Welche Bedeutung haben asymmetrische föderale Arrangements für den kanadischen Föderalismus?


Hausarbeit, 2005

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

Abstract

1. Einleitung

2. Asymmetrischer Föderalismus
2.1 Konzept
2.2 Ausprägungen und Beispiele

3. Bedeutung asymmetrischer Arrangements für den kanadischen Föderalismus

4. Die Sonderstellung Québecs und die Frage nationaler Einheit

5. Zusammenfassung und Ausblick

Conclusion

Anhang

Literatur

Abstract

Der kanadische Föderalismus steht im 21. Jahrhundert in zunehmendem Maße unter Anpassungs- und Reformdruck. Die Reformierung der föderalen Strukturen erfordert dabei auch die Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen des Föderalismus. Das Prinzip der Gleichheit der Gliedstaaten steht in diesem Kontext in einem Spannungsverhältnis mit so genannten asymmetrischen föderalen Arrangements, die in der politischen Praxis Kanadas weiter an Bedeutung gewinnen. Diese Hausarbeit stellt diese Formen des asymmetrischen Föderalismus in den Mittelpunkt und legt dabei besonderes Augenmerk auf deren Auswirkungen hinsichtlich des Konflikts um das Unabgängigkeitsstreben der Provinz Québec.

1. Einleitung

Das politische System Kanadas sieht sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts ebenso wie viele andere Nationen einem wachsenden Druck zur Reformierung seiner föderalen Strukturen gegenüber. Dies resultiert zum Einen aus der Veränderung der Rahmenbedingungen in einer globalisierten Welt und zum Anderen aus der seit langem schwelenden Krise um die nationale Einheit Kanadas. Die Bemühungen der Provinz Québec nach mehr Autonomie von der Bundesregierung in Ottawa und nach einer weiteren Verstärkung der Dezentralisierung stellen die bestehenden föderalen Arrangements vor große Herausforderungen. Im Zuge der Reformdiskussion geraten dabei vermehrt die Grundfragen des föderalen Systems in den Fokus des Interesses der Wissenschaft aber auch der Öffentlichkeit.

Föderale Systeme bestehen im Allgemeinen häufig aus einer Kombination von symmetrischen und asymmetrischen Arrangements. (Smith 2005: 2) Neben der prinzipiell meist unbestrittenen Annahme, dass die Gliedstaaten in einem föderalen System im Grunde gleichberechtigt nebeneinander stehen, bestehen immer auch asymmetrische Arrangements, die von diesem Grundsatz abweichen. Auch in Kanada stehen dem Prinzip der Gleichbehandlung der Provinzen eine Reihe von asymmetrischen Praktiken und konstitutionellen Bestimmungen gegenüber.

Diese Hausarbeit vertieft das Konzept des „Asymmetrischen Föderalismus“ und untersucht dessen Bedeutung für das föderale System Kanadas.

Zunächst wird in Kapitel 2 der Grundbegriff des “Asymmetrischen Föderalismus” definiert und an Hand einiger Beispiele aus der politischen Praxis Kanadas näher dargestellt. Diese Erläuterungen dienen als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen hinsichtlich der Bedeutung dieser asymmetrischen Arrangements für die Stabilität des kanadischen Föderalismus, die in Kapitel 3 skizziert wird. Kapitel 4 legt den Schwerpunkt auf die Sonderstellung Québecs in der kanadischen Föderation und diskutiert die Schwierigkeiten und Besonderheiten, die aus dieser Position für die gesamtstaatliche Einheit erwachsen. Kapitel 5 gibt eine Zusammenfassung der erörterten Thematik und schließt mit einem kurzen Ausblick auf die mögliche zukünftige Entwicklung asymmetrischer föderaler Arrangements innerhalb des kanadischen Föderalismus.

2. Asymmetrischer Föderalismus

Bevor auf die konkreten asymmetrischen Strukturen innerhalb des kanadischen Föderalismus eingegangen wird, erfolgt zunächst eine grundlegende Erläuterung des Begriffs „Asymmetrischer Föderalismus“. Es werden einige Beispiele für die verschiedenen Ausprägungen dieser Arrangements skizziert. Diese Darlegungen dienen als Basis für die weiteren Überlegungen in Bezug auf die Konsequenzen dieser asymmetrischen Arrangements für die Zukunft der föderalen Strukturen im Kanada des 21. Jahrhunderts.

2.1 Konzept

Die Erfassung des Konzepts des asymmetrischen Föderalismus erfordert das Verständnis für den grundlegenden Aufbau föderaler Systeme. In diesem Kontext können jedoch nur die für die weitere Thematik relevanten Aspekte näher beleuchtet werden. Wie Schultze (1998: 200 f.) zeigt, besteht im Föderalismus ein prinzipieller Gegensatz zwischen den differenzierten Zielvorstellungen der beteiligten föderalen Akteure. Auf der einen Seite stehen die Bewahrung der Vielfalt und politischen Selbstbestimmung, die sich vor allem in dem föderalen Systemen häufig inne wohnenden Prinzip der Subsidiarität[1] äußern. Auf der anderen Seite steht das grundsätzliche Streben nach einheitlichen Lebensverhältnissen sowie die Notwendigkeit politischer Integration (Schultze 2004: 193). Dieses „Spannungsverhältnis“, das häufig auch als Interessenkonflikt zwischen der Autonomie der Subeinheiten und der Aufrechterhaltung gesamtstaatlichen Effizienz charakterisiert wird, ist föderalen Systemen nicht nur inhärent, sondern kann häufig sogar als Motor föderaler Politiken begriffen werden. Föderalismus ist somit immer eine Gratwanderung zwischen Einheit und Vielfalt und asymmetrische Arrangements können generell als integraler Bestandteile föderaler Systeme angesehen werden.

Asymmetrie tritt nach Watts (2005: 2) auf, wenn signifikante Unterschiede im Grad der Autonomie und der Machtverteilung zwischen den das föderale System konstituierenden Gliedstaaten bestehen. Smith (2005 1f.) ergänzt die Definition dahingehend, dass die jeweiligen Einheiten im asymmetrischen Föderalismus gemäß der Verfassung und im Rahmen nationaler Politiken unterschiedliche Behandlungen erfahren.[2]

Dieser Begriffsbestimmung folgt die vorliegende Hausarbeit in ihrer Argumentation. Obwohl diese Definition zwar in ihrem Kern unbestritten ist, gibt es in der Literatur dennoch häufig geringe Abweichungen. Deshalb werden im Folgenden die verschiedenen Ausprägungen asymmetrischer Strukturen im Kontext des kanadischen Föderalismus noch einmal dargestellt.

2.2 Ausprägungen und Beispiele

Wie in Abschnitt 2.1 erläutert wurde, sind asymmetrische Strukturen quasi natürlicher Bestandteil föderaler Systeme. Auch im politischen System Kanadas sind asymmetrische Prinzipien schon seit der Gründung der kanadischen Föderation in der Verfassung verankert. Im British North America Act von 1867, der als so genannter Constitution Act die Geburtsstunde der kanadischen Föderation darstellt, sind bereits einige Bestimmungen aufgeführt, die eine unterschiedliche Behandlung der Provinzen beinhalten.

Section 22 des Constitution Act 1867 legt die Repräsentation der Provinzen im Senat fest. Demnach besteht ein großes Ungleichgewicht bei der Anzahl der Senatoren, die die einzelnen Provinzen in den Senat entsenden. Insbesondere die westlichen Provinzen werden im Vergleich zu den Provinzen Québec, Ontario und denen an der Atlantikküste in diesem Punkt deutlich benachteiligt. Den Provinzen Québec und Ontario wird der Status einer Region zugewiesen, was sie berechtigt jeweils 24 Senatsmitglieder entsenden zu dürfen. Die geringste Anzahl von Senatsmitgliedern beträgt 4 Senatoren (Milne 2005: 4).

Section 94 des Constitution Act wird bei der Darlegung konstitutioneller Asymmetrien in Kanada häufig herangezogen (Smith 2005, Pelletier 2005). Québec als Provinz, die sich dem Zivilrecht verpflichtet hat, wird im Rahmen dieser Bestimmung von der möglichen Zentralisierung des Rechtssystems ausgeschlossen (Milne 2005: 5).

In Section 133 wird Asymmetrie in Bezug auf die Verwendung der beiden Sprachen Englisch und Französisch festgeschrieben (Smith 2005: 2).

Diese selektiven Beispiele für konstitutionelle Asymmetrien zeigen, dass die Provinz Québec von Beginn an eine Sonderstellung im Vergleich zu anderen Provinzen innehatte. Schon die Verfassung des Jahres 1867 versuchte dieser Position in ihren Bestimmungen Rechnung zu tragen. Welche Bedeutung diese Asymmetrien in Bezug auf Québec für die gesamtstaatliche Einheit Kanadas haben, wird in Kapitel 4 ausführlicher thematisiert.

Diese Ausprägung von Asymmetrie, die sich entweder direkt in Verfassungsbestimmungen oder in unterschiedlichen intergouvernementalen Politiken bzw. formalen Vereinbarungen findet, kann als de jure Asymmetrie bezeichnet werden (Watts 2005: 2f.).

Eine andere Ausprägung von Asymmetrie, die vor allem in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten in der kanadischen Politik an Bedeutung gewonnen hat, ist die de facto Asymmetrie. Nach Watts (2005: 2) bezieht sich die de facto Asymmetrie auf ein charakteristisches Merkmal föderaler Systeme. Dieses liegt in den natürlichen Unterschieden zwischen den jeweiligen Gliedstaaten begründet. Da es auch in Kanada in Bezug auf die Größe, die Bevölkerung, den Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung aber auch hinsichtlich der kulturellen und historischen Entwicklung (Milne 2005: 1) große Differenzen zwischen den einzelnen Provinzen gibt[3], bestehen logische Gründe, die für asymmetrische Arrangements sprechen. De facto Asymmetrie bezieht sich also auf die tatsächlichen Verfahren und Beziehungen im Verhältnis zwischen den Provinzen bzw. der Bundesebene, die sich aus den eben dargelegten Unterschieden ergeben (Watts 2005: 2). Ein Beispiel für de facto Asymmetrie ist das Prinzip des „opting-out“, welches in Kapitel 4 näher dargestellt wird.

[...]


[1] Subsidiarität: „Prinzip, das eine größere gesellschaftliche oder staatliche Einheit nur dann zur Erfüllung einer Aufgabe herangezogen werden soll, wenn die Aufgabe nicht durch die kleinere, sachnähere Einheit erfüllt werden kann.“ (Encarta Enzyklopädie 2004)

[2] Die Definition des Begriffs “Asymmetrischer Föderalismus“ geht auf Charles Tarlton zurück. Nach Tarlton (1965: 869) kann ein asymmetrisches föderales System wie folgt definiert werden: a political system „… in which the diversities in the larger society find political expression through local governments possessed of varying degrees of autonomy and power…, an asymmetrical federal government is one in which political institutions correspond to the real social federalism beneath them”.

[3] Siehe Anhang Tabelle 1: Vergleich der kanadischen Provinzen

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Welche Bedeutung haben asymmetrische föderale Arrangements für den kanadischen Föderalismus?
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Verwaltungsreformen in föderalen Systemen
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V52458
ISBN (eBook)
9783638481687
ISBN (Buch)
9783640951420
Dateigröße
613 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Reformierung der föderalen Strukturen in Kanada erfordert die Auseinandersetzung mit grundlegenden Fragen des Föderalismus. Das Prinzip der Gleichheit der Gliedstaaten steht in diesem Kontext in einem Spannungsverhältnis mit so genannten asymmetrischen föderalen Arrangements, die in der politischen Praxis Kanadas weiter an Bedeutung gewinnen. Diese Hausarbeit stellt diese Formen des asymmetrischen Föderalismus in den Fokus.
Schlagworte
Welche, Bedeutung, Arrangements, Föderalismus, Verwaltungsreformen, Systemen
Arbeit zitieren
Philipp Kratschmer (Autor:in), 2005, Welche Bedeutung haben asymmetrische föderale Arrangements für den kanadischen Föderalismus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52458

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