Die jüngsten Terroranschläge und der “war on terrorism” haben die Sensibilität für das Problem zerfallender oder gescheiterter Staaten bestärkt. Die Annahme des failed state Afghanistan als Brutstätte potentieller Terroristen und als temporärer Hauptsitz des transnationalen Terrornetzwerks Al Quaida rechtfertigte sogar einen Krieg.
Galten zerfallende oder zerfallene Staaten in der Vergangenheit eher als ein regionales Problem tritt das Phänomen in der westlichen Welt seit 9/11 verstärkt als unmittelbare Gefährdung der eigenen Sicherheit in den Blickpunkt. Ein Grund für das verstärkte Interesse an dieser Problematik ist mitunter der Zusammenhang von failed states und den sog. „Neuen Kriegen“. Im Gegensatz zu den “Klassischen Kriegen” handelt es dabei um Konflikte, bei denen sich die Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem sukzessive auflöst und der Krieg sich seiner Fesselungen an die Staatlichkeit, die ihm völkerrechtlich mit dem Westfälischen Frieden angelegt worden sind, entledigt. Die Privatisierung des Krieges fuehrt zu einem vermehrten Auftreten parastaatlicher und privater Kriegsakteure, was in enger Verbindung zum Verlust des Gewaltmonopols des Staates steht. Eine zentrale Rolle spielen in diesen Konflikten auch manifeste Bürgerkriegsökonomien von denen die kriegführenden Parteien profitieren, die über die Kanäle der Schattenglobalisierung auf vielfältige Weise mit der Weltwirtschaft verbunden sind und darüber sowohl die zur Weiterführung des Krieges nötigen Ressourcen beziehen als auch sich selbst ihre Pfründe sichern. Das erklärt auch die ungewöhnlich lange Dauer dieser neuen Kriege – liegt dieser an sich doch im finanziellen Interesse seiner Akteure.
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen einem failed state und einem neuen Krieg für den speziellen Fall des afrikanischen Staates Angola. Dabei wird zuerst auf die Kolonialgeschichte des Landes und den Ursprung der Differenzen zwischen den Konfliktparteien eingegangen. Im zweiten Teil wird nach einer eventuell vorhandenen inneren Konfliktdynamik als Bedingung oder als Folge der verfehlten Staatenbildung gefragt, und zuletzt der tatsächliche Charakter der kriegführenden Parteien anhand der Kriegsfinanzierung sowie weiterer Kriterien definiert. Der letzte Abschnitt schliesslich wird schlussfolgern, ob der failed state Angola einen guten „Nährboden“ für den neuen Krieg lieferte, oder ob etwaige andere Faktoren als Bedingungen des Konflikts in Angola auf zu führen sind.
Inhaltsverzeichnis
- I. Die neuen Kriege als überregionales Problem
- II. Geschichtlicher Überblick und Ursprung des Konflikts in Angola
- 1. Der Befreiungskrieg bis 1974
- 2. Bürgerkrieg und ausländische Intervention
- 3. Stellvertreterkrieg 1976 - 1989
- 4. Der „neue Krieg\" bis 2002
- 4. 1. Das Abkommen von Bicesse, freie Wahlen und erneuter Bürgerkrieg
- 4. 2. Das Protokoll von Lusaka
- 4. 3. Bürgerkrieg von 1997 - 2002
- 4. 4. Das Waffenstillstandsabkommen am 04.04.2002
- III. failed state Angola und der „neue Krieg“
- 1. Die innere Konfliktdynamik
- 1. 1. Die zweigeteilte Gesellschaft
- 1. 1. 1. Die imperiale Ost- West- Logik
- 1. 1. 2. solide Allianzen der Nord- Süd- Logik
- 1. 2. Die wirtschaftliche Situation des Landes
- 1. 1. Die zweigeteilte Gesellschaft
- 2. Die Finanzierung des Krieges
- 2. 1. Die Rolle der Diamanten
- 2. 1. 1. Die UNITA
- 2. 1. 2. Die angolanischen Streitkräfte (FAA)
- 2. 1. 3. Exportwege
- 2. 2. Die Macht des Erdöls
- 2. 1. Die Rolle der Diamanten
- 3. Die Regierung und die Rebellen als Warlords
- 3. 1. Zugang zu den Ressourcen
- 3. 2. Kein Interesse an Frieden
- 3. 3. Folter und Zwangsrekrutierung
- 3. 4. Fragmentierung
- 3. 5. Instrumentalisierung ethnischer Stereotype
- 1. Die innere Konfliktdynamik
- IV. Der failed state als „Nährboden“ für den neuen Krieg?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den Zusammenhang zwischen einem failed state und einem neuen Krieg am Beispiel Angolas. Sie untersucht die koloniale Vergangenheit des Landes und die Ursachen für den Konflikt zwischen den Konfliktparteien. Weiterhin befasst sich die Arbeit mit der Frage nach einer möglichen inneren Konfliktdynamik als Bedingung oder Folge einer gescheiterten Staatsbildung. Schließlich werden die kriegführenden Parteien anhand der Kriegsfinanzierung und anderer Kriterien untersucht, um die Frage zu klären, ob der failed state Angola einen geeigneten Nährboden für den neuen Krieg bot.
- Die koloniale Vergangenheit Angolas und ihre Auswirkungen auf den heutigen Konflikt
- Die Ursachen des Konflikts zwischen den Konfliktparteien
- Die innere Konfliktdynamik als Bedingung oder Folge der gescheiterten Staatsbildung
- Die Kriegsfinanzierung und die Rolle der kriegführenden Parteien
- Der failed state Angola als „Nährboden“ für den neuen Krieg
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I befasst sich mit dem Phänomen der neuen Kriege und ihrer Bedeutung als überregionales Problem. Dabei wird die Rolle von failed states als Brutstätte für Terrorismus und Konflikte beleuchtet. Kapitel II bietet einen geschichtlichen Überblick über Angola, von der Kolonialzeit bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs. Kapitel III analysiert die innere Konfliktdynamik in Angola, die wirtschaftliche Situation des Landes und die Finanzierung des Krieges. Die Rolle der Diamanten und des Erdöls als Kriegsfinanzierungsquellen wird dabei besonders hervorgehoben. Kapitel III untersucht zudem die Aktivitäten der kriegführenden Parteien als Warlords und analysiert die Folgen ihrer Kriegsführung, wie Folter und Zwangsrekrutierung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themenbereiche failed states, neue Kriege, Konfliktfinanzierung, Kriegsökonomie, Kolonialismus, Staatsbildung und Bürgerkrieg. Weitere wichtige Begriffe sind: Angola, UNITA, MPLA, Diamanten, Erdöl, Warlords, Ressourcen, Folter, Zwangsrekrutierung.
- Quote paper
- Magister Artium Henning Grobe (Author), 2004, Failed State Angola und der "Neue Krieg", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52679