Roelant Savery - Orpheus unter den Tieren (1610)


Hausarbeit, 2005

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1.) Grunddaten des Gemäldes

2.) Erster Eindruck und Motivation zur Bildauswahl

3.) Bildbeschreibung

4.) Relevant erscheinende Aspekte aus der Lebensgeschichte von Roelant Savery und seiner Zeit

5.) Die Tier- und Orpheusdarstellung in Relation zu Zeitgeist und Umfeld

6.) Schlussbetrachtung

7.) Literaturverzeichnis

Anhang

1.) Grunddaten des Gemäldes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.) Erster Eindruck und Motivation zur Bildauswahl

Aus dem riesigen Fundus des Städels ein Bild auszuwählen ist nicht sehr einfach. Das Angebot ist groß und alle Bilder haben ihre besondere und interessante Geschichte. Ich habe meine Auswahl schlicht und ergreifend nach persönlichem Gefallen, nach Bauchgefühl, getroffen. Unter den vielen doch sehr bedrückenden und dunkel-negativ wirkenden Gemälden ist mir ‚Orpheus unter den Tieren’ in seiner Farbigkeit und Ausstrahlung förmlich ins Auge gestochen. Dieses Bild erinnert mich spontan an ein Märchenbuch oder Kinderbuch über Tiere, an eine paradiesische Szene. Unzählige Tiere verschiedenster Herkunft verweilen ruhig in einer üppigen Waldszene. Die Szene ist irgendwie unwirklich bzw. unrealistisch, denn die Zusammenstellung der Tiere - Exoten mit heimischen Arten - passt nicht, sie gehören so nicht in diesen Laubwald und sie würden in der Realität niemals so friedlich nebeneinander sein. Diese Tatsache macht das Bild interessant, ich fange an nach den Gründen für diese Situation zu suchen. Auch, weil die Titelfigur ja Orpheus ist. Aber wo ist er eigentlich und welche Rolle spielt er?

Die Stimmung wirkt friedvoll, positiv und absolut harmonisch, fast schon romantisch. Das Bild hat nichts Böses oder Aggressives, es strahlt Ruhe aus. Trotz der warmen harmonisch abgestimmten Farben strahlt es für mich neben den anderen Gemälden heraus. Es sieht aus wie ein Schnappschuss vom Paradies.

Nachdem die Auswahl getroffen war, musste ich leider feststellen, dass mir kein so üppiges Literaturmaterial wie für viele andere Gemälden zur Verfügung steht. Ich versuche mich dem Bild und seinem Hintergrund daher auf Basis des vorhanden Materials und vor allem meiner persönlichen Eindrücke zu nähern.

3.) Bildbeschreibung

Auf einer Lichtung am Waldrand sind unzählige Tiere verschiedener Art und Herkunft versammelt. Kulissenartig werden Sie umrahmt vom Wald rechts und links des Bildes, der im oberen Bildrand zusammentrifft und verhältnismäßig wenig Blick auf den Himmel und den Horizont freigibt. Es handelt sich um einen Mischwald, vornehmlich Eichen. Auffällig sind die Lichtflecken, die im Bild verteilt einzelne Partien hervorheben und dem Ganzen eine warme Vorabendstimmung verleihen.

Das Gemälde wird dominiert von den Tieren und dem üppigem Wald, der die Szene umrahmt. Die Tiere sind ausschließlich in der unteren Bildhälfte, die obere Bildhälfte besteht aus Laubwerk und etwas Himmel. Das Auge wandert im ersten Moment unruhig hin und her, nimmt die Vielfalt der Tiere wahr und weiß nicht, wo es haften bleiben soll. Es gibt so viele Details. Sofort fällt auf, dass die Tiere gar nicht zusammen passen - sie stammen aus verschiedenen Kontinenten und scheinen auf der Lichtung am Waldrand zusammengetragen. Im Mittelpunkt des Bildes erkennt man sofort einen Elefant an seiner prägnanten exotischen Form und der Haltung des Rüssels. Schräg rechts unter ihm, weiter vorne im Schatten, sitzt Orpheus, gekleidet in ein grau-blaues wallendes Gewand, am Boden des leicht ansteigenden Hügels. Orpheus spielt auf einer Harfe und singt, die Tiere scheinen bewegungslos zu lauschen. Direkt über ihm ein kleiner Schwarm fliegender Vögel, sie wirken transparent und bilden in ihrer Formation einen zarten Kreis über Orpheus’ Haupt. Die Figur ist im Verhältnis zum Restbild sehr unscheinbar, sie taucht unter in der Masse der Tiere und im Schatten des Waldes. Orpheus steht nicht im Mittelpunkt der Darstellung, sonder die Vielzahl der um ihn versammelten Tiere.

Mächtige Bäume mit knorrigen Stämmen und Ästen wachsen links und rechts empor. Ihre Äste und ihr Laub schließen sich so dicht zusammen, dass der Wald massiv und undurchdringlich wirkt. Der Betrachter steht etwas über der Szene, ist aber auch eingehüllt in das mächtige Laubwerk, das nur einen kleinen Ausschnitt des Himmels freigibt. Der Schauplatz mit Orpheus und den Tieren öffnet sich auf eine weite Ebene mit Feldern und Ansiedlungen, die ganz filigran in den blauen Dunst der Ferne eingearbeitet sind und nur bei sehr genauem Hinschauen überhaupt wahrgenommen werden. Sie wirken eher unwirklich, schemenhaft. Der Hintergrund scheint unwichtig, er erzeugt nur Raum und Weite. Im Gegensatz dazu scheinen Wald und Tiere umso greifbarer.

Die Vielfalt der Tierarten ist kaum wiederzugeben, folgende Tiere sind dabei sofort erkennbar: Elefant, Schimmel, Dromedar, Pelikan, Reh, Hirsch, Bison, zwei Löwen, ein Truthahnpaar, Büffel, Bär, Schafe, Kuh, Rhinozeros, Schwäne, Enten, verschiedene Vogelarten, einige Haustiere. Die Reihenfolge der Aufzählung habe ich nicht zufällig gewählt, sie folgt dem Blick des Auges, das durch den Lichteinfall geführt wird. Aufgezeichnet würde es fast eine Spirale zur Mitte der Tierszene ergeben. Von dort aus stößt man dann fast zufällig auf die Figur des spielenden und singenden Orpheus. Bei genauerem Hinschauen findet man noch verschiedene Vogelarten in den Bäumen rechts und links am Bildrand, ein Eichhörnchen links oben im Nadelbaum, kleine Vögel im Grünzeug, das den Bach in der Mitte des Bildes umrankt. Vom mittigen Bach aus, der durch seinen schlängelnden Verlauf in den Hintergrund führt, steigt die Waldwiese rechts und links etwas an. So kann man jedes Tier gut sehen. Es gibt fast keine Überschneidungen bei den Tieren, jedes ist als Einheit gut zu erkennen und wirkt losgelöst vom restlichen Geschehen, auch weil sie fast alle unterschiedliche Haltungen haben. Die meisten Körper sind in der Seitenansicht dargestellt. Ihre Blickrichtungen sind komplett verschieden. Jedes Tier wird in einer charakteristischen Stellung und Verrichtung wiedergegeben (das geschäftige Eichhörnchen, die zum Wasser geneigten Schwäne, der schlafende Löwe, etc.). Sie wirken durch ihre Form, weniger durch anatomische Ausarbeitungen wie Muskeln und Knochen. Dagegen sind die Bäume und Pflanzen extrem filigran und akribisch feingliedrig. Diese wirken fast plastisch, besonders rechts oben, wo das Licht auf die vorderen Äste fällt und unten am Bach.

Das Gemälde wird bestimmt durch kräftige, mit der Verteilung von Licht und schatten wechselnden, Braun- und Grüntönen. Links oben ist eine gold-gelbe erhellte Stelle, die durch die Blätter hindurchzuleuchten scheint. Ich vermute hier die Sonne. Der Lichteinfall auf die Szene bildet einen Kreis. Vom Blattwerk im rechten oberen Bildbereich weiter hinunter über Dromedar, Pferd, Pelikan, einige Ranken mittig am Bach hin zum stehenden Hirsch mit dem Bison links davor, weiter zu den Schafen und der Kuh weiter hinten links. In diesem Lichtkreis sind die Grün- und Brauntöne, aus denen das Bild maßgeblich besteht (abgesehen vom weiß-blauen Hintergrund), erhellt und wirken golden schimmernd. Außerhalb der Lichtflecken sind die Grün- und Brauntöne wesentlich dunkler. Dominiert wird das Gemälde von Grün in unzähligen Abstufungen; damit wird die mächtige Flora dargestellt. In Braun-Tönen, Gelb und Gold-Gelb sind die Tiere gemalt. Nur die Tiere in der Ferne haben einen bläulichen Ton. Es fällt auf, dass selbst natürlich farbenprächtige Tiere, wie einige Vogelarten, nicht in ihrer eigentlichen Farbenpracht herausstechen. Alle sind in warmen Brauntönen gehalten. Nur ein Truthahn ganz vorne am Bildrand hat einen schwachen Rot- Tupfer am Hals. Die warmen Brauntöne der Tiere und die Grüntöne der Natur sind äußerst harmonisch. Der Himmel verläuft ausgehend vom oberen Bildrand blass Weiß-Blau in der Ferne in ein ungleichmäßiges leichtes Grau-Blau.

Der Pinselduktus ist wie schon erwähnt sehr fein und zart. Viele kleinste Details beschreiben liebevoll Flora und Fauna und wirken fast dekorativ. Das Bild ist im Verhältnis zur Anzahl der dargestellten Einzelheiten nicht groß, umso beachtlicher ist es, wie akribisch alles angeordnet ist. Vieles entdeckt man erst, wenn man sehr nahe an das Bild herantritt (was im Städel nicht ganz einfach ist, will man nicht den Alarm auslösen). Trotz der filigranen Malweise mit Hang zu Einzelheiten wirkt das Gemälde nicht kleinlich und hat eine gewisse Leichtigkeit. Savery malt recht glatt und der Farbenauftrag ist ganz dünn.

4.) Relevant erscheinende Aspekte aus der Lebensgeschichte von Roelant Savery und seiner Zeit

Zeit und Zeitgeist

Die Lebenszeit Saverys fällt kunsthistorisch in die Übergangszeit der Spätrenaissance in das barocke Zeitalter. Die niederländische Kunst stellt hier eine Besonderheit dar, da sie im Vergleich zum übrigen Europa einige Eigenheiten entwickelte.

Kurz zur Renaissance:

Die Renaissance ist die große gemeineuropäische Kulturepoche, die die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit umfasst. Sie überwindet das mittelalterliche Welt- und Menschenbild und die überkommene Staats- und Gesellschaftsordnung. An die Stelle des Autoritätsglaubens tritt der Geist kritischer Forschung. Zur Nachahmung der antiken Kunst gesellte sich die intensive Beschäftigung mit der Natur. Die Tendenz, Gegenstände und Personen der Natur gemäß zu gestalten, war seitdem ein Hauptanliegen der Künstler. Daraus resultierten Bilder mit weltlichen oder heidnisch-mythologischen Themen. Humanismus und Reformation erwachsen aus der Sehnsucht des Menschen nach geistiger und religiöser Erneuerung. Sie greifen gleichermaßen auf die antiken Quellen zurück.

Es folgt die etwa bis 1590 reichende Periode der Spätrenaissance oder des Manierismus, die durch unterschiedliche künstlerische Tendenzen gekennzeichnet ist. So neigt der Manierismus zu Übertreibungen des Formenrepertoires der Hochrenaissance. Er ist durch einen übermäßigen Gebrauch der Farben charakterisiert.

Kurz zum Barock:

Das Zeitalter des Barock wurde von drei wesentlichen Grundkräften bestimmt: dem Absolutismus, der Kirche und der Tradition der Antike.

Im 17. Jahrhundert erfährt die Kunst der Niederlande eine unvergleichbare Blüte. Trotz der Jahrzehnte dauernden kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa, in die auch die Niederlande verwickelt waren, konnte sich die Kunst dort auf einer breiteren Basis freier entfalten als anderswo. Holland war damals das einzige europäische Land, in dem es öffentliche Schulen gab und deshalb auch Dienstboten und Bauern lesen und schreiben konnten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Roelant Savery - Orpheus unter den Tieren (1610)
Hochschule
Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V51868
ISBN (eBook)
9783638477208
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Roelant, Savery, Orpheus, Tieren
Arbeit zitieren
Patricia Schellenberger (Autor:in), 2005, Roelant Savery - Orpheus unter den Tieren (1610), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51868

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