Gruppendynamik bei sich selbst steuernden Gruppen

Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen bzw. entstehender Konfliktpotenziale.


Seminararbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1. 0 Gruppenphasen
1. 1 Anfangs- und Entwicklungsphase
1. 2 Machtkampfphase
1. 3 Arbeitslust- und Differenzierungsphase
1. 4 Abschlussphase

2. 0 Rolleneinteilung nach Raoul Schindler

Literaturverzeichnis
Verwendete Bücher:
Weitere Quellen:

1. 0 Gruppenphasen

Jede Gruppe, so unterschiedlich verschiedene Gruppen auch sein können, durchläuft idealtypisch verschiedene Gruppenphasen in ihrer Entwicklung. In ihrer Dauer und Ausprägung können diese bei einzelnen Gruppen sehr unterschiedlich verlaufen. Außerdem sind in der Praxis die einzelnen Gruppenphasen nicht immer klar von einander trennbar, d. h. die Übergänge sind häufig fließend. Das (Er-) Kennen dieser gruppendynamischen Prozesse hilft jedoch dem Leiter adäquat auf Störungen zu reagieren und den Gruppenverlauf günstig zu beeinflussen, da jede Gruppenphase gekennzeichnet ist von in ihr typischen Konflikten.

1. 1 Anfangs- und Entwicklungsphase

Schon vor dem Beginn der ersten Gruppenphase setzen sich die Gruppenmitglieder und der Leiter mit der neuen Gruppe gedanklich auseinander. Diese Gedanken, Erwartungshaltungen und Gefühle bezüglich der neuen Gruppe beeinflussen teilweise die Anfangsphase. Außerdem findet in der ersten Gruppenphase ein Prozess des Loslösens und Ankommens statt. Die einzelnen Gruppenmitglieder müssen erst ihre Erlebnisse und Eindrücke der letzten Tage verarbeiten und hinter sich lassen, bevor sie imstande sind sich mental vollkommen auf die neue Gruppe einzustellen. Ärger, Stress und Langeweile wirken sich ebenso auf das Verhalten eines Mitgliedes aus wie Freude, Harmonie und Glück. Der Gruppenleiter kann hier durch Angebote, die ein Loslösen von der vorherigen Situation ermöglichen, z. B. Anfangsmeditation, den Einstieg erleichtern.[1] [2] [3]

Grundsätzlich ist diese Phase gekennzeichnet von abtastendem Verhalten. Die Mitglieder sind noch sehr unsicher und müssen sich erst in und an der Gruppe orientieren, deshalb ist ihr Verhalten (noch) nicht authentisch. Man will sich von seiner „Schokoladenseite“ zeigen, experimentiert mit verschiedenen Verhaltensweisen. Es kommt also zu einer verfälschten Selbstdarstellung. Die Kommunikation in dieser Gruppenphase verläuft eher oberflächlich und förmlich. Man bedient sich Alltagsthemen, um zunächst leicht ins Gespräch zu kommen und sich kennen zu lernen. Hierbei werden die anderen Gruppenmitglieder in geistige Schubladen gesteckt. Diese vorläufige Einteilung dient nur der anfänglichen Orientierung und stellt noch keine endgültige Beziehungskonstellation dar. Die einzelnen Mitglieder versuchen für sich herauszufinden, was und wie viel sie in der neuen Gruppe erreichen können bzw. welcher persönliche Gewinn erzielt werden kann und suchen ihren Platz in der Gruppe. Sie orientieren sich deswegen hauptsächlich an gemeinsamen Aufgabenstellungen.

Die Gruppenmitglieder befinden sich in der Anfangsphase in ambivalenten Spannungsfeldern:

- Einerseits wollen sie ihren Erfahrungsschatz erweitern, aber andererseits auf die Sicherheit des Gewohnten und bereits Bekannten nicht verzichten.
- Die Teilnehmer hegen den Wunsch in der Gruppe und vom Leiter anerkannt zu werden und beliebt zu sein. Sie wollen jedoch auch in gewisser Weise anonym in der Gruppe bleiben und erst einmal den weiteren Verlauf beobachten können.
- Angesichts der anfänglichen, großen Unsicherheit sind die Gruppenmitglieder noch stark auf die Anleitung des Leiters angewiesen. Sie streben gleichzeitig aber auch nach Autonomie und Unabhängigkeit.
- Jeder versucht seinen Platz und seine Rolle in der Gruppe zu finden. Dies soll aber möglichst ohne Veränderung der eigenen Persönlichkeit und größere Anstrengungen stattfinden. Eigene Werte und Ansichten sollen berücksichtigt werden. Das Individuum strebt nach der Anerkennung der eigenen Individualität, will aber trotzdem Bestandteil der Gruppe werden.

Somit ist klar, dass jeder Wunsch eines Mitgliedes auch gleichzeitig mit der Angst verbunden ist, dass dieser nicht erfüllt wird. Eine Versagung der Erfüllung der Ansprüche durch den Leiter bzw. die Gruppe kann ebenso schädliche Folgen haben, wie die übermäßige „Verwöhnung“. Ebenso kann es zu Störungen kommen, wenn es zu einem einseitigen Verzicht auf Bedürfnisbefriedigung eines Teilnehmers kommt bzw. wenn eigene Wünsche verleugnet werden. Häufig wird die Spannung, die durch diese inneren Konflikte entsteht, dadurch gelöst, dass Probleme bzw. negative Gruppenanteile nach außen projiziert werden. Die Gruppe wird glorifiziert, man glaubt an eine Art innere Harmonie.

Rolle des Leiters:

Das Verhalten gegenüber dem Leiter wird in dieser Phase hauptsächlich von unbewussten Übertragungs- und Projektionsvorgängen bestimmt. Die einzelnen Gruppenmitglieder fallen demnach schnell in alte Rollenmuster zurück, z. B. Mutter-Sohn. Dadurch, dass die Teilnehmer noch sehr unsicher sind und noch stark auf Unterstützung angewiesen sind wird die Autorität des Leiters (noch) nicht angezweifelt. Er wird sozusagen in seinen Fähigkeiten idealisiert, soll Stärke und Geborgenheit vermitteln, da die Unsicherheit des einzelnen noch groß ist. Es ist deshalb wichtig, dass der Leiter für klare, eindeutige Strukturen sorgt, die den Hintergrund der thematischen Angebote bilden sollten. Das Selbstvertrauen der Gruppenmitglieder wird so gestärkt und Zweifel können überwunden werden. Zur Förderung der Orientierung und Information sollten deshalb auch Themenangebote geschaffen werden, die die Klärung für einen selbst erleichtern. Kennenlernspiele oder einfache thematische Angebote, die der Orientierung dienen, können sich hier als hilfreich erweisen. Um in der Gruppenentwicklung voran schreiten zu können muss der Leiter die Abhängigkeit der Gruppe reduzieren und ihre Eigeninitiative erhöhen. Der Leiter muss deshalb auch versuchen die Verantwortlichkeit für die Leistung der Gruppe wieder an die Teilnehmer abzugeben. Die Grundvorrausetzung hierfür ist die Schaffung eines akzeptierenden Klimas. Durch die Förderung der Autonomie der Gruppe geht der Gruppenprozess langsam in die nächste Phase, die Machtkampf- und Kontrollphase über.

1. 2 Machtkampfphase

Die Gruppenmitglieder konnten sich untereinander etwas besser kennen lernen, daher tritt die Unsicherheit durch die neue, ungewohnte Situation in den Hintergrund. Der Einzelne fühlt sich dadurch ermutigt mehr von sich selbst preiszugeben, d. h. er zeigt sich nun eher so, wie er wirklich ist. Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in der Persönlichkeit, den Interessen und des Verhaltens werden nun deutlicher erfahren. Die Beziehungen untereinander bilden sich nun deutlicher aus und sind mehr von Echtheit geprägt, da sie sich aufgrund von Sympathien bzw. Antipathien herausbilden und nicht, wie anfangs, aufgrund von Unsicherheit. Trotzdem sind die Beziehungsgefüge untereinander noch eher labil.[4] [5]

Nicht nur die Einstellungen und Beziehungen zueinander verändern sich in dieser Phase, auch die vorläufigen Rollen und der Status müssen verteidigt werden bzw. sich neu verteilen. Es geht in der Machtkampfphase hauptsächlich darum, dass der Einzelne einen Platz in der Gruppe findet. Obwohl die Platzfindung in jeder Gruppenphase eine wichtige Rolle spielt, ist es in dieser besonders entscheidend, da eine erste Rollenzuweisung noch stattfinden muss.

Die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe ist deshalb so bedeutsam, da hinter ihr die Bedürfnisse nach Sicherheit und Anerkennung verborgen sind. Das Zustandekommen einer solchen Rolle hängt auch von gegenseitigen Wahrnehmungs- und Bewertungsprozessen ab, da die Rolle die jemand einzunehmen glaubt oder hofft erst von der Gruppe anerkannt werden muss. Somit spielen auch die Einstellungen der anderen Mitglieder zu der betreffenden Person eine wichtige Rolle.

Unzufriedenheit und Frustration können entstehen, wenn ein angestrebter Platz nicht eingenommen werden kann. Dies ist meist der Fall, wenn mehrere Gruppenmitglieder dieselbe Rolle bekommen möchten. Es kommt dadurch zu Machtkämpfen, die aber häufig nur unterschwellig in der Gruppe ablaufen, d. h. die Rivalitäten und Auseinandersetzungen werden von der Beziehungsebene auf die Sachebene verlagert. Es ist wichtig, dass der Gruppenleiter dies erkennt und nicht versucht, die Konflikte, die nur zum Schein über ein Sachthema entstanden sind, zu lösen. Vielmehr sollte er die Gruppenmitglieder dazu anregen die Spannungen offen auszutragen, weil nur so eine echte Beziehungsklärung stattfinden kann.

Ein weiteres Problem kann entstehen, wenn ein einzelnes Mitglied vom Rest der Gruppe nicht wahrgenommen wird. Da die Rollenbildung davon abhängig ist, ob der Platz von den Anderen anerkannt oder zumindest registriert wird, führt dies dazu, dass ein einzelner keinen Platz in der Gruppe erhält. Deshalb kann für den Betroffenen sogar eine negative Rollenzuschreibung zunächst von Vorteil sein.

Das Individuum strebt, wie auch in der ersten Phase, nach Anerkennung seiner Persönlichkeit und möchte seine Rolle weiterhin verändern können. Versuche seine Rolle zu ändern lösen jedoch Angst und Unsicherheit in der Gruppe aus und werden deshalb möglichst von ihr unterbunden. Es wird versucht, den einzelnen auf seine Rolle festzuschreiben. Die Gruppe muss lernen, auf verschiedene Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, da sonst Spannungen entstehen, die sogar zu Gruppenaustritten führen können.

[...]


[1] Vgl. Langmaack, Barbara/ Braune-Krickau, Michael: Wie die Gruppe laufen lernt. Anregungen zum Planen und Leiten von Gruppen. Ein praktisches Lehrbuch. Weinheim [Psychologie Verlags Union], 1998, 6. Auflage.

[2] Vgl. Klein, Irene: Gruppenleiten ohne Angst. Ein Handbuch für Gruppenleiter. München [Pfeiffer Verlag], 1984, 2. Auflage.

[3] Vgl. Ahrens, Heinz: Gruppenleiterkurs bei Zeltlager.De. http://www.zeltlager.de , entnommen am 21. 06. 2002.

[4] Vgl. Langmaack, Barbara/ Braune-Krickau, Michael: Wie die Gruppe laufen lernt. Anregungen zum Planen und Leiten von Gruppen. Ein praktisches Lehrbuch. Weinheim [Psychologie Verlags Union], 1998, 6. Auflage.

[5] Vgl. Klein, Irene: Gruppenleiten ohne Angst. Ein Handbuch für Gruppenleiter. München [Pfeiffer Verlag], 1984, 2. Auflage.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gruppendynamik bei sich selbst steuernden Gruppen
Untertitel
Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen bzw. entstehender Konfliktpotenziale.
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut, ehem. Fachhochschule Landshut  (Fachbereich Soziale Arbeit)
Veranstaltung
Seminar Selbsterfahrung
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V5209
ISBN (eBook)
9783638131797
ISBN (Buch)
9783638746083
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gruppenphase, Johari-Fenster, Raoul Schindler
Arbeit zitieren
Diplom-Sozialpädagogin (FH) Annegret Teplan (Autor:in), 2002, Gruppendynamik bei sich selbst steuernden Gruppen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5209

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