Einleitung
Pakistan auf dem Wege zum „Failed State“? Eine akute und gleichzeitig brisante Frage, die sich passend in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion über die regionale Sicherheitslage in Süd-Ostasien einfügt. Dabei wird Pakistan erst seit wenigen Jahren unter Analysten der internationalen Politik wieder ernsthaft betrachtet. Pakistans Aufstieg zur Atommacht im Jahre 1998, die Machtübernahme des Militärs im Jahre 1999 und die veränderte globale Sicherheitslage nach dem 11.09.2001 haben dieses Land nach jahrelanger praktischer Nichtbeachtung und internationaler Vernachlässigung zunehmend wieder in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt. Seither werden von internationalen Beobachtern vor allem das außenpolitische Verhalten, insbesondere die Beziehung zum Erzrivalen Indien, die Kooperation im Anti-Terror-Kampf an der Seite der USA, aber auch die Entwicklung der innerstaatlichen Konflikte Pakistans besonders kritisch unter die Lupe genommen. Dabei wird das Gefährdungspotenzial für die internationale Gemeinschaft, das von Pakistan ausgehen könnte, von vielen Seiten immer noch verkannt. Pakistan als „Failed State“ in Süd-Ostasien, ein Szenario das definitiv weitaus größere als nur regionale Konsequenzen hätte. Pakistan als „Failed State“, das könnte unter anderem bedeuten: Massenvernichtungswaffen in den Händen von radikalislamistischen Terroristen. Einer der schlimmste Albträume der Weltgemeinschaft könnte sich so verwirklichen. Einige, vor allem amerikanische Wissenschaftler, sehen Pakistan auf dem besten Wege zum „Failed State“. So trifft beispielsweise die Autorin Mary Anne Weaver im Vorwort ihres im Jahre 2002 erschienenen Werkes „Pakistan in the Shadow of Jihad and Afghanistan” die Prog-nose: „Pakistan could well become the world’s newest failed state – a failed state with nuclear weapons”1 und Stephen Philip Cohen diagnostiziert 2004 in seinem Buch „The Idea of Pakistan“, dass „a catastrophically failed Pakistan would become a matter of grave concern to many states”.2
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1 Weaver, Mary Anne, Pakistan in the Shadow of Jihad and Afghanistan, New York, 2002, S. 10.
2 Cohen, Stephen Philip, The Idea of Pakistan, Washington, 2004, S. 4.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Der Staatsbegriff
- 2.1 Der juristische Staatsbegriff
- 2.2 Die Souveränität, die Nationalstaatlichkeit und der Westfälische Staat
- 2.3 Die Erosion des Westfälischen Staates
- 3. Der Begriff des „Failed State“
- 3.1 Merkmale des „Failed State“
- 3.1.1 Politisches Versagen und Verlust des Gewaltmonopols
- 3.1.2 Mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse der Staatsbürger
- 3.1.3 Funktionsunfähigkeit staatlicher Institutionen
- 3.1.4 Staatliche Institutionen als Instrument der Ausbeutung
- 3.1.5 Außenpolitische Handlungsunfähigkeit
- 3.1.6 Keimzelle der internationalen Kriminalität und des Terrorismus
- 3.1 Merkmale des „Failed State“
- 4. Ursachen und Katalysatoren für die Entwicklung zum „Failed State“
- 4.1 Das koloniale Erbe
- 4.2 Fehlende nationale Identifikation
- 4.3 Demokratiedefizite
- 4.4 Ethnische Konflikte
- 5. Pakistan auf dem Weg zum „Failed State“?
- 5.1 Die koloniale Vergangenheit und die Phase der Staatsgründung
- 5.1.1 Die Geburtsfehler Pakistans
- 5.1.2 Territoriale Integrität? Der Kaschmirkonflikt und andere Grenzstreitigkeiten
- 5.2 Die Suche nach der pakistanischen Identität
- 5.2.1 Die integrationsstiftende Rolle des Islam
- 5.2.2 Gemeinsame Wurzeln?
- 5.2.3 Die Feindschaft zu Indien
- 5.2.4 Pakistan: Zu heterogen für eine nationale Identität?
- 5.3 Zusammensetzung, Verhalten und Wechselbeziehungen der herrschenden Klasse
- 5.3.1 Die politische Elite Pakistans
- 5.3.2 Die Feudalherren
- 5.3.3 Die Parteien
- 5.3.4 Die Bürokratie
- 5.3.5 Korruption und Selbstbereicherung
- 5.3.6 Die Rolle des Militärs
- 5.4 Die Leistungsfähigkeit des pakistanischen Staates
- 5.4.1 Die Bildungs- und Gesundheitsmisere
- 5.4.2 Fehlende Rechtsstaatlichkeit?
- 5.5 Konflikte in Pakistan – Ethnischer oder politischer Natur?
- 5.5.1 Konfliktherd Belutschistan
- 5.5.2 Der Sindh als Sindhudesh?
- 5.5.3 Die Mohajirs und Karachi
- 5.5.4 Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten
- 5.6 Die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols
- 5.6.1 Die Tribal Areas als der „Wilde Westen“ Pakistans
- 5.6.2 Die Tribal Areas als Zentrum der pakistanischen Schattenwirtschaft
- 5.6.3 Pakistan als Rückzugsraum des internationalen Terrorismus
- 5.1 Die koloniale Vergangenheit und die Phase der Staatsgründung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert, inwieweit die inneren Probleme Pakistans eine ernsthafte Gefährdung für den Staat darstellen und ob das Land handlungs- und problemlösungsfähig ist. Die Arbeit untersucht, ob ein Zerfallsprozess bereits eingesetzt hat oder welche Faktoren ein Abgleiten in den Zustand eines „Failed State“ verhindern. Ziel ist eine umfassende Analyse des Gesundheitszustandes des pakistanischen Staates und seiner Gesellschaft, um daraus eine Zukunftsprognose abzuleiten.
- Analyse der inneren Konflikte Pakistans
- Bewertung der Staatsfähigkeit Pakistans
- Untersuchung der Ursachen für die Instabilität
- Beurteilung des Risikos eines „Failed State“-Szenarios
- Einordnung Pakistans im asiatischen Kontext
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Frage nach Pakistans Entwicklung zum „Failed State“. Sie beleuchtet die aktuelle wissenschaftliche Diskussion, den Einfluss des Atomwaffenstatus und die verstärkte internationale Aufmerksamkeit nach 9/11. Die Einleitung hebt die potentiellen Gefahren für die internationale Gemeinschaft hervor und erwähnt unterschiedliche Einschätzungen von Wissenschaftlern wie Mary Anne Weaver und Stephen Philip Cohen zur Zukunft Pakistans.
2. Der Staatsbegriff: Dieses Kapitel untersucht verschiedene Staatsbegriffe, insbesondere den juristischen Staatsbegriff, die Souveränität und den Westfälischen Staat. Es analysiert die Erosion des Westfälischen Staates und legt die Grundlage für die spätere Analyse Pakistans im Kontext des „Failed State“-Begriffs.
3. Der Begriff des „Failed State“: Das Kapitel definiert den Begriff des „Failed State“ und beschreibt dessen Merkmale: politisches Versagen, Verlust des Gewaltmonopols, mangelnde Befriedigung der Grundbedürfnisse, funktionsunfähige staatliche Institutionen, Ausbeutung durch staatliche Institutionen und außenpolitische Handlungsunfähigkeit. Es bildet die Grundlage für die Bewertung der Situation in Pakistan.
4. Ursachen und Katalysatoren für die Entwicklung zum „Failed State“: Dieses Kapitel analysiert die Ursachen und Faktoren, die zur Entstehung eines „Failed State“ beitragen können, mit Fokus auf das koloniale Erbe, fehlende nationale Identifikation, Demokratiedefizite und ethnische Konflikte. Es stellt wesentliche kontextuelle Faktoren für die Analyse Pakistans bereit.
5. Pakistan auf dem Weg zum „Failed State“?: Dieses Kapitel stellt den Kern der Arbeit dar. Es analysiert die Geschichte Pakistans, insbesondere die koloniale Vergangenheit, die Staatsgründung und die Herausforderungen der nationalen Identitätsfindung. Es untersucht die Rolle des Islams, die Konflikte mit Indien, und die Heterogenität der Gesellschaft. Weiterhin analysiert es die herrschende Klasse (politische Elite, Feudalherren, Parteien, Bürokratie, Militär), die Leistungsfähigkeit des Staates (Bildung, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit) sowie verschiedene interne Konflikte (Belutschistan, Sindh, Mohajirs, sunnitisch-schiitischer Konflikt). Schließlich werden die Herausforderungen bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols, insbesondere in den Tribal Areas, und Pakistans Rolle als Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus untersucht.
Schlüsselwörter
Pakistan, Failed State, Staatsbegriff, Nationalstaatlichkeit, Kolonialismus, nationale Identität, Islam, ethnische Konflikte, politische Instabilität, Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit, Korruption, Militär, Terrorismus, Süd-Asien, Indien, Entwicklungspolitik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Pakistan auf dem Weg zum „Failed State“?
Was ist der Gegenstand dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit analysiert die inneren Probleme Pakistans und untersucht, inwieweit diese eine Gefährdung für den Staat darstellen und ob Pakistan handlungs- und problemlösungsfähig ist. Es wird geprüft, ob ein Zerfallsprozess bereits eingesetzt hat oder welche Faktoren ein Abgleiten in den Zustand eines „Failed State“ verhindern können. Ziel ist eine umfassende Analyse des Gesundheitszustandes des pakistanischen Staates und seiner Gesellschaft, um daraus eine Zukunftsprognose abzuleiten.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende zentrale Themen: Analyse der inneren Konflikte Pakistans, Bewertung der Staatsfähigkeit Pakistans, Untersuchung der Ursachen für die Instabilität, Beurteilung des Risikos eines „Failed State“-Szenarios und Einordnung Pakistans im asiatischen Kontext. Dies beinhaltet eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Staatsbegriff, dem Begriff des „Failed State“, den Ursachen für dessen Entstehung und der konkreten Situation in Pakistan.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Kapitel 1 dient als Einleitung. Kapitel 2 untersucht verschiedene Staatsbegriffe und den Westfälischen Staat. Kapitel 3 definiert den Begriff „Failed State“ und dessen Merkmale. Kapitel 4 analysiert die Ursachen und Katalysatoren für die Entwicklung zum „Failed State“. Kapitel 5, der Kern der Arbeit, analysiert die Geschichte Pakistans, seine inneren Konflikte, die Rolle der herrschenden Klasse, die Leistungsfähigkeit des Staates und die Durchsetzung des Gewaltmonopols, insbesondere in den Tribal Areas.
Welche Aspekte Pakistans werden im Detail untersucht?
Die Arbeit analysiert detailliert die koloniale Vergangenheit Pakistans, die Herausforderungen der nationalen Identitätsfindung (Rolle des Islams, Konflikte mit Indien, Heterogenität der Gesellschaft), die Zusammensetzung und das Verhalten der herrschenden Klasse (politische Elite, Feudalherren, Parteien, Bürokratie, Militär), die Leistungsfähigkeit des Staates (Bildung, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit) und verschiedene interne Konflikte (Belutschistan, Sindh, Mohajirs, sunnitisch-schiitischer Konflikt). Besonderes Augenmerk liegt auf der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols und Pakistans Rolle als Rückzugsraum für internationalen Terrorismus.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit zieht Schlussfolgerungen über den Gesundheitszustand des pakistanischen Staates und seiner Gesellschaft und leitet daraus eine Zukunftsprognose ab. Sie bewertet das Risiko eines „Failed State“-Szenarios und berücksichtigt dabei unterschiedliche wissenschaftliche Einschätzungen zur Zukunft Pakistans (z.B. von Mary Anne Weaver und Stephen Philip Cohen).
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Pakistan, Failed State, Staatsbegriff, Nationalstaatlichkeit, Kolonialismus, nationale Identität, Islam, ethnische Konflikte, politische Instabilität, Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit, Korruption, Militär, Terrorismus, Süd-Asien, Indien, Entwicklungspolitik.
- Quote paper
- Tim Stahnke (Author), 2005, Pakistan auf dem Wege zum Failed state? Probleme eines islamischen Staates im asiatischen Kontext, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51602