH 2002, PAPPERT 2003). DDR-Sprache wurde unter diesem Gesichtspunkt u.a. als „Macht-instrument zur Steuerung des marxistisch-leninistischen Bewusstseins“ (PAPPERT 2003, 72) betrachtet oder z.B. auch als „Sprache der DDR-Bürger – nicht der SED“ (WOLF 2000, 8) bezeichnet. Eine geringere Beachtung fand in diesen Untersuchungen der Sprachgebrauch in der NVA der DDR.
„[...]Sprache der DDR, das war nicht nur der Sprachgebrauch der SED (also der offiziell propagierte Sprachgebrauch) oder die besonderen Sprachauffälligkeiten, die von Außenstehenden schnell registriert wurden.[...]In der DDR gab es[...]eine jahrelang kultivierte Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen und feine sprachliche Untertöne zu registrieren.“ (WOLF 2000, 8)
Es wird also deutlich, dass die Sprachwissenschaft bei der linguistischen Betrachtung zwischen verschiedenen Ausprägungen von DDR-Sprache unterscheidet. Es wird unter anderem Bezug auf die formale Sprache der SED (in Form von politischer Sprache) genommen oder zum Beispiel auf die Sprache des DDR-Bürgers (als besondere Form von Alltagssprache). Häufig ist hier eine Zuordnung zu finden, welche die politischen Vorgaben der SED mit dem Denken und Sprechen der DDR-Bürger gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ist jedoch recht problematisch und kritisch zu betrachten. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Sprachebenen erscheint daher sinnvoll.
Im Gegensatz zur DDR-Sprache fand die NVA-Sprache in der Linguistikforschung geringere Beachtung. Daher soll diese Sprachvarietät in der nachfolgenden Hausarbeit näher untersucht werden.
Der für die Einleitung ausgewählte Gedichttext vom „Wort als Waffe“ (Auch das Wort muss Waffe sein 1980, 3) macht bereits deutlich, wie prägend Sprachgebrauch sein kann. Anschaulich wird diese Wahrnehmung in der gesamten Festschrift zum 25. Jahrestag der NVA-Gründung...
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gegenstand, Zielsetzung, Vorgehen, Korpus
2.1 Gegenstand und Zielsetzung
2.2 Vorüberlegungen und Vorgehen
2.3 Textkorpus
3 Das kommunikative Umfeld der Filmtexte
3.1 Die politische Situation in der DDR Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre
3.1.1 Entwicklung von der SBZ zur DDR
3.1.2 Innen- und Außenpolitische Krisen
3.2 Zur Rolle und zum Selbstverständnis der NVA in der DDR
3.2.1 Kasernierte Volkspolizei (KVP)
3.2.2 Legitimation als „Nationale Volksarmee“ (NVA)
3.2.3 Einführung der Wehrpflicht
3.2.4 Rolle der Traditionspflege
3.3 Filme als Mittel der politischen Agitation in der und für die NVA
3.3.1 Der Film als Propagandainstrument
3.3.2 Das „Armeefilmstudio“
3.3.2.1 „Ausbildungsfilme“
3.3.2.2 „Armeefilmschauen“
3.3.2.3 „Dokumentationsfilme“
3.3.3 Präsentationsorte und Ziele von NVA-Filmen
4 Linguistische und medienwissenschaftliche Vorüberlegungen
4.1 Zum allgemeinen Zusammenhang von Politik, Ideologie und Sprache
4.2 Politische Sprache
4.3 Ideologiesprache und ihre Charakteristika
4.3.1 Ideologie
4.3.2 Ideologiesprache
4.3.3 Persuasion
4.3.4 Vom Vorurteil zum Feindbild
4.3.4.1 Vorurteil
4.3.4.2 Stereotype
4.3.4.3 Feindbildkonstruktion
4.3.5 Sprachmittel zur Feindbildkonstruktion
4.3.5.1 Schlagwort
4.3.5.2 Neologismen als Mittel der Feindbildkonstruktion
4.3.5.3 Metaphern als sprachliches Mittel
4.4 Zum varietätenlinguistischen Status der Sprache in den NVA-Filmen
4.4.1 Zum Varietätenbegriff
4.4.2 Varietät Soldatensprache
4.4.2.1 Militärsprache
4.4.2.2 Offizierssprache
4.5 Agitationsfilme unter kommunikativem Gesichtspunkt
4.5.1 Zur begrifflichen Bestimmung von „Kommunikation“
4.5.1.1 Information
4.5.1.2 Kommunikation
4.5.1.3 Signal und Medium
4.5.2 Versuch eines Kommunikationsmodells
4.5.3 Der Film als „1-Weg-Kommunikation“
4.6 Filmdrehbücher als Textsorte
4.6.1 „Text“ als Definitionsproblem der Linguistik
4.6.2 Zum „Textsortenbegriff“
4.6.3 Textsorte Filmdrehbuch
5 Empirische Untersuchungen von Drehbuchtexten für „Dokumentationsfilme“
5.1 Filminhalte der ausgewählten „Dokumentationsfilme“
5.1.1 „Unser Wort gilt!“ (1961)
5.1.2 „Erinnert Euch!“ (1961)
5.1.3 „Drum wisse, wer Dein Feind ist!“ (1963)
5.1.4 „Grenzort“ (1964)
5.1.5 „Soldatenhochzeit“ (1964)
5.1.6 „Des Volkes Soldaten“ (1965)
5.2 Schlagwortuntersuchung der Drehbücher
5.2.1 Methode zur Ermittlung von möglichen Schlagwortkandidaten
5.2.2 Untersuchung und Ergebnisse der Filmdrehbücher
5.2.2.1 Ergebnis des Filmdrehbuches „Unser Wort gilt!“ (1961)
5.2.2.1.1 Kraft
5.2.2.1.2 sozialistisch
5.2.2.1.3 Werktätige
5.2.2.1.4 Soldaten
5.2.2.1.5 Kampf
5.2.2.1.6 Frieden
5.2.2.1.7 Freund/e
5.2.2.1.8 Genossen
5.2.2.2 Schlagwortkandidaten des „Dokumentationsfilms“ „Erinnert Euch!“
5.2.2.2.1 faschistisch
5.2.2.2.2 Westdeutschland
5.2.2.2.3 Monopole
5.2.2.2.4 amerikanisch
5.2.2.3 Schlagwortkandidaten im Film „Drum wisse, wer Dein Feind ist!“
5.2.2.3.1 Staatsgrenze
5.2.2.3.2 Macht
5.2.2.3.3 Feind
5.2.2.3.4 Deutsche und Deutschland
5.2.2.3.5 schießen
5.2.2.3.6 Personalpronomen sie und Possesivpronomen ihr
5.2.2.4 Filmdrehbuch „Grenzort“ (1964)/relevante Schlagwortkandidaten
5.2.2.5 Schlagwortuntersuchung in dem Film „Soldatenhochzeit“ (1964)
5.2.2.6 Schlagwortkandidaten in dem Film „Des Volkes Soldaten“ (1965)
5.2.2.6.1 Partei
5.2.2.6.2 Krieg
5.2.2.6.3 Aggressoren
5.2.2.6.4 Leben
5.2.2.6.5 Unsere Republik
5.2.2.6.6 Volk
5.2.2.6.7 Armee
5.2.2.6.8 notwendig
5.2.2.6.9 bonner
5.3 Neologismen im Filmdrehbuch
5.3.1 Untersuchung von Neologismen im Filmdrehbuch
5.3.1.1 Arbeiter- und Bauernstaat
5.3.1.2 Grenze
5.3.2 Auswertung
5.4 Metaphern im Filmdrehbuch
5.4.1 Systematische Einordnung
5.4.2 Auswertung und Ergebnisse
5.5 Auswertung der Sprachuntersuchung
6 Zusammenfassung
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
8.1 Liste mit „Schlagwortkandidaten“ zur Analyse der Filmdrehbücher
8.2 Liste mit Neologismen zur Analyse der Filmdrehbücher
8.3 Liste mit Metaphern zur Analyse der Filmdrehbücher
Eine linguistische Untersuchung der NVA-Sprache anhand von
Drehbuchtexten für „Dokumentations- und Ausbildungsfilme“
1 Einleitung
„Nicht nur mein Gewehr auch mein Wort soll Waffe sein.“
(Auch das Wort muß Waffe sein 1980)
Der Sprachgebrauch in der DDR ist sowohl bis 1989/1990 wie auch nach dem Ende der DDR ein häufiger Gegenstand der Sprachwissenschaft gewesen (vgl. Moser 1961, Fleischer 1983, Hellmann 1992, Läzer/Reiher 1993, Möller 2000, Wolf 2000, Fix/Barth 2000). Dabei spielte der Gebrauch von Sprache im politisch-ideologischen Zusammenhang stets eine besondere Rolle (vgl. Reich 1973, Pross 1974, Dieckmann 1975, Klemperer 1975, Girnth 2002, Pappert 2003). DDR-Sprache wurde unter diesem Gesichtspunkt u.a. als „Macht-instrument zur Steuerung des marxistisch-leninistischen Bewusstseins“ (Pappert 2003, 72) betrachtet oder z.B. auch als „Sprache der DDR-Bürger – nicht der SED“ (Wolf 2000, 8) bezeichnet. Eine geringere Beachtung fand in diesen Untersuchungen der Sprachgebrauch in der NVA der DDR.
„[...]Sprache der DDR, das war nicht nur der Sprachgebrauch der SED (also der offiziell
propagierte Sprachgebrauch) oder die besonderen Sprachauffälligkeiten, die von Außenstehenden schnell registriert wurden.[...]In der DDR gab es[...]eine jahrelang kultivierte Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen und feine sprachliche Untertöne zu registrieren.“ (Wolf 2000, 8)
Es wird also deutlich, dass die Sprachwissenschaft bei der linguistischen Betrachtung zwischen verschiedenen Ausprägungen von DDR-Sprache unterscheidet. Es wird unter anderem Bezug auf die formale Sprache der SED (in Form von politischer Sprache) genommen oder zum Beispiel auf die Sprache des DDR-Bürgers (als besondere Form von Alltagssprache). Häufig ist hier eine Zuordnung zu finden, welche die politischen Vorgaben der SED mit dem Denken und Sprechen der DDR-Bürger gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung
ist jedoch recht problematisch und kritisch zu betrachten. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Sprachebenen erscheint daher sinnvoll.
Im Gegensatz zur DDR-Sprache fand die NVA-Sprache in der Linguistikforschung geringere Beachtung. Daher soll diese Sprachvarietät in der nachfolgenden Hausarbeit näher untersucht werden.
Der für die Einleitung ausgewählte Gedichttext vom „Wort als Waffe“ (Auch das Wort muss Waffe sein 1980, 3) macht bereits deutlich, wie prägend Sprachgebrauch sein kann. Anschaulich wird diese Wahrnehmung in der gesamten Festschrift zum 25. Jahrestag der NVA-Gründung. Oberstleutnant Giese führt mit einem programmatischen Gedicht in diese Festschrift ein, welche von Gedichten und Soldatenliedern geprägt ist.
Die Textinhalte spiegeln das Selbstverständnis der NVA und ihre zentralen Themen für die Gesellschaftspolitik wider. Die Funktion von Sprache als Machtmittel ist dabei unverkennbar. Bereits im Vorwort der Festschrift fordert Oberstleutnant Giese die täglich neu anzustrebende Einheit von Denken und Handeln, von Wort und Tat (vgl. Auch das Wort muß Waffe sein 1980, 3). Dem Feind mit der „Wortwaffe“ zu begegnen hatte also offensichtlich einen besonderen Stellenwert. So soll zunächst die Feindbildkonstruktion der NVA-Sprache untersucht und die Frage geklärt werden, was charakteristisch für diese Sprache war.
Die Verknüpfung von militärischer und politisch-ideologischer Sprache soll hierbei besondere Beachtung finden. Es soll analysiert werden, welche Sprachmittel sich in der NVA-Sprache finden lassen, die einen bestimmten Sprachstil etablierten und dazu genutzt wurden, ein bestimmtes Feindbild zu konstruieren und zu stabilisieren. Hierfür ist es notwendig, die Rahmen- und Ausgangsbedingungen mit einzubeziehen. Im zweiten Teil folgt anhand von Drehbüchern für „Dokumentations- und Ausbildungsfilme“ eine linguistische Untersuchung der NVA-Sprache. Anlehnend an den Sprachgebrauch innerhalb der NVA-Sprache wird hier die begriffliche Benennung von „Dokumentations- und Ausbildungsfilmen“ übernommen. Auf die Charakteristika der Filme wird später detaillierter eingegangen.
2 Gegenstand, Zielsetzung, Vorgehen, Korpus
Um Charakteristiken der NVA-Sprache zu untersuchen und zu analysieren soll heraus-gearbeitet werden, welche Sprachmittel gezielt eingesetzt wurden, um die politischen Ideen auf andere Sprachebenen (z.B. Sprache des Militärs oder der Zivilbevölkerung) zu übertragen! Für diese Forschungsaufgabe sind Vorüberlegungen und Definitionsabklärungen notwendig.
2.1 Gegenstand und Zielsetzung
Häufig (besonders in der Soziolinguisitk) untersuchen Linguisten Gesellschaft, ihre Sprache und ihr Sprachverhalten. Interessant ist dabei, welche sprachlichen Besonderheiten und Gesellschaftsstrukturen erkennbar werden, z.B. wie eine Gesellschaft durch politische Vorgaben in ihrer Sprachausprägung beeinflusst wird. Die Vielzahl der Literatur im Forschungsbereich „Politik und Sprache“ (vgl. Diekmannshenke/Klein 1996, Dieckmann 1975, Bardmann 1995 u.a.) spiegelt das Interesse an diesem Thema wider. Während das Interesse an politischer Beeinflussung unseres heutigen Sprachgebrauchs immer mehr zunimmt (vgl. Nagel 2004), bildet das Feld der Sprache vergangener politischer Ideologien (z.B. der Sprache des Nationalsozialismus (Klemperer 1975), Sprache des Rechts-extremismus (Pörksen 2000) oder auch „Sprache der Stasi“ (Bergmann 1999) einen Schwerpunkt in der Linguistikforschung. Während die „Sprache der Stasi“ (Bergmann 1999), die „Sprache in der DDR“ (Wolf 2000) und die „DDR-Soldatensprache“ (Möller 2000) zunehmend in der Forschung Berücksichtigung finden, wird die NVA-Sprache kaum beachtet.
Ziel der Hausarbeit soll es daher sein, bestimmte Charakteristika der NVA-Sprache heraus-zuarbeiten. Es sollen Erklärungsmuster gefunden werden, welche die Sprach-phänomene aus gesellschaftlichem oder politischem Hintergrund heraus erklären. Weiterhin soll der Frage nachgegangen werden, ob mit Hilfe dieser Sprachvarietät eine bestimmte Ideologie vermittelt werden sollte oder ob sie andere Funktionen hatte.
Es ist also von folgender Arbeitshypothese auszugehen, die im Laufe der Arbeit zu überprüfen ist:
Die Hauptfunktion der NVA-Sprache bestand darin, einen politischen Feind mittels bestimmter sprachlicher Mittel zu diskreditieren. Sie wurde dazu genutzt, ein politisches System zu stabilisieren und zu legitimieren.
2.2 Vorüberlegungen und Vorgehen
Bevor auf den Gegenstand der NVA-Sprache näher eingegangen wird, sind einige Vorüberlegungen notwendig.
Wenn man sich mit der Sprache der NVA beschäftigt, muss man sich zunächst bewusst machen, dass es sich hier um die Sprache eines besonderen Sprecherkreises handelt. Sie ist nicht mit der Sprache der DDR-Bürger gleichzusetzen. Es handelt sich um eine besondere Sprachvarietät. Ob es sich um eine gruppenspezifische Militär- bzw. Soldatensprache, eine politische Sprache, die ihr Plateau auf der Militärebene suchte, oder um eine Ideologiesprache, die eine bestimmte „Weltsicht“ auf verschiedenen Gesellschaftsebenen etablieren wollte, handelt, soll in dieser Arbeit dargestellt und erläutert werden.
Um die Bedeutsamkeit der NVA für die DDR herauszuarbeiten, wird zum besseren Verständnis zunächst ein historischer Abriss gegeben. Hieraus soll u.a. ersichtlich werden, welche zentrale Rolle die NVA für die Verbreitung politischer Vorgaben spielte und inwieweit diese dazu beitrug, die von der SED statuierte Staatsform zu legitimieren. Ergänzend folgt ein Überblick über die wechselseitige Beeinflussung von Staat, Partei und Militär.
Es folgt die Untersuchung der Filmdrehbücher hinsichtlich ihrer Aussagekraft im Bezug auf den Aufbau der NVA-Sprache. Es soll dargestellt werden, für welche Art von Filmen die Drehbücher konzipiert wurden. Welche Ausgangsbedingungen gab es und wer sollte Rezipient dieser Filme sein? Aus medientheoretischer Sicht soll aufgezeigt werden, in welcher Weise ein Kommunikationsakt zwischen Medium und Idealrezipienten angedacht war. Das Themengebiet ist noch weitgehend unbearbeitet. So wird sich der theoretische Teil
Gegenstand, Zielsetzung, Vorgehen, Korpus Seite 5
der Hausarbeit auf die Darstellung des Forschungsstandes zur DDR-Sprache im Allgemeinen beschränken. Die konkrete Sprachuntersuchung anhand der Filmdrehbücher stützt sich auf Zusammenhangsdenken und dessen Analyse.
Weil der Aspekt der Feindbildkonstruktion anhand sprachlicher Mittel ein wichtiges Element dieser Arbeit ist, wird Bezug auf die Monographie von Pörksen zur Konstruktion von Feindbildern (Pörksen 2000) genommen. Dieser zeigt recht anschaulich, durch welche Sprachmittel Feindbilder konstruiert werden. Anlehnend, an Pörksen, der sich mit der Konstruktion von Feindbildern im Sprachgebrauch von neonazistischen Medien beschäftigt, soll die NVA–Sprache auf diese Sprachmittel (Schlagwort, Neologismus, Metapher) untersucht werden. Es soll festgestellt werden, ob die These von der Funktion der Feindbild-konstruktion im Bezug auf die NVA-Sprache ebenso haltbar ist.
Pörksen stellt das philosophische Konzept des Konstruktivismus (vgl. Pörksen 2000, 24) in den Mittelpunkt, das davon ausgeht, dass der Mensch sich seine Weltsicht stets selbst konstruiert! Dieses philosophische Konzept macht deutlich, dass es nicht nur eine Sicht auf die Welt geben kann. Vielmehr konstruiert sich jeder Mensch sein eigenes Weltbild aufgrund von Erfahrungen und Sinneseindrücken. Eine Einteilung in eine „richtige“ und eine „falsche“ Sicht auf die Welt wird dadurch hinfällig. Es bleiben lediglich verschiedene Perspektiven, die sich gegenüberstehen können. Diese philosophische Positionierung eröffnet die Möglichkeit, verschiedene Weltsichten objektiv betrachten zu können, ohne diese bewerten zu müssen. Für den Außenbetrachter, der seinen Blick auf eine fremde Weltkonstruktion lenkt, besteht kein Zwang zur Befürwortung oder Ablehnung dieser Weltsicht. Er kann sie neutral als andere Weltwahrnehumg verstehen.
Diese Methode zur Hinterfragung weltanschaulicher Ideen ist womöglich die einzige, wenn man einen objektiven Standpunkt wahren will. Diese Positionierung soll nun nachfolgend bei der Themenbearbeitung Anwendung finden. Der zeitliche Abstand zu den Geschehnissen in einem ehemals geteilten Deutschland ist noch nicht groß genug, um einen wirklich objektiven Einblick in die verschiedenen Gesellschaftsformen zu ermöglichen. So bietet sich das Denkschema des Konstruktivismus für die Annäherung an das Thema an.
„Der wahre E“, ein Wörterbuch zur Soldatensprache von Klaus-Peter Möller (Möller 2000), „Wörter und Wortgebrauch in Ost und West“ von Manfred W. Hellmann (Hellmann 1992) und „Sprache in der DDR“, ein Wörterbuch von Birgit Wolf (Wolf
Gegenstand, Zielsetzung, Vorgehen, Korpus Seite 6
2000), werden als Datenbasis herangezogen, wenn es um die semantische Bestimmung einzelner Wörter geht. Es soll verdeutlicht werden, welch begriffliche Bestimmung sich hinter den jeweiligen Wörtern verbarg, die für den Außenstehenden kaum erkenntlich war.
Für die linguistische Betrachtung der DDR-Sprache im Allgemeinen und der NVA-Sprache im Speziellen werden Aufsätze von Teubert (Teubert, in: Reiher/Läzer 1993, 28-53) und Eppler (Eppler in: Burkhardt/Hebel/Hoberg 1989, 165ff.), die Monographien von Pappert, zum Thema der politischen Sprachspiele in der DDR (Pappert 2003), von Fix und Barth zum Thema „Sprachbiographien“ von Zeitzeugen aus der DDR (Fix/Barth 2000) und von Bergmann zum Thema der „Sprache der Stasi“ (Bergmann 1999) herangezogen. Zum speziellen Gebiet der NVA-Filme wird auf einen Aufsatz von Rogg zum Thema „Armeefilmstudio“ (Rogg in: Chiari/Rogg/Schmidt 2003) Bezug genommen. Des Weiteren werden die Standardwerke wie das „Studienbuch Linguistik“ von Linke, Nussbaumer und Portmann (Linke/Nussbaumer/Portmann 2001) und „Sprache: Wege zum Verstehen“ von Adamzik (Adamzik 2001) als Grundlagenliteratur herangezogen, um linguistische Grundpositionen darstellen und erläutern zu können.
Die vorliegenden Drehbücher wurden in der Sprachuntersuchung auf bestimmte Sprachmittel hin betrachtet. Hierbei wurde Bezug auf Pörksens Analyse der Sprache des Rechts-extremismus genommen, um herauszuarbeiten, ob der NVA-Sprache ähnliche Funktionen (z.B. Feindbildkonstruktion) zukamen. Pörksen fand schwerpunktmäßig Schlagwörter, Metaphern und Neologismen. Diesen wurde u.a. die Funktion zugeschrieben, bestimmte Feindbilder zu konstruieren um einen Feind zu diskreditieren. Im theoretischen Abschnitt der Arbeit sollen die Funktionen dieser Sprachmittel explizit herausgearbeitet werden.
2.3 Textkorpus
Nach dem Ende der NVA durch die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gingen viele Liegenschaften und große Mengen an Material in den Besitz der Bundeswehr über.
Gegenstand, Zielsetzung, Vorgehen, Korpus Seite 7
Ebenso wie die rund 4000 Filme aus den Archiven des Filmstudios der NVA in Berlin-Biesdorf wurden verschiedene Materialien (u.a. auch Filmdrehbücher) in die Medienzentrale der Bundeswehr in Sankt Augustin überführt. Aus diesen Medienbeständen wurden auch die Texte für das Korpus (vgl. Katalog: Streitkräfteamt 1995) entnommen anhand derer die Sprachuntersuchung vorgenommen wird.
Das zusammengestellte Textkorpus umfasst verschiedene Drehbücher zu „Dokumentations- filmen“ der Nationalen Volksarmee aus den Jahren 1960 – 1969. Bei der Sichtung der Materialien wurde sehr ergiebiges und umfangreiches Sprachmaterial für „Dokumentations“-, nicht aber für „Ausbildungsfilme“ der NVA gefunden. Des Weiteren enthalten die „Ausbildungsfilme“ häufig militärische Ausbildungsschwerpunkte (z.B. Fahrtechnik von Panzerfahrzeugen), die für die Sprachuntersuchung wohl weniger von Bedeutung sind. Daher wird das Korpusmaterial auf die sechs „Dokumentationsfilme“ aus den 60er Jahren, „Unser Wort gilt“ (1961)(BA-MA, VA-P-01/2159, Bl.47-54), „Erinnert Euch“ (August 1961)(BA-MA, VA-P-01/2159, Bl.121-129), „Drum wisse, wer dein Feind (1963)(BA-MA, VA-P-01/2159, Bl.65-68/79-103), „Grenzort“ (Februar 1964)(BA-MA, VA-P-01/1541, Bl.236-252), „Soldatenhochzeit“ (April 1964)(BA-MA, VA-P-01/1538, Bl.1-15), „Des Volkes Soldaten“ (August 1965)(BA-MA, VA-P-01/1538, Bl.229-262) beschränkt. (Die jeweiligen Drehbücher befinden sich in gleicher Reihenfolge im Anhang.) Da einzelne Wörter immer nur im Textkontext verstanden werden können, wird zunächst eine kurze allgemeine Zusammen-fassung der jeweiligen Drehbücher bzw. Kommentartexte gegeben, bevor dann im Speziellen auf die Wörter und das verwendete sprachliche Mittel eingegangen wird.
3 Das kommunikative Umfeld der Filmtexte
Im folgenden Abschnitt soll der „Dokumentationsfilm“ gegenüber dem „Ausbildungsfilm“ und der „Armeefilmschau“ abgegrenzt und näher erläutert werden (wie bereits zuvor erwähnt, werden die Begriffe „Dokumentations- und Ausbildungsfilm“ und „Armeefilmschau“ anlehnend an den Sprachgebrauch der NVA gebraucht und werden daher hier und nachfolgend in Anführungszeichen wiedergegeben). Der NVA-Film soll in seinen verschiedenen Ausprägungsformen dargestellt und in den historischen Kontext eingebettet werden. Da sich die oben genannten „Filmdrehbücher“ auf den Zeitraum der 60er Jahre beschränken, soll sich auch die historische Einbettung ausschließlich auf den Zeitraum von 1945 – 1969 beziehen.
3.1 Die politische Situation in der DDR Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre
Zwei sehr unterschiedliche Gesellschaftsformen, die das Denken der Deutschen weitgehend prägten, sind mit den Begriffen DDR und BRD belegt. Für die sprachwissenschaftliche Arbeit wird nachfolgend die Gesellschaftsform der DDR (SBZ) beleuchtet und skizzenhaft dargestellt. Für die Wahrnehmung sprachlicher Veränderungen ist der Zeitraum ab Ende der 50er Jahre von besonderem Interesse.
3.1.1 Entwicklung von der SBZ zur DDR
Nachdem der 2.Weltkrieg am 8. Mai 1945 sein Ende genommen, Deutschland kapituliert hatte und sämtliche Entscheidungsbefugnisse auf die Entscheidungsträger der Besatzungs-truppen der Siegermächte Frankreich, England, Russland und Amerika übergegangen waren und somit alle politischen Entscheidungen dem Alliierten Kontrollrat übergeben worden waren, musste von den Siegermächten ein neuer politischer Weg gefunden werden, wie mit dem Kriegsgegner Deutschland im Weiteren zu verfahren sei. So wurde Deutschland noch im selben Jahr in vier Besatzungszonen unterteilt und der Aufbau eines demokratischen Deutschlands zum gemeinsamen Ziel erklärt. Da sich aber bei der Definition bestimmter Begriffe häufig Probleme ergaben, wurde auch die Definition vom „Demokratischen Deutsch-
land“ zum Konflikt zwischen den Besatzungsmächten. Unterschiedliche Gesellschafts-prägungen und Gesellschaftsmodelle der Siegermächte spiegelten differente Vorstellungen von Demokratisierung wider. Das Ziel einer einheitlichen Entwicklung Deutschlands schien schon bald nicht mehr realisierbar.
Während die USA Deutschland zu einem „gleichberechtigten Partner nach amerikanischem Vorbild“ aufbauen wollten, hatte die Sowjetunion eigene Alternativpläne. Die Zerschlagung des deutschen Faschismus und Militarismus wurde zum Hauptziel erklärt. Auf der anderen Seite forderte man von sowjetischer Seite eine Wiedergutmachung der schweren Kriegsverluste, welche die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erlitten hatte. Die Sowjetunion, die zu Gunsten der Durchsetzung ihrer Reparationsforderungen zunächst noch einen gesamt-deutschen Weg mit verfolgt hatte, änderte ihre politische Haltung, als der Ost-West-Konflikt sich in deutlichem Maße verschärfte. Da keine Besatzungsmacht ihre Deutschlandkonzeption verwirklichen konnte, begannen die einzelnen Siegermächte ihr System auf den jeweilig okkupierten Teil Deutschlands zu übertragen. Besonders brisant wurde diese Entwicklung in Bezug auf die Organisation der Wirtschaft. Während man in den drei westlichen Besatzungszonen (französischer, englischer und amerikanischer Sektor) begann, eine politische Demokratie (nach amerikanischem Vorbild) in Deutschland aufzubauen, die durch freie Wahlen in der Bevölkerung legitimiert werden sollte, wurden in der „Ostzone“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 263) die zentralgesteuerte Staatswirtschaft und das politische System der stalinistischen Diktatur eingeführt. Da eine gesamtdeutsche Lösung ausge-schlossen werden konnte, wurde die Spaltung Deutschlands als unvermeidlich angesehen. Die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) konstituierte sich ab 1947 zunehmend und begann nach und nach mit dem Plan der „antifaschistisch-demokratischen Umwälzung“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 266). Während die Besatzungsmächte bis 1947 ausschließlich allein politisch agierten, wurde ab 1947 allmählich die Mitwirkung deutscher Politiker zugelassen. Während die sowjetische Besatzungsmacht von 1945 – 1947 noch ansatzweise das traditionelle Parteiensystem zugelassen hatte, veränderte sich dies im Zuge der Verschärfung des Ost-West-Konflikts. Die Umwandlung des Parteiensystems von 1945 mündete in einem neuen politischen Regime, in dem die SED als „Partei neuen Typus“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 266) eine zentrale Rolle erhalten sollte. Das sowjetische Staatssystem in Deutschland zu installieren wurde nun das Ziel der UdSSR. In der SBZ wurde der Gedanke vertreten, dass Faschismus und Militarismus (die in der sowjetischen Ideologie als Folge-
erscheinungen von Kapitalismus und bürgerlicher Staatsform (Parlamentarismus) definiert wurden) nur durch eine Umwälzung des bestehenden Staatssystems beseitigt werden konnten.
Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) legitimierte bereits mit ihrem Befehl vom 10. Juni 1945 („Befehl Nr.2“) die Bildung von antifaschistisch-demokratischen Parteien (vgl. Weber 2000 in: Klemperer 2003, 266). Auf dieser Grundlage begann sich die KPD, die 1918/19 unter der Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gegründet und unter der Diktatur des Nationalsozialismus verboten worden war, erneut zu restaurieren. Als am 20. und 21. Dezember 1945 eine Konferenz von je 30 Vertretern der KPD und der SPD tagte, wurde die SPD unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht dazu angehalten, einer Verschmelzung mit der KPD zuzustimmen (vgl. Weber 2000 in: Klemperer 2003, 268). Dieser Vereinheitlichungsprozess fand am 21. und 22. April 1946 seinen Höhepunkt, als Vertreter der Parteien auf dem Vereinigungsparteitag in Berlin bekannt gaben, die SPD und die KPD hätten sich „in der Mitte“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 268) getroffen. Der Grundstein für eine sozialistische Einheitspartei nach sowjetischem Vorbild, die den Namen „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ (SED) erhielt, war gelegt worden. Der einzige Unterschied zum Vorbild der sowjetischen Einheitspartei (KPdSU) bestand zunächst darin, dass es sich nicht um eine Kaderpartei, sondern um eine Massenpartei mit ca. 600 000 KPD- und 680 000 SPD-Mitgliedern handelte. So umfasste die SED bereits Mitte 1948 zwei Millionen Mitglieder.
Noch im selben Jahr änderte sich jedoch die Politik der Partei radikal! Während sich die Einheitspartei auf dem II. Parteitag der SED (September 1947) noch zu ihren Prinzipien, z.B. der paritätischen Besetzung politischer Funktionen (gleichmäßig nach ehemaligen KPD- und SPD-Mitgliedern), bekannt hatte, wurden diese Statuten im Rahmen des Stalinisierungs-prozesses verworfen (vgl. Weber 2000 in: Klemperer 2003, 269). Die Auffassung, auf unterschiedlichen Wegen zum Sozialismus gelangen zu können, wurde dadurch ersetzt, dass das Vorbild der Sowjetunion ab 1948 als alleiniges Modell zu gelten habe. In einem ersten Schritt wurde die SED nun endgültig in eine „Partei neuen Typus“ (nach dem Vorbild der sowjetischen KPdSU) umgewandelt, die eine paritätische Funktionsbesetzung auf das Strengste untersagte. Ebenso wurden Fraktionen und Gruppierungen innerhalb der SED verboten. An die Spitze der Partei trat ein Politbüro, in dem ehemalige KPD-Führer eindeutig überwogen. Nun wurden auch (was vor 1948 den Unterschied zur sowjetischen Einheitspartei darstellte) Kaderabteilungen eingeführt, welche durch die Besetzung der Funktionen von oben
nach unten Stabilität und Stringenz innerhalb der Partei gewährleisten sollten.
„Die Transformation der SED zur stalinistischen Partei war vollzogen, sie verstand sich
nun als ‚marxistisch-leninistische Kampfpartei[...]unter dem unbesiegbaren Banner
von Marx, Lenin und Stalin‘.“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 270)
Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich im Bereich der Massenorganisation. Es entstanden Einheitsjugendorganisationen (z.B. FDJ), ein „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, der die Gedanken der Intellektuellen und Künstler organisieren und repräsen-tieren sollte und der im März 1947 gegründete „Demokratische Frauenbund Deutschlands“, der ab 1948 die Politik der SED unterstützte. Aufgrund dieser Entwicklung lässt sich bereits eine enge Verquickung zwischen Politik und Gesellschaftsorganisation erkennen, die als zentrales Element der Gesellschaftsstruktur der SBZ/DDR erkannt werden muss. Mit den neu gegründeten gesellschaftlichen Organisationen sollten breite Schichten der Bevölkerung erfasst und in die „gesellschaftspolitische Arbeit“ mit einbezogen werden. Besonders problematisch muss jedoch aus heutiger Sicht gesehen werden, dass für jede Zielgruppe (Frauen, Jugend, Arbeiter) nur eine einzige Organisation zugelassen wurde, die von der SED kontrolliert werden konnte. Diese Monopolverbände hatten die Aufgabe, gesellschaftlichen Pluralismus zu verhindern.
3.1.2 Innen- und Außenpolitische Krisen
Nachdem der neue Parteichef der UdSSR Nikita Chruschtschow bereits im Februar 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU erklärt hatte, dass ein Krieg mit der westlichen Welt unvermeidlich sei, zementierte sich nun 1961 die politische Agitation im Bau der Mauer. Chruschtschow forderte aufgrund von „nuklearem Gleichgewicht“ eine „Politik friedlicher Koexistenz“. Dies war nicht zuletzt eine Forderung um das gewachsene Selbstbewusstsein der UdSSR zu demonstrieren. Der politische Gegner sah sich herausgefordert. Es begann die politische Phase des Wettrüstens. Die Rivalität der beiden Siegermächte hatte sich bereits im Oktober 1957 (als die Sowjetunion mit dem Start des Sputnik-Satelliten ihren Erfolg erzielte) verschärft. Die Situation drohte im November 1958 endgültig zu eskalieren. Chruschtschow ließ den anderen Siegermächten in einer Note mitteilen, dass er die Vier-Mächte-Verwaltung für null und nichtig erkläre und fordere, den Status von Berlin in den einer demilitarisierten
freien Stadt umzuwandeln. Weiterhin beabsichtigte er, falls binnen sechs Monaten keine Lösung gefunden werden sollte, einen Friedensvertrag mit der DDR zu unterzeichnen und dieser im gleichen Zug die Kontrolle über den Zugang zur Stadt Berlin zu übertragen (vgl. Bierling 2004, 131).
Chruschtschows Ziel war es, den „Eisernen Vorhang“ zu schließen. Jedes Jahr flohen Tausende von Ostdeutschen in den Westen. In der Nacht vom 12. zum 13. August 1961 sollte diesen Fluchtversuchen durch den Mauerbau ein Ende bereitet werden. Die Bevölkerung der DDR war durch zunehmende Gerüchte von einer Abtrennung des DDR-Staates förmlich von einer Massenpsychose ergriffen worden (vgl. Schneider In: Agethen/Jesse/Neubert 2002, 155). Eine Massenflucht sollte durch eine Mauer eingedämmt werden. So wurde die Mauer von der SED zum antifaschistischen Schutzwall deklariert, der die DDR vor dem imperialis-tischen, faschistischen Feind schützen sollte. Die NVA sollte u.a. den Schutz dieser Mauer übernehmen. Für die Rechtfertigung des Kalten Krieges gegenüber Westdeutschland wurden politische Argumente benötigt. Diese sollten auf die politische Haltung der DDR-Bürger und ihr alltägliches Handeln Einfluß nehmen. Die Einheit im Handeln sollte als identitätsstiftendes Element verstanden werden. In Folge des Mauerbaus kam es in der DDR erneut zu kritischen Auseinandersetzungen mit dem neuen Staatssystem. Der Stalinismus wurde öffentlich attackiert.
Auf die „Berlinkrise“ von 1961 folgte im Jahr 1962 die „Kubakrise“. Die Verunsicherung nahm sowohl bei der DDR- als auch bei der BRD-Bevölkerung zu. Diese Verunsicherung in der DDR nutzte die Politische Hauptverwaltung (PHV). Mit der Gefahr der imperialistischen Bedrohung wurde die NVA legitimiert. Die Herausbildung eines militärischen Truppen-körpers wurde zunehmend bedeutsam.
3.2 Zur Rolle und zum Selbstverständnis der NVA in der DDR
Die Entwicklung der NVA und ihre Stellung in der DDR werden nachfolgend skizziert.
3.2.1 Kasernierte Volkspolizei (KVP)
Bereits 1945 baute die SMAD in der SBZ eine Polizeistruktur auf, die zunächst die Verkehrsregulierungen übernehmen und die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens gewährleisten sollte. Es wurde die Leitungsabteilung „K4“ geschaffen, die mit Partei-angehörigen die jeweiligen Ämter besetzte. Die Volkspolizei, die zunächst noch den Ministern der Länder unterstellt war, wurde nach Bildung einer Zentralverwaltung 1948 zunehmend von der SED beherrscht.
Diese Entwicklung nahm besonders bei der Justiz brisante Formen an. Die sowjetische Geheimpolizei schuf Internierungslager (sogenannte Speziallager) auf deutschem Boden, in denen eine große Zahl von Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Unter ihnen waren offensichtlich nicht nur ehemalige NS-Verbrecher. So erklärte 1990 das sowjetische Innenministerium die Geschehnisse.
„Wer in die Hände der sowjetischen Geheimpolizei fiel, fand sich rechtlos Beschuldi-
gungen und Verdächtigungen ausgesetzt, wurde verurteilt oder auf unbestimmte Zeit
eingesperrt. Es gab keine Rechtsprechung.“ (Weber 2000 in: Klemperer 2003, 275)
Noch bevor die DDR am 7. Oktober 1949 mit der Billigung Stalins gegründet wurde, verfügte die SED zu ihrer Erhaltung und Stabilisierung über militärisch orientierte Polizeikräfte (vgl. Wenzke, in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 425). So konnte sich unter strenger Geheimhaltung bis Anfang der 50er Jahre ein Truppenkörper bilden, der immer stärker die charakteristischen Merkmale von Streitkräften aufwies. Im Jahre 1952 benannte das Zentralkomitee (ZK) die Truppen offiziell als „Kasernierte Volkspolizei“ (KVP). Schon bald erhielt die KVP mit einer Stärke von über 100 000 Mann ihren Militärcharakter. Die Polizeitruppen erhielten die Aufgabe, den Führungsanspruch der SED durchzusetzen und ihn zu festigen. Die geistigen Vorgaben der Partei sollten zum sinnstiftenden Element werden um so Identität und Einheit zu schaffen.
3.2.2 Legitimation als „Nationale Volksarmee“ (NVA)
Die Zurückhaltung, die Polizeitruppen nicht als Militärtruppen zu bezeichnen wurde erst im Dezember 1954 aufgegeben. Der Erste Sekretär des Zentralkomitees (ZK) Walter Ulbricht
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begründete die neue politische Lage mit dem Beitritt der BRD zur NATO. Die neue Situation, die man in der DDR als unmittelbare Bedrohung begriff, erforderte nach Auffassung des ZKs eine sofortige und konsequente Militarisierung. Aufgrund des Warschauer Paktes von 1955 wurde die KVP, wie Generalleutnant Heinz Hofmann Ende 1954 vorgeschlagen hatte, von der „Kasernierten Volkspolizei“ zur „Kaderarmee“ umgewandelt. (vgl. Wenzke in: Diedrich/ Ehlert/Wenzke 1998, 426). Die NVA wurde am 18. Januar 1956 durch das „Gesetz über die Schaffung der Nationalen Volksarmee“ (Wenzke in: Diedrich/Ehlert/ Wenzke 1998, 427) gegründet und erhielt von nun auch den Auftrag, die Streitkräfte des Ostblocks als „Koalitionsarmee“ zu unterstützen. Diese Konstituierung ist für die Sprachuntersuchung deshalb wichtig, weil sie die Positionierung gegenüber den anderen Ostblockstaaten aufzeigt. Die Gründung der NVA als „Koalitions- und Bruderarmee“ wurde zum identitätsstiftenden Merkmal.
„Bisher gab es in der Deutschen Demokratischen Republik nur Polizeikräfte, dazu gehörte auch die Kasernierte Volkspolizei. Es ist jedoch an der Zeit, entsprechend dem elementaren Recht, das jedem souveränen, unabhängigen Staat zusteht, eine Nationale Volksarmee in unserer Republik zu schaffen. Die Nationale Volksarmee wird aus Land-, Luft- und Seestreitkräften bestehen, die für die Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik notwendig sind.“ (Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 427)
Generaloberst Stoph wurde vom DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl als „Minister für Nationale Verteidigung der DDR“ berufen und bekam mit sofortiger Wirkung die politische und militärische Führung, Ausbildung und Erziehung der Streitkräfte übertragen und wurde für Mißstände unmittelbar und direkt verantwortlich gemacht. Anhand seiner weiteren Ämter als Politbüromitglied, als Mitglied der SED-Sicherheitskommission und des Ministerrates (welche ihm Verantwortlichkeit auf staatlicher Ebene zuschrieben) läßt sich die Verquickung von Staat und Militär erkennen, die zu einem zentralen Element der DDR-Zeit werden sollte. Während der Aufbau der NVA durch politische Bestrebungen vorangetrieben wurde, erklärte die SED diese Maßnahme zum „Bürgerwunsch“. Dieser Erklärungsversuch kollidierte allerdings mit dem Widerstand verschiedener Bürgergruppen, die einen Streitkräfteaufbau ablehnten.
Zum 1. März 1956 konstituierte sich die Nationale Volksarmee als vollständig einsatzbereit (vgl. Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 428). Der Gründungstag ging als „Tag der Nationalen Volksarmee“ in den Feiertagszyklus der DDR ein. Das Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) setzte sich aus dem Führungsstab der KVP zusammen und bekam mit sofortiger Wirkung alle zentralen Entscheidungen und Befugnisse übertragen. Das Ministerium erhielt den Auftrag, Gefechtsbereitschaft und Einsatzplanung zu gewährleisten sowie die operativ-taktische Ausbildung und politische Arbeit zentral zu führen (vgl. Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 429). Die Gefechtsbereitschaft, die in der nachfolgen-den Sprachuntersuchung als mögliches zentrales Schlagwort Beachtung findet, war erklärtes Ziel, um die Streitkräfte zu mobilisieren und moralisch zu stärken. Politorgane erhielten die Aufgabe, Angehörige der Nationalen Volksarmee zur „Liebe und Ergebenheit gegenüber der Arbeiter-und-Bauern-Macht in der Deutschen Demokratischen Republik und der Sozia-listischen Einheitspartei Deutschlands“ (Militär und Sicherheitspolitik der SED 1989, 213) zu erziehen. Diese Erziehungsaufgaben kristallisierten sich Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre immer mehr heraus.
„Jeder Kommandeur, jeder Vorgesetzte muß sich bewußt sein, daß er in erster Linie politischer Funktionär ist und seine Arbeit im Auftrag der Partei der Arbeiterklasse durchführt.“ (BA-MA, AZN Straußberg 32600)
Während die 50er Jahre zunächst weitgehend durch innere Reformen und neue Sinngebung geprägt waren, begannen die außenpolitischen Konflikte zu Beginn der 60er Jahre zu eskalieren! Allgemeine Verunsicherung und zunehmende Angst schlugen sich erkennbar in der politischen Positionierung und politischen Agitation nieder.
Innere Probleme der NVA (u.a. mangelnde materielle Voraussetzungen, unbefriedigende medizinische und kulturelle Betreuung der Armeeangehörigen) wirkten zunehmend demorali-sierend auf die NVA-Soldaten ein (vgl. Wenzke In: Wenzke/Diedrich/Ehlert 1998, 441). Desertion und eine ansteigende Selbstmordrate war die Folge. Aufgrund der inneren Krise gab es zwei Neuerungen innerhalb der NVA-Strukturen. Offiziere, Generäle und Admiräle sollten (nach chinesischem Vorbild) dazu verpflichtet werden, jährlich vier Wochen Dienst als Soldat in der Truppe zu leisten, um ein besseres Gefühl für das Leben in der Truppe und für die alltäglichen Herausforderungen zu bekommen. Des Weiteren sollten die Offiziers-schüler für sechs bis zwölf Monate in die Betriebe gehen, um die Beziehungen zu der Bevölkerung und speziell zur Arbeiterklasse zu stärken.
Zur Unterstützung dieser Schulungen wurden zunehmend Filme und Filmmaterial in den Ausbildungsprozess einbezogen, die für diesen Zweck hergestellt worden waren.
„1.Der Film dient in der Nationalen Volksarmee der politischen und militärischen Bildung
und Erziehung.[...]2. Die Kommandeure sind verpflichtet, Ausbildungs-, Dokumentar-
populärwissenschaftliche und Spielfilme planmäßig und zielgerichtet in die politische
und militärische Ausbildung und in die Freizeitgestaltung der Armeeangehörigen
einzubeziehen.“ (BA-MA, VA-P-01/24483, Bl.3)
Die Filme sollten die ideale Geisteshaltung und Handlungsweise eines NVA-Soldaten widerspiegeln. In der Nacht vom 12. zum 13. August 1961, als 5000 Grenz-, Bereitschafts- und Schutzpolizisten sowie 4500 Kampfgruppenangehörige die Sektorengrenze in und um Berlin abschotteten, wurden die Militärtruppen der DDR hart auf die Probe gestellt. Aufgabe der „Sicherungsstaffel“ (Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 441) war es, die Grenzübergänge der DDR zu sichern um die Landflucht von Bürgern der DDR zu verhindern. Es wurde eine Mauer gebaut, welche die beiden deutschen Staaten für mehrere Jahrzehnte teilen sollte.
3.2.3 Einführung der Wehrpflicht
In Folge von innen- und außenpolitischen Konflikten, kam es im Krisenjahr 1961 zur Verabschiedung eines Verteidigungsgesetzes. Die „Vereitelung aggressiver Absichten von Bonner Ultras“ (Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 442) wurde als Argument herangezogen, um die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht zu legitimieren. Die Forderung der PHV wurde am 24. Januar 1962 durch das „Gesetz zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht“ (Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 442) umgesetzt.
Die Wehrpflicht sollte neben dem freiwilligen Dienst zur Auffüllung der Streitkräfte beitragen. Männliche Bürger vom 18. bis zum vollendeten 50. Lebensjahr wurden zu einem 18-monatigen Grundwehrdienst verpflichtet. Im abzuleistenden Fahneneid wurden die zentralen Aufgaben des NVA-Soldaten festgeschrieben:
„Ich schwöre: Der Deutschen Demokratischen Republik, meinem Vaterland, allzeit treu zu
dienen und sie auf Befehl der Arbeiter-und-Bauern-Regierung gegen den Feind zu schützen.
Ich schwöre: An der Seite der Sowjetarmee und der Armeen der mit uns verbündeten sozia-
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listischen Länder als Soldat der Nationalen Volksarmee jederzeit bereit zu sein, den Sozia-
lismus gegen alle Feinde zu verteidigen und mein Leben zur Erringung des Sieges einzuset-
zen.
Ich schwöre: Ein ehrlicher, tapferer, disziplinierter und wachsamer Soldat zu sein, den mili-
tärischen Vorgesetzten unbedingten Gehorsam zu leisten, die Befehle mit aller Entschlossen-
heit zu erfüllen und die militärischen und staatlichen Geheimnisse streng zu wahren.
Ich schwöre: Die militärischen Kenntnisse gewissenhaft zu erwerben, die militärischen Vor-
schriften zu erfüllen und immer und überall die Ehre unserer Republik und ihrer Nationalen
Volksarmee zu wahren.
Sollte ich jemals diesen meinen feierlichen Fahneneid verletzen, so möge mich die harte Stra-
fe der Gesetze unserer Republik und die Verachtung des werktätigen Volkes treffen.“
(Gesetzblatt der DDR 1962, 6)
Neben der Verpflichtung gegenüber der SED-Regierung und zur militärischen Unterstützung der sowjetischen Armee wurden die Soldaten darauf eingeschworen, sich gewissenhaft militärische Grundfertigkeiten anzueignen, sich bedingungslos den Vorgaben ihrer Vorgesetzen zu unterwerfen und die Staatsgeheimnisse zu wahren. Der letzte Absatz des Fahneneids sollte deutlich machen, dass ein Soldat bei Nichterfüllung dieser an ihn gestellten Aufgaben mit schweren Sanktionen zu rechnen habe. Auf der Grundlage dieser feierlichen Erklärung sollten die Soldaten an die politischen Entscheidungen der SED und an die militärischen Vorgaben der NVA gebunden werden. Diese militärischen Verpflichtungen zeigen sich auch als sprachliches Grundelement der NVA-Filme. Die Themen der Gefechts-bereitschaft, Verpflichtung gegenüber dem Arbeiter-und-Bauern-Staat und Freundschaft zur sowjetischen Bruderarmee spiegeln sich (wie später noch gezeigt werden soll) in der politisch-ideologischen Sprache der NVA-Filme wider.
3.2.4 Rolle der Traditionspflege
Da die SED-Führung die Probleme innerhalb der Streitkräfte erkannte, die sowohl durch die außenpolitischen Krisen, als auch durch die inneren Strukturprobleme demoralisiert waren, wurde der Versuch unternommen, durch eine organisierte militärische Traditionspflege (vgl. Wenzke in: Diedrich/Ehlert/Wenzke 1998, 458) ein neues Selbstbewusstsein der Armee-angehörigen herauszubilden. Es wurde eine Traditionslinie konstruiert, die vom Bauernkrieg des 16. Jahrhunderts bis zum Kampf gegen Militarismus und Faschismus in den Jahren 1933
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– 1945 die militärische Tradition der Streitkräfte begründen sollte. Neben dem Schwerpunkt der revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse nach 1918 wurden die eigenständige, sozialistische Tradition der NVA sowie die gemeinsame Tradition mit den Warschauer-Pakt-Streitkräften verstärkt hervorgehoben, um Tatkraft und Erfolg im Kampf gegen den imperialistischen Feind zu symbolisieren.
Diese Traditionspflege wird auch in der Struktur und dem Sprachduktus der NVA-Filme deutlich.
3.3 Filme als Mittel der politischen Agitation in der und für die NVA
Vor dem Hintergrund der historischen Darstellung soll nun auf die Rolle des Filmwesens bei der NVA und ihren Einfluss auf die zivile Bevölkerung eingegangen werden.
3.3.1 Der Film als Propagandainstrument
„Die Massenkommunikation in sozialistischen Ländern vollzieht sich unter Führung der
marxistisch-leninistischen Partei des sozialistischen Staates.[...]Die M.[assenkommuni-
kationsmittel] lösen ihre Aufgaben auf der Grundlage der Parteilichkeit, der Wissen-
schaftlichkeit, der Wahrheit und der Massenverbundenheit.[...] Sie tragen damit in hohem
Maße zur sozialistischen Persönlichkeitsbildung bei.“
(Böhme et.al.1978, 557)
Aus der Aussage lässt sich ableiten, dass die Medien in der DDR eine zentrale Rolle spielten. Es galt die Steuerungsinstrumente von Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen gezielt einzusetzen, um die Ziele der Partei zu verfolgen. Die Aussagen der Medien sollten als wissenschaftlich begründet, wahr und parteigetreu anerkannt werden. Es lässt sich nachvollziehen, warum die sprachlichen Argumente keinen Interpretationsspielraum zuließen, sondern im engen Sinne die Ideologie der Partei widerspiegeln sollten. Sie sollten dazu beitragen, den DDR-Bürger und insbesondere den NVA-Soldaten zu einer „sozialistischen Persönlichkeit“ (Suckut 1996, 291) zu erziehen.
„[...]eine sozialistische Persönlichkeit, die als Angehörige(r) eines sozialistischen Sicherheitsorgans im Auftrage und unter der Führung der Partei der Arbeiterklasse unmittelbar und direkt für den Schutz des Sozialismus, für die allseitige und zuverlässi-
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ge Sicherung der Macht der Arbeiterklasse vor allen subversiven Angriffen des Klassenfeindes kämpft. Sie wird geprägt und entwickelt sich durch die aktive Tätigkeit für den Aufbau und den Schutz der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft, insbesondere im Prozeß der konspirativen tschekistischen Arbeit, im kompromißlosen Kampf gegen den Feind und durch die dazu notwendige tschekistische Erziehung und Befähigung.“ (Suckut 1996, 291)
Neben dem Nutzen für die Wehrerziehung erkannte die SED-Führung die Medien auch als Instrument der Militarisierung. Um die NVA zu lenken, zu stabilisieren und sie zu legitimieren, spielten der Erziehungsgedanke und die Begründung der Militarisierung bei der Darstellung in den Medien eine wichtige Rolle.
„Für die ideologisch geforderte und beförderte Verschränkung der zivilen Gesellschaft mit
dem Militär fungierten die Medien als ideales Instrument.“
(Rogg in: Chiari/Rogg/Schmidt 2003, 611)
So sollten die Medien u.a. dazu dienen, die NVA sowohl bei den Streitkräften selbst als auch bei der Zivilbevölkerung zu stabilisieren und zu legitimieren.
In der historischen Forschung wird der These von der DDR als „militarisierter Gesellschaft“ entgegengewirkt (vgl. Glaser/Knolle 1995). Bei näherer Betrachtung (speziell des Medien-plateaus) zeigt sich jedoch eine zu relativierende Sichtweise (vgl. Rogg in: Chiari/Rogg/Schmidt 2003, 611). Die Politische Hauptverwaltung der NVA (PHV) als oberste Instanz für ideologische Planung, Lenkung und Kontrolle der Streitkräfte wertete neben den militärpolitischen Veröffentlichungen die der zentralen Massenmedien aus. Die oberste militärische Führungseinheit konnte so meinungsbildend auf die Zivilbevölkerung Einfluss nehmen. Die Einstufung als militarisierte Gesellschaft erscheint daher nicht unberechtigt. Die Verknüpfung von Militär und Gesellschaft ist nicht unwesentlich, wenn man die Möglichkeiten der Einflussnahme strukturell betrachtet.
So gab der Minister für Nationale Verteidigung, der ebenso als führendes Mitglied der Partei verstanden werden muss, seine politischen und ideologischen Vorgaben an die PHV weiter. Von dort wurden sie auf den „Chef der Verwaltung Agitation und Propaganda“ (Rogg in: Chirari/Rogg/Schmidt 2003, 615) übertragen, der dafür Sorge zu tragen hatte, dass der Leiter des Armeefilmstudios (AFS) (wo die „Filme von der Fahne“ [Rogg in: Chiari/Rogg/ Schmidt 2003, 611] produziert wurden) diese Vorgaben im korrekten politischen Sinne an die Hauptabteilung Dramaturgie/Regie/Redaktion weitergab.
Das kommunikative Umfeld der Filmtexte Seite 20
In umgekehrter Richtung musste diese Genehmigungshierarchie ebenso eingehalten werden. So wurde der Entwurf für einen Film zunächst vom Leiter des AFS, dann vom „Chef der Verwaltung Agitation und Propaganda“, dann von der PHV und abschließend vom Minister für Nationale Verteidigung abgesegnet, bevor mit der Produktion eines Filmes begonnen werden konnte. Diese Zuständigkeitshierarchie macht deutlich, welchen Einfluss die Partei auf die Produktionen und die ideologische Ausrichtung des Filmwesens nehmen konnte. Es wird nachvollziehbar, dass Politik, Militär und Gesellschaft im engen Verhältnis zueinander standen. So konnten Politik und Militär vermutlich in gleichem Maße Einfluss auf das Denken der Gesellschaft nehmen. Die Sprache der NVA bekommt bei dieser Gesamt-betrachtung bezüglich ihrer Wichtigkeit und Wirkungsweite eine besondere Bedeutung.
3.3.2. Das „Armeefilmstudio“
Neben der kulturpolitischen Sondereinheit des „Erich-Weinert-Ensembles“ und dem „Jugend-radio G4“ nahm das „Armeefilmstudio“ eine zentrale Rolle bei den Massenmedien ein, um die Nationale Volksarmee als „Armee des Volkes“ zu popularisieren (vgl. Rogg in: Chiari/Rogg/Schmidt 2003, 613).
Den zunehmenden Problemen, geprägt von mangelnder Disziplin und innerer Verweigerung, sollte mit Medienerziehung entgegengewirkt werden. Effektive politische Erziehungsarbeit und professionelle Ausbildung bekamen Ende der 50er Jahre in der DDR oberste Priorität. Die politischen Vorgaben sollten durch Medieneinsatz vermittelt werden. Die armeeeigene Produktion von Filmen bot der NVA den Vorteil, politische Erziehungsarbeit mit professioneller Arbeit verknüpfen zu können (vgl. Rogg in: Chiari/Rogg/Schmidt 2003, 614). Neben den Erziehungs- und Ausbildungsstrukturen boten die Filme eine Möglichkeit, die Militärpolitik in der zivilen Gesellschaft zu popularisieren.
Der Vorteil der Medienerziehung wurde bereits Ende der 50er Jahre erkannt. Das „Armeefilmstudio“ der NVA (AFS) wurde dennoch erst am 31. Dezember 1960 in Berlin-Biesdorf aufgebaut. Das Filmstudio war im Rahmen der Bruderstaaten eine besondere Errungenschaft. So erklärte der langjährige Leiter Oberst Helbig in einem Bericht vom 11. September 1962, dass sich vergleichbare Institutionen zwar in der CSSR und in Polen, nicht aber in Bulgarien, Ungarn und Rumänien, geschweige denn der UdSSR finden ließen.
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- Quote paper
- Siri Anja Müller (Author), 2005, Die Sprache der NVA in den Ausbildungs- und Dokumentationsfilmen der NVA, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51554
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