"Jeder hundertste heißt Müller"1. Diese Aussage wird wahrscheinlich von Vielen bestätigt werden. Würde man nun Laien fragen, wie dieser Name entstanden ist, könnte wohl auch jeder ohne Probleme die Berufsbezeichnung als Grund für die Entstehung dieses Familiennamens ausmachen. Dass es natürlich noch weit mehr Motive für die Familiennamengebung gegeben hat, soll diese Arbeit zeigen.
Im theoretischen Teil wird daher auf die Entstehung und Entwicklung von Familiennamen eingegangen, sowie auf die einzelnen Bildungstypen und das Phänomen der Sprachlandschaften.
Im empirischen Teil folgt anschließend eine Erhebung der Familiennamen in der Stadt Brandenburg an der Havel. Es soll untersucht werden, wie die Familiennamen hier verteilt sind und welche Besonderheiten es gibt. Dafür wird auch die Verteilung einzelner Namen in der Stadt München herbeigezogen. Der Vergleich der beiden Städte in Bezug auf bestimmte Namen soll die sprachgeographischen Unterschiede der Familiennamengebung in Deutschland verdeutlichen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Einnamigkeit und Mehrnamigkeit
3. Bildung der Familiennamen
3.1.1. Familiennamen aus Rufnamen
3.1.2. Familiennamen nach der Herkunft
3.1.3. Familiennamen nach der Wohnstätte
3.1.4. Familiennamen aus Berufsbezeichnungen
3.1.5. Familiennamen aus Übernamen
3.2. Konkurrenzen bei Familiennamen
3.3. Morphologie und Wortbildung der deutschen Familiennamen
3.4. Familiennamenentwicklung bis in die Gegenwart
4. Kulturräume und Sprachgeographie
4.1.1. Namenräume
4.1.2. Wortgeographie und Familiennamen
4.2. Einfluss der Slawen
5. Empirische Untersuchung zur Verteilung von Familiennamen in Deutschland
5.1. Verteilung der Familiennamen in der Stadt Brandenburg
5.2. Regionale Unterschiede der Familiennamen am Beispiel von Brandenburg und München
6. Schlussbetrachtung
7. Bibliographie
1. Einleitung
„Jeder hundertste heißt Müller“.[1] Diese Aussage wird wahrscheinlich von Vielen bestätigt werden. Würde man nun Laien fragen, woher dieser Name entstanden ist, könnte wohl auch jeder ohne Probleme die Berufszeichnung als Grund für die Entstehung dieses Familiennamens ausmachen. Dass es natürlich noch weit mehr Motive für die Familiennamengebung gegeben hat, soll diese Arbeit zeigen.
Im theoretischen Teil wird daher auf die Entstehung und Entwicklung von Familiennamen eingegangen, sowie auf die einzelnen Bildungstypen und das Phänomen der Sprachlandschaften.
Im empirischen Teil folgt anschließend eine Erhebung der Familiennamen in der Stadt Brandenburg an der Havel. Es soll untersucht werden, wie die Familiennamen hier verteilt sind und welche Besonderheiten es gibt. Dafür wird auch die Verteilung einzelner Namen in der Stadt München herbeigezogen. Der Vergleich der beiden Städte in Bezug auf bestimmte Namen soll die sprachgeographischen Unterschiede der Familiennamengebung in Deutschland verdeutlichen.
Die Werte für die Stadt Brandenburg entstanden aus einer Stichprobe. Dafür wurde zuerst durch die Berechnung des Mittelwerts die Gesamtanzahl der Telefonbucheinträge ermittelt. Anhand dieses Ergebnisses konnte die prozentuale Verteilung einzelner Familiennamen ermittelt werden. Die prozentuale Verteilung der einzelnen Gruppen von Familiennamen wurde wiederum durch eine Stichprobe von 20 Seiten ermittelt. Für die Werte der Stadt München war das Onlinetelefonbuch im Internet Grundlage.
2. Einnamigkeit und Mehrnamigkeit
Bevor die Familiennamen entstanden sind, herrschte lange Zeit das System der Einnamigkeit. Das bedeutete, dass jede Person nur einen Namen trug. Dieser reichte aus um die betreffende Person zu identifizieren. Noch heute ist dieses System nachvollziehbar. Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde benutzen nur einen Namen zur Identifizierung einer Person.
Doch selbst in der Zeit der Einnamigkeit, versuchte man die Angehörigen einer Familie durch die Rufnamengebung als zusammengehörig zu bezeichnen. Dies konnte auf verschiedene Weise geschehen. Eine Möglichkeit war die Bindung zusammengehöriger Familiennamen durch Stabreim. So hießen merovingische Könige des 5. bis 8. Jahrhunderts Childerich, Chlodovech – Chlodomer – Childebert – Chlotahar- Charibert und Chilperich[2]. Allen Namen haben den gleichen Anlaut. Ein ähnliches Prinzip findet sich auch bei den Rufnamen der Väter und ihrer Söhne im Hildebrandslied: Heribrant – Hiltibrant und Hadubrant.[3] Hier wird bei gleichbleibendem Zweitglied (brant) das erste Glied variiert. Die Versuche Personen genauer zu identifizieren und ihre Familienzugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen zeigt zwar das Bestreben nach Individualisierung, führte aber nicht direkt zur Entwicklung von Familiennamen.
Der direkte Vorreiter der Familiennamen waren die Beinamen, welche zusätzlich zum Rufnamen hinzugefügt wurden und eine Art Individualnamen darstellten.[4] Diese Beinamen hatten verschiedene Funktionen. Zum einen gaben sie die Herkunft beim Adel an, wie z.B. bei Dietrich von Bern oder Hagen von Tronje zu sehen ist. Der Beinamen konnte allerdings auch einzelne Personen hervorheben. Dabei handelte es sich meistens um Übernamen (siehe Kapitel...). So wurde Friedrich I. aufgrund seines roten Bartes von den Italienern mit dem Beinamen Barbarossa versehen.[5] Die Beinamen verschwanden jedoch gewöhnlich mit dem Tod des Trägers. Deshalb ist es nicht möglich, ob es sich zu dieser Zeit um einen Beinamen oder Familiennamen handelte.
Das System der Einnamigkeit herrschte in Deutschland bis zum 12. Jahrhundert. In Italien wurde die Doppelnamigkeit bereits im 9. Jahrhundert, und Frankreich bereits im 10./11. Jahrhundert benutzt.[6] Von nun an verwendete man zwei Elemente zur Bezeichnung einer Person: Rufname und Beiname/Familienname. Die Gründe für die Verwendung der Mehrnamigkeit sind verschieden. Zum einen wurden die Menschen in dieser Zeit sesshaft und die Bevölkerung nahm zu. Somit nahm die Funktionsfähigkeit des anthroponomischen Systems der Einnamigkeit ab.[7] Besonders in den Städten entstand das Bedürfnis, die Menschen besser von einander unterscheiden zu können. So gab es beispielsweise eine Rufnamenhäufung in Köln im 12. Jahrhundert: Heinrich (823), Hermann (639), Dietrich (497), Gerhard (460), Konrad (369), Gottfried (334), Albert (172), Rudolf (147), Albero (147) und Gotschalk (139).[8] Um die wachsenden Verwaltungsaufgaben aufgrund der steigenden Bevölkerungszahlen besser bewältigen zu können, musste es ein klare Unterscheidung der einzelnen Personen geben. Nur so konnten Steuerlisten und ähnliches angelegt werden. Außerdem hatte der Familienname , im Gegensatz zu den Beinamen, den Vorteil, dass die Individuen nicht nur klar von einander getrennt wurden, sondern dass gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einer Familie zum Ausdruck gebracht werden konnte. Dies hatte gleichzeitig juristische und ökonomische Auswirkungen. Durch den erblichen Familiennamen entstand auch das Erbrecht innerhalb einer Familie.[9]
Die Ausbreitung der Familiennamen erfolgte vom deutschen Westen und Süden nach Osten und Norden. Das war kein Zufall. Wie bereits erwähnt herrschte im 12. Jahrhundert das System der Mehrnamigkeit bereits in Italien und Frankreich. Daraufhin entstand die Doppelnamigkeit auch schnell in Deutschland. Zuerst setzte sie sich in den großen Städten und schließlich auch auf dem Lande durch. Außerdem kann man bei der Verbreitung der Familiennamen ein soziales Gefälle beobachten. Zuerst setzt sich der Familienname beim Adel durch, worauf das Patriziat der Städte folgt. Daraufhin übernimmt das Bürgertum die Doppelnamigkeit, später folgen die Dorfbewohner. Erst danach erfolgt die Ausbreitung auch unter den Dienstboten, Knechten und Mägden.[10] Um 1600 hatte sich die Doppelnamigkeit in Deutschland fest durchgesetzt.
3. Bildung der Familiennamen
Die heutigen Familiennamen können auf fünf verschiedene Gruppen zurück geführt werden. Sie entstanden nach der Bildung von Rufnamen, nach der Herkunft, nach der Wohnstätte, nach dem Beruf oder aus Übernamen. Diese Gruppen sollen im folgenden ausführlich beschrieben werden.
3.1.1 Familiennamen aus Rufnamen
Dieser Typ der Familiennamen geht auf eine Beziehung zu einem anderen Menschen zurück. Dahinter steht die Vorstellung, dass eine Person Sohn oder Tochter eines Mannes oder einer Frau ist. Familiennamen, die auf einen männlichen Rufnamen zurück zu führen sind, werden als Patronymika bezeichnet.[11] So war früher beispielsweise jemand Sohn oder Tochter des Wilhelm, des Heinrich etc. Familiennamen, die auf einen weiblichen Rufnamen zurück zu führen sind, werden als Metronymika bezeichnet. Es handelte sich früher als um den Sohn oder die Tochter der Grete, der Agnes etc. Daraus entstanden z. B. die Familiennamen Wilhelm, Heinrich, Grete oder Agnes. Weibliche Rufnamen als Familiennamen kommen jedoch nicht sehr oft vor.[12] Das weist jedoch nicht auf die uneheliche Herkunft des ersten Namenträgers hin, sondern ist durch die größere Bekanntheit oder den Stellenwert der Mutter begründet.
Nach morphologischen Kriterien lassen sich die Familiennamen aus Rufnamen in folgende Bildungstypen unterteilen:
Zum einen gibt es den Rufnamen im Nominativ, wie z. B. Wilhelm oder Friedrich. Zum anderen kann dieser Typ Familienname auch durch den Rufnamen und ein Genitivmorphem gebildet werden, wie z. B. bei Friedrichs oder Wilhelms. Diese Bildung entstand aus der Bezeichnung wie Friedrich Friedrichs Sohn bzw. Wilhelm Wilhelms Sohn. Weiterhin können Familiennamen aus Rufnamen durch den patronymischen Suffix –sen, -ing oder-ung gebildet werden. Beispiele dafür sind Familiennamen wie Petersen (zu Peter), Brüning (zu Bruno) oder Nölting (zu Arnold). Verbreitet sind auch Familiennamenformen mit l-Suffix wie in Heinzel, Merkel oder Künzel, sowie Ableitungen auf –man, wie bei Heinemann.
Einige dieser Formen lassen sich abschließend noch einmal am Beispiel des Rufnamen Heinrich zeigen. Heinrich (Nominativ), Heinrichs (Genitiv), Heinrichsen (-sen Suffix), Henning (-ing Suffix) oder Heinemann (-man Suffix).[13]
Somit erklärt sich auch der große Umfang der Familiennamen aus Rufnamen. Dieser wird durch die mundartlichen Sonderformen sogar noch größer. So gibt es in Deutschland z. B. fast 70 Familiennamen, die aus dem Rufnamen Dietrich abgeleitet wurden. Zu Dietrich gehören u.a.: Dietreich, Diederich, Ditterich, Tittrich, Dederich, Derich, Deitrich, Deutrich, Dirk, Diederichs, Dietricher, Dirks, Diehl, Tille, Dietz, Dietzer, Tetzel[14] usw.
3.1.2. Familiennamen nach der Herkunft
Eine weitere Gruppe von Familiennamen wird als Herkunftsnamen bezeichnet. Zur Identifizierung eines Menschen wurde in diesem Fall auf die Herkunft der Namenträger verwiesen. Dabei konnte es sich um seinen Heimatort oder seine Stammes- bzw. Volkszugehörigkeit handeln. Es musste sich nicht immer um den „tatsächlichen Herkunftsort“[15] handeln. Namenbildend war auch der zeitweilige Aufenthaltsort einer Person. So wurden z.B. Kaufleute, die in die Nürnberger Straße zogen, Nürnberger genannt.[16]
Allgemein kann man die Bildung von Herkunftsnamen in 3 Typen unterscheiden: Zum einen kann einfach nur der Orts- bzw. Siedlungsname stehen, z.B. Delbrück, Leibniz oder Quint. Außerdem kann ein Herkunftsname durch den Ortsnamen mit vorgesetzter Präposition gebildet werden, z.B. Ludwig van Beethoven oder Hartmann von Aue. Des weiteren fungieren die Einwohnerbezeichnungen selbst als Familienname, wie bereits erwähnt in Nürnberger, gebildet durch das Suffix –er. Gottschald weist außerdem daraufhin, dass bei Herkunftsnamen oft das Suffix –mann benutzt wird, z.B. Münstermann (aus Münster), Brackmann (aus Brake) oder Wippermann (von der Wipper).[17]
3.1.3. Familiennamen nach der Wohnstätte
Bei den Familiennamen aus Wohnstättenbezeichnungen handelt es sich um „ursprüngliche Beinamen nach dem Wohnsitz, den der Betreffende gerade innehatte.“[18] Die Kennzeichen der Wohnstätte, wie z.B. die Lage innerhalb der Stadt oder den Baumbestand in der Umgebung, waren gut dazu geeignet, Personen im gleichen Ort voneinander zu unterscheiden. Ursprünglich war bei den Familiennamen nach Wohnstättenbezeichnung der Prozess der Zusammenrückung zu beobachten, z.B. Aufdermauer, Aufdemgraben, An der Pütz. Charakterisierende Zusätze wurden also unter Verwendung bestimmter Präpositionen gebildet.[19] Häufig blieb von diesen Bezeichnungen nur das Substantiv übrig und es ergaben sich Familiennamen wie Mauer, Graben oder Pütz. Auch bei diesem Typ Namen gibt es weitere Bildungsvarianten. Zum einen kann der Familienname durch die Wohnstätte und Suffix gebildet werden. Typische Suffixe sind z.B. –er, -ing oder –mann. Eine Person, die an der Wiese wohnt, konnte beispielsweise Wieser heißen. Jemand, der in einer Hütte wohnte Hütting. Es gab jedoch noch weitaus mehr Derivationen. So entstand der Name Feldner durch eine n-Erweiterung des Suffixes und bestimmte die Person näher, welche am Feld lebte. Das gleiche Prinzip ist bei den Namen Gaßner oder Holzner zu beobachten. Jemand, der auf dem Hügel wohnte, konnte Bühl oder Bühel heißen. Der Name leitete sich aus dem althochdeutschen buhil, was soviel wie Berg oder Hügel bedeutete, ab. Aus diesem Namen entstanden durch die bereits erwähnten möglichen Derivationen Familiennamen wie Bühling. Genauso sind die Familiennamen Picheler bzw. Pichler auf Bühl zurückzuführen. Dabei handelt es sich um eine oberdeutsche Entwicklung von b zu p und der Erhaltung der Frikativa h als ch.[20] Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Bildungen der Familiennamen nach Wohnstättenbezeichnungen oft nicht sofort zu erkennen sind.
[...]
[1] Gerhart Koß. Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen: 1990, 37.
[2] Max Gottschald: Deutsche Namenkunde. Unsere Familiennamen. Berlin, New York: 1982, 46.
[3] Gottschald, 46
[4] Koß, 38.
[5] Koß, 39.
[6] Rosa Kohlheim: Entstehung und geschichtliche Entwicklung der Familiennamen in Deutschland: HB 195, 1280.
[7] Gerhard Bauer: Namenkunde des Deutschen. Bern (u.a.): Lang 1985, 141.
[8] Koß, 39
[9] Koß, 40
[10] Koß, 40.
[11] Rosa Kohlheim: Typologie und Benennungssystem bei Familiennamen. HB 191, 1249.
[12] Kohlheim: HB 191, 1250.
[13] Kohlheim: HB 191, 1250 und Gottschald, 47-48.
[14] Adolf Bach: Deutsche Namenkunde. Die deutschen Personennamen. Heidelberg: 1953, 253.
[15] Gottschald, 48.
[16] Gottschald, 49.
[17] Gottschald, seite 49
[18] Gottschald, 50.
[19] Kohlheim:HB 191, 1252.
[20] Gottschald, 50
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