In der nun folgenden Arbeit wird versucht, einen ersten Einblick in die Theorie sozialer Systeme Niklas Luhmanns zu ermöglichen. Ein kurzer Umriss der allgemeinen Systemtheorie ist unerlässlich, um einen Einstieg in Luhmanns Werk zu finden, weshalb ich unter Punkt 3 einen solchen vornehme. Das eigentliche Thema der Hausarbeit, die Theorie selbstreferentieller Systeme, ist meines Erachtens nach erst verständlich, wenn man diese von Luhmanns Theorie funktional-struktureller Systeme abgrenzt, bevor schließlich das Konzept der Autopoiesis und seiner Übertragung auf soziale Gebilde erläutert wird. An Luhmanns Ansatz, soziale Systeme als selbstreferentiell-geschlossen zu betrachten, sind unmittelbar die Begriffe der Kommunikation und der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien gebunden, die Kommunikation erst ermöglichen. Da diese in einem sehr komplexen Zusammenhang zueinander stehen, habe ich sie in einem eigenen Unterpunkt zusammen behandelt, bevor ich abschließend Luhmanns Theorie sozialer Systeme einer kritischen Würdigung unterziehe.
Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann wurde am 08.12.1927 in Lüneburg geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg war er in einer öffentlichen Verwaltung tätig und befasste sich auch damals bereits sehr intensiv mit soziologischen und philosophischen Texten. 1960/61 studierte er Soziologie an der Harvard University, wo er als Schüler von Talcott Parsons auch mit dessen strukturell-funktionaler Theorie sozialer Systeme in Berührung kam, was ihn stark in seinem Schaffen prägte. 1968 wurde er schließlich Professor der Soziologie an der Universität Bielefeld.
Inhaltsverzeichnis:
1 Einleitung
2 Allgemeine Systemtheorie
3 Theorie sozialer Systeme
3.1 Die funktional-strukturelle Systemtheorie
3.2 Die Theorie autopoietischer Systeme nach Manturana und Valera
3.3 Die Autopoiesis psychischer Systeme
3.4 Soziale Systeme als selbstreferentielle Gebilde
3.5 Kommunikation und Medien
4 Kritische Würdigung
Literaturverzeichnis:
1 Einleitung
In der nun folgenden Arbeit wird versucht, einen ersten Einblick in die Theorie sozialer Systeme Niklas Luhmanns zu ermöglichen. Ein kurzer Umriss der allgemeinen Systemtheorie ist unerlässlich, um einen Einstieg in Luhmanns Werk zu finden, weshalb ich unter Punkt 3 einen solchen vornehme. Das eigentliche Thema der Hausarbeit, die Theorie selbstreferentieller Systeme, ist meines Erachtens nach erst verständlich, wenn man diese von Luhmanns Theorie funktional-struktureller Systeme abgrenzt, bevor schließlich das Konzept der Autopoiesis und seiner Übertragung auf soziale Gebilde erläutert wird. An Luhmanns Ansatz, soziale Systeme als selbstreferentiell-geschlossen zu betrachten, sind unmittelbar die Begriffe der Kommunikation und der symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien gebunden, die Kommunikation erst ermöglichen. Da diese in einem sehr komplexen Zusammenhang zueinander stehen, habe ich sie in einem eigenen Unterpunkt zusammen behandelt, bevor ich abschließend Luhmanns Theorie sozialer Systeme einer kritischen Würdigung unterziehe.
Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann wurde am 08.12.1927 in Lüneburg geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg war er in einer öffentlichen Verwaltung tätig und befasste sich auch damals bereits sehr intensiv mit soziologischen und philosophischen Texten. 1960/61 studierte er Soziologie an der Harvard University, wo er als Schüler von Talcott Parsons auch mit dessen strukturell-funktionaler Theorie sozialer Systeme in Berührung kam, was ihn stark in seinem Schaffen prägte. 1968 wurde er schließlich Professor der Soziologie an der Universität Bielefeld.
2 Allgemeine Systemtheorie
Luhmann ist Systemtheoretiker, was es in meinen Augen notwendig macht, einen kurzen Exkurs in die Entstehung und Begrifflichkeit der allgemeinen Systemtheorie vorzunehmen.
Die heutige Systemtheorie entwickelte sich vor allem aus der Kritik der Biologie an der Physik. In dieser Wissenschaft wurden, ausgehend von allgemeinen Gesetzen die konkreten Einzelphänomene beschrieben und erklärt. Für die Biologie als eine Wissenschaft des Lebens (genauso wie für die Soziologie auch) war dieses deduktive Schlußverfahren nicht praktikabel, da sich Leben nicht auf die isoliert beschreibbaren physikalischen und chemischen Vorgänge reduzieren läßt. Vielmehr ist es hier nötig, eine Vernetzung der Einzelphänomene vorzunehmen. Diese Erkenntnis des Zoophysiologen Ludwig von Bertalaffy führte zu einem Paradigmenwechsel vom Einzelphänomen hin zum System.1) Der Begriff System bedeutet demnach die "Ganzheit einer Menge von Elementen und deren Relationen zueinander."2) Diese Ganzheiten sind immer mehr als die bloße Summe ihrer einzelnen Teile, da ihre Beziehungen zueinander ebenfalls in das System einfließen und dieses mit ausbilden.
Es zeigt sich also, dass der wesentliche Gegenstand der Systemtheorie in der Organisationsform der komplexen Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Elementen liegt.3)
Mit der Definition des Systembegriffs geht eine weitere Unterscheidung einher: die Trennung in geschlossene und offene Systeme. Ein geschlossenes System ist stets binnenstabil und verändert sich nach Erreichen eines Gleichgewichtszustandes nicht mehr weiter. Es unterhält keine Beziehungen zu seiner Systemumwelt, was bedeutet, dass Umweltveränderungen das System nicht beeinflussen, da es in sich geschlossen ist. Das impliziert allerdings, dass ein solches System auch nicht in der Lage ist, auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren und sich in seiner Existenz an ihnen auszurichten.
Im Gegensatz dazu steht ein offenes System in ständiger Austauschbeziehung zu seiner Umwelt. Das heißt, es findet ein dauernder Austausch und Wechsel der systemzusammensetzenden Elemente statt.
"Offene Systeme zeichnen sich (..) dadurch aus, dass sie ihre interne Organisation bei Umweltveränderungen selbst umstellen und nicht von außen kausal bedingt (..) bestimmt werden."4)
Diese Ansätze werden unter dem Paradigma der Selbstorganisation zusammengefaßt, das darauf abstellt, dass Systeme entsprechend ihrer Eigenlogik agieren und nicht allein von ihrer Umwelt gesteuert werden.5) Damit verbunden ist der Gedanke, dass sich Systeme selbst erhalten und entsprechend ihrer inneren Dynamik selbst steuern. Dieser Ansatz wird durch das Konzept der Autopoiesis beschrieben. Dieses Theoriegebilde, welches Niklas Luhmann in seine Theorie sozialer Systeme eingearbeitet hat, werde ich bei Punkt 4.2. noch näher erläutern.
3 Theorie sozialer Systeme
Der grundlegende Begriff bei Luhmann ist der des Systems. Er geht grundsätzlich von offenen Systemen aus, die in Wechselbeziehungen zu ihren Umwelten stehen, wobei die Umwelt stets komplexer ist als das System. Das bedeutet, es bestehen Systemgrenzen, die durch die spezifischen Unterschiedlichkeiten der Beziehungen der einzelnen Systemelemente konstituiert werden und welche System und Umwelt gegeneinander abgrenzt.6) Somit besteht eine Leitdifferenz bezüglich der Komplexität von Systemen und ihren Umwelten.
Die Abgrenzung gegen die Umwelt ist wichtig, für die Selbstwahrnehmung des Systems als solches; das heißt sie ist unbedingt erforderlich für seine Konstituierung.
Luhmanns Theorie sozialer Systeme läßt sich in zwei Hauptabschnitte einteilen, die nun im Folgenden getrennt voneinander behandelt werden, um Entwicklungsschritte aufzuzeigen und diese verständlich zu machen.
3.1 Die funktional-strukturelle Systemtheorie
Wie vorab bereits festgestellt, wurde Niklas Luhmann grundlegend von Talcott Parsons strukturell-funktionaler Systemtheorie beeinflußt, die soziale Systeme mit bestimmten, feststehenden Strukturen definiert und von diesen ausgehend nach deren funktionalen Leistungen fragt, die für die Gewährleistung des Fortbestandes des sozialen Gebildes notwendig sind.7) Dadurch, dass Parsons diese Strukturen als gegeben voraussetzt, ist er nach Luhmann nicht in der Lage, diese zu problematisieren und zu untersuchen.8) Außerdem wird Parsons vorgeworfen, mit seiner Theorie einen "heimlichen Konservatismus" zu unterstützen, da sein oberstes Bezugsproblem die Bestandserhaltung des sozialen Systems ist.9)
Diese Kritik ist Luhmanns Ansatzpunkt. Um die Mängel in Parsons Theorie zu überwinden, ordnet er den Funktionsbegriff dem Strukturbegriff vor. Seitdem spricht man nun von der funktional-strukturellen Systemtheorie. Durch diese Umordnung hebt Luhmann "den Funktionsbegriff von der Ebene sozialer Systeme ab, um so auch nach der Funktion von Systemstrukturen fragen zu können."10) Mit der Umstellung der Begriffe Struktur und Funktion ist verbunden, dass ein nicht-normativer Begriff des Sozialen formuliert wird, da Luhmann nicht mehr davon ausgeht, dass ein verbindliches, kollektives Wertmuster innerhalb sozialer Gebilde besteht. Das heißt, dass "soziale Systeme nicht länger anhand bestimmter Wert- und Strukturmuster definiert werden."11) Luhmann versteht unter einem sozialen System vielmehr einen "Sinnzusammenhang von aufeinander verweisenden sozialen Handlungen, der sich [dadurch] von seiner Umwelt abgrenzt"12). Das heißt, alle Handlungen, die sinnhaft miteinander verbunden sind, gehören zu dem jeweiligen sozialen Gebilde, die anderen gehören zu seiner Umwelt.
Des weiteren verneint Luhmann, dass soziale Systeme auf spezifische, nicht ersetzbare Leistungen angewiesen sind, sondern er behauptet, dass ein System nicht aufhören muß zu existieren, nur weil bestimmte Systemleistungen ausfallen. Er ersetzt somit den Kausalfunktionalismus Parsons durch den Äquivalenzfunktionalismus, was bedeutet, dass sich seiner Meinung nach funktionale Analysen an dem Zusammenhang zwischen Systemproblemen und deren Lösungen orientieren.13)
Luhmann setzt hier nun einen neuen höchsten Bezugspunkt der funktionalen Analyse, indem er nicht länger den Systembestand als diesen annimmt,14) sondern vielmehr die Welt an sich als solchen bezeichnet. Das erklärt er damit, dass die Welt weder System noch Umwelt eines Systems ist, sondern die Einheit aller Systeme und Umwelten. Genaugenommen muß man die Festlegung des Bezugsproblems noch enger umreißen und zwar derart, dass die "Komplexität der Welt" als dieses anzusehen ist.
"Komplexität meint zunächst die Gesamtheit der möglichen Ereignisse und Zustände: Etwas ist komplex, wenn es mindestens zwei Zustände annehmen kann. Mit der Zahl der Ereignisse steigt auch die Zahl der zwischen ihnen möglichen Relationen und zugleich steigt die Komplexität."15)
Der Mensch ist allerdings nicht in der Lage, die unbegrenzte Komplexität der Welt vollständig zu begreifen, da er nur über begrenzte Komplexitätsverarbeitungskapazität verfügt. Genau hier liegt demnach die Funktion sozialer Systeme; nämlich in der "Reduktion der Komplexität", indem sie Möglichkeiten ausschließt, die nicht im System auftreten können. Somit bilden soziale Systeme "Inseln geringer Komplexität in einer überkomplexen Welt"16). Die Grenze zwischen System und Umwelt entspricht demzufolge einem Komplexitätsgefälle, bei dem das System immer weniger komplex ist als seine Umwelt.17)
[...]
1) Vgl. Kneer, Georg und Armin Nassehi: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung. 3. völlig unveränd. Aufl., München 1997, S. 17 ff.
2) ebenda, S. 25.
3) vgl. ebenda, S. 21.
4) ebenda, S. 23.
5) Bei der Erklärung dieses Ansatzes wird viel mit kybernetischen Denkmodellen gearbeitet. Kybernetik ist die "Lehre vom Verhältnis von Kontrolleur und Kontrolliertem. [Sie] untersucht Rückkopplungseffekte von Prozessen auf diese Prozesse". (ebenda, S. 25.)
6) Willke, Helmut: Systemtheorie. Stuttgart 1991, S. 194.
7) vgl. Kneer, Nassehi: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, S. 36.
8) vgl. Mikl-Horke, Gertraude: Soziologie. Historischer Text und Theorie-Entwürfe. 3. völlig überarb. und erw. Aufl., München, Wien 1994, S. 276.
9) vgl. Kneer, Nassehi: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, S. 36.
10) Mikl-Horke: Soziologie, S. 286.
11) Kneer, Nassehi: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, S. 38.
12) ebenda, S. 46.
13) "Äquivalenzfunktionalismus ist der Begriff für eine vergleichende Methode, die ausgewählte Bezugsprobleme daraufhin untersucht, durch welche funktionalen Äquivalente eine Problemlösung ermöglicht wird." (ebenda, S. 46.)
14) vgl. hierzu Talcott Parsons bereits erwähnten Ansatz der strukturell-funktionalen Theorie.
15) Kneer, Nassehi: Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme, S. 40.
16) ebenda, S. 41.
17) vgl. ebenda, S. 39 ff.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Soz. Susanne Dera (Autor:in), 1998, Die Theorie selbstreferentieller Systeme bei Niklas Luhmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52253
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