Die Überlegungen des Dritten Reichs zur Rückholung deutscher Auswanderer aus Lateinamerika und die These von der 5. Kolonne - ein Widerspruch?


Hausarbeit, 2001

17 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Pläne zur Rücksiedlung Deutscher aus Lateinamerika bis zum deutschen Überfall auf Polen
2. 1. Überlegungen der Auslandsorganisation der NSDAP
2. 2. Überlegungen der deutschen Missionschefs und des Auswärtigen Amtes

3. Die Pläne zur Rücksiedlung Deutscher aus Lateinamerika nach dem deutschen Überfall auf Polen.
3. 1. Überlegungen des Deutschen Auslands-Instituts
3. 2. Überlegungen nach dem Überfall auf die Sowjetunion bis zum Ende des Krieges

4. Ergebnis

Literaturverzeichnis

Die Überlegungen des „Dritten Reichs“ zur Rückholung deutscher Auswanderer aus Lateinamerika und die These von der „5. Kolonne“[1] - ein Widerspruch?

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit macht sich zur Aufgabe, die unter anderem von Reiner Pommerin[2] und Arnold Ebel[3] vertretene Ansicht kritisch zu überprüfen, die Rücksiedlungsüberlegungen des Dritten Reichs widersprächen der These einer nationalsozialistischen „5. Kolonne“ in Lateinamerika.

Dem „intentionalistischen“[4] Interpretationsmodell folgend, schreiben Pommerin und Ebel der ideologischen Komponente in der NS-Außenpolitik einen bestimmenden Charakter zu und können so davon sprechen, die These der „5. Kolonne“ sei schon deshalb nicht haltbar, weil das Konzept einer gezielten Besiedlung Lateinamerikas „im krassen Gegensatz zur nationalsozialistischen Ideologie gestanden“[5] hätte, deren „siedlungspolitische Stoßrichtung [...] in der Besiedlung des zu erobernden „Ostimperiums“ lag“[6].

Im Gegensatz hierzu soll an dieser Stelle versucht werden, die Rücksiedlungspläne in den Kontext allgemeiner Entwicklungen im Reich zu stellen. Wenn es zu zeigen gelingt, dass die Pläne keineswegs nur als die Umsetzung eines ideologiegebundenen Programms zu verstehen sind, sondern immer auch - wie von Vertretern des „strukturalistischen“[7] Erklärungsansatzes gefordert - als Resultat zeitgebundener, z. T. pragmatischer und opportunistischer Motive betrachtet werden müssen, kann die von Pommerin und Ebel vertretene These nicht aufrecht erhalten werden. Hingegen muss dann davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit der Bildung einer „5. Kolonne“ in Lateinamerika immer grundsätzlich bestand.

2. Die Pläne zur Rücksiedlung Deutscher aus Lateinamerika bis zum deutschen Überfall auf Polen

Die offiziellen Überlegungen zur Rückwanderung Deutscher aus Lateinamerika erhielten ihren Anstoß durch die Tatsache, dass seit Mitte der 30er Jahre unter den deutschen Siedlern eine steigende Bereitschaft zur Rückkehr zu verzeichnen war. Obwohl über die Ursachen aufgrund der dürftigen Quellenlage an dieser Stelle leider nur zu spekulieren ist, kann die Ansicht Pommerins durchaus als glaubhaft gelten, neben individuellen Motiven seien vor allem Assimilations- und Nationalisierungstendenzen in den Lateinamerikanischen Staaten[8], sowie der Reiz eines wirtschaftlich wiedererstarkten Deutschlands für den steigenden Rückkehrwillen verantwortlich gewesen[9].

2. 1. Überlegungen der Auslandsorganisation der NSDAP

Verstärkt wurde der Rückkehrwille unstrittig auch durch die Propaganda der Auslandsorganisation (AO) der NSDAP. So erklärte deren Leiter Bohle auf der 6. Reichstagung der AO am 28.8.1938 beispielsweise: „Das neue Deutschland hat es nicht nötig, tüchtige Kräfte im Ausland zu lassen, denen kein Dank für ihre Arbeit gegeben wird, sondern die obendrein noch ständigen Beleidigungen ausgesetzt sind“[10]. Gut vorstellbar ist aber auch, dass sich gleichzeitig die Propagandaaktivität der AO zu einem nicht unerheblichen Teil nach den unter den Auslandsdeutschen vorhandenen Stimmungen richtete.

Ob man so weit gehen kann wie Peter Longerich, der behauptet, „Propaganda wurde rein instrumentell, als ein Mittel zur Massenbeeinflussung, gesehen, das nur an einem Kriterium zu messen war: dem des Erfolges“[11], muss dahingestellt bleiben. Dennoch entsteht der Eindruck, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt seien Rücksiedlungsüberlegungen keineswegs nur Resultat ideologischer, sondern zumindest zum Teil auch opportunistischer und zeitgebundener Motive gewesen. Diese Sichtweise wird gefestigt, untersucht man die Idee der AO, finanzkräftige jüdische Auswanderungswillige in einer Art Tauschaktion nach Lateinamerika zu bringen, um die Rückwanderung Deutscher nicht aus finanziellen Gründen scheitern zu lassen[12].

[...]


[1] Mit dem im Spanischen Bürgerkrieg 1936 entstandenden Begriff werden umstürzlerische Gruppen bezeichnet, die für eine fremde Macht arbeiten. In der zweiten Hälfte der 30er Jahre waren Gerüchte über politische und militärische Ambitionen des „Dritten Reichs“ in Lateinamerika aufgekommen. Journalisten wie Carleton Beals unterstellten u. a. dass, „[s]ince Hitler has come to power, German colonization of the Americas has become more determined. Efforts to plant Germans in strategic points are constantly made [...]“. Zitiert nach: Pommerin, Reiner, Überlegungen des Dritten Reiches zur Rückholung deutscher Auswanderer aus Lateinamerika, in JbLA 16 (1979) S. 365-377, S. 367. Im Folgenden: Pommerin Rückholung. Die These von der „5. Kolonne“ wurde insbes. von der marxistischen Geschichtsschreibung vertreten. Vgl. u. a.: Sanke, Heinz (Hrsg.), Der deutsche Faschismus in Lateinamerika 1933-1945, Berlin/DDR 1966. Im Folgenden: Sanke, Lateinamerika.

[2] Pommerin, Rückholung; ders. , Das Dritte Reich und Lateinamerika. Die deutsche Politik gegenüber Süd- und Mittelamerika 1939-1942, Düsseldorf 1977, insbes. S.225-234. Im Folgenden: Pommerin, Lateinamerika.

[3] Ebel, Arnold, Das Dritte Reich und Argentinien. Die diplomatischen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung der Handelspolitik 1933-1939, Köln/Wien 1971, insbes. S.349-359. Im Folgenden: Ebel, Argentinien.

[4] Zu den einzelnen Interpretationsmöglichkeiten vgl. insbes.: Kershaw, Ian, Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick, Reinbeck bei Hamburg 1999. Im Folgenden: Kershaw, NS-Staat. An dieser Stelle kann nicht auf die Einzelheiten der unterschiedlichen Interpretationsmodelle eingegangen werden. Es geht hier lediglich darum, zu zeigen, dass ein im weitesten Sinne „strukturalistisch“ zu nennender Erklärungsansatz, wie er von Hans Mommsen, Martin Broszat und anderen vertreten wird, die Möglichkeit bieten kann, zu einer detaillierteren, von den Ergebnissen Pommerins und Ebels abweichenden Einschätzung der Rücksiedlungsüberlegungen und der These von der „5. Kolonne“ zu gelangen. Vgl. u. a.: Mommsen, Hans, Adolf Hitler als Führer der Nation, Tübingen 1984; ders. , Nationalsozialismus, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Bd. 4, Sp. 695-713; Broszat, Martin, Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, München 1989; für den Themenkomplex der NS-Umsiedlungspolitk vgl.: Aly, Götz, „Endlösung“: Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt/M. 1995. Im Folgenden: Aly, „Endlösung“. Zusammengefasst in: Ders. , „Judenumsiedlung“: Überlegungen zur politischen Vorgeschichte des Holocaust, in: Herbert, Ulrich (Hrsg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939-1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt/M. 1998, S.67-97. Im Folgenden: Aly, „Judenumsiedlung“.

[5] Ebel, Argentinien, S. 352.

[6] Pommerin, Rückholung, S. 370.

[7] Vgl. Anm. 3.

[8] Vgl. hierzu u. a.: Harms-Baltzer, Käte, Die Nationalisierung der deutschen Einwanderer und ihrer Nachkommen in Brasilien als Problem der deutsch-brasilianischen Beziehungen 1930-38, Berlin 1970; McCann, F. D. , Vargas and the destruction of the brazilian Integralista and Nazi Parties, in: The Americas XXVI, (1969/70), S. 15-34.

[9] Pommerin, Rückholung, S. 370.

[10] Ebd.

[11] Longerich, Peter, Nationalsozialistische Propaganda, in: Bracher, Karl Dietrich/Funke, Manfred/Jacobsen, Hans-Adolf (Hrsg.), Deutschland 1933-1945. Neue Studien zur Nationalsozialistischen Herrschaft, Bonn 1993, S.291-314. Hier S. 291.

[12] Die Regierungen Lateinamerikas zeigten sich allerdings wenig interessiert an der Aufnahme jüdischer Einwanderer, zumal, so Pommerin, diese vor allem aus für ihre Siedlungsbestrebungen wenig interessanten Intellektuellen und Kaufleuten bestanden. Auch unterlag in einigen Staaten jüdische Einwanderung gesetzlichen Beschränkungen. Pommerin, Rückholung, S. 372; Ebel, Argentinien, S. 354.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Überlegungen des Dritten Reichs zur Rückholung deutscher Auswanderer aus Lateinamerika und die These von der 5. Kolonne - ein Widerspruch?
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie)
Veranstaltung
Grundkurs: Das Dritte Reich und Lateinamerika
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
17
Katalognummer
V5185
ISBN (eBook)
9783638131612
ISBN (Buch)
9783638864299
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NS, Lateinamerika, NSDAP/AO, 5. Kolonne, 3. Reich
Arbeit zitieren
Florian Beer (Autor:in), 2001, Die Überlegungen des Dritten Reichs zur Rückholung deutscher Auswanderer aus Lateinamerika und die These von der 5. Kolonne - ein Widerspruch?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5185

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