Evaluierung ereignisdiskreter Steuerungen mittels einer Benchmark-Auftragsreihenfolge am Beispiel einer Flaschenabfüllanlage


Studienarbeit, 2005

89 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ziele der Arbeit
1.2 Gliederung
1.3 Umfeld und Kontext

2 Grundlagen
2.1 Ereignisdiskrete Systeme (DES)
2.1.1 Aufbau eines Systems
2.1.2 Eigenschaften ereignisdiskreter Systeme
2.1.3 Zeitgesteuerte und ereignisgesteuerte Systeme
2.2 Supervisor-Steuerungen
2.2.1 Allgemeine Grundlagen
2.2.2 Monolithischer Ansatz bei totaler Beobachtbarkeit . .
2.2.3 Monolithischer Ansatz bei teilweiser Beobachtbarkeit
2.2.4 Modularer, struktureller Ansatz
2.2.5 Dezentraler, struktureller Ansatz
2.3 Hierarchisch Interface-basierter (HISC)-Ansatz .
2.4 Visualisierung betrieblicher Rückmeldedaten . .
2.4.1 Durchlaufzeit
2.4.2 Auslastung
2.4.3 Gantt-Charts
2.4.4 Durchlaufdiagramme
2.4.5 Histogramme
2.5 Komplexitätstheorie
2.5.1 O-Notation
2.5.2 Komplexitätsklassen
2.6 Planungsstrategien
2.7 Ebenen der Fertigung

3 Anwendungsanalyse
3.1 Die Flaschenabfüll-Anlage
3.2 Produkt-, Prozessbeschreibung
3.3 Strukturen und Ebenen der Flaschenabfüllanlage
3.4 Beschreibung der Komponenten
3.4.1 Füllstationen
3.4.2 Verdeckelungsstation
3.4.3 Lagerstation
3.4.4 Transportsystem
3.5 Implementierte Steuerungsansätze: HISC-1, HISC-2, Industrie
3.5.1 Die HISC-Steuerungen
3.5.2 Die Industrie-Steuerung

4 Die Benchmark-Auftragsreihenfolge
4.1 Definition und Zielsetzungen
4.2 Optimierung der Auftragsreihenfolge
4.2.1 Der Johnson-Algorithmus
4.2.2 Zwei-Stufen Scheduling Problem mit parallelen Maschinen
4.2.3 Anwendung der Algorithmen auf die Flaschenabfüllanlage
4.2.4 Reine Produkte
4.2.5 Vergleich von Auftragsreihenfolgen reiner Produkte
4.2.6 Mischprodukte
4.2.7 Mischprodukte und reine Produkte
4.2.8 Benchmark-Auftragsreihenfolge
4.3 Betriebsdatenerfassung
4.3.1 Sensorik
4.3.2 Betriebsdatenmanagement und Auftragsverwaltung
4.3.3 Transformation zu Visualisierungstools

5 Evaluierung
5.1 Datenauswertung
5.1.1 Gesamt Durchlaufzeiten
5.1.2 Durchlaufzeiten im Detail
5.2 Evaluierung anhand von Durchlaufdiagrammen
5.3 Evaluierung anhand von Gantt-Charts
5.4 Evaluierung anhand von Histogrammen
5.5 Unsicherheitsbetrachtung

6 Zusammenfassung und Ausblick
6.1 Zusammenfassung
6.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

A Anhang

A.1 Messwerte Benchmark-Auftragsreihenfolge HISC-1

A.2 Messwerte Benchmark-Auftragsreihenfolge HISC-2

A.3 Messwerte Benchmark-Auftragsreihenfolge Industrie

1 Einleitung

Nach wie vor gibt es in der Fertigung einen ungebrochenen Trend in Richtung Automatisierung und der damit verbundenen Verringerung der Durchlaufzeiten.

Seit einiger Zeit gewinnen insbesondere verifiziert korrekte Steuerungen im industriel- len Umfeld zunehmend an Bedeutung. Ein großer Vorteil dieser Steuerungen ist unter anderem die erhöhte Sicherheit. Weiterhin ist es möglich, zahlreiche Schritte beim ve- rifizierten Steuerungsentwurf zu automatisieren und so die Möglichkeit menschlicher Fehler zu reduzieren. Es wird gehofft, mit diesen Ansätzen auch komplexe Systeme nachweisbar sicher kontrollieren zu können, denn Ausfälle oder Fehlfunktionen verur- sachen hohe Kosten.

Auf der in dieser Arbeit als Testbett verwendeten Flaschenabfüllanlage sind zwei dieser verifiziert korrekten Steuerungsentwürfe implementiert.

1.1 Ziele der Arbeit

Diese Arbeit verfolgt prinzipiell zwei Ziele. Zum einen wird auf Basis von sowohl allge- meinen Planungsstrategien als auch von anlagenspezifischen Gegebenheiten, wie z.B. der Steuerung und der Hardware, eine optimale Benchmark-Auftragsreihenfolge be- stimmt. Zum anderen sollen die beiden implementierten, verifiziert korrekten, ereig- nisdiskreten Steuerungen sowohl miteinander, als auch mit einer dritten, herkömm- lichen Industriesteuerung verglichen werden. Zu diesem Zweck wird die Flaschenab- füllanlage jeweils mit einer der drei Steuerungen gefahren und die vorher bestimmte Auftragsreihenfolge wird eingelastet. Anschließend werden betriebliche Rückmeldeda- ten wie Durchlaufdiagramme und Gantt-Charts aufgenommen. Anhand dieser Daten und Produktionsparameter wie Durchlaufzeiten und Maschinenauslastungen werden die Produktionsläufe verglichen und es findet eine Evaluierung der verschiedenen Steue- rungskonzepte statt.

1.2 Gliederung

Die Gliederung der Arbeit orientiert sich an den zwei Zielen. Sie besteht aus einem theoretischen Teil zur Bestimmung der optimalen Auftragsreihenfolge und einem prak- tischen Teil, in der die durchgeführten Versuche an der Flaschenabfüllanlage ausgewer- tet werden.

Zunächst werden im Kapitel 2 Grundlagen ereignisdiskreter Systeme vorgestellt. Anschließend werden verschiedene Steuerungen für diese Systeme, unter anderem der hierarchisch Interface-basierte (HISC)-Ansatz erklärt. Weiterhin wird ein Überblick über mögliche Visualisierungen betrieblicher Rückmeldedaten, sowie eine Einführung in die Komplexitätstheorie und allgemeine Planungsstrategien gegeben.

In Kapitel 3 werden sowohl die Flaschenabfüllanlage als auch die auf ihr implementierten Steuerungsansätze detailliert beschrieben.

Kapitel 4 beschäftigt sich intensiv mit der Anwendung von Planungsstrategien auf das Reihenfolgeproblem der Flaschenabfüllanlage zur Bestimmung der Benchmark- Auftragsreihenfolge. Es werden Ansätze vorgestellt und anschließend, mit Einbeziehung

von Versuchen, für drei verschiedene Produktkategorien Planungsstrategien angegeben. Anschließend wird auf dieser Basis eine Auftragsreihenfolge bestimmt, mit dem die Steuerungen verglichen werden sollen.

In Kapitel 5 findet schließlich die Evaluierung der drei Steuerungen statt. Es werden Produktionsparameter berechnet und verglichen sowie grafische Analysen in Durchlaufdiagrammen, Gantt-Charts und Histogrammen durchgeführt.

Die Arbeit schließt mit Kapitel 6, das eine Zusammenfassung und einen Ausblick für weitere Arbeiten angibt.

1.3 Umfeld und Kontext

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1: Hierarchische Organisation einer Fabrik, strukturbezogen (links) und aktivitätsbezogen (rechts)

Die Prozessautomatisierungstechnik ist ein Element der hierarchischen Organisation einer Fabrik. Abb. 1.1 basiert auf [Lun03] und stellt die hierarchische Organisation einer Fabrik dar. Mit zunehmender Stufe in der Hierarchie nimmt der Grad der Abstraktion zu.

Die Automatisierung von Fertigungsprozessen lässt sich in die beiden untersten Stufen einordnen, wobei die Regelungstechnik in der Feldebene einzuordnen ist und die Steuerung und Überwachung in der Prozessleitebene. Kerngebiete dieser Arbeit sind zum einen die Überwachung und Auswertung der betrieblichen Rückmeldedaten und zum anderen die Planung und Optimierung der Aufträge. Demnach ist sie sowohl in der Betriebsleitebene, als auch in der Prozessleitebene anzuordnen.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich Herrn Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Meyer und den Mitarbeitern des Arbeitsbereiches für Prozessautomatisierungstechnik an der TU-Hamburg-Harburg für die uneingeschränkte Unterstützung bei meiner Arbeit und für die angenehme Arbeitsatmosphäre danken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dipl.-Ing. Florian Wenck für die erstklassige und geduldige Betreuung.

2 Grundlagen

2.1 Ereignisdiskrete Systeme (DES)

2.1.1 Aufbau eines Systems

In dieser Arbeit soll eine konzeptionelle Beschreibung ereignisdiskreter Systeme und deren Steuerung erfolgen. Für formale Beschreibungen sei auf [CL99] und [Won01] verwiesen.

Jedes System besteht aus Komponenten, die zueinander in Beziehung stehen und besitzt eine Funktion, die es ausführen soll. Ein System muss sich nicht immer auf physische Objekte beziehen, sondern kann auch andere Eigenschaften, wie Wirtschaftsmechanismen oder menschliches Verhalten, beschreiben [CL99].

Ziel ist es, ein Modell so zu entwickeln, dass das Verhalten eines bestehenden, realen Systems abgebildet wird. Um dieses zu erreichen, ist es notwendig, mathematische Beschreibungen für das Verhalten aufzustellen.

Grundsätzlich besteht ein System aus Zuständen, Eingängen und Ausgängen. Ein Zustand beschreibt das Verhalten eines Systems zu einer bestimmten Zeit.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Systeme zu klassifizieren. Man unterscheidet zwischen statischen und dynamischen Systemen, zeitabhängigen und zeitunabhängigen Systeme, linearen und nicht-linearen Systeme, sowie zwischen zeitgesteuerten und ereignisgesteuerten Systeme [CL99].

Die wichtigste Klassifikation ist jedoch die Unterteilung in ereignisdiskrete Systeme (Engl. Discrete Event Systems, DES) und kontinuierlich-dynamische Systeme.

In Abbildung 2.1 sind die Zustandstrajektorien beider Systeme zu sehen. Für ein kontinuierlich-dynamisches System besteht der Zustandsraum aus der Menge der reellen Zahlen X ∈ R und x (t) ist die Lösung einer Differenzialgleichung x (t) = f (x (t) , u (t) , t), wobei u (t) die Eingangsvariable darstellt.

Im Gegensatz dazu ist der Zustandsraum in einem ereignisdiskreten System ein diskre- ter Raum X = {s 1 , s 2 , s 3 , s 4 , ...} und x (t) ist eine über ein gewisses Intervall konstante Funktion, die bei Zustandsübergängen von einem diskreten Zustand zu einem anderen springt. Zustandsübergänge werden durch Ereignisse (e 1 , e 2 , e 3 , e 4 , ...) ausgelöst. Der Zustand spring dann direkt auf einen anderen Wert. Dabei muss ein Ereignis jedoch nicht zwangsweise eine Zustandsänderung hervorrufen [CL99]. Im folgenden soll näher auf die Eigenschaften von ereignisdiskreten Systemen eingegangen werden.

2.1.2 Eigenschaften ereignisdiskreter Systeme

Man spricht von einem ereignisdiskreten System, wenn der Zustandsraum eines System durch diskrete Werte wie 0 , 1 , 2 , ... beschrieben werden kann und die Zustandsübergänge nur zu diskreten Zeitpunkten beobachtet werden können [CL99].

Die Zustandsübergänge werden als Ereignisse (Engl.: Events) bezeichnet. Ein Ereignis kann entweder durch eine bestimmte, gewollte Aktivität ausgelöst werden, beispiels- weise ein Knopfdruck oder das bewusste Auslösen eines Sensors oder durch unvorher- gesehene Ereignisse, wie zum Beispiel der Ausfall einer Maschine. Es ist allerdings auch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Vergleich der Zustandstrajektorien eines kontinuierlich-dynamischen Systems und eines ereignisdiskreten Systems

möglich, dass ein Ereignis ein zeitgesteuertes Taktsignal ist. Auch die Zeit kann also ein Teil eines ereignisdiskreten Systems sein.

Innerhalb der ereignisdiskreten Systeme unterscheidet man zwischen deterministischen und nicht-deterministischen Systemen. Bei Ersterem muss der Zustand, der auf ein bestimmtes Ereignis folgt, eindeutig bestimmt sein. Zusammenfassend muss ein ereignisdiskretes System im Gegensatz zu kontinuierlich-dynamischen Systemen folgende Eigenschaften erfüllen [CL99]:

- Der Zustandsraum X ist eine diskrete Menge.
- Es existiert eine Menge diskreter Ereignisse E.
- Der Zustandswechsel ist ereignisgesteuert.

Im allgemeinen besitzen ereignisdiskrete Systeme sowohl Eingangs- als auch Ausgangs- größen. Die Systeme können also von Steuersignalen beeinflusst oder über Sensoren überwacht werden [Ric04]. Es gibt allerdings auch ereignisdiskrete Systeme ohne Ein- gang. Bei diesen autonomen Systemen werden Ereignisse ausschließlich aus eigener Aktivität erzeugt. Abb. 2.2 zeigt schematisch den Vergleich zwischen einem ereignis- diskreten System (DES) mit Ein- und Ausgängen und einem autonomen DES.

Weiterhin unterscheiden Cassandras und Lafortune [CL99] zwischen drei Stufen der Abstraktion: Im “timed language”-System setzt sich die Sprache aus den Ereignissen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Schema eines DES mit Ein- und Ausgängen, sowie eines autonomen DES

und den zugehörigen Zeiten zusammen, zum Beispiel:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei der “stochastic timed language” sind die Ereignisse mit Wahrscheinlichkeitsvertei- lungen verbunden. Die Sprache ist sehr detailliert und enthält neben den Ereignisin- formationen auch die statistischen Wahrscheinlichkeiten, dass ein bestimmtes Ereignis auftritt.

Die “untimed language” oder einfach “language” kommt ohne Zeitangaben aus und gibt nur die Reihenfolge der Ereignisse wieder, z.B.:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Wahl der Sprache und damit der Stufe der Abstraktion hängt vom Ziel der Ana- lyse ab. Ist man nur am logischen Verhalten eines Systems interessiert, bei dem die Reihenfolge der Ereignisse entscheidend ist, ist es nicht notwendig, die Ereignisse mit einer Zeit zu versehen. Es ist dann ausreichend, nur das zeitlose Verhalten des Systems zu modellieren.

2.1.3 Zeitgesteuerte und ereignisgesteuerte Systeme

In ereignisdiskreten Systemen nennt man ein System zeitgesteuert (time-driven), wenn die Zustandswechsel durch einen Systemtakt ausgelöst werden. Bei jedem Takt muss ein Ereignis aus der Ereignismenge E ausgewählt werden. Findet kein Ereignis statt, han- delt es sich um ein so genanntes “Null-Ereignis” [CL99], welches ebenfalls in der Menge E enthalten ist und dessen Eigenschaft es ist, keinen Zustandswechsel herbeizuführen. Bei zeitgesteuerten Systemen werden die Zustandsänderungen also durch den Takt syn- chronisiert und allein der Takt ist verantwortlich für einen möglichen Zustandswechsel.

Im Gegensatz dazu werden bei ereignisgesteuerten (event-driven) Systemen Zustands- änderungen durch Auftreten von Ereignissen zu beliebigen Zeitpunkten asynchron aus- gelöst. Jedes Ereignis e ∈ E definiert einen bestimmten Prozess. Die Zustandswechsel sind eine Kombination dieser Prozesse. Ereignisse können niemals gleichzeitig auftre- ten.

2.2 Supervisor-Steuerungen

2.2.1 Allgemeine Grundlagen

Allgemein erreicht man die Steuerung für ein nicht gesteuertes System G durch den Einsatz eines Supervisors. Dieser Supervisor S wird mit Hilfe einer Rückführschleife an

G angeschlossen und kann so das Verhalten des Systems verändern. Beide Einheiten arbeiten jedoch getrennt voneinander.

Supervisor-Steuerungen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: monolithisch oder modular. Weiterhin unterscheidet man zwischen “totaler Beobachtbarkeit” und “teilweiser Beobachtbarkeit”.

Im folgenden gehen wir von einem ereignisdiskreten System G aus, das mit Hilfe des folgenden 6-Tupels beschrieben werden kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wobei gilt

- X: Die Menge an Zuständen.

- E: Die endliche Menge von Ereignissen, die mit den Transitionen von G verbunden sind.

- f: X × E → X ist die Übergangsfunktion f (x,e) = y die aussagt, in wel- chen Folgezustand das System, abhängig vom Ereignis e, bei gegebenem Zustand x, wechselt.

- Γ: Menge aktiver Ereignisse Γ(x) gibt an, für welche Ereignisse e die Funk- tion f (x, e) im Zustand x definiert ist.

- x 0: Der Anfangszustand.

- Xm: Xm ⊆ X ist die Menge der markierten, akzeptierten Zustände.

Das Ziel ist es, für ein gegebenes System G einen Supervisor S zu entwickeln. Im System treten Ereignisse E auf, die zwei Ausprägungen haben können [CL99]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ec stellt dabei die Menge an steuerbaren Ereignissen dar und Euc die Menge an nicht steuerbaren Ereignissen.

Ereignisse sind steuerbar, wenn sie der Supervisor S erkennt und eine Ausführung verhindern kann. Der Supervisor erkennt zwar auch die nicht steuerbaren Ereignisse Euc, kann diese jedoch nicht beeinflussen. Eine Steuerung besteht also im wesentlichen aus dem Verhindern bestimmter steuerbarer Ereignisse Ec. Im folgenden wird zwischen vier grundlegenden Supervisor-Steuerungen unterschieden.

2.2.2 Monolithischer Ansatz bei totaler Beobachtbarkeit

Reale Systeme bestehen oft aus einer großen Anzahl von Komponenten und besitzen eine große Komplexität. Sie besitzen eine große Anzahl von Zuständen, Ereignissen und Transitionen.

Fügt man die Komponenten durch Komposition zusammen, entsteht ein sehr großes Gesamtmodell. Wird für ein solches Gesamtmodell ein einziger Supervisor entworfen, so spricht man von einem monolithischen Ansatz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.3: Monolithischer Ansatz bei totaler Beobachtbarkeit

Es handelt sich hierbei um den typischen Regelkreis in der Automatisierungstechnik, auch Feedbacksteuerung genannt. Die Steuerung des Prozesses erfolgt in einem geschlossenen Kreis. Bei einer Feedbacksteuerung werden die Ereignisse, die das System ausführt, an den Supervisor zurückgeführt. Der Supervisor befindet sich im Rückwärtszweig der Feedback-Schleife und erzeugt Steuereingriffe aus den Ereignissen der Strecke, welche er, soweit möglich, beobachtet [Ric04].

In Abb. 2.3 stellt S den Supervisor und G das ungesteuerte System dar. Der Supervisor S kann in diesem Fall sämtliche Ereignisse E, die G ausführt, beobachten. Der String aller bisher vom System G ausgeführter Ereignisse wird von s dargestellt. Ausgehend von diesen Voraussetzungen, schickt der Supervisor die Menge der erlaubten Folgeereignisse S (s) an das System zurück. Auf diese Weise können sämtliche Ereignisse von G durch den Supervisor S dynamisch aktiviert oder deaktiviert werden.

Für das ungesteuerte System G ist die Menge der möglichen Folgeereignisse im aktuellen Zustand f (x 0 , s):

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f (x 0 , s) ist dabei der Zustand, den G von x 0 aus durch die Generierung von s erreicht hat. Durch den Supervisor S wird G zum gesteuerten System und die Menge aller Ereignisse, die das System G im aktuellen Zustand x 0 ausführen kann, ist somit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein Ereignis, das in der aktuellen Menge aktiver Ereignisse Γ(f (x 0 , s)) enthalten ist, kann also nur ausgeführt werden, wenn es auch in S (s) vorhanden ist.

Beispielsweise beträgt die Menge der möglichen Folgeereignisse im ungesteuertem System in Abb. 2.4 (1)

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Wird nun angenommen, dass alle Ereignisse steuerbar sind und ein Supervisor existiert, der nur das Ereignis c zulässt, so ergibt sich nach Gleichung 2.6:

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Abbildung 2.4: Ungesteuertes und gesteuertes System

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Die Strecke kann folglich nur die Ereignisse ausführen, die in der Menge möglicher Folgeereignisse vorhanden und vom Supervisor zugelassen sind (siehe Abb. 2.4 (2)).

2.2.3 Monolithischer Ansatz bei teilweiser Beobachtbarkeit

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Abbildung 2.5: Monolithischer Ansatz bei teilweiser Beobachtbarkeit

Im Gegensatz zum vorhergehenden Abschnitt kann der Supervisor S beim monolithi- schen Ansatz bei teilweiser Beobachtbarkeit nicht mehr sämtliche Ereignisse E des Systems G beobachten, sondern nur den Teil des Strings s, der in der Projektion P (s) enthalten ist. Gründe hierfür können zum Beispiel das Fehlen eines Sensors, einer Verkabelung, sowie Ereignisse sein, die nur intern im System stattfinden. Aus

diesem Grund kann der Supervisor auch nur eine unvollständige Menge erlaubter Folgeereignisse SP (P (s)) an das System zurücksenden. Neben den steuerbaren und nicht steuerbaren Ereignissen E = Ec ∪ Euc wird also zusätzlich zwischen beobachtbaren und nicht beobachtbaren Ereignissen E = Eo ∪ Euo unterschieden. P: E → E 0 ist hierbei die Projektion aller Ereignisse auf die Menge der beobachtbaren Ereignisse. Abb. 2.5 zeigt diesen Ansatz schematisch.

Probleme können entstehen, wenn zwei Strings s 1 und s 2 die gleiche Projektion P (s 1) = P (s 2) besitzen. Der Supervisor wird dann in beiden Fällen die gleichen Steuereingriffe SP (P (s 1)) ausführen. Dieses Verhalten soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Bei gegebenen Ereignis-Strings s 1 = abc und s 2 = abbc kann das Ereignis b ∈ E 0 nicht beobachtet werden. Der Supervisor kann in beiden Fällen nur P (s 1) = P (s 2) = ac verarbeiten und führt den gleichen Steuereingriff S (ac) aus.

2.2.4 Modularer, struktureller Ansatz

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Abbildung 2.6: Modularer, struktureller Ansatz

Beim modularen Ansatz wird, wie in Abb. 2.6 ersichtlich, die Steuerungsaufgabe auf zwei oder mehrere Supervisor verteilt. Im einfachsten Fall werden die Ausgänge der Supervisor durch eine UND-Verknüpfung kombiniert und zum System G zurückge- führt. Geht man von zwei Supervisor S 1 und S 2 aus, ergibt sich nach [CL99] folgende Gleichung:

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Das bedeutet, dass Smod nur durch S 1 und S 2 aktiviert werden kann. Ein Supervisor reicht aus, um das Ereignis zu deaktivieren.

2.2.5 Dezentraler, struktureller Ansatz

Beim dezentralen Ansatz übernehmen, wie beim modularen Ansatz, zwei oder mehr Supervisor die Steuerungsaufgabe. Wie in Abb. 2.7 dargestellt, erhalten jedoch im Ge- gensatz zum modularen Ansatz nicht alle Supervisor sämtliche Signale. Die Supervisor

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Abbildung 2.7: Modularer, struktureller Ansatz

Si erhalten stattdessen nur jeweils ein Abbild Pi (s). Die Supervisor besitzen für sich gesehen also nur eine teilweise Beobachtbarkeit des Systems G.

2.3 Hierarchisch Interface-basierter (HISC)-Ansatz

Modelliert man ein System mit dem oben vorgestellten Verfahren, entsteht bei größeren Systemen schnell ein Komplexitätsproblem. Der HISC-Ansatz (Hierarchical Interfacebased Supervisory Control) versucht, dieses Problem zu lösen, indem er das System in Komponenten aufteilt.

Der HISC-Ansatz wurde von Leduc et. al. entwickelt [LLW03a], [LLW03b] und an der McMaster- Universität praktisch erprobt.

Die Modellierung und Steuerung der Flaschenabfüllanlage basiert vollständig auf dem HISC-Ansatz. Für eine formale Darstellung sei auf [Ric04] verwiesen.

Abb. 2.8 zeigt den allgemeinen Aufbau des HISC-Ansatzes. Es basiert auf dem Prinzip der Modularität, erweitert es jedoch auf zwei Arten.

Ein wichtiges Merkmal ist, dass sich die Modularität nicht mehr nur auf den Supervisor beschränkt, sondern auch das Streckenmodell mit einbezieht.

Weiterhin existieren beim HISC-Ansatz zwei Hierarchie-Ebenen, die High-Level-Ebene und die Low-Level-Ebene, die über ein Interface miteinander verbunden sind. Die HighLevel-Ebene besteht dabei nur aus einer Komponente, während es in der Low-Level- Ebene n Komponenten und folglich n Interfaces geben kann.

Jede Komponente, sowohl in der High-Level- als auch in der Low-Level-Ebene, beinhaltet einen eigenen Supervisor und ein Anlagenmodell.

Dabei handelt es sich bei der Low-Level-Ebene um exakte Modelle, deren Supervisor zur Überwachung der lokalen Tasks eingesetzt wird. Im Gegensatz dazu ist das Modell in

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.8: HISC-Ansatz, allgemeine Darstellung

der High-Level-Ebene abstrakt. Der globale Supervisor ist für globale Tasks zuständig, was die Koordination der Low-Level Tasks beinhaltet.

Die Stärke des HISC-Ansatzes liegt darin, dass ein modularer Strecken- und Steuerungsentwurf möglich ist. Die Komponenten müssen nicht zusammengefügt werden. Der Ansatz ist gut skalierbar und daher auf große Probleme anwendbar.

Der Informationsfluss ist in Abb. 2.8 zu erkennen. Betrachtet man nur ein Low-Level Modul, existieren vier Ereignisalphabete Σ H, Σ L, Σ R und Σ A.

Σ R und Σ A sind beides Teil des Interface und dienen der Kommunikation zwischen High-Level und Low-Level. Die Ereignisse in Σ R werden Request-Ereignisse genannt, da der High-Level über sie Befehle an den Low-Level senden kann und somit einen lokalen Task startet. Dieser lokale Task wird isoliert von der Low-Level-Komponente ausgeführt. Ist ein lokaler Task beendet, findet eine Kommunikation zum High-Level statt. Die Low-Level-Komponente meldet die Abarbeitung der lokalen Tasks an den High-Level. Die Ereignisse in Σ A heißen folglich Answer-Ereignisse, da der Low-Level über diese Ereignisse die Rückmeldung an den High-Level sendet.

Weiterhin verfügt der High-Level über die Ereignismenge Σ H und der Low-Level über die Ereignismenge Σ L. Beide Ereignismengen sind vollkommen unabhängig voneinan- der.

Das High-Level System wird also durch das Alphabet Σ H ∪ Σ R ∪ Σ A modelliert, das Low-Level System durch das Alphabet Σ L ∪ Σ R ∪ Σ A [Ric04].

Existieren nun mehrere Low-Level Module, so ändert sich für das einzelne Low-Level Modul j nichts. Es verfügt weiterhin über das Ereignisalphabet Σ Lj ∪ Σ Rj ∪ Σ Aj. Das High-Level System muss jetzt jedoch mit den Interfaces aller Low-Level Module kommunizieren. Sein Ereignisalphabet ist nun Σ H ∪ Σ Rj ∪ Σ Aj, j = 1 , ..., n.

Insgesamt kann bei allen verifiziert korrekten Ansätzen eine Verlagerung des Einsatzes menschlicher Intelligenz beobachtet werden.

Bei herkömmlichen Industriesteuerungen besteht die wesentliche Intelligenzleistung im Auffinden von Fehlerursachen und deren Beseitigung. Dieser Schritt entfällt bei veri- fiziert korrekten Steuerungen, da diese eine beweisbar korrekte Steuerung liefern. Im

Gegensatz dazu besteht bei diesen Steuerungen die Intelligenzleistung darin, korrekte Streckenmodelle und Spezifikationen aufzustellen, die die Voraussetzung für den Entwurf einer beweisbar korrekten Steuerung sind [Ric04].

Der Wirkungsbereich der menschlichen Intelligenz hat sich also nicht unbedingt vereinfacht, jedoch verlagert.

Ob sich formale Ansätze lohnen, wird von den Sicherheitsanforderungen der zu steuernden Prozesse und von der Komplexität des zu steuernden Systems abhängen.

2.4 Visualisierung betrieblicher Rückmeldedaten

Betriebliche Rückmeldedaten ermöglichen die Analyse von Produktionsprozessen. Sie geben Aufschluss über die Auslastung und über die Optimierungsmöglichkeiten eines Produktionsprozesses.

Bei der Flaschenabfüllanlage, die in dieser Arbeit untersucht wird, werden die betrieb- lichen Rückmeldedaten der Anlage in der Auftragsverwaltung gespeichert. Zwei bereits implementierte Tools zur Anzeige von Gantt-Charts und von Durchlaufdiagrammen werten diese Daten aus und stellen sie grafisch dar [Sau04], [Gen03]. Anhand dieser Daten können später die verschiedenen Steuerungen miteinander verglichen werden.

In dieser Arbeit wird insbesondere auf die Durchlaufzeit, sowie auf die Maschinenauslastung näher eingegangen.

2.4.1 Durchlaufzeit

Die Durchlaufzeit lässt sich durch die Analyse des Durchlaufelementes bestimmen, wie es in Abb. 2.9 zu sehen ist. Dort sind die einzelnen Ablaufschritte eines Arbeitsvorgangs dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.9: Arbeitsvorgangsbezogenes Durchlaufelement

Die Durchlaufzeit für einen Arbeitsvorgang ist die Zeitspanne vom Ende des vorhergehenden Arbeitsvorgangs, was dem Anfang des aktuellen Arbeitsvorgangs entspricht, bis zum Ende des aktuellen Vorgangs [NW03].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

mit

- f: Durchlaufzeit eines Arbeitsvorgangs (flowtime)

- C: Ende des aktuellen Arbeitsvorgangs (Completion time)

- S: Ende des vorangegangenen und Beginn des aktuellen Arbeitsvorgangs (Starting time)

Entsprechend dieser Definition wird das Liegen nach Bearbeitung, ebenso wie die Transportzeit dem aktuelllen Arbeitsvorgang zugeordnet [NW03].

Neben der Durchlaufzeit kann in Abb. 2.9 auch die Übergangszeit UE und die Durch- führungszeit DF abgelesen werden. Die Übergangszeit entspricht der Zeit zwischen den Arbeitsvorgängen, beinhaltet also Wartezeit und Transport, die Durchführungs- zeit entspricht dem eigentlichen Arbeitsvorgang und beinhaltet das Rüsten und das Bearbeiten.

Auf die gleiche Weise kann auch die Durchlaufzeit für einen gesamten Auftrag berechnet werden. f entspricht dann der Durchlaufzeit des Auftrags, C der Beendigung des Auftrags und S dem Beginn des Auftrags.

2.4.2 Auslastung

Die Auslastung, auch Bestand oder im Englischen WIP (Work in Process) genannt, kann sowohl auf eine einzelne Maschine, als auch auf die gesamte Fertigung bezogen sein. Erst ab einem gewissen Bestand ist die Auslastung der Maschinen gewährleistet. Er sollte allerdings auch nicht zu groß werden, da es dann zum Stau und damit zu einer Verringerung der Produktivität kommen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.10 zeigt, wie die Durchlaufzeit, der Produktions-Output und die Terminabwei- chung vom Bestand abhängen [Mey90]. Ist die Auslastung gleich null, gibt es keine Produktion. Die Maschinen stehen dann im Leerlauf. Mit steigendem Bestand steigt zunächst die Produktion stark an. Die Auslastung der Maschinen verbessert sich. Al- lerdings nimmt auch die Durchlaufzeit der Produkte zu, da sich an den Maschinen

Warteschlangen bilden können. Die Terminabweichung nimmt zunächst ab, da durch die höhere Produktion die Vorgaben erst erfüllt werden können. Mit weiter zunehmender Auslastung steigen Produktion aber auch die Durchlaufzeit weiter an. Die Terminabweichung steigt ab einem gewissen Punkt an. Bei hohen Auslastungen verbessert sich die Produktion nur noch marginal, da die Maschinen schon ihre größtmögliche Auslastung haben. Durch das Auftreten von Staus steigt die Durchlaufzeit und die Terminabweichung stark an, die Produktivität sinkt.

Der optimale Produktionspunkt stellt also einen Kompromiss zwischen Produktion, Durchlaufzeit und Terminabweichung dar.

2.4.3 Gantt-Charts

Das Gantt-Chart, benannt nach seinem Entwickler, dem amerikanischen Ingenieur und Berater Henry L. Gantt (1861-1919), ist ein Projektplanungs-Werkzeug, das die zeit- liche Abfolge der einzelnen Prozessschritte darstellt. Da Gantt-Charts einfach zu ver- stehen und zu erstellen sind, werden sie in vielen Projekten eingesetzt [DC03].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.11: Typisches Gantt-Chart

Auf der Abszisse befindet sich die Zeitachse, auf der Ordinate werden die Prozesse abgebildet. Jeder Prozess nimmt eine Reihe ein. Die Fertigungsaufträge werden in ihre Arbeitsvorgänge aufgespalten und die Zeit, die ein Auftrag in einem Prozess verbringt, wird durch einen horizontalen Balken dargestellt. Die Länge eines Balkens entspricht der Durchführungszeit dieses Arbeitsvorgangs. Es wird nur die zeitliche Abfolge, in der die Prozesse durchlaufen werden, dargestellt. In welcher Beziehung sie zueinan- der stehen, geht aus einem Gantt-Chart nicht hervor. Horizontale Lücken entsprechen Leerlaufzeiten innerhalb der einzelnen Arbeitsvorgängen, weshalb sie möglichst klein gehalten werden sollten.

Abb. 2.11 zeigt den typischen Aufbau eines Gantt-Charts. Es besteht aus drei Arbeits- vorgängen, sowie aus drei Aufträgen, die die Arbeitsvorgänge nacheinander durchlau- fen.

Abb. 2.12 zeigt zwei Beispiele für Gantt-Chart-Elemente, die nicht definiert sind. Das in Abb. 2.12 (a) dargestellte Überholen bzw. Überlappen der Aufträge ist nicht möglich, da die Prozesse laut Definition nur eine Kapazität von eins besitzen. Es wären also parallele Prozesse oder Prozesse mit einer Kapazität größer als eins notwendig. In Abb.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.12: Nicht definierte Gantt-Chart

2.12 (b) existieren innerhalb der Aufträge für bestimmte Zeiten (δ) Lücken. Dies ist nicht erlaubt, da ein Auftrag immer einem bestimmten Prozess zugeordnet sein muss. Die einzelnen Auftragsoperationen müssen direkt aneinander folgen. Dennoch kommen Diagramme wie Abb. 2.12 (b) in der Anwendung oft vor, wenn einzelne Prozesse, beispielsweise die Zwischenlagerungen, weggelassen werden. Eine Erweiterung von Abb.

2.12 (b) um einen Lagerprozess, in dem sich die Aufträge 2 und 3 während der Zeiten δ befinden, würde das Gantt-Chart definitionsgerecht machen.

2.4.4 Durchlaufdiagramme

Das Durchlaufdiagramm beschreibt ein dynamisches System qualitativ und zeitpunktgenau. Es zeigt die Wirkungszusammenhänge zwischen den logischen Zielgrößen auf und macht sie einer mathematischen Beschreibung zugänglich [NW03].

Es lässt sich aus dem Trichtermodell (siehe Abb. 2.13) ableiten, bei dem jede Kapa- zitätseinheit durch einen Kreis beschrieben werden kann. Der Zugang ZU entspricht dem, was dem Trichter zugeführt wird, der Bestand W IP ist der Inhalt des Trichters, der Trichterhals entspricht der Leistung LE und der Abfluss des Trichters wird als Abgang AB bezeichnet. Die Größe der Kreise im Trichter entspricht dem Arbeitsinhalt des Auftrages.

Dieser Trichter lässt sich nun auf das Durchlaufdiagramm übertragen, indem man Zugang und Abgang jeweils kumuliert und als Kurve darstellt. In Abb. 2.14 sind die daraus resultierenden Kurven (Zugangskurve und Abgangskurve) dargestellt.

Der vertikale Abstand zwischen beiden Kurven stellt den aktuellen Bestand W IP dar, die Steigung der Abgangskurve entspricht der mittleren Leistung Lm, die der Zugangs- kurve der mittleren Belastung Bem, also dem mittleren Zugang. Weiterhin entspricht der horizontale Abstand zwischen Zugangs- und Abgangskurve der Durchlaufzeit f.

Zu Beginn eines Untersuchungszeitraums existiert normalerweise ein Anfangsbestand, weshalb die Zugangskurve um diesen Anfangsbestand nach oben versetzt wird. Am Ende des Untersuchungszeitraums kann aus der Differenz zwischen Zugangskurve und Abgangskurve der Endbestand abgelesen werden. Außerdem ist der gesamte Zugang ZU undAbgang AB imDiagrammabzulesen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.13: Trichtermodell

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Abbildung 2.14: Durchlaufdiagramm

Oft wird der Bestand als zusätzliche Kurve im Durchlaufdiagramm dargestellt, wie in Abb. 2.15 geschehen. Die Kurve gibt die Differenz zwischen Zugangs- und Abgangs-

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Abbildung 2.15: Durchlaufdiagramm mit Darstellung der Auslastung

kurve über den gesamten Beobachtungszeitraum an. Auf diese Weise ist es möglich, den zeitlichen Verlauf der Auslastung einer Anlage direkt abzulesen. Auf diesen Vorteil wird später bei der Evaluierung der Versuchsergebnisse zurückgegriffen.

Um die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Steuerungen der Flaschenabfüllanlage bestimmen zu können, werden verschiedene Indikatoren benötigt:

Die mittlere Leistung entspricht der Summe des gesamten Abgangs auf den Bezugszeitraum T bezogen.

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Die Auslastung des Systems ist definiert als das Verhältnis der mittleren Leistung zur maximalen Leistung, wobei die maximale Leistung der optimalen Auslastung aller Maschinen entspricht und in der Realität nicht zu erreichen ist.

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Der mittlere Bestand (Bm) sagt aus, wie viele Aufträge durchschnittlich in Bearbeitung sind. Er errechnet sich, indem man die Fläche zwischen der Zugangs- und der Abgangskurve (Bestandsfläche F B) durch den Bezugszeitraum T teilt.

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Liegen diskrete Zeitabschnitte vor, kann der mittlere Bestand auch folgendermaßen

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eren Bestand zu finden, bei dem die Auslastung möglichst groß und die Durchlaufzeit möglichst klein ist.

Eng verbunden mit dem mittleren Bestand ist die mittlere Durchlaufzeit, die angibt, wie lange sich ein Auftrag durchschnittlich in der Fertigung befindet. In einem stabilen, eingeschwungenen System entspricht die mittlere Durchlaufzeit dem Verhältnis der Bestandsfläche F B zum Abgang AB oder dem Verhältnis des mittleren Bestandes zur mittleren Leistung.

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Abbildung 2.16: Verschiedene Betriebszustände am Durchlaufdiagramm

Abb. 2.16 zeigt die Auswirkungen verschiedener Auslastungen auf das Durchlaufdia- gramm.

Berühren sich die Zugangs- und die Abgangskurve wie in Abb. 2.16 (a), dann ist der Bestand gleich null und die Maschinen sind im Leerlauf. Man spricht in diesem Fall von einer Unterlast. Ist der Bestand kontinuierlich größer als null und sind Zugangs- und Abgangskurve nicht zu weit auseinander, wie in Abb. 2.16 (b) so spricht man vom Übergangsbereich.Dieser Bereich sollte für die Produktion angestrebt werden, da die Auslastung sich hier in einem optimalen Bereich befindet. Wird der Abstand zwischen Zugangs- und Abgangskurve, also der Bestand, zu groß wie in Abb. 2.16 (c), so besteht die Gefahr, dass Staus auftreten. Die Durchlaufzeit wird sehr groß und man spricht in diesem Fall vom Überlastbereich.

In einem stabilen, eingeschwungenen System müssen Zugangs- und Abgangskurve über einen langen Beobachtungszeitraum gesehen parallel verlaufen, da ansonsten der Bestand gegen null oder gegen unendlich läuft [NW03]. Sinkt, wie in Abb. 2.17 zu sehen, die Abgangskurve beispielsweise durch einen Maschinenausfall, sollte deshalb die Zugangskurve schnellstmöglich angepasst werden, um einen zu hohen Bestand und damit hohe Durchlaufzeiten zu vermeiden.

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Abbildung 2.17: Durchlaufdiagramm mit verminderter Abgangskurve

Umgekehrt sollte bei einer veränderten Zugangskurve, beispielsweise durch fehlende oder steigende Aufträge, die Abgangskurve angepasst werden. Dies kann durch einen Ausbau oder eine Verringerung der Anlagenkapazität geschehen. So können Über- oder Unterlasten vermieden werden.

2.4.5 Histogramme

Bei einem Histogramm werden die Daten in ein Koordinatensystem eingetragen, bei dem auf der Abszisse die Merkmalsausprägungen und auf der Ordinate die Häufigkeiten dargestellt sind. Die Häufigkeit wird dabei als eine Fläche wiedergegeben [HS98].

Histogramme folgen dem Prinzip der Flächentreue, d.h. die dargestellten Flächen sind direkt proportional zu den absoluten bzw. relativen Häufigkeiten, wobei offene Randklassen vermieden werden sollten [FKPT04].

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Abbildung 2.18: Histogramme mit kleinen (a) und großen (b) Klassenbreiten

Bei sehr kleinen Klassenbreiten gehen wenige der ursprünglichen Informationen verlo- ren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Evaluierung ereignisdiskreter Steuerungen mittels einer Benchmark-Auftragsreihenfolge am Beispiel einer Flaschenabfüllanlage
Hochschule
Technische Universität Hamburg-Harburg
Veranstaltung
Automatisierungstechnik
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
89
Katalognummer
V51996
ISBN (eBook)
9783638478151
Dateigröße
1313 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evaluierung, Steuerungen, Benchmark-Auftragsreihenfolge, Beispiel, Flaschenabfüllanlage, Automatisierungstechnik
Arbeit zitieren
Dipl. Ing. oec. Jan-Nicolas Garbe (Autor:in), 2005, Evaluierung ereignisdiskreter Steuerungen mittels einer Benchmark-Auftragsreihenfolge am Beispiel einer Flaschenabfüllanlage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51996

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