Der adäquate Umgang mit Fehlern im schulischen Kontext


Seminararbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1.6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition Fehler

3. Positive Fehlerkultur

4. Negatives Wissen

5. Fehleranalyse

6. Metakognition

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Man nimmt dem Menschen das Beste, wenn man ihn von seinen Fehlern trennen will.“1

Karl Heinrich Waggerl (*10. Dezember 1897, †4. November 1973)2

Fehler geschehen jedem Menschen und nahezu in jeder Institution, denn irren ist menschlich. Trotz dessen ist der Begriff Fehler negativ konnotiert und es gilt, ihn weiterhin zu vermeiden.

In der Forschung wird immer wieder verdeutlicht, dass Fehler einen positiven Einfluss auf den weiteren Lernprozess haben. Weingardt hebt hervor, dass „[…] durch einen produktiven Umgang mit Fehlern, die sich ereignen, diese für das Erreichen der Lösungsvariante genutzt werden können.“3

Jedoch sieht die Realität ganz anders aus: Die Null-Fehler-Gesellschaft“ sprich der Perfektionsanspruch in Unternehmen und in unserer Gesellschaft fördert dieses Denken keineswegs, im Gegenteil, Fehler werden auf Hochtouren vertuscht und sollen erst gar nicht produziert werden.

Der Umgang mit Fehlern ist von Interessen und Zielen der jeweiligen Institution abhängig. In der Wirtschaft werden Fehler gerne vertuscht, um den maximalen Gewinn auszuschöpfen. In der Medizin sind Fehler ebenso negativ konnotiert. Ziel ist es, Behandlungsfehler zu vermeiden, da sie über Leben und Tod entscheiden können.

Tatsächlich müssen auch im Schulalltag sowohl Lehrkräfte als auch Schüler und Schülerinnen sich des Öfteren mit Fehlern auseinandersetzen. Überhaupt ist die Fehlerermittlung eines der maßgeblichen Entscheidungskriterien für positiven bzw. negativen Lernprozess in der Schule.

Deshalb ist es lohnenswert, den Blickwinkel auf Schulen als eine der größten Institutionen zu richten. Denn die Schule sollte einen großen Raum für Fehlermachen bieten und Fehler als Lernchancen einstufen.

Es stellt sich die Frage, wie eine positive Fehlerkultur im schulischen Kontext aufgebaut sein sollte und welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sprich Kompetenzen Lehrkräfte aufweisen sollten, damit sie infolgedessen Unterstützungsmaßnahmen darbieten können.

Es gilt zu klären, wie aus Fehlern ein konstruktiver und lernfördernder Umgang im schulischen Kontext herzustellen ist. Dabei soll auf die Frage eingegangen werden, wie Lehrer und Lehrerinnen Schüler und Schülerinnen motivieren können, etwas auszuprobieren, Fehler zu begehen, davon zu lernen und zu profitieren?

Darüber hinaus soll in dieser vorliegenden Seminararbeit aufgezeigt werden, inwiefern Schülerinnen und Schüler den Bedarf nach Unterstützung im Umgang mit ihren Fehlern haben und wie sie das Lernen lernen können.

2. Definition Fehler

Der Begriff Fehler hinterlässt immerzu einen üblen Nachgeschmack. Er wird als etwas Schlimmes und Peinliches, was es zu vermeiden gilt, angesehen. Nur wenige erkennen die Lernchancen, die sich aus Fehlern ergeben.

Der Terminus Fehler wird in der Literatur verschiedenartig und kontextgebunden eingesetzt und zeigt verschiedene Verwendungsweisen.

Laut Miller wird Fehler als Abweichung des Ist-Zustands von einem Soll-Zustand definiert.4 Wenn dieser Soll-Zustand als eine bestimmte Norm definiert wird, wird der Fehler oftmals „als ein von einer Norm abweichender Sachverhalt oder Prozess“5 gedeutet. Wichtig ist in dem Fall, dass die Norm vorhanden sein muss und sie den Beteiligten Personen im Vorhinein bekannt gegeben werden muss, andernfalls kann diese Abweichung vom Soll-Zustand nicht als Fehler definiert werden.

Dementsprechend divergieren Fehler im schulischen Kontext ebenfalls von einem vorgegebenen Maßstab. In naturwissenschaftlichen Fächern wie Mathematik oder Physik ist es problemlos, ein Ergebnis nach seiner Korrektheit zu bewerten. Im Gegenzug ist es in geisteswissenschaftlichen Fächern wie Deutsch oder Englisch, die vielmehr von Interpretationen, Annahmen und Ansichten abhängen, komplizierter umzusetzen. Trotz dessen werden die Kompetenzen Erklärung, Deutung von Texten, Aussagen etc. ebenfalls bewertet und auch im Fach Deutsch können Fehlinterpretationen erscheinen.

Im psychologischen Sinne wird eine Differenzierung zwischen produktiven und unproduktiven Fehlern vorgenommen.6 Produktive Fehler fördern demnach den Lernprozess und kommen dem Lernenden in einer Art und Weise zugute.

Hinzukommt, dass gute Fehler Begleiter auf dem Weg zu einer Weiterentwicklung sind und zu einer Reorganisation im Lernprozess helfen. Fehler können dazu dienen, alte Annahmen zu überprüfen und neue Ergebnisse zu generieren.7 In diesem Zusammenhang ist die Fehlerkompetenz von Bedeutung.

Für Elke Schüttelkopf, Fehlerkultur-Spezialistin im deutschsprachigen Raum, zeichnet sich die Fehlerkompetenz dadurch aus, nicht fehlerfrei zu sein, Trial and Error (Lernen durch Versuch und Irrtum) bewusst in den Lernprozess zu integrieren, den Nutzen dadurch zu ziehen und in Folge neue Erkenntnisse zu gewinnen, jedoch Fehler zu vermeiden, die unbedacht gemacht werden, auf Missverständnisse basieren und die für den weiteren Lernprozess unergiebig sind.8

Sichtweisen von Fehlern im schulischen Kontext:

Fehler können individuell wahrgenommen und interpretiert werden. Diese können den Umständen entsprechend positiv oder negativ gedeutet werden und infolgedessen Schüler und Schülerinnen motivieren oder demotivieren.

Erstens können Fehler von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften aber auch von außerschulischen Personen wie Eltern als Makel oder Defizite betrachtet werden.9 Dies führt dazu, dass Fehler positiv oder negativ, motivierend oder frustrierend erlebt werden können.10 Wichtig ist zu differenzieren, dass diese Gefühle situationsgebunden auftauchen können. Demnach treten positive und motivierende Gefühle in Lernsituationen auf und negative und frustrierende mit höherer Wahrscheinlichkeit in Leistungssituationen, insbesondere dann, wenn eine Leistungsbewertung ansteht.11

Zweitens fällt auf, dass Schüler und Schülerinnen den Eindruck machen, dass sie unsensibel gegenüber ihren Fehlern sind, um ihr Selbstwertgefühl zu schützen. Besonders deutlich wird dies in Selbstkontrollphasen, wenn sie dazu verpflichtet sind, in selbst verfassten Aufsätzen Rechtschreibfehler zu suchen, und sie vorgeben, keine Fehler zu finden.12 An dieser Stelle muss man besonders betonen, dass den Schülern nahegebracht werden muss, dass Fehler auch eine Leistung im Lernprozess sind.

Zuletzt fällt auf, dass Lernende ihre Fehler nicht als Lernchance wahrnehmen. Demnach unternehmen Schüler und Schülerinnen bei Korrekturen oder bei Besprechungen einer Musterlösung wenige Bemühungen.13

Dem steht entgegen, dass Fehler eine neue Lernchance sind. Schüler müssen aber in der Lage sein, a.) das Falsche zu erkennen und einzusehen, b.) den Fehler erläutern können, um den Zusammenhang erklären zu können, wie es zu dem Fehler gekommen ist und c.) die Zeit bekommen, um den Fehler berichtigen zu können.

Das alles ist aber nur dann möglich, wenn die Lehrkraft hilfreich zur Seite steht und den Schülern und Schülerinnen bei diesem Prozess Beistand leistet.

3. Positive Fehlerkultur

Bei der Etablierung einer positiven Fehlerkultur im schulischen Kontext ist es unabdingbar einen großen Raum für Fehlermachen zu bieten, diese als Lerngelegenheit und Orientierungshilfe einzustufen und niemals das Interesse einer Fehlervermeidung zu vertreten.14

Die Lehrkraft ist dazu verpflichtet, ein positives Lernklima im Zuge der Fehlerkultur herzustellen. Sie sollte hilfreich und unterstützend den Schülern und Schülerinnen zur Seite stehen und nicht sofort Fehler mit Konsequenzen assoziieren.

Die Lehrkraft hat durch eine positive Fehlerkultur die Möglichkeit ihre Beziehung zu ihren Schülern und Schülerinnen zu verbessern und zu stärken. In der Hattie-Studie wird verdeutlicht, dass die Lehrer-Schüler-Beziehung einen Effekt von d = 0,7215 erzielt, der deutlich höher ist, was sonst an Mindestmaß (d = 0,4) verlangt wird. Dadurch können Rückschlüsse gezogen werden, dass durch eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung die Lehrkraft eine höhere Schülerbeteiligung am Unterricht erreichen kann und folglich bessere Chancen hat, die Leistungspotenziale von Schülern und Schülerinnen besser auszuschöpfen, da sich diese ohne jegliche Hemmungen am Unterrichtsgeschehen beteiligen können.

Außerdem gehört zum Aufgabengebiet der Lehrkraft, Schüler und Schülerinnen in ihrer Art und Weise zu akzeptieren, diese zu ermutigen, Fehler zu begehen, Hemmungs- und Frustrationsabbau und diese nicht vor der Klasse bloßzustellen oder zu demütigen. Denn das Unwohlsein kann dazu führen, dass sich Schülern und Schülerinnen nur dann melden, wenn sie sich ihrer Sache absolut sicher sind. Fehlervermeidungen können dementsprechend auch zu Beeinträchtigungen beim eigenständigen Lernen führen.16 Wenn Schüler und Schülerinnen Angst haben Fehler zu begehen, trauen sie sich weniger Selbstständigkeit und Eigeninitiative zu.17

Lehrer sollten deshalb in jeder Hinsicht mit gutem Beispiel führend sein. Sie sollten sich selber auch einmal Fehler gestehen und auch des Öfteren zu ihren Fehlern stehen. Denn es ist unumstritten, dass Fehler jedem Menschen unterlaufen und auch zu jeder Lernphase dazugehören. Eine Möglichkeit in diesem Kontext ist, dass Pädagogen, sprich Lehrer und Lehrerinnen, Schüler-Feedback einholen können und auf konstruktive Kritik vonseiten der Schüler und Schülerinnen eingehen können.18 Wichtig ist es, als Lehrkraft eine prägende Vorbildfunktion im Zuge des Fehlermachens zu sein.

Das „Bermuda-Dreieck“, in dem eine Lehrkraft die Kommunikation oder Wechselbeziehung zu einem Schüler oder einer Schülerin unterbricht, um sie mit einem anderen zu realisieren, sollte in einer positiven Fehlerkultur vermieden werden.19 Denn dieses Unterrichtsmuster hat einen geringen Lerneffekt.

Wenn Schüler und Schülerinnen, die eine falsche Antwort geben, einfach überspringen werden, lernen diese nichts Neues dazu. Das Kind, das die falsche Antwort gegeben hat, weiß nicht, was es verkehrt gemacht hat. Ihm wird die Möglichkeit weggenommen, ein negatives Wissen aufzubauen.20

4. Negatives Wissen

Um das Konstrukt des negativen Wissens darlegen zu können, bedarf es einer Definition des Begriffs, die anhand eines Beispiels veranschaulicht werden soll:

Ein Kind im Vorschulalter möchte die Straße überqueren. Beim Überqueren dieser, ist es ihm bewusst, dass es sowohl die Ampel als auch den Verkehr beachten muss. Sobald sich die Ampel auf Grün umschaltet, überquert das Kind die Straße, wobei es versucht, die Autos trotzdem nicht aus den Augen zu verlieren. Diese Verfahrensweise ist das Resultat des positiven Wissens, das ein Individuum, während seiner Edukation erworben hat.

[...]


1 https://www.sauercoaching.de/zitatesammlung/fehler/ (letzter Zugriff 21.02.2019).

2 https://www.sauercoaching.de/zitatesammlung/fehler/ (letzter Zugriff 21.02.2019).

3 Weingardt, Martin: Fehler zeichnen uns aus, 2004, S. 292.

4 Vgl. Steuer, Gabriele: Fehlerklima in der Klasse, 2014, S. 16.

5 Kobi, Emil E.: Fehler, 1993, S. 6.

6 Vgl. Oser, F./Hascher, T./Spychiger, M.: Lernen aus Fehlern, 1999, S. 11.

7 http://www.fehlerkultur.com/fileadmin/documents/Standard_30.8.2008_Gute___schlechte_Fehler.pdf (letzter Zugriff 21.02.2019).

8 http://www.fehlerkultur.com/fileadmin/documents/Standard_30.8.2008_Gute___schlechte_Fehler.pdf (letzter Zugriff 21.02.2019).

9 Vgl. Chott, Peter O.: Ansätze zur Förderung einer Fehlerkultur, 2009, S. 4.

10 Vgl. ebd., S. 6.

11 Vgl. Chott, Peter O.: Ansätze zur Förderung einer Fehlerkultur, 2009, S. 6.

12 Vgl. ebd., S. 4.

13 Vgl. ebd.

14 https://www.ethz.ch/content/dam/ethz/special-interest/dual/educeth-dam/documents/forschung-und-literatur/literatur-zur-lehr-und-lernforschung/aeltere-beitraege/2007_1_Produktiver_Umgang_mit_Fehlern_Endfassung.pdf (letzter Zugriff 21.02.2019).

15 https://visible-learning.org/de/hattie-rangliste-einflussgroessen-effekte-lernerfolg/ (letzter Zugriff 21.02.2019).

16 https://bildungsluecken.net/562-warum-schueler-nicht-aus-ihren-fehlern-lernen-koennen (letzter Zugriff 21.02.2019).

17 https://bildungsluecken.net/562-warum-schueler-nicht-aus-ihren-fehlern-lernen-koennen (letzter Zugriff 21.02.2019).

18 https://bildungsluecken.net/562-warum-schueler-nicht-aus-ihren-fehlern-lernen-koennen (letzter Zugriff 21.02.2019).

19 Vgl. Oser, F./Spychiger, M.: Lernen ist schmerzhaft, 2005, S. 161.

20 Vgl. ebd., S. 162.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der adäquate Umgang mit Fehlern im schulischen Kontext
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1.6
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V516739
ISBN (eBook)
9783346124548
ISBN (Buch)
9783346124555
Sprache
Deutsch
Schlagworte
umgang, fehlern, kontext
Arbeit zitieren
Derya Yüksel (Autor:in), 2019, Der adäquate Umgang mit Fehlern im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/516739

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