Kulturhauptstädte Europas. Wie wird eine Stadt zur Kulturhauptstadt?


Hausarbeit, 2019

15 Seiten

Pauline Oelsner (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Idee und Hintergründe
2.1 Die Idee der Kulturhauptstadt Europas
2.2 Die Grundidee des Projektes

3. Der Bewerbungsprozess
3.1 Auswahl der Kulturhauptstadt
3.1.1 Bewerbungsinhalte/Vergabekriterien
3.1. 2 Ausschlusskriterien
3.2 Zusammensetzung der Expertenjury
3.3 Das Auswahlverfahren

4. Titelvergabe durch die Europäische Union
4.1 Ernennung der Kulturhauptstadt Europas
4.2 Monitoring und Realisierungszeit

5. Fazit

6. Abbildungsverzeichnis

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Kulturhauptstadt Europas“ - Dieser Titel wird kontinuierlich seit 1985 an europäische Städte verliehen, die sich nach einem anspruchsvollen und langwierigem Bewerbungsverfahren kulturell, politisch, weltoffen und gastfreundlich zu Europa bekennen. Der Titel „Kulturhauptstadt“ wird geprägt durch Völkerverständigung, kulturelle Vielfalt, Reichtum an Kulturschätzen und der Gemeinsamkeiten des kulturellen Erbes in Europa. Die hohe Bewerbungsbeteiligung hebt die wachsende Popularität dieses Projekts hervor und zeigt, dass auch ehemalige unbedeutende (Industrie-) Städte von ihrer Entwicklungs- und Gestaltungskraft überzeugt und durchaus in der Lage sind, ihr bisheriges Image aufzuwerten. Für eine Bewerbungsteilnahme gibt es keine Standartvorlage. Die Strategie des Erfolgskonzeptes sollte zwar unter der Prämisse „europäisches Projekt“ entwickelt werden, sich jedoch inhaltlich ausgeprägt an nationaler Infrastruktur und kultureller Identität orientieren.

Die Titelvergabe setzt nicht ein bereits vorhandenes kulturelles Repertoire voraus, sondern orientiert sich primär an dem zu erwartenden kulturellen Entwicklungsprozess bis und über das Verleihungsjahr hinaus.

„Es geht bei der Bewerbung in erster Linie nicht darum, was eine Stadt schon hat, sondern um die Frage, wohin sich eine Stadt weiterentwickeln will. Zugespitzt formuliert geht es nicht um einen Preis, den man gewinnt, für etwas, das man bislang besonders gut gemacht hat, der Titel ist eher ein Stipendium, um als Stadt einen kräftigen Sprung in die Zukunft zu machen.“- Dr. Ulrich Fuchs1 (HAZ, 2018).

In der Kulturpolitik gibt es kaum ein vergleichbares Programm, welches einer europäischen Stadt die Möglichkeit einräumt, für ein Jahr im öffentlichen Rampenlicht zu stehen und ein individuell entwickeltes Kulturprojekt lokal und global zu präsentieren.

In meiner Seminararbeit möchte ich den zeithistorischen Kontext und die Zielsetzung der Idee kurz umreißen. Auf das Bewerbungsprozedere möchte ich ausführlich eingehen und einzelne Bewerbungskriterien, die mir wichtig erscheinen, besonders hervorheben. Lt. Auswähl-Rotationsprinzip der Europäischen Union darf Deutschland – neben Slowenien – in 2025 eine der beiden Kulturhauptstädte Europas stellen. Fokussieren werde ich mich auf den Planungszeitraum in dem Deutschland erneut eine Kulturhauptstadt Europas nominiert. Welche Städte letztendlich den Zuschlag erhalten, bestimmt ein nationales Auswahlverfahren und im Anschluss daran eine Experten-Jury der Europäischen Union.

2. Idee und Hintergründe

2.1 Die Idee der Kultur(haupt)stadt Europas

Als die Kultusministerin Melina Mercouri in den 80ern vorschlug, jedes Jahr eine europäische Stadt mit dem Titel „Kulturstadt“ auszuzeichnen, ging es ihr zunächst darum für die damalige, in der Europapolitik, untergeordnete Rolle der Kultur ein Zeichen zu setzen, die Bedeutung der Kultur hervorzuheben und die Völker der Mitgliedsstaaten einander näher zu bringen. Sie forderte bei dem Ratstreffen 1983 im Athener Konferenzzentrum, dass der europäischen Kultur eine größere Publizität verliehen werden sollte. Folgende Worte werden ihr zugeschrieben:

„Our role as Ministers of Culture is clear. Our responsibility is a must. Culture ist the soul of society. Therefore, our foremost duty is to look at the foundations and nature of this Community. This does not mean that we would impose our ideas. On the contrary, we must recognize the diveristies with the aim of creating a dialogue between the cultures of Europe. The determining factor of an European identity lies precisely on respecting these diversities with the aim of creating a dialogue between the cultures of Europe. It is time for our voice to be heard as loud as that of the technocrats. Culture, art and creativity are not less important than technology commerce and the economy.“2 - Melina Mercouri (Mittag, 2008: S.55).

Mit ihrem Plädoyer für/ über die Bedeutung der europäischen Kultur gelang es Mercouri, ihre Idee, jährlich eine europäische Stadt zur Kulturstadt zu ernennen, umzusetzen (ebd.). Die Umsetzung erfolgte 1985 durch einen Beschluss der Minister und der für die Kultur zuständigen Ratsvertreter der Europäischen Gemeinschaft (Valentin, 2014). Seit 1985 wird der Titel durchgehend für ein Jahr verliehen. Bald fand die Initiative in der Öffentlichkeit großen Anklang und binnen kurzer Zeit entwickelte sich das Konzept zum Publikums- und Touristenmagnet (Mittag, 2008: S. 56). Das gewachsene Interesse der Städte sich um den Titel zu bewerben nahm stetig zu. 1993 wurde mit dem Vertrag von Maastricht eine Rechtsgrundlage geschaffen, die es der EU ermöglichte politische Maßnahmen zu ergreifen, die sich auf den Kultursektor beziehen (Vertrag über die europäische Union, 1992). Im Fokus stand auch die kulturelle Zusammenarbeit der EU-Länder mit Drittstaaten innerhalb der EU (ebd.). Ab 1999 wurde das Projekt nicht nur namentlich (aus der Kulturstadt wurde die „Kulturhauptstadt Europas“) ergänzt, sondern ein Wandel vollzog sich auch finanziell, konzeptionell und verfahrenstechnisch. Zeitgleich legte das Europäische Parlament und der Ministerrat die Reihenfolge der antragstellenden EU Länder fest.

2.2 Die Grundidee des Projektes

„Europa“ ist nicht nur die geografische Definition eines Erdteils, sondern der Begriff bezieht sich auch auf historische, kulturelle, politische, wirtschaftliche, rechtliche und ideelle Aspekte3. Es gibt zahlreiche kontrastierende Gedankenverbindungen, die Europa ausmachen: Griechische Philosophie, Römisches Recht, Biblische Religion, moderne Wissenschaft und Aufklärung, die Kreuzzüge, die zwei Weltkriege, der Kontinent der klugen Köpfe und Erfindungen (Moltmann, 2004: S. 8-9).

Seit der Gründung der Europäischen Union hat sich das Bestreben der Europäer zu einer sozialen, politischen, räumlichen und kulturellen Einheit zu gehören, verstärkt. Das Projekt der jährlichen Titelvergabe „Kulturhauptstadt“ repräsentiert dieses Sensorium innerhalb der EU und macht es auch global sichtbar. Die Grundidee besteht darin, dass die europäischen Städte mittels kulturellen Engagements etwas für ihre eigene Stadt und für die Gestaltung der Zukunft Europas bewirken (Schwencke, 2005: S. 37). Für die Städte ist die Titelvergabe einerseits Positionierungsplattform und andererseits auch Katalysator für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung und Erneuerung.

Die hochbegehrte Auszeichnung trägt nicht nur dazu bei, die Variationsbreite und Buntheit Europas in Bezug auf Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen zum Ausdruck zu bringen, sondern kann den Städten selbst die Chance bieten, neue Ideen zur Lösung bestehender Konfliktfelder in Bezug auf Haushaltsmiseren, Schrumpfungsprozesse, Globalisierungsfolgen oder Kontroversen zwischen Bevölkerungsgruppen zu finden (Valentin, 2014). Auch wird das Ziel verfolgt:

„[…] einerseits Wahrung und Förderung der Vielfalt der Kulturen in Europa, Hervorhebung ihrer Gemeinsamkeiten und Förderung des Gefühls der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kulturraum sowie andererseits Förderung des Beitrags der Kultur zur langfristigen Entwicklung der Städte auf wirtschaftlicher, sozialer und urbaner Ebene entsprechend ihren jeweiligen Strategien und Prioritäten.“ (Kultusministerkonferenz, 2018: S.1).

Aufbauend auf einen Beschluss aus dem Jahr 2005 wurde durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat die bisherige Jahresrankingliste der EU Staaten verändert, begründet durch den Beitritt weiterer zehn Länder, in 2004/2007, zur Europäischen Union. Der 2005 vom Europäischen Parlament angenommene Beschluss legt fest, dass ab 2009 pro Jahr zwei Kulturhauptstädte benannt werden können (Beschluss Nr. 649/2005). Das Ziel dieser Maßnahme war, die neuen Länder möglichst schnell in diese Aktion einzubinden. Beispielsweise ist im Zeitplan, der Fassung des Beschlusses Nr. 2017/1545/EU festgelegt, dass der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ im Jahr 2025 an eine Stadt in Deutschland und eine Stadt in Slowenien verliehen wird4.

3. Der Bewerbungsprozess

3.1 Auswahl der Kulturhauptstädte

In jedem Jahr wird in zwei unterschiedlichen europäischen Ländern (ebd. 2.2 Rankingliste) durch die Europäische Union je eine Stadt mit dem Titel „Europäische Kulturhauptstadt“ geehrt. Doch bevor dieser Festakt vollzogen wird, müssen sich die Städte einem anspruchsvollen Bewerbungsverfahren stellen. Die Aufforderung auf nationaler Ebene zur Einreichung der Bewerbungsunterlagen erfolgt öffentlich und wendet sich an alle Städte, die an der Ausschreibung interessiert sind, in der Regel sechs Jahre vor dem Kulturhauptstadtjahr. Das Bewerbungskonzept muss eine ausgeprägte europäische Dimension vorweisen, speziell für dieses Event und Jahr entwickelt worden sein und eine nachhaltige, langfristige Strategie aufweisen, auch über das Ernennungsjahr hinaus (Kultusministerkonferenz, 2018: S.4).

Ein Jahr nach Bekanntgabe der Ausschreibungen enden die Bewerbungsfristen. Städte, die sich für eine Bewerbung entschlossen haben, informieren die Kulturstiftung des Landes einen Monat vor Abgabe der Bewerbungen (Kultusministerium, 2019: S.8). Die Bewerbung mit dem Bewerbungsformular wird dann an die Kulturstiftung der Länder geschickt. Die 60-seitige Bewerbung ist in englischer Sprache und ggf. auf Deutsch elektronisch (per E-Mail) als auch in Papierform einzureichen (Kultusministerkonferenz, 2018: S.8). Die Kulturstiftung des Landes sendet die Unterlagen der Bewerberstädte an das Auswärtige Amt. Das Auswärtige Amt übermittelt die Bewerbungen an den Bundesrat, der dazu Stellung bezieht. Die Stellungnahme des Rates und die Bewerbungsunterlagen der Städte werden dann vom Auswärtigen Amt an die Gremien (Expertenjury) der EU übermittelt (Valentin, 2018).

3.1.1 Bewerbungsinhalte/Vergabekriterien

Um an einem nationalen Auswahlverfahren teilnehmen zu können sind die Bewerberstädte angehalten, folgende Kriterien in die Bewerbung einfließen zu lassen. Alle folgenden Kategorien unterliegen keiner Rangfolge (Beschluss Nr.445/2014/EU – Artikel 5/ Kulturstiftung S. 5):

- Beitrag zur Langzeitstrategie
- Europäische Dimension
- Verwaltung
- Einbindung der Gesellschaft
- Umsetzungsfähigkeit
- Kulturelle und Künstlerische Inhalte

Detaillierte Auslegungen und Schwerpunkte zu den einzelnen Kategorien können die Städte aus aufgeführter Beschlussfassung entnehmen.

3.1.2 Ausschlusskriterien

Mit der Unterzeichnung der ehrenwörtlichen Erklärung (ebd., Anlage 2: S. 25) versichert die Stadt, dass keine strafrechtlichen Verfahren, Verfügungen, Sanktionen etc. gegen sie vorliegen die eine Teilnahme ausschließen könnten.

3.2 Zusammensetzung der „Expertenjury“

Die Europäische Kommission setzt jedes Jahr eine zehn- bis zwölfköpfige, unabhängige Expertenjury ein, welche die Bewerbungen bzw. Kandidaturen begutachtet. Für diese Jury werden je zwei bis drei Mitglieder der Europäischen Kommission, vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat, sowie ein Mitglied vom Ausschuss der Regionen benannt. Nach Artikel 6, Absatz (5) zur Expertenjury müssen alle Expert*innen:

“ […] a) die Unionsbürgerschaft besitzen, b) unabhängig sein, c) überweitreichende Erfahrung und Fachkompetenz in folgenden Bereichen verfügen: i) im Kulturbereich, ii) auf dem Gebiet der kulturellen Stadtentwicklung oder iii) der Organisation einer Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ oder einer internationalen Kulturveranstaltung vergleichbaren Umfangs und Ausmaßes, d) in der Lage sein, der Arbeit in der Jury eine hinreichende Zahl von Arbeitstagen pro Jahr zu widmen.“ (Wiegand, 2019: S.4).

Das Europäische Jurymitglied kann zusätzlich zwei nationale Expert*innen (vom Bund und Land) hinzuziehen. Die Jury hat vor der Präsentation der jeweiligen Städte alle eingereichten „Bid Books“5 gelesen, um sich einen ersten Eindruck über die Bewerberstädte zu verschaffen. Die Jurysitzung(en) findet überwiegend in der nationalen Hauptstadt des jeweiligen Landes statt (Kulturstiftung der Länder).

[...]


1 Zitat Dr. Ulrich Fuchs im Interview mit der HAZ am 11.05.2019

2 Zitat M. Mercouris aus einem unveröffentlichten Manuskript ihres Bruders und Vertrauten, Spyros Mercouri: The productivity of culture- European Cultural Capital Cities, it’s history and the development opportunities they create, Weimar 2006, S. 2. Aus: J.Mittag (Hg.) (2008): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas. S. 55

3 Wikipedia, Online unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Europa, (letzter Zugriff: 15.09.2019).

4 BESCHLUSS (EU) 2017/1545 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES (2017). Online unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32017D1545&from=EN, (letzter Zugriff 15.09.2019).

5 Bewerbungsmappe, ein wichtiger Bestandteil der Bewerbung zur „Kulturhauptstadt Europas“.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Kulturhauptstädte Europas. Wie wird eine Stadt zur Kulturhauptstadt?
Hochschule
Fachhochschule Potsdam
Autor
Jahr
2019
Seiten
15
Katalognummer
V520271
ISBN (eBook)
9783346115164
ISBN (Buch)
9783346115171
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kulturhauptstädte, europas, stadt, kulturhauptstadt
Arbeit zitieren
Pauline Oelsner (Autor:in), 2019, Kulturhauptstädte Europas. Wie wird eine Stadt zur Kulturhauptstadt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520271

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