Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Kinder- und Jugendhilfe als Handlungsfeld
2. Geschichte
2.1 Die Gründungsphase
2.2 Das derzeitige Kinderleben
2.3 Private Kinder- und Jugendfürsorge im 19.Jahrhundert
2.4 Begrenzung der Kinderarbeit
2.5 Die Situation der Jugendlichen in derWeimarer Republik
2.6 Jugendhilfe nach 1945
3-Organisation
3.1 Rechtliche Grundlagen Sozialgesetzbuch SGB 8
3.2 Träger
3.2.1 öffentliche Träger
3.2.2 freie Träger
3.3 Finanzierung
3.4 Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
4. Hilfen zur Erziehung und weitere Formen der Unterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie
4.1 Indikation für eine Unterbringung außerhalb der Herkunftsfamilie
4.2 Mögliche Hilfen zur Erziehung
4.2.1 Heimerziehung
4.2.2 Vollzeitpflege
5. Kompetenzen der Fachkräfte der Kinder und Jugendhilfe
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ (§ 1 SGB VIII).
Kinder und Jugendliche können ihre Rechte besser und umfassender ausführen, wenn sie wissen, worauf sie ein Recht haben und welche Leistungen und Angebote die Kinder und Jugendhilfe für sie und ihre Familien bieten. Ob der Sohn in ein Jugendzentrum geht, ob man ihr Kind in den Kindergarten bringt, ob Freunde ein Kind adoptiert oder in Pflege genommen haben, ständig hat man es mit Kinder und Jugendhilfe zu tun.
In dieser Arbeit möchte ich mich mit der Kinder- und Jugendhilfe auseinandersetzen und demnach konkrete Fragen beantworten. Beispielsweise stellt sich die Frage, worin die Aufgabe der sozialarbeiterischen Komponente „Kinder- und Jugendhilfe“ besteht. Darüber hinaus ist zu klären, wie sich dieses spezielle Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit im historischen Kontext entwickelt hat und wie sie sich überhaupt organisiert. Wer finanziert die Kinder und Jugendhilfe, wer ist der Träger? Welche “Hilfe- bzw. Unterstützungsformen“ existieren innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe? Auf welchem Artikel basiert sie?
Das sind begreiflicherweise wichtige Aspekte die zum Handlungsfeld der Kinder und Jugendhilfe gehören. Vorab möchte ich jedoch erwähnen, dass der eigentliche Schwerpunkt dieser Ausarbeitung zwar das Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe ist, dennoch ist es mir aber wichtig, auch allgemein einen groben Überblick über die Hilfen zur Erziehung der Kinder- und Jugendhilfe zu geben.
Dementsprechend möchte ich an erster Stelle kurz das Arbeitsfeld Kinder- und Jugendhilfe darstellen und dann die Geschichte und Genesis des Handlungsfeldes konkretisieren. Nach den historischen Aspekten werde ich auf die rechtlichen Grundlagen eingehen, indem ich allgemein das Sozialgesetzbuch erwähne, um anschließend speziell auf die Trägerschaft, Finanzierung -und Leistungen einzugehen. Davon ausgehend möchte ich im folgenden Abschnitt die Hilfen zur Erziehung näher erläutern und vorstellen.
Zum Schluss werde ich die dafür benötigten Handlungskompetenzen sowie Sozial und Selbstkompetenzen von professionellen Fachkräften explizieren.
1. Kinder- und Jugendhilfe als Handlungsfeld
Praxis und Theorie sozialen Handelns für und mit benachteiligten Gruppen auf der einen Seite sowie das Angebot präventiver Unterstützung, Begleitung und Entwicklungsförderung auf der anderen Seite lassen sich, unter dem Begriff der Sozialen Arbeit allgemein zusammenfassen (Jordan 2015: S.25). Soziale Arbeit befasst sich mit der Vernachlässigung von Menschen und geht auf die Einschränkungen ein, die Notstände hervorrufen. Soziale Arbeit überlegt sich, wie diese Bedingungen gesondert und sozial zu überwinden sind und stellt konkrete Hilfen und politische Forderungen zur Verfügung. Die Kinder und Jugendhilfe präsentiert einen Ausschnitt der Sozialen Arbeit. Sie bietet sich für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und an deren Familien an. Junge Personen sollen in der persönlichen Entwicklung sowie in der sozialen Entwicklung begünstigt werden. Zusätzlich sollen Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen reduziert bzw. sie sollen entzogen werden. Kinder- und Jugendhilfe möchte positive Lebensbedingungen sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt beibehalten. Sie setzt sich daher mit allgemein fördernden, unmittelbar helfenden und politischen Aufgabenbereichen zusammen. Man darf auch nicht unerwähnt lassen, dass als handlungsorientierter “Mittelpunkt“ in jedem Fall die Erziehung steht. In erster Linie beabsichtigt also die Kinder und Jugendhilfe das Ziel der lebensweltorientierten Gestaltung von Bedingungen des Aufwachsens, der Entwicklung und des Zusammenlebens in Familien, indem sie Eigenständigkeit fördern, soziale und kulturelle Besonderheiten beachten, Benachteiligungen abbauen helfen und Beteiligung als Beitrag zu Demokratiebildung leisten möchte. Die Jugendhilfe legt daher besonders viel Wert darauf, Entwicklungsmöglichkeiten junger Personen zu fördern und ihre Fähigkeiten auszubilden. Dafür werden einerseits pädagogisch unterstützende, familienergänzende Angebote, z.B. in Kindergärten oder Jugendfreizeiteinrichtungen, eingesetzt. Andererseits wird die Verringerung von sozialen Ungleichheiten und Benachteiligungen durch gezielte Richtlinien und das Beheben von Entwicklungsmangel durch z.B. Spiel- und Lernhilfen in Gebieten sozialer Brennpunkte gefördert.
Die zweite Annahme der Jugendhilfe ist die pädagogische und wirtschaftliche sofortige Ausführung bzw. Leistung. Das ereignet sich bei Dechiffrieren von akuten individuellen Schwierigkeiten junger Menschen und ihren Familien. Verhaltensauffälligkeiten durch beschädigte Familien, Scheidungen, Jugendkriminalität sind einige der Indizien zum Hilfeansatz. Die Kinder und Jugendhilfe verfügt über ein differenziertes Angebot an Hilfen, das von der Erziehungsberatung einschließlich Familienbildungsangeboten über sozialpädagogische Hilfen in der Familie bis hin zu stationären Unterbringung eines Kindes oder Jugendlichen in einem Heim oder eine Pflegefamilie reicht. Die dritte Annahme der Jugendhilfe ist die vordringliche Einflussnahme der anwaltschaftlichen Jugendhilfe auf die Politik. Möglichkeiten dafür finden sich in Bereichen von öffentlichen Fachdiskussionen, Einmischung in andere Ressorts, wie z.B. Stadtplanung, oder auch durch die Beeinflussung der Gestaltung von Sozialpolitik im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren. Daraus lässt sich ableiten, dass Kinder und Jugendhilfe ein Sammelbegriff für unterschiedliche Praxisangebote, Organisationsformen und Zielstellungen ist (Jordan 2015: S.28).
2.Geschichte
2.1 Die Gründungsphase
Waisenkinder, die nicht von ihrer Großfamilie oder eine der Zünfte betreut wurden, konnten durch die Differenzierung des mittelalterlichen Spitalwesens, in Einrichtungen für ausgesetzte Kinder, aufgenommen werden. Die beiden noch heute existierenden Grundformen der Ersatzerziehung, die Familienpflege und die Anstaltserziehung sind damals schon in der Anwendung, zu erkennen. Wegen ihrer hohen Sterblichkeitsrate wurden Säuglinge und Kleinkinder von Ammen fünf bis sieben Jahre lang erzogen und erst danach in den Anstalten aufgenommen. Um die Kosten möglichst zu mildern, ließ man sie für das Hospital und die Stiftung betteln oder beschäftigte sie mit einfachen Hausarbeiten. Da die Armut in der mittelalterlichen Ständegesellschaft als gottgewollt betrachtet wurde veranschaulichte dies keine sozial verachtete Tätigkeit. Auf eine angemessene Erziehung oder Berufsausbildung wurde nie in den Waisenhäusern abgezielt.
Diese eher bescheidene Anfänge der Kinderfürsorge unterlagen sehr bald den politischen und ökonomischen Entwicklungen. Der Übergang von der bäuerlich und kirchlich-landesherrlich strukturierten Ordnung der Fürstenstaaten zum urbanorganisierten Bürgerstaat hatte große Konsequenzen auf die Armen und deren Kinder. Arbeit und Ertrag sowie Stand und Besitz galten als Beweis für ein gottgefälliges Leben, Vorsehung und Erwählung (Jordan 2015:S. 32). Daraus entwickelte sich eine Arbeits- und Lebenshaltung, die Max Weber später als „protestantischen Arbeitsethos“ bezeichnete (Weber 1972, S.17 ff.). Das System der Armenkinderpflege war auf diese Weise mit Beginn der Neuzeit bewegender. Armut wurde gleichgestellt mit Arbeitsscheue und persönlichem Versagen. Unmenschliche Gesetze, „Erziehung“ in Zuchthäusern und grausame Repressalien galten Bettlern, Landstreichern und Arbeitslosen. Auch die Strafen für die Aussetzung von Kindern wurden verstärkt. Aber solche und andere Versuche wie die Geburtenkontrolle und das Heiratsverbot bewältigten nicht das Anwachsen der Zahl unversorgter Kinder. Besonders die Kinder der Armen waren nach dem dreißigjährigen Krieg in Not. Sie mussten in Produktionsstätten habgieriger Unternehmer zu arbeiten, da die Möglichkeit der Ausbeutung bei diesen hilflosen Arbeitskräften grenzenlos war und den Wohlstand des Landes und der Herrscher sicherte (Jordan 2015: S.33).
2.2 Das derzeitige Kinderleben
Die 1694 von August Hermann Francke (1663-1727) gegründeten Hallesche Anstalten erinnerten im Aufbau den Zuchthäusern nur mit pietistischem Hintergrund. In diesen Zuchtanstalten kam es nicht so sehr auf Ausbeutung an, wie es eigentlich durch den Staat legitimiert war, vielmehr sollten die Kinder unter ständiger Aufsicht in „christlicher Demut und in unbedingter Unterordnung und Fleiß, die natürliche Eigenwilligkeit des Menschen gebrochen“ werden (zit. nach Kuczynski/Hoppe 1958, Band II). Beten und Arbeiten galten als die einzigen Möglichkeiten „der Bösartigkeit des Kindes entgegenzuwirken (...), während das Spiel als Müßiggang, der aller Laster Anfang ist, verboten war (...)“ (Blankertz, 1982, S.51). Mit 3000 Schülern entwickelte sich Halle zu einer Waisen-, Schüler-, und Studentenstadt. Franckes Stiftungen zeigte eine ziemlich große Nachfrage auf, woraufhin weitere Anstalten mit halbwegs noch härteren Erziehungsmaßnahmen angelegt wurden. Ein üblicher Tagesablauf in solch einer Anstalt bestand aus fünf Stunden Unterricht, sechs Stunden körperlicher Arbeit und drei Stunden Andachtsübungen (Jordan 2015: S.35)
Der Aufklärungspädagoge Gotthilf Salzmann betitelte die Situation der Waisenhäuser und Kinderanstalten seiner Zeit als solche, in denen die Kinder „in Not und Verkommenheit“ lebten und die Atmosphäre „durch eine Mischung aus Arbeit, Prügel und Frömmelei“ (Salzmann 1783) bestimmt wurde. Der Arbeitstag war für Kinder und Erwachsene gleichermaßen lang und hart. Es galten dieselben Arbeitsbedingungen. Beginn der Arbeit war fünf Uhr morgens bis acht Uhr abends, die einzigen Unterbrechungen waren karge Mahlzeiten und Gebetsstunden.
2.3 Private Kinder- und Jugendfürsorge im 19. Jahrhundert
Vor allem die Arbeiterkinder gerieten auf Grund der Industrialisierung in Not. Aber nicht nur die Arbeiterkinder, sondern auch Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge litten an der finanziellen Lage der Städte, da essenzielle Reformen im Schulwesen und allgemein karikativen Erziehungsinstitutionen verhindert wurden. Auch die kirchlichen und privaten Hilfsorganisationen konnten dem nicht widersetzen und verringerten die öffentlichen Hilfeleistungen zum Ende des 19. Jahrhundert auf Armenpflegeleistungen, Waisenpflege, Pflegestellekontrolle und Zwangs-(Fürsorge)Erziehung. In dem wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Umschwung veränderte sich aber die Haltung zum Kind entscheidend. Trotz der belastenden und ausweglos scheinenden Einstellung der Kinder und Jugendlichen bildete sich um die Jahrhundertwende ein erster Zug, die Erziehungs- und Lebensbedingungen der Jugendlichen zu aufzuwerten. Dieser Beginn der Jugendhilfe wurde vorwiegend von der Frauenbewegung beschleunigt. Daraus entstand eine Art „Jugendfürsorgebewegung“, die die Jugendfürsorge „als außerfamiliäre und außerschulische Erziehung“ (Kress, 1997) verstand.
Das staatliche Engagement war, durch die Bevölkerungstheorien des Engländers Thomas Robert Malthus (1766-1834), die an den Sozialdarwinismus erinnern nicht mehr vorhanden. Zugleich entwickelten sich die privaten und religiösen Hilfsorganisationen zu stark bedürftigen Institutionen. Die „Rettungshausbewegung“ war die bedeutendste Organisation, die vorerst im süddeutschen Gebiet entstand. Die „Wehrli-Schule“, die 1799 von Philip Emanuel von Fellenberg gegründet und 1810 von Johann Jakob Wehrli übernommen wurde eignete sich als Vorbild. Heinrich Wiehern (1808-1881), als bedeutendster Vertreter der Rettungshausbewegung gründete 1833 in Horn bei Hamburg das „Rauhe Haus“. Durch die große Anerkennung und Erfolg knüpfte folgte danach das „Brüderhaus“, dass die erste sozialpädagogische Ausbildungsstätte in Deutschland war. Ziel von Wiehern war es, Not und Elend der Jugendlichen zu bekämpfen und dem Verfall der christlichen Staats-und Gesellschaftsordnung entgegenzuwirken. Wieherns Erziehungskonzepte implizierte familienähnlichen Charakter, Verteilung der Verantwortung, Verbindung von theoretischer Ausbildung und Werkbildung, sowie Integration der Freizeit in den Erziehungsprozess. Vor allem die Arbeitserziehung, wie z.B. eine handwerkliche Ausbildung spielte eine große Rolle. Man war jedoch angewiesen auf das Einverständnis der Erziehungsberechtigten, um in den Einrichtungen aufgenommen zu werden, dadurch konnten straffällige Kinder- und Jugendliche die unter der Kontrolle der Armenpolizei standen, diese „Ressource“ nicht nutzen. Sie wurden stattdessen den Armen- und „Corrections“-Anstalten überführt.
Parallel dazu entstanden im 19. Jahrhundert auch die ersten Einrichtungen für Behinderte, Armen- und Mädchenschulen, Kinderschutzkommissionen und Jünglingsvereine. Auch die Wurzeln des Kindergartens fallen in diese Zeit. Hier stand die kindliche Persönlichkeit im Vordergrund, die von qualifizierten Berufserziehern gefördert werden sollte (Jordan 2015: S.41)
2.4 Begrenzung der Kinderarbeit
Kindern unter 14 Jahren oder noch schulpflichtigen Kindern war die Kinderarbeit eine regelmäßige Beschäftigung in Gewerbe, Land- oder Hauswirtschaft. Sie dehnte sich Ende des 18. Jahrhunderts mit Beginn der Industrialisierung aus und hatte schwere gesundheitliche und moralische Schädigungen der Kinder zur Folge. Bekämpft wurden die Auswüchse der Kinderarbeit zuerst in Preußen durch das „Regulativ über die Beschäftigung von Jugendlichen in Fabriken“ vom 6. April 1839, dann durch die gesetzlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung und das Kinderschutzgesetz von 1903. Für Kinder unter neun Jahren sowie Kinder unter sechzehn Jahren, die noch keinen dreijährigen Schulunterricht erhalten hatten, galt dieses Arbeitsverbot. Die Arbeitszeit wurde auf zehn Stunden täglich beschränkt und die Nacht- und Sonntagsarbeit wurde für unter sechzehnjährige verboten.
2.5 Die Situation der Jugendlichen in der Weimarer Republik
In der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden abgesehen von kirchlichen Jugendverbänden auch andere bürgerlich-nationale Bildungs- und Erziehungsvereine. Auch den Institutionen bedeutete die gesellschaftliche und nationale Erziehung, sinnvolle Freizeitausfüllung, berufliche Fortbildung, religiössittliche Beeinflussung etc. sehr viel. Die präventiven Maßnahmen einer Verwahrlosung der Jugendlichen spielten eine große Rolle, viele verschiedene Neuansätze der Erziehung entwickelten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die deutsche Jugendbewegung war an dieser Stelle recht prägend. Diese händigte sich durch „die Entdeckung der Natur und des Wanderns; die Entdeckung der jugendlichen Gleichaltrigengruppe als besonderen Erlebnis- und Selbsterziehungsbereich (...)“ (Giesecke, 1982) aus.
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