Der Uses and Gratifications Approach


Seminararbeit, 2002

33 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Die Anfänge der Medienwirkungsforschung

3. Der Stimulus-Response-Ansatz

4. Die Entwicklung des Uses-and-Gratifications-Ansatzes

5. Hertha Herzog:"What Do We Really Know About Daytime Serial Listeners?"

6. Einordnung des Ansatzes im wissenschaftlichen Diskurs:
6.1. Verhaltenstheoretische Soziologie
6.1.1 Die Neuentdeckung des Individuums
6.1.2 Homo SozioOeconomicus
6.1.3 Begrenzte Rationalität
6.2 Verortung und Bewertung

7. Die Uses and Gratifications – Forschung in den siebziger Jahren

8. Die Israel-Studie als methodologisches Beispiel

9. Kritik

10. Fazit

11. Literaturverzeichnis

12. Anhang

1. Einleitung

Die folgenden Kapitel sollen einen Einblick in die Arbeiten des „Uses- and Gratifications Approach“ geben und dessen Entstehungsgeschichte erläutern.

Welche neuartigen Thesen stellte der Ansatz zur Diskussion? Welchen Bedarf gab es, die neuen Sichtweisen über das Publikumsverhalten zu etablieren? Wie lässt sich der Ansatz in die Forschungstradition einordnen?

Es soll vor allem Bezug auf die unterschiedlichen Forschungsepochen genommen, sowie deren Ziele und Entwicklung dargelegt werden.

Wer war an der publikumszentrierten Forschung beteiligt? Welcher Art gestalteten sich die Studien?

Ebenso soll der verhaltenstheoretische Bezugsrahmen, also die soziologische Basis herausgearbeitet werden. Welche Hintergründe bildeten also das Fundament des Ansatzes?

Abschließend werden in einer kurzen Kritik die Schwächen des Ansatzes angesprochen und es sollen Möglichkeiten seiner Anwendung angedacht werden.

2. Die Anfänge der Medienwirkungsforschung

Die Medienwirkungsforschung im heutigen Sinn befasst sich mit den Auswirkungen der Massenmedien auf deren Rezipienten. Um zunächst einmal zu klären, was eigentlich unter dem Begriff Massenmedien zu verstehen ist, sollen die heutigen Medien vor dem Hintergrund der folgenden Definition Maletzkes betrachtet werden:

Folgende Bedingungen müssen nach dieser Definition[1] erfüllt werden:

Massenmedien...

- ...sind technische Instrumente oder Apparate
- ... senden Aussagen öffentlich, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum
- "öffentlich" bedeutet, dass die Aussage für jeden frei verfügbar ist und keinem Teil der potentiellen Rezipienten vorenthalten werden kann
- "indirekt" weist darauf hin, dass Sender und Empfänger der Aussage in der Regel räumlich und zeitlich getrennt sind, Abgabe und Aufnahme der Informationen erfolgt also zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten
- "einseitig" , da der Anbieter den Inhalt der Kommunikation bestimmt, ohne dass der Empfänger eine Möglichkeit zur Rückmeldung auf demselben Kanal hat.
- "disperses Publikum" Die Empfänger einer Aussage sind zufällig verteilt, sie wechseln ständig. Der Anbieter hat keine Möglichkeit, den einzelnen Nutzer direkt zu identifizieren.

Betrachtet man diese Definition genauer, so wird schnell deutlich, dass Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften zu den Massenmedien zählen. Auch Bücher, etwa Romane, sind nach dieser Definition Maletzkes zu den Massenmedien zu rechnen.

Eine Tageszeitung etwa ist ein Apparat, der aus Mitarbeitern, Hierarchien, Organisationsstrukturen, Know-How und technischen Voraussetzungen besteht. Die erste Bedingung der Definition ist somit also erfüllt. Tageszeitungen sind öffentlich, da sie von jeder Person gekauft und gelesen werden können, Sender und Empfänger sind räumlich und zeitlich getrennt und die Leserschaft verändert sich im Lauf der Zeit, ist also dispers.

Exkurs:

Aus medientheoretischer beziehungsweise kommunikationswissenschaftlicher Hinsicht ist die Frage interessant, in welcher Art und Weise das Internet eingeordnet werden kann. Ist es ein Massenmedium, ist es ein Kommunikationsmedium oder ein "Neues Medium"?

Schon auf Anhieb wird deutlich, dass das Internet als Ganzes der oben genannten Definition nicht entspricht. Betrachtet man einige wesentliche Dienste, zum Beispiel E-Mails, so treffen die angeführten Bedingungen nicht zu, da der Sender den oder die Empfänger kennt, der Kanal zumindest theoretisch nicht öffentlich ist und da die Möglichkeit der direkten Antwort über den selben Kanal besteht. Chatforen als ein weiterer angebotener Dienst sind eine Form einer zweiseitigen, direkten Kommunikation, bei der eine Über- oder Unterordnung im Sinne eines Senders und eines Empfängers nicht erkennbar ist. Zudem verkehren in Chatforen häufig relativ konstante Nutzerkreise. News-Groups scheinen dagegen einige der Merkmale der Defintion Maletzkes aufzuweisen, da sich die Kommunikation öffentlich und indirekt an ein disperses Publikum wendet. Allerdings verfügt der Empfänger über die Möglichkeit, auf demselben Kanal eine Rückmeldung zu senden.

Im Gegensatz zu den bisher genannten Diensten scheint das WWW der Definition zu entsprechen, dieses soll im Folgenden am Beispiel einer Homepage gezeigt werden. Eine Homepage ist öffentlich, da der Sender im Allgemeinen wenige Möglichkeit hat, den Nutzerkreis einzuschränken. Der Inhalt der Kommunikation ist indirekt, weil Sendung und Empfang räumlich und zeitlich getrennt sind. Es besteht keine Möglichkeit der direkten Rückmeldung, da eine E-Mail an den Verfasser einer Homepage einen anderen Kanal nutzen würde. Somit scheint, wenigstens auf den ersten Blick, das WWW der Definition eines Massenmediums zu entsprechen, mit der zunehmenden technischen Entwicklung wird es jedoch immer leichter, die "Kommunikationsspuren" der Anwender zu verfolgen, so dass es damit einfacher wird, Nutzer zu identifizieren. Trotzdem lässt sich aber nie genau sagen, wer einen bestimmten Rechner bei einer bestimmten Aktion benutzt hat.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass das "Internet" als Ganzes nicht als Massenmedium bezeichnet werden kann, sondern nur massenmediale Elemente enthält. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Dienste einzeln zu betrachten und den Begriff "Internet" nur als allgemeinen Oberbegriff für die einzelnen Dienste zu betrachten.

Somit ist also geklärt, womit sich die Medienwirkungsforschung befasst. Man unterscheidet nunmehr verschiedene Medientheorien, die beispielsweise Professor Dr. Ernst Fischer vom Institut für Buchwissenschaft der Universität Mainz in seiner Rede bei der Kuratoriumssitzung des Bildungszentrums BürgerMedien e. V. am 19.6.2000 zu den folgenden drei Metatheorien zusammenfasst:

1. Die Medien haben eine extrem starke Wirkung, es gibt demzufolge einen direkten Zusammenhang zwischen Medienangebot und Medienwirkung.
2. Medien haben eine extrem schwache Wirkung, sie können allenfalls vorhandene Einstellungen verstärken, aber keine neuen Erzeugen.
3. Die dritte und - laut Prof. Dr. Fischer - aktuell am breitesten akzeptierte Theorie geht von einer selektiven Medienwirkung aus. Hier hängt eine konkrete Wirkung von vielen Faktoren ab, es gibt keine direkte Ursache - Wirkungs - Beziehung.

Der Uses and Gratifications Ansatz gehört in die zweite Gruppe, vor allem in den 40er Jahren und später in den 70er Jahren ist diese Theorie von vielen Psychologen, Soziologen und Kommunikationsforschern untersucht worden.

3. Der Stimulus-Response-Ansatz

Grundlage für diese Art der Forschung sind natürlich technische Entwicklungen, welche die Verbreitung von Massenmedien erst möglich machten. Hier ist zunächst die Erfindung der Schnellpresse zu nennen (1811 durch F.Koenig), die nach ihrer breiten Einführung um etwa 1850 zu einer rasanten Verbreitung von Tageszeitungen und damit auch Nachrichten führte. Ein nächster Meilenstein war die Erfindung des Radios um etwa 1920 und dessen schnelle Verbreitung, zum Beispiel durch den Volksempfänger in Deutschland um etwa 1935. Film und Fernsehen wurden zunächst durch Lichtspielhäuser und Wochenschauen an die Bevölkerung herangetragen, bevor sich um 1960 der heimische Fernseher in breiter Masse durchsetzte.

Zusammen mit diesen technischen Entwicklungen entstanden ab etwa 1900 die ersten Ansätze einer Kommunikationswissenschaft. Damals war der Behaviorismus, eine psychologische Forschungsrichtung, eine sehr verbreiteter wissenschaftlicher Zweig.

Sie wurde von John R. Watson begründet, der mit einer Studie über das Lernverhalten die Forschungsergebnisse des Nobelpreisträgers von 1904, Iwan Pawlow, bezüglich der bedingten Reflexe des Zentralnervensystems fortführte. Pawlow hatte mit dem bekannten Versuch der "Pawlowschen Hunde" die klassische Konditionierung entdeckt. Bei diesem Experiment verbanden Hunde bedingte Reize (einen Glockenschlag) mit unbedingten Reizen (bereitgehaltenes Fleisch). In der Folge reagierten die Versuchstiere auf den bedingten Reiz in der gleichen Weise wie auf den unbedingten Reiz.

Dieser Versuch gilt als die Grundlage der sogenannten Stimulus-Response-Theorie. Diese besagt, dass ein Tier immer mit einer bestimmten Reaktion (response) auf einen Reiz (stimulus) reagiert.

Auf dieses grundlegende Prinzip stützt sich der Behaviorismus, zu dessen wichtigsten Vertretern neben dem bereits genannten Watson auch Edward Thorndike (Laws of Learning) und später Skinner (operante Konditionierung) und Tolman zählten. Zusammenfassend geht der Behaviorismus als psychologische Forschungsrichtung davon aus, dass auf einen bestimmten Reiz eine bestimmte Reaktion erfolgt. Zu beachten ist, dass die Forschungsergebnisse aus den Tierversuchen auch auf menschliches Verhalten übertragen wurden. Gefühle und verschiedene äußere Einflüsse auf eine Person werden hierbei nicht beachtet, da sie wissenschaftlich nicht beweisbar sind.

Der frühe Behaviorismus ist als reine Reiz-Reaktions-Psychologie zu verstehen, der die dazwischen ablaufenden, nicht beobachtbaren Vorgänge unberücksichtigt ließ. Der spätere Neobehaviorismus hat die intervenierenden Variablen (TOLMAN) mit einbezogen, um auch die nicht direkt beobachtbaren Vorgänge im Organismus in den theoretischen Ansatz mit einzubeziehen. Der behavioristische Grundsatz wird dabei nicht verletzt, da die intervenierenden Variablen nur als theoretische Konstrukte angesehen werden. Diese Konstrukte werden durch die Versuchsbedingungen konkretisiert und stehen damit in direkter Beziehung zum beobachtbaren Geschehen (Reiz-Organismus-Reaktions-Psychologie).

Diese psychologischen Theorien bildeten die Grundlagen für die ersten Anfänge der Medienwirkungsforschung. Man ging somit beim Stimulus-Response-Ansatz davon aus, dass auf jeden Reiz, der durch die Medien ausgesendet wird, eine bestimmte Reaktion erfolgt, und zwar bei allen Rezipienten in gleicher Weise. Analog zu den Erkenntnissen des Behaviorismus gestand man den Rezipienten bei der Mediennutzung keine Gefühle und keine persönlichen Vorerfahrungen zu. Folgende Punkte waren Kernsätze dieses Ansatzes:

- Die Rezipienten eines Mediums reagieren in gleicher Weise auf einen Reiz
- Gefühle werden nicht beachtet
- Das persönliche soziale Umfeld wird nicht beachtet
- Das Publikum ist passiv
- Es gibt keine Wechselwirkungen zwischen einzelnen Individuen

Dieser Ansatz, zu den Theorien der wirkungsstarken Medien zählend, erhielt durch folgende Ereignisse der damaligen Zeit erhöhte Glaubwürdigkeit:

- Propaganda-Erfolge im ersten Weltkrieg
- Theodore Roosevelts Erfolge im amerikanischen Präsidentschaftskampf durch Ansprachen im Radio
- Propaganda in Deutschland zwischen 1930 und 1945

4. Die Entwicklung des Uses-and-Gratifications-Ansatzes

Wie man der Grafik im Anhang entnehmen kann, entwickelte sich die Richtung der Medienwirkungsforschung um etwa 1940 entscheidend. Es kam zu einer allmählichen Abwendung von der Theorie der wirkungsstarken Medien.

An einem Institut der Columbia University in New York wurden damals im Auftrage der Rockefeller Foundation verschiedene Studien über das Radioprogramm, die Radionutzung und das Verhalten der Hörer durchgeführt. Leiter dieser Studien beziehungsweise des zuständigen Instituts der Hochschule war Paul F. Lazarsfeld, der verschiedene Forschungsergebnisse unter dem Titeln "Radio Research" veröffentlichte. Die wichtigsten Mitarbeiter Lazarsfelds waren Bernhard Berelson, Hazel Gaudet und Hertha Herzog.

Die Studien des "Radio Research" Projektes bezogen sich jeweils auf aktuelle Thematiken, zum Beispiel waren 1941 "Radio creates a new music listener", "Radio and the press among young people" und "Radio comes to the farmer" die Themen der einzelnen Studien. Schon an den Titeln wird deutlich, dass man noch immer an die Metatheorie der wirkungsstarken Medien glaubt, denn schon in den Titeln wird ausgedrückt, dass die Aktivität vom Radio ausgeht (Das Radio kommt zum Farmer, Das Radio entwickelt neue Musikfans) und nicht vom Publikum. Dieses scheint den Auswirkungen der Medien ausgesetzt zu sein. In der Einleitung schreibt Lazarsfeld: "What effects does radio have upon whom and under what conditions?"[2] Hier wird zunächst nochmals deutlich, dass die Aktivität vom Medium ausgeht. Dennoch ist eine Entwicklung seitens des reinen Stimulus-Response-Ansatzes zu bemerken, da man unterschiedliche Effekte bei verschiedenen Personen und verschiedenen Bedingungen erwartet. Die unten abgebildete Tabelle zeigt an Hand von einigen Ergebnissen der Studie "Radio creates a new music listener", in welcher Art und Weise man versucht hat, innerhalb des Publikums durch den ökonomischen Hintergrund zu differenzieren.

[...]


[1] Berghaus: „Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft – sozialwissenschaftlich“, 1997 (S. 11)

[2] Lazarsfeld, Paul F.: “Radio Research”, New York 1941, S.XII

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Der Uses and Gratifications Approach
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Medien- und Kommunikationssoziologie
Note
2,3
Autoren
Jahr
2002
Seiten
33
Katalognummer
V5241
ISBN (eBook)
9783638131957
Dateigröße
1177 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Uses and Gratifications Approach Elihu Katz Blumler Medienwirkungsfoschung
Arbeit zitieren
Florian Jysch (Autor:in)Jennifer Bork (Autor:in)Lennart Hintz (Autor:in), 2002, Der Uses and Gratifications Approach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5241

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