Problemstellung
Eine zentrale Aufgabe jeder Rechnungslegung ist, die am Bilanzstichtag bestehenden Lasten und die damit verbundenen künftigen Ausgaben abzubilden. Die Bilanzierung sicherer Verpflichtungen, wie etwa Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, gestaltet sich dabei weniger problematisch als die Bilanzierung von Rückstellungen für ungewisse Verpflichtungen. Den Rückstellungskriterien kommt daher die Funktion zu, die passivierungspflichtigen Sachverhalte möglichst trennscharf und den Zwecken des Jahresabschlusses entsprechend zu definieren.1 Die Behandlung dieser bedeutenden Bilanzposition beeinflusst in erheblichem Maße die Zweckadäquanz eines Rechnungslegungssystems.2 Die Regelungen zur Rückstellungsbilanzierung nach IFRS und nach HGB weisen zumindest im Detail nicht unerhebliche Unterschiede auf. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die abweichende Zielsetzung der beiden Rechnungslegungssysteme. Der Zweck der IFRS besteht in der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen, während das HGB auf die Ermittlung und Begrenzung eines ausschüttungsfähigen Gewinns abstellt. Informationen müssen im System der IFRS sowohl relevant, d. h. materiell bedeutsam, als auch zuverlässig, also möglichst unbeeinflusst durch Wahlrechte und Ermessensentscheidungen, sein. Folglich stehen auch bei der Rückstellungsbilanzierung nach IFRS nicht der Gläubigerschutz und das Vorsichtsprinzip, sondern die Informationsbedürfnisse der Bilanzadressaten im Vordergrund.3
Der Rechnungsinhalt eines Standards ist am Rechnungszweck zu messen.4 Die vorliegende Arbeit verfolgt daher zum einen das Ziel, die Vorschriften zur Rückstellungsbilanzierung nach IAS 37 zu erläutern, wesentliche konzeptionelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum HGB aufzuzeigen und die Vereinbarkeit von IAS 37 mit der Gesamtzielsetzung der IFRS zu hinterfragen. Besonders problembehaftet erscheint in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten auf der Ansatzebene. In einem zweiten Schritt erfolgt die Darstellung und kritische Würdigung der geplanten Änderungen zur Rückstellungsbilanzierung durch ED IAS 37...
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1 Vgl. Euler/Engel-Ciric (2004), S. 140.
2 Vgl. Pfitzer/Kahre (2004), S. 203.
3 Vgl. Lüdenbach (2003), S. 44-47; vgl. auch: Ruhnke (2005), S. 547.
4 Vgl. Haaker (2005 b), S. 8.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Problemstellung
2. Regelungsinhalt und terminologische Grundlagen von IAS 37
2.1 Anwendungsbereich und Zielsetzung
2.2 Begriffliche Abgrenzungen der Rückstellungen von den sonstigen Schulden und Eventualschulden
3. Einzelaspekte der Bilanzierung von Rückstellungen
3.1 Allgemeine Ansatzvorschriften für Rückstellungen
3.2 Besonderheiten beim Ansatz von Drohverlustrückstellungen
3.3 Ansatz und Verhältnis von Aufwands- und Restrukturierungsrückstellungen
3.4 Zugangs- und Folgebewertung von Rückstellungen
3.5 Ausweis- und Angabepflichten
4. Geplante Änderungen der Rückstellungsbilanzierung durch ED IAS 37
4.1 Präzisierung von Anwendungsbereich und Terminologie
4.2 Die Abschaffung des Wahrscheinlichkeitskriteriums beim Rückstellungsansatz
4.3 Die Berücksichtigung von Eintrittswahrscheinlichkeiten bei der Bewertung
4.4 Kritische Würdigung des Standardentwurfs
5. Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
Urteilsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Differenzierung einzelner Verpflichtungsarten nach IAS 37
1. Problemstellung
Eine zentrale Aufgabe jeder Rechnungslegung ist, die am Bilanzstichtag bestehenden Lasten und die damit verbundenen künftigen Ausgaben abzubilden. Die Bilanzierung sicherer Verpflichtungen, wie etwa Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, gestaltet sich dabei weniger problematisch als die Bilanzierung von Rückstellungen für ungewisse Verpflichtungen. Den Rückstellungskriterien kommt daher die Funktion zu, die passivierungspflichtigen Sachverhalte möglichst trennscharf und den Zwecken des Jahresabschlusses entsprechend zu definieren.[1] Die Behandlung dieser bedeutenden Bilanzposition beeinflusst in erheblichem Maße die Zweckadäquanz eines Rechnungslegungssystems.[2]
Die Regelungen zur Rückstellungsbilanzierung nach IFRS und nach HGB weisen zumindest im Detail nicht unerhebliche Unterschiede auf. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die abweichende Zielsetzung der beiden Rechnungslegungssysteme. Der Zweck der IFRS besteht in der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen, während das HGB auf die Ermittlung und Begrenzung eines ausschüttungsfähigen Gewinns abstellt. Informationen müssen im System der IFRS sowohl relevant, d. h. materiell bedeutsam, als auch zuverlässig, also möglichst unbeeinflusst durch Wahlrechte und Ermessensentscheidungen, sein. Folglich stehen auch bei der Rückstellungsbilanzierung nach IFRS nicht der Gläubigerschutz und das Vorsichtsprinzip, sondern die Informationsbedürfnisse der Bilanzadressaten im Vordergrund.[3]
Der Rechnungsinhalt eines Standards ist am Rechnungszweck zu messen.[4] Die vorliegende Arbeit verfolgt daher zum einen das Ziel, die Vorschriften zur Rückstellungsbilanzierung nach IAS 37 zu erläutern, wesentliche konzeptionelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum HGB aufzuzeigen und die Vereinbarkeit von IAS 37 mit der Gesamtzielsetzung der IFRS zu hinterfragen. Besonders problembehaftet erscheint in diesem Zusammenhang die Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten auf der Ansatzebene. In einem zweiten Schritt erfolgt die Darstellung und kritische Würdigung der geplanten Änderungen zur Rückstellungsbilanzierung durch ED IAS 37. Im Mittelpunkt des Interesses steht hier, inwiefern sich konzeptionelle Verbesserungen im Hinblick auf den Informationszweck gegenüber IAS 37 ergeben und in welchen Bereichen noch Konkretisierungsbedarf besteht.
2. Regelungsinhalt und terminologische Grundlagen von IAS 37
2.1 Anwendungsbereich und Zielsetzung
Der Anwendungsbereich von IAS 37 umfasst die grundlegenden Vorschriften zur Bilanzierung und Bewertung von Rückstellungen sowie zu Berichterstattungspflichten bei Eventualverbindlichkeiten und -forderungen von Unternehmen aller Rechtsformen. Darüber hinaus existieren verschiedene, vorrangig anzuwendende Standards mit speziellen Normen für Rückstellungen.[5] Explizit eingeschlossen in den Regelungsbereich von IAS 37 sind die Restrukturierungs- und Drohverlustrückstellungen bei belastenden Verträgen.[6] IAS 37 wurde im Juli 1998 verabschiedet und ist für Geschäftsjahre mit Beginn ab dem 01. Juli 1999 zwingend anzuwenden.[7]
Oberstes Ziel der Rechnungslegung nach IFRS ist die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen. Die Regelungen jedes einzelnen Rechnungslegungsstandards müssen mit dem Oberziel konform gehen.[8] Entsprechend besteht die konkrete Zielsetzung von IAS 37 darin, die Anwendung angemessener Ansatzkriterien und Bewertungsgrundlagen auf Rückstellungen, Eventualschulden und Eventualforderungen zu gewährleisten. Zusätzlich sollen den Jahresabschlussadressaten im Anhang ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt werden, die eine Beurteilung von Art, Fälligkeit und Höhe ermöglichen.[9]
2.2 Begriffliche Abgrenzungen der Rückstellungen von den sonstigen Schulden und Eventualschulden
Im System der IFRS werden Rückstellungen definiert als Schulden, die bezüglich ihrer Fälligkeit oder Höhe ungewiss sind.[10] Schulden und Eventualschulden haben gemäß IAS 37.10 als gemeinsame Voraussetzung die Existenz einer gegenwärtigen bzw. möglichen Verpflichtung, die auf vergangenen Ereignissen beruht. Insofern erscheint hier die Verwendung des Begriffs Verpflichtung als Oberbegriff sachgerecht. Je nach Zuordnung der verpflichtenden Ereignisse zu einer bestimmten Verpflichtungsart, ergeben sich Konsequenzen für Ansatz, Bewertung und Ausweis, so dass die Vornahme einer klaren definitorischen Abgrenzung angemessen und notwendig ist. Die einzelnen Verpflichtungsarten können wie folgt differenziert werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Differenzierung einzelner Verpflichtungsarten nach IAS 37[11]
Die Bilanzierungsfähigkeit einer Schuld ist erst dann gegeben, wenn neben der Existenz der Verpflichtung auch eine verlässliche Ermittlung ihrer Höhe möglich ist. Es müssen mehr Gründe für als gegen den künftigen Abfluss sprechen, was zu einer Einengung des nach HGB gebräuchlichen und durch das Vorsichtsprinzip geprägten Rückstellungsbegriffs führt. Durch die Beschränkung auf Außenverpflichtungen wird der Rückstellungsbegriff nach IFRS gegenüber dem HGB zusätzlich eingeschränkt.[12]
[...]
[1] Vgl. Euler/Engel-Ciric (2004), S. 140.
[2] Vgl. Pfitzer/Kahre (2004), S. 203.
[3] Vgl. Lüdenbach (2003), S. 44-47; vgl. auch: Ruhnke (2005), S. 547.
[4] Vgl. Haaker (2005 b), S. 8.
[5] Vgl. Heuser/Theile (2005), Rz. 1250-1252; vgl. auch: Hebestreit/Dörges (2004), § 5, Rz. 101-103.
[6] Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen (2004), S. 383.
[7] Vgl. Ernsting/Keitz (1998), S. 2477.
[8] Vgl. Moxter (1999), S. 519 und S. 521; vgl. auch: Daub (2000), S. 294-295.
[9] Vgl. IAS 37 (1998), Zielsetzung.
[10] Vgl. Kleinmanns (2005), S. 205.
[11] Vgl. Hebestreit/Dörges (2004), § 5, Rz. 104.
[12] Vgl. Graumann (2004), Fach 20, S. 745; vgl. auch: Hebestreit/Dörges (2004), Rz. 105.
- Quote paper
- Christian Siepe (Author), 2005, Rückstellungsbilanzierung nach IAS 37, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51596
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