Englisch in der Grundschule: Vergleich der Konzepte und deren schulpraktischer Umsetzung in Hamburg und Schleswig-Holstein


Examensarbeit, 2001

49 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geschichtlicher Rückblick

3 Warum sollte Englisch in der Grundschule unterrichtet werden?
3.1 Wissenschaftliche Begründungen
3.1.1 Entwicklungspsychologische Begründung
3.1.2 Physiologische Begründung
3.1.3 Anthropologische Begründung
3.1.4 Pädagogische Begründung
3.2 Warum die englische Sprache?

4 Das Hamburger Konzept "Englisch ab 3. Schuljahr"
4.1 Der Hamburger Schulversuch
4.2 Organisation und Ziele des Konzepts "Englisch ab 3. Schuljahr"

5 Das Konzept in Schleswig-Holstein "Begegnung mit Sprache"
5.1 Bisherige Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule in Schleswig-Holstein
5.2 Organisation und Ziele des Konzepts "Begegnung mit Sprache"

6 Vergleich der Konzepte

7 Erfahrungen aus der Praxis
7.1 Auswertung der Fragebögen in Hamburg
7.2 Hospitationen und Gespräche mit Lehrern in Hamburg
7.3 Auswertung der Fragebögen in Schleswig-Holstein
7.4 Hospitationen und Gespräche mit Lehrern in Schleswig-Holstein

8 Vergleich der praktischen Umsetzungen

9 Abschließende Betrachtung
Literatur
Anhang

1 Einleitung

Fremdsprachenunterricht in der Grundschule ist in einigen Bundesländern Deutschlands schon seit Jahren flächendeckend und verpflichtend eingeführt worden, während andere Bundesländer noch hinterherhinken. Fremdsprachen werden immer mehr von der Berufswelt, Politik und Wirtschaft verlangt.

Erst vor einigen Wochen hat Gerhard Schröder in der Zeitschrift SPIEGEL zum Thema "Was müssen Schüler heute können?" seine Überlegungen für die Lehrpläne der Zukunft kundgetan: "Recht, Medizin, Gesundheit, Technologie, Medien, Ökologie, Ökonomie - das seien ´Lernfelder der Zukunft`. Dazu Sprachen, Sprachen, Sprachen, vor allem Englisch als Zweitsprache, (...)". (SPIEGEL, 14/2001, S.72)

Doch wie wird dieser Forderung in den einzelnen Bundesländern nachgegangen? Nicht alle Bundesländer investieren so viel Geld in zusätzliche Stunden und Lehrer für Englischunterricht ab der 3. Klasse wie z.B. Hamburg. Schleswig-Holstein ist ein Beispiel für ein Bundesland, dass versucht dieser Forderung ohne zusätzliche finanzielle Mittel gerecht zu werden. (Brusch, 1993(b), S. 45)

In der vorliegenden Arbeit möchte ich die beiden Konzepte zu Englisch in der Grundschule in Hamburg und Schleswig-Holstein aus theoretischer und praktischer Sicht vergleichen. Die Arbeit lässt sich in mehrere Abschnitte gliedern. Zuerst möchte ich auf die Entwicklung des frühen Fremdsprachenunterrichts in einem geschichtlichen Rückblick eingehen. Daraufhin werde ich unter Punkt 3 die verschiedenen Begründungen für Englisch in der Grundschule vorstellen, da teilweise immer noch die Meinung vertreten wird, dass Fremdsprachenunterricht ab der 3. Klasse zu früh ist.

Unter Punkt 4, 5 und 6 werde ich das Hamburger Konzept "Englisch ab Klasse 3" und das Schleswig-Holsteinische Konzept "Begegnung mit Sprache"[1] vorstellen und vergleichen. Hierbei geht es mir darum, die Organisation und Ziele der Konzepte darzustellen und die Unterschiede aufzuweisen. Auf Konzepte anderer Bundesländer, z.B. das Konzept "Lerne die Sprache des Nachbarn", wie es im Saarland und Rheinland-Pfalz genannt wird, werde ich nicht weiter eingehen, weil dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde .

Anschließend gehe ich auf die praktische Umsetzung der Konzepte in verschiedenen Schulen ein. Hierfür habe ich 8 Grundschulen in Hamburg und Schleswig-Holstein besucht, habe dort bei Englischstunden hospitiert und mit Lehrern[2] über ihre Erfahrungen gesprochen. Eine abschließende Betrachtung unter Punkt 9 soll versuchen, die im Verlauf dieser Arbeit gemachten Beobachtungen zusammen zu fassen.

2 Geschichtlicher Rückblick

Das Thema Englisch in der Grundschule wird seit ein paar Jahren vermehrt diskutiert, doch ist die Idee, Englisch vor Beginn der Sekundarstufe zu unterrichten nicht neu. In den USA wurden kurz nach dem Ersten Weltkrieg die ersten Versuche mit Fremdsprachenunterricht in der Grundschule durchgeführt. Zur Zeit der Weimarer Republik wurde auch in Deutschland über Fremdsprachen in der Grundschule nachgedacht und die privaten Waldorfschulen führten 1920 Englisch und Französisch als Unterrichtsfächer ein. Die Schüler/innen lernten dort bereits ab der 1. Klasse zwei Fremdsprachen gleichzeitig.[3] (Gompf, 1995, S. 436)

Staatliche Schulen begannen in der Zeit der Reformpädagogik versuchsweise mit Englisch bzw. Französisch ab der 3. Klasse. Der Unterricht wurde hier schon inhaltlich und methodisch den Bedürfnissen der Grundschule angepasst. Mit Beginn des Dritten Reiches wurden aus politischen Gründen alle Versuche eingestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Fremdsprachenunterricht durch die USA, durch die Modern Language Association und durch Publikationen renommierter Wissenschaftler wiederbelebt. In Europa war Schweden Mitte der 50er Jahre das erste Land, das mit dem Projekt "English without a Book" den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule wieder aufnahm. (Gompf, 1995, S. 436)

In den 50er Jahren führte auch die damalige DDR Russischunterricht für leistungsstarke Schüler/innen ab Klasse 3 ein. In gesonderten Klassen erhielten diese Schüler/innen 5 und später 4 Stunden Russischunterricht in der Woche. Anfang der 60er Jahre führten Frankreich und England Projekte zum Fremdsprachen- Frühbeginn durch. (Gompf, 1995, S. 436-437)

Durch Konferenzen der UNESCO und Bemühungen des Europarates wurde auch von anderen Ländern Europas der frühe Fremdsprachen- unterricht aufgegriffen.

Schweden führte 1972 Englisch für alle Schüler/innen ab Klasse 3 ein, Finnland und Norwegen folgten mit wahlweise Englisch oder Russisch ab 3. Klasse. In Österreich wurde Englisch ab 3. Schuljahr 1978 zum verpflichtenden Unterrichtsfach und auch Ungarn zog mit, wobei sie vorerst in Klasse 4 mit dem Fremdsprachenunterricht begannen.

1992 führte Italien wahlweise Englisch, Deutsch oder Französisch für alle Grundschüler obligatorisch ein. In Spanien wurde Englisch oder Französisch 1993 zu einem verbindlichen Unterrichtsfach ab 3. Klasse. Ab 1995 wurde auch in Frankreich flächendeckend Fremdsprachen- unterricht ab der 3. Klasse angeboten. (Gompf, 1995, S. 436-437)

In der Bundesrepublik begannen in den 60er Jahren die ersten Versuche mit Fremdsprachenunterricht in der Grundschule. In den 70er Jahren kam es durch eine Empfehlung der Kultusministerkonferenz "Strukturplan für das deutsche Bildungswesen" von 1970, den Lernbereich "Fremdsprache" in der Grundschule zu erproben, zu einer Intensivierung der Versuche. (Gompf, 1995, S.437)

Aufgrund negativer Resultate einer britischen Studie über Französischunterricht ab der 3. Klasse in Großbritannien, wurde die Reform Ende der 70er Anfang der 80er Jahre beendet. Diese Studie der Nuffield Foundation For Educational Research (NFER)[4] ist das Resultat eines zehn Jahre umfassenden Pilotprojektes, das 1963 in England und Wales ins Leben gerufen wurde. Das Projekt "French in the Primary School" war der größte, jemals in Großbritannien angelegte Versuch mit Fremdsprachen im Grundschulalter, nachdem es schon viele kleinere Versuche gegeben hatte. Der Abschlußbericht des Projektes fiel negativ aus. Doyé und Lüttge geben die Ergebnisse wie folgt wieder:

"Abgesehen von einem statistisch zwar signifikanten, aber geringfügigen Unterschied im Hörverständnis, unterschieden sich die Leistungen der Schüler, die mit acht Jahren Französisch zu lernen begonnen hatten, langfristig nicht von denen der Schüler, die zum üblichen Zeitpunkt, also mit elf Jahren mit dem Französischunterricht angefangen hatten." (Doyé/Lüttge, 1977, S. 119)

Fast zeitgleich wurde in Braunschweig eine Langzeitstudie mit Englisch in der Grundschule durchgeführt. Der Versuch begann 1970 im Raum Braunschweig in 12 Grundschulen und 10 weiterführenden Schulen und erstreckte sich über fünf Jahre. Das Ergebnis der Studie war, "daß am Ende des 7. Schuljahres die Gesamtgruppe der Schüler, die im 3. Schuljahr mit dem Englischunterricht begannen, Leistungsvorteile gegenüber jenen besitzen, die erst mit dem Übergang zu weiterführenden Schulen Englischunterricht erhielten." (Doyé/Lüttge, 1977, S. 102)

Angesichts dieser Studie und der positiven Resonanz der Eltern und Lehrkräfte, wurde Fremdsprachenunterricht ab Klasse 3 von einigen Kultusministerien weiterhin geduldet. Zusätzliche Stunden wurden jedoch nicht mehr zur Verfügung gestellt. (Gompf, 1995, S. 438)

Einen neuen Aufschwung erhielt die Fremdsprachen-Frühbeginn-Diskussion Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Neben pädagogischen und lernpsychologischen Überlegungen spielte hier vor allem die veränderte politische Situation in Europa eine Rolle. Das Zusammenwachsen Europas brachte die Notwendigkeit vermehrter fremdsprachlicher Kompetenzen mit sich. Überdies war die bisher muttersprachlich geprägte deutsche Grundschule durch den Zuzug von Ausländern und Umsiedlern zunehmend zu einem Ort multikultureller Erziehung geworden. (Jaffke 1994, S. 23-24 und Sauer, 2000, S. 2)

Aber nicht nur das Zusammenwachsen Europas brachte die Notwendigkeit mit sich Englisch zu lernen, allgemein nahm die Kommunikation zwischen den Ländern und Kontinenten zu.

Im Zug dieser Veränderungen begann fast jedes Bundesland, eigene Modelle des Fremdsprachenlernens in der Grundschule zu erarbeiten. Mittlerweile sind alle Bundesländer daran interessiert Fremd- sprachenunterricht ab der 3. Klasse anzubieten, und einige haben es bereits flächendeckend eingeführt. Später werde ich noch näher auf die Konzepte in Hamburg und Schleswig-Holstein eingehen.

3 Warum sollte Englisch in der Grundschule unterrichtet werden?

Fremdsprachenunterricht der im herkömmlichen Sinne erst ab der 5. Klasse erteilt wird, ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Gründe, die für Fremdsprachenunterricht in der Grundschule genannt werden, sind bei den verschiedenen Schulversuchen zu diesem Thema im Prinzip alle ähnlich. Im Folgenden werden hier die wichtigsten Begründungen dargestellt, die auch für das Hamburger und schleswig-holsteinische Konzept ausschlaggebend sind.

Ein häufig genannter Grund für Fremdsprachenunterricht in der Grundschule bezieht sich auf das vereinte Europa. Hierbei geht es vor allem um die Konkurrenzfähigkeit auf dem europäischen Markt durch bessere Kenntnisse von Fremdsprachen. Dabei wird, wie G. Gompf es ausdrückt, "sprachliche Kompetenz über die nationalen Grenzen hinaus zu einer unverzichtbaren Grundlage der beruflichen Qualifikation" (1990, S. 82). Das Erlernen einer Fremdsprache trägt auch zum Verständnis der einzelnen Kulturen und Nationen untereinander bei.

Das Zusammenwachsen der europäischen Länder sollte aber nicht als Hauptgrund für Englischunterricht in der Grundschule angesehen werden, denn auch Staaten die nicht in der EU sind unterrichten Englisch in der Grundschule. Wenn es die EU nicht geben würde, würde dann kein Englisch mehr in der Grundschule unterrichtet werden? Ich denke nicht, dass das der Fall wäre. Englisch ist nicht nur in Europa die verbreitetste Handelssprache, sondern weltweit.

Aus der Forderung nach einer größeren Sprachkompetenz in einem gemeinsamen Europa ergibt sich auch die Forderung nach mehr kultureller Verständigung in der multikulturellen Gesellschaft. Die Tatsache, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben, erfordert ein möglichst frühes Einführen in fremde Kulturen und Sprachen, idealer weise durch Fremdsprachenunterricht in der Grundschule. "Die Begegnung mit einer fremden Sprache ermöglicht zugleich die Begegnung mit einer fremden Kultur. Die Kinder erfahren, daß die Bedeutung von Wörtern und die Bezeichnung von Dingen und Handlungen jeweils kulturspezifisch geprägt sind. Auf diese Weise wird der Fremdsprachenunterricht zu einem wichtigen Baustein interkulturellen Lernens." (BSJB, 1995, S.1)

Diese Argumente lassen die Sprachwahl zunächst außer Acht und für eine reine Begegnung mit verschiedenen Sprachen während der Grundschulzeit sind es durchaus anstrebenswerte Ziele. Doch durch das Lernen einer Sprache lernen die Schüler nicht automatisch Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Es kommt dabei immer sehr auf die Art des Fremdsprachenunterrichts an.

Immer mehr Fachleute sind sich einig, dass das bisherige Durchschnittsalter der Schüler/innen von 12 Jahren bei Beginn des Fremdsprachenunterrichts eine sehr ungünstige Phase ist. Wissenschaftliche Untersuchungen und internationale Erfahrungen zeigen, dass ein früher Fremdsprachenerwerb erfolgversprechender ist als ein späterer Beginn. Dennoch sollte der Fremdsprachenunterricht nicht in der 1. Klasse beginnen, sondern erst in der 3. Klasse, weil dann die Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben der Muttersprache vorhanden sein sollten und die Schüler/innen nicht überfordert werden. (Brusch, 1993 (a), S. 94 u. Stasiak, 2000, S.18)

"Practically speaking, most German children learn to read and write in their mother tongue in first class, and it would seem impractical and confusing to start learning a FL [foreign language] at this time." (Fröhlich-Ward, 1993, S. 2)

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Schüler/innen in der Grundschule von ihren geringen sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, in der neuen Sprache, nicht so schnell frustriert sind. "Kindern im Grundschulalter ist die Kluft zwischen Ausdruckswunsch und Ausdrucksvermögen noch nicht so bewusst, das heißt, sie sind trotz der begrenzten sprachlichen Möglichkeiten eher zufrieden. Der Frühbeginn könnte also die später zu beobachtende Diskrepanz verringern." (BSJB, 1. Rundschreiben, zitiert aus Brusch, 1994, S. 24)

Damit der frühbeginnende Fremdsprachenunterricht zu dem erwarteten Erfolg führt, müssen nach H. Sauer drei Grundvoraussetzungen gegeben sein:

1. Es muss grundschulgemäßes Lernen gesichert sein.
2. Es müssen sprachlich und methodisch qualifizierte Lehrkräfte unterrichten.
3. Es muss eine bruchlose Kontinuität des Lernens in den Sekundarschulen erfolgen. (Sauer, 2000, S. 3)

Darauf, ob diese Punkte in den Konzepten beachtet werden, gehe ich später unter 4. und 5. näher ein.

3.1 Wissenschaftliche Begründungen

Für das Vorziehen des Fremdsprachenunterrichts in die Grundschule gibt es noch weitere Begründungen. Die entwicklungspsychologische, physiologische, anthropologische und die pädagogische Begründung. Teilweise sind sich die Begründungen sehr ähnlich, dennoch möchte ich sie hier einmal getrennt vorstellen.

3.1.1 Entwicklungspsychologische Begründung

Eine Begründung für den Fremdsprachenunterricht in der Grundschule stützt sich auf die Entwicklungspsychologie.

Diese Begründung besagt dass, "Kinder unter 10 Jahren besonders günstige intellektuelle Fähigkeiten und emotionale Neigungen zu sprachlicher Erfahrung und Aktivität besitzen. Sie besitzen eine starke Imitationsfähigkeit, Freude am Artikulieren und Formulieren und eine hohe Kommunikationsbereitschaft." (Doyé, 1997, S.80)

Außerdem, hat die Hirnforschung gezeigt, dass Kinder Fremdsprachen nicht grundsätzlich besser oder leichter lernen als Erwachsene; "vielmehr ist es so, daß immer bestimmte Areale der Sprache in bestimmten Altersstufen aufgrund genetischer Veränderungen optimal erworben werden" (Götze, 1995, S. 72). L. Götze bezieht sich bei seiner Aussage, auf die vier entwicklungspsychologischen Stadien eines Kindes von Piaget:

- sensumotorisches Stadium (0 – 20 Monate)
- präoperationales Stadium (20 Monate – 7 Jahre)
- konkret-operationales Stadium (7 - 11 Jahre)
- formal-operationales Stadium (ab 11 Jahren)

Demnach können sich Schüler/innen bis zum 11 Lebensjahr eine Sprache ohne grammatische Hilfen besonders gut aneignen, da sie hinsichtlich Artikulation und Intonation bessere Fähigkeiten haben. Grammatisches Regelwissen lernt man hingegen besser im jugendlichen oder Erwachsenenalter. (L. Götze, 1995, S. 72)

3.1.2 Physiologische Begründung

Diese Begründung stützt sich auf die Gehirnforschung. Anhand von Untersuchungen mit Menschen nach einer Hirnläsion sind die Gehirnphysiologen Penfield und Roberts zu der Erkenntnis von Gesetzmäßigkeiten in bezug auf die Regeneration von sprachlichen Gehirnzentren gekommen.[5] Danach haben die sprachlichen Gehirnzentren ihre optimale Kapazität im Alter zwischen 1 und 9 Jahren. Somit müsste auch das Erlernen einer Fremdsprache in dieser Zeit beginnen. (Doyé, 1997, S. 80)

K. Vogel ist der Meinung, dass die natürliche Spracherwerbsfähigkeit mit Eintritt in das zweite Lebensjahrzehnt als Folge biologisch-physiologischer Veränderungen verloren geht und somit Erwachsene eine Zweitsprache nur noch unvollständig erwerben können. (Vogel, 1991, S. 540)

Gegen diese Begründung spricht, dass das Konzept eines optimalen Alters für Fremdsprachenerwerb nur dann berechtigt sei, wenn dieses Lernen in gleicher Weise stattfindet wie der Erstspracherwerb. Außerdem lässt diese Begründung außer acht, dass das Lernen von Fremdsprachen zu einem späteren Zeitpunkt mit Hilfe von planvoller Strukturierung und Kategorisierung ebenso möglich ist. (Doyé, 1997, S. 81)

3.1.3 Anthropologische Begründung

Diese Begründung stützt sich auf die natürliche Offenheit des jungen Menschen. Ab der Geburt ist jedes Kind in der Lage jede erdenkliche Sprache zu lernen, eben so ist es in der Lage in jeglicher Kultur aufzuwachsen und jegliche Religion oder Gesellschaftsformen anzunehmen. Diese Fähigkeit, die sozialen Normen anzunehmen nimmt mit der Zeit ab. Der Fremdsprachenunterricht sollte sich diese Offenheit für Neues nutzen. (Doyé, 1997, S. 80-81)

H. Stasiak schreibt dazu in ihrem Buch über Frühbeginn im Fremdsprachenunterricht: "Der frühkindliche Spracherwerbsprozess hat einen wichtigen Antrieb: Die hemmungsfreie Spontaneität des Kindes ermöglicht einen Einsatz von Unterrichtstechniken und Formen, welche im späteren Alter in folge von pubertären Entwicklungsprozessen nicht realisierbar sind. [...] Mit zunehmendem Alter verschwindet die hemmungslose Spontaneität in der Reaktion auf die äußeren Stimuli gefiltert durch die Erfahrung, durch die Einflüsse der Umgebung und durch das erworbene Wissen, aber auch durch Konventionen, welchen das Kind samt seinem gesellschaftlichen Milieu unterliegt." (Stasiak, 2000, S.16-17)

Als Lehrer/in sieht man sich bei achtjährigen Schülern[6] einer großen Offenheit in bezug auf eine fremde Sprache und Kultur gegenüber, da die Einbindung der Kinder in das eigene kulturelle Umfeld noch nicht ganz abgeschlossen ist. Diese Offenheit, Spiel- und Imitationsfreude sollte man für den Fremdsprachenunterricht nutzen. (Schwarz, 1998, S. 17)

3.1.4 Pädagogische Begründung

Pädagogisch müssen wir den Kindern von heute die nötige Hilfestellung für ein Leben in einer multikulturellen Welt geben. In einer Welt des 21. Jahrhunderts und einem zusammenwachsenden Europa begegnen Menschen ständig Gegenständen anderer Sprache, Kultur und Gesellschaft. Schüler/innen werden schon im Kindesalter mit Dingen wie Computerspielen, Musik und Internet konfrontiert. Die Schule sollte ihnen auch schon in der Grundschule bei der Bewältigung dieser Aufgaben helfen.

Die Grundschule von heute ist nicht mehr die traditionelle "Heimatschule und Muttersprachschule", die sich auf die eigene Gemeinde, Nation und Sprache konzentriert. "Vieles spricht dafür, daß auch die Grundschule der Gegenwart ihre Schülerinnen und Schüler die eigene Heimat kennen und schätzen und die eigene Sprache optimal zu beherrschen lehrt; aber wenn daneben nicht die Erziehung zur Achtung anderer Kulturen und die Beschäftigung mit anderen Sprachen tritt, erfüllt die Grundschule ihre Aufgabe nicht mehr." (Doyé, 1997, S. 82)

3.2 Warum die englische Sprache?

Die Wahl des Englischen in Hamburg und Schleswig-Holstein findet seine Begründung darin, dass Englisch eine weltweit verbreitete Sprache ist. Englisch ist allgemeine Verkehrssprache, die Sprache der Technologie, der Wirtschaft, der Luftfahrt und der Touristik. Vor allem beherrscht Englisch die Musikszene sowie internationale Musik- und Rundfunksender, auch auf internationalen Kongressen und in den meisten Ländern wird Englisch gesprochen oder verstanden.

Schüler wollen häufig unbedingt Englisch lernen, weil sie schon ein bisschen Englisch aufgeschnappt haben aus Funk und Fernsehen, weil alle Hits auf Englisch gesungen werden oder weil sie ab der 5. Klasse Englisch in der Schule haben werden. Begriffe wie "kickboard", "jeans" oder im "Internet surfen" bürgern sich mehr und mehr in unserer Sprache ein, sie sind bereits Bestandteile im Leben eines Grundschülers. (Bebermeier, 1992, S. 10 u. Helfrich, 1990, S. 34)

Wichtig ist jedoch zu beachten, dass Begriffe, die aus dem Englischen kommen und in den deutschen Wortschatz aufgenommen wurden, von Schülern deutsch ausgesprochen werden. Man darf den Schülern nicht das Gefühl geben, sie könnten schon ganz viele englische Wörter, da es sich um Anglizismen handelt. So sagen z.B. Schüler/innen zu Camping ['kempIh] und nicht ['kæmpIh]. Schüler/innen müssen die aus dem Englischen entlehnten Wörter sozusagen neu, in englischer Aussprache erlernen.

Eltern wünschen die englische Sprache, weil sie einen hohen außerschulischen Gebrauchswert in dieser Sprache sehen und Englisch auch für die weitere schulische Laufbahn von Bedeutung ist. Außerdem ist Englisch "internationales Kommunikationsmittel und erschließt so jedem Sprecher - auch dem 6- bis 10jährigen - weltweit Handlungs- und Erfahrungsräume." (Bebermeier, 1992, S. 10)

Ein weiterer Grund für Englisch ist, dass die Möglichkeit der Fortführung auf weiterführenden Schulen weitestgehend gesichert ist.

In Schleswig-Holstein wird im Grenzgebiet zu Dänemark auch Dänisch angeboten und vereinzelte Schulen bieten auch Französisch an, die Fortführung in der Sekundarstufe ist jedoch nicht immer gesichert. Die Mehrheit der Schulen greift auf Englisch zurück, das mag auch daran liegen, dass es mehr Lehrer/innen mit Englischvorkenntnissen gibt. (Bericht der Landesregierung, S. 9)

[...]


[1] Ich habe die Bezeichnung "Begegnung mit Sprache" aus dem Bericht der Landesregierung, 2000 übernommen, in der abschließenden Betrachtung werde ich darauf noch genauer eingehen.

[2] Wegen der besseren Lesbarkeit, verzichte ich auf die Formulierung "Lehrerinnen und Lehrern", meine aber mit dem Ausdruck "Lehrern" sowohl die männliche als auch die weibliche Form.

[3] Weitere Informationen zum Fremdsprachenunterricht an Waldorfschulen in C. Jaffke, 1994.

[4] The Nuffield Foundation for Educational Research ist eine wohltätige Organisation, die sich für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und für Bildungsbelange einsetzt. Vgl. Rowlands 1974, S. 92.

[5] Mehr dazu in: Penfield, W./Roberts 1959.

[6] Wegen der besseren Lesbarkeit, verzichte ich auf die Formulierung "Schülerinnen und Schülern", meine aber mit dem Ausdruck "Schülern" sowohl die männliche als auch die weibliche Form

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Englisch in der Grundschule: Vergleich der Konzepte und deren schulpraktischer Umsetzung in Hamburg und Schleswig-Holstein
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)  (Institut für Anglistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
49
Katalognummer
V5210
ISBN (eBook)
9783638131803
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundschule, Englisch, Frühbeginn
Arbeit zitieren
Nadine Beste (Autor:in), 2001, Englisch in der Grundschule: Vergleich der Konzepte und deren schulpraktischer Umsetzung in Hamburg und Schleswig-Holstein, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5210

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