Die Symbolik der Sprache in Kleists 'Der zerbrochne Krug'


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung in die Thematik

2. Die sinntragenden Namen

3. Die Bedeutung des „Krugs“

4. Die biblischen Motive im „zerbrochnen Krug“

5. Die Symbolik der Sprache – ein Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einführung in die Thematik

Erzählt wird in Heinrich von Kleists „der zerbrochne Krug“ die Geschichte von Adam und Eve, die im Gerichtssaal eines niederländischen Dorfes bei Utrecht spielt. Dreh und Angelpunkt der Handlung bildet ein zerbrochener Krug. Dorfrichter Adam soll in einer Gerichtsverhandlung den Schuldigen finden, der den Krug zerbrochen hat. Mit der Untersuchung des Tathergangs offenbart sich Stück um Stück ein Sündenfall der besonderen Art. Kleist verwendet im „zerbrochnen Krug“, wie in wohl keinem zweiten seiner Werke, eine Sprache, die geradezu gespickt ist von Ausdrücken symbolischen Charakters. Die oft subtile Wortwahl sowie etliche Formulierungen und Phrasen, die zum Teil geradezu plakativ verwendet werden, manchmal aber auch nur indirekt angedeutet oder beim „zwischen den Zeilen lesen“ zu erkennen sind, transponieren das Lustsiel auf eine viel weitere, höhere Ebene als lediglich die Lösung eines Gerichtsverfahrens. Angefangen bei der Namensgebung der beteiligten Akteure und Schauplätze, über die Verwendung von angeführten Beweismitteln der ganz besonderen Art, bis hin zu allerorts gegenwärtigen Anspielungen auf die Bibel, im Besonderen auf das Alte Testament, überträgt Kleist das Geschehen von einem kleinen niederländischen Dörfchen auf das Format der „Weltbühne“, auf der sowohl die Politik und das Herrschaftssystem seiner Zeit sowie auch die Gesellschaft und nicht zuletzt die Religion kritisch vorgeführt werden. Der „zerbrochne Krug“ kann daher auch als ein „semiotisches Stück“ bezeichnet werden, ist doch eines der Hauptthemen der Unterschied oder aber auch die Gemeinsamkeit zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten, zwischen Signifikat und Signifikant. Die sprachlichen Mittel führen zu einer spannenden Dialektik von Verdeckung und Entdeckung. Diese Hausarbeit befasst sich mit der Symbolik der sprachlichen Mittel, die Kleist zu diesem Zweck im „zerbrochnen Krug“ verwendet und versucht aufzuzeigen, unter welchen Gesichtspunkten man die Handlung vom Dorfgerichtssaal auf die Geschehnisse der „Weltbühne“ übertragen kann.

2. Die sinntragenden Namen

Gleich zu Beginn des Stückes, ja schon mit dem ersten Blick auf das Personenregister, fällt dem Leser eines sofort ins Auge: Kleist verwendet bei seinen Figurenbezeichnungen im „zerbrochnen Krug“ so genannte sinntragende- oder sprechend-typisierende Namen. Die Verwendung solcher Namen ist im Genre der Volkskomödie ein durchaus verbreitetes Stilmittel. Die Namen sind, wie im Fall der Hauptpersonen Adam und Eve, vielschichtig-ironisch angelegt, oder, wie im Beispiel von Ruprecht Tümpel, Walter und besonders beim Schreiber Licht, charakteristisch und bezeichnend für die Figuren und ihre Bedeutung im Stück. Besonders auffällig ist wohl die Verwendung der biblischen Namen Adam und Eve zur Bezeichnung der beiden Protagonisten dieses Lustspiels. Hiermit verweist Kleist eindeutig auf die biblische Geschichte des ersten Menschenpaares im Alten Testament, im Besonderen auf den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Garten Eden, wie er im Buch Genesis niedergeschrieben steht[1]. Dieser Bezug zur Bibel wird durch den Schreiber Licht bereits ganz zu Beginn des Bühnenstücks herausgestellt und verdeutlicht, als er zu Richter Adam sagt:

„Ihr stammt von einem lockern Ältervater,

der beim Beginn der Dinge fiel,

Und wegen seines Falls berühmt geworden;“[2] (V. 9-11)

Doch anders als in der biblischen Geschichte, in der Eva die Sünde begeht, da sie die Frucht des verbotenen Baumes begehrt, so ist in Kleists „Krug“ Adam der Schuldige, denn er begehrt den Körper der jungen Eve zur Befriedigung seiner Fleischeslust. Die inszenierte Handlung wirkt daher faktisch als ein Spiegelbild der biblischen Handlung, „als wollte Kleist die Eva-Verführung in der Genesis korrigieren, indem er sie durch eine Adam-Verführung ersetzt“[3]. Auch die Rolle und Handlungsweise der Eve ist jener der biblischen Namensvetterin diametral entgegengesetzt. In Kleists „Krug“ wird sie zum Opfer Adams. Sie wird Seitens ihrer Mutter und Ruprechts als Schuldige einer Tat vorverurteilt, die sie nicht begangen hat. Die Mutter sieht den zerbrochenen Krug als Beweis für Eves verlorene Unschuld

„Dein guter Name lag in diesem Topfe“[4] (V. 490)

und auch für Eves Verlobten Ruprecht scheint der Sachverhalt klar, als er sagt:

„Verflucht bin ich, wenn ich die Metze nehme“[5] (V. 444)

Dies stellt abermals eine Spiegelung der biblischen Situation dar, in der Evas Begehren nach der verbotenen Frucht letztendlich zum Sündenfall geführt hat. In der „Krug“- Handlung hingegen hat Eve sich keine Schuld vorzuwerfen, deretwegen sie jedoch bezichtigt wird. Neben den biblischen Namen tauchen im „Krug“ aber auch Namen auf, die eine charakteristisch-bezeichnende Symbolik für die Handlungsweisen der ihnen zugeordneten Figuren darstellen. Eves Verlobter, der Bauernsohn Ruprecht Tümpel zum Beispiel, dürfte mit dem bedeutungsgleichen „Teich“ eher wenig zu tun haben. Vielmehr erinnert die phonetische Gestalt des Wortes an den Begriff „Tölpel“, was sein tölpelhaftes, kurzsichtiges und einfältiges Verhalten widerspiegelt. Allein durch seinen plump klingenden Namen ist er als eher einfältiger Charakter zu erkennen und erinnert stark an die umgangssprachlich verbreitete Bezeichnung „Bauern-Tölpel“. Man könnte auch weiter deuten, der Vorname Ruprecht erinnere im ferneren Sinn und in der übertragenen Bedeutung an die Engel, die Adam und Eva nach ihrem Sündenfall aus dem Paradies vertrieben[6]. Ein weiterer „sprechender“ Figurennamen, über dessen Eindeutigkeit der Bezeichnung in keinster Weise Zweifel aufkommt, ist der Schreiber Licht. Ihm scheint schon im ersten Auftritt wahrlich ein „Licht“ aufzugehen, als er den Richter des „Adamsfalls“ verdächtigt[7]. Der Gefahr der Enthüllung, die von Licht ausgeht, ist sich Adam bereits sehr früh bewusst, was deutlich wird als er über das Geschehen der Nacht nachdenkt und schließlich sagt:

„ Ein Schwank ists etwa, der zur Nacht geboren,

Des Tags vorwitzgen Lichtstrahl scheut“[8] (V. 154-155)

Licht ist es auch, der im Verlauf der gesamten Handlung immer wieder das verworrene Lügennetz des Richters durch seine Kommentare und Hinweise zu entwirren droht.

„Walter: Sagt doch, ihr Herren, ist jemand hier im Orte,

Der mißgeschaffne Füße hat?

Licht: Hm! Allerdings ist jemand hier in Huisum-

Walter: So? Wer?

Licht: Wollen Euer Gnaden den Herrn Richter fragen –“[9] (V. 1809 – 1813)

Somit hilft er fortlaufend, „Licht“ in die Handlung zu bringen. Jedoch ist „die Gestalt der Schreibers Licht im „Zerbrochnen Krug“ keine Lichtgestalt. Der Name ist eher satirisch gemeint“[10]. „Wohl besitzt er den hellsten Kopf, steht aber sonst als der kümmerlichste Ehrgeizling da. Zudem will es die Ironie, daß nicht er die Entscheidung herbeiführt, sondern die dümmste Person von allen: Frau Brigitte“[11]. Der letzte, aber bei weitem nicht minder wichtige der sinntragenden Figurenname ist der des Gerichtsrats Walter. Er verkörpert eine höhere, dem Dorfrichter Adam vorgesetzte Ge walt. Er ist Walter und Ver walter eines höheren Gerichts und verkörpert die Ge walt des Staates, die Ordnung und Gewissenhaftigkeit sowie die Suche nach der Wahrheit. Schon bei seiner Einführung stellt sich Walter selbst vor mit den Worten:

„…sehen soll ich bloß, nicht strafen,

Und find ich gleich nicht alles, wie es soll,

Ich freue mich, wenn es erträglich ist“[12] (V. 302-304)

[...]


[1] Die Bibel. Altes und Neues Testament. Einheitsübersetzung. Buch Genesis, 2,4b – 3,24. hg. von Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 1980, S. 6-8.

[2] Heinrich von Kleist: Der zerbrochne Krug. Ein Lustspiel. In: ders.: Sämtliche Werke und Briefe, hg. von Helmut Sembdner, München 2001, S. 177.

[3] Volker Nölle: Heinrich von Kleist Niederstiegs- und Aufstiegsszenarien. Versuch einer Phantasmata- und Modell-Analyse mit einem Exkurs zu Hofmannsthal, Sternheim, Kafka und Horváth, Berlin 1997, S. 79.

[4] Kleist: Krug, S. 194.

[5] Ebd., S. 193.

[6] Zu diesem, wenn auch in meinen Augen etwas entfernten Schluss (hießen die Paradieswächter doch Kerubim) kommt Volker Nölle in seinem Buch: Heinrich von Kleist Niederstiegs- und Aufstiegsszenarien, S. 79.

[7] siehe Fußnote 3.

[8] Kleist: Krug, S. 182.

[9] Ebd., S. 238.

[10] Walter Müller-Seidel: Versehen und Erkennen. Eine Studie über Heinrich von Kleist, Köln Graz 1961, S. 193.

[11] Rolf Dürst: Heinrich von Kleist. Dichter zwischen Ursprung und Endzeit. Kleists Werk im Licht idealistischer Eschatologie, Winterthur 1965, S. 63.

[12] Kleist: Krug, S. 188.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Symbolik der Sprache in Kleists 'Der zerbrochne Krug'
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)
Veranstaltung
Heinrich von Kleist
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V51875
ISBN (eBook)
9783638477253
ISBN (Buch)
9783656193579
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Symbolik, Sprache, Krug, Kleist, biblische Motive, sinntragende Namen
Arbeit zitieren
B.A. Dominik Burger (Autor:in), 2004, Die Symbolik der Sprache in Kleists 'Der zerbrochne Krug', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51875

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