Im Rahmen meiner Arbeit interessiert mich besonders, inwieweit es gelingen kann, während eines Frühlingsprojektes das Wahrnehmungspotential der Kinder zu entfalten bzw. zu fördern. Durch das Verlagern des Lernortes größtenteils in die Natur sollen alle Wahrnehmungsbereiche der Schüler angesprochen werden. Sie sollen wieder lernen, welche Geräusche die Natur bereithält, wie sich Natur anfühlt, ob man sie riechen oder schmecken, sie sehen kann, usw. In dieser Projektwoche möchte ich bei den Schülern ein Verständnis dafür entwickeln, wie reichhaltig der Frühling für die Menschen sein kann, woran man ihn erkennt, welche Aktivitäten nun stattfinden können. Alle Sinnesorgane brauchen Anregung. Werden sie einseitig gefordert, besteht die Gefahr der Verkümmerung der Funktionsfähigkeit. Die Förderung des auditiven, visuellen, vestibulären, taktilen, olfaktorischen und gustatorischen Wahrnehmungsbereiches liegt mir ebenso am Herzen wie die soziale Wahrnehmung. Durch das Hantieren mit verschiedensten Naturmaterialien (Blumen, Tulpenzwiebel, etc) prägen sich Form und Bezeichnung ein und können besser auf abstraktere Abbildungen in Büchern, etc. übertragen werden. Die Lernbereitschaft und Motivation steigt hinsichtlich der Arbeit als Naturforscher in der Projektwoche. Handlungskompetenzen werden geschult durch das selbständige, kreative Lösen von Problemen, durch das Arbeiten mit Partner oder in Gruppen.
[...] besteht die Zielstellung der Arbeit besteh darin, folgende Fragen zu klären:
* Stellt die Beschäftigung mit dem Thema „Frühling“ ein kreatives und motivierendes Erlebnis für die Kinder dar?
* Inwieweit lässt sich Wahrnehmung in diesem Unterrichtsvorhaben fördern?
* Lassen sich im Verlauf der Woche wirklich Steigerungen in einzelnen Wahrnehmungsbereichen feststellen (z.B. auditive W. – Unterscheiden von VogelsTimen; visuelle/kinästhetische/taktile W. -differenzieren von Farben und Form der Frühblüher / Handtieren mit Werkzeugen und Geräten; soziale W. – Verhalten in der Gruppe, bei Exkursionen, Arbeitseifer, etc.)?
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Ziel- und Problemstellung
1.1 Einleitung und Konzeption
1.2 Projektorientierter Unterricht
1.3 Grundlagen der Wahrnehmung
1.3.1 Neurophysiologische Grundlagen
1.4 Bezug zur Lerngruppe
2 Planungsphase
2.1 Bezug zum Rahmenplan
2.2 Ziele der Unterrichtseinheit
2.3 Lernvoraussetzungen hinsichtlich der Durchführung des Vorhabens
2.4 Sachanalyse
2.5 Übergreifende didaktisch – methodische Schwerpunkte
2.6 Gliederung des Vorhabens in Unterrichtssequenzen
2.7 Darstellung ausgewählter Stunden
2.7.1 Die Einführungsstunde „Hurra, der Frühling ist da!“
2.7.1.1 Lehr- und Lernziele
2.7.1.2 Didaktisch – methodische Analyse
2.7.1.3 Verlaufsplanung
2.7.2 Erarbeitungsstunde „Blumen im Frühling – Die Tulpe“ (Doppelstunde
2.7.2.1 Lehr- und Lernziele
2.7.2.2 Didaktisch – methodische Analyse
2.7.2.3 Verlaufsplanung
3 Ergebnisse der Unterrichtseinheit
3.1 Beurteilung des durchgeführten Vorhabens
3.2 Darstellung und Beurteilung der maßgeblichen Abschnitte
3.2.1 Einführungsstunde
3.2.2 Naturforscher
3.3 Zusammenfassende Einschätzung
4 Auswertung und Diskussion
4.1 Überprüfung der Hypothesen
4.2 Ausblick
Quellenverzeichnis
Verzeichnis der Anlagen
Selbständigkeitserklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Theoretischer Teil (Anlage A)
Abb. 1: Schematische Darstellung des Zentralen Nervensystems
Abb. 2: Verlauf des Wahrnehmungsprozesses
Abb. 3: Tastsinnesorgane der Haut
Abb. 4: Kinästhetische Wahrnehmung am Beispiel der Muskelspindel
Abb. 5: Vestibulär- bzw. Schwersinnesorgan im menschlichen Labyrinth
Abb. 6: Schnitt durch ein Auge
Abb. 7: Das menschliche Ohr
Abb. 8: Schmeckpapille und Geschmacksknospe in der Zunge
Abb. 9: Regelkreis von Handlung und Wahrnehmung
Praktischer Teil (Anlage B)
Abb. 1: Blumen im Frühling (Fotos)
Abb. 2: Schüleranalysen
Anlage 1: Jahreskreis
Anlage 2: Phantasiereise
Anlage 3: Forschermappe
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Die Grundwahrnehmungsbereiche
Tab. 2: Übersicht über die Unterrichtseinheit
Tab. 3: Lernvoraussetzungen der Schüler (s. Anlage B)
Tab. 4: Verlaufsplanung „Hurra, der Frühling ist da!“
Tab. 5: Verlaufsplanung „Blumen im Frühling – Die Tulpe“
1 Ziele und Problemstellung
1.1 Einleitung und Konzeption
-Entwicklung beginnt mit Bewegung-
Kinder wollen selbst tätig sein, wollen handeln und die Ergebnisse ihrer Handlung sehen, sie wollen etwas bewirken. Kinder sind neugierig und ständig auf der Suche nach Ursachen und Zusammenhängen. Renate ZIMMER nennt es „Erfahrungen […] aus erster Hand erwerben, im eigenen Tun und nicht durch Belehrung von außen.“[1] Aber Kinder sind anders geworden. Durch gesellschaftlichen Wandel und zunehmende Industrialisierung gehen unter anderem traditionelle Spielkulturen mit viel Bewegung zunehmend verloren und verlagern sich in eintönige Umgebungen oder in die Wohnräume. Die unmittelbaren körperlich – sinnlichen Erfahrungsmöglichkeiten verlieren sich in immer mehr eingeschränkten Bewegungsräumen. Kinder stehen vor „fertigen“ Materialien und verlieren die Erfahrung eigener Aktivität. GUDJONS spricht in diesem Zusammenhang von „Erfahrungen aus zweiter Hand“[2]. Kinder, die kaum noch eine Chance haben, eine gute Beziehung zu ihrem Körper und zur Umwelt aufzubauen, sind in ihrer Selbst- und Wirklichkeitserfahrung gefährdet.[3] Die Auswirkungen sind in allen Lebensbereichen erkennbar, ganz besonders jedoch im direkten Umfeld - wie Familie und Schule.
Im Rahmen meiner Arbeit interessiert mich besonders, inwieweit es gelingen kann, während eines Frühlingsprojektes das Wahrnehmungspotential der Kinder zu entfalten bzw. zu fördern. Durch das Verlagern des Lernortes größtenteils in die Natur sollen alle Wahrnehmungsbereiche der Schüler angesprochen werden. Sie sollen wieder lernen, welche Geräusche die Natur bereithält, wie sich Natur anfühlt, ob man sie riechen oder schmecken, sie sehen kann, usw. In dieser Projektwoche möchte ich bei den Schülern ein Verständnis dafür entwickeln, wie reichhaltig der Frühling für die Menschen sein kann, woran man ihn erkennt, welche Aktivitäten nun stattfinden können. Alle Sinnesorgane brauchen Anregung. Werden sie einseitig gefordert, besteht die Gefahr der Verkümmerung der Funktionsfähigkeit. Die Förderung des auditiven, visuellen, vestibulären, taktilen, olfaktorischen und gustatorischen Wahrnehmungsbereiches liegt mir ebenso am Herzen wie die soziale Wahrnehmung. Durch das Hantieren mit verschiedensten Naturmaterialien (Blumen, Tulpenzwiebel, etc) prägen sich Form und Bezeichnung ein und können besser auf abstraktere Abbildungen in Büchern, etc. übertragen werden. Die Lernbereitschaft und Motivation steigt hinsichtlich der Arbeit als Naturforscher in der Projektwoche. Handlungskompetenzen werden geschult durch das selbständige, kreative Lösen von Problemen, durch das Arbeiten mit Partner oder in Gruppen.
Der Unterricht orientiert sich grundsätzlich an der individuellen Ausgangslage der Schüler mit Lernbeeinträchtigungen[4]. Misserfolgserlebnisse und Resignation gehörten und gehören leider häufig zu ihren Erfahrungen. Daher sollte in Förderstufe I ein positives Selbstkonzept ausgebildet werden. Wahrnehmungsförderung eignet sich dazu in besonderer Weise, denn sie verfolgt u.a. das Ziel, über freudebetonte Handlungs- und Bewegungserlebnisse zur „Stabilisierung der Persönlichkeit beizutragen – also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken“[5].
Daher besteht die Zielstellung der Arbeit besteh darin, folgende Fragen zu klären:
Stellt die Beschäftigung mit dem Thema „Frühling“ ein kreatives und motivierendes Erlebnis für die Kinder dar?
Inwieweit lässt sich Wahrnehmung in diesem Unterrichtsvorhaben fördern?
Lassen sich im Verlauf der Woche wirklich Steigerungen in einzelnen Wahrnehmungsbereichen feststellen (z.B. auditive W. – Unterscheiden von Vogelstimmen; visuelle/kinästhetische/taktile W. - differenzieren von Farben und Form der Frühblüher / Handtieren mit Werkzeugen und Geräten; soziale W. – Verhalten in der Gruppe, bei Exkursionen, Arbeitseifer, etc.)?
Das Projekt erstreckt sich in einem Raum von 10 Unterrichtsstunden. Als geplantes Ergebnis hält jeder Schüler ein Frühlingsbuch (= Forschermappe). Als Erweiterung entsteht ein Frühlingsmuseum, in dem die Ergebnisse des Forschungstages ausgestellt werden.
Aus den Fragestellungen ergeben sich folgende Hypothesen (Hyp.):
Hypothese 1 : Es ist zu vermuten, dass die projektorientierte Arbeit zum Thema „Frühling“ ein kreatives und freudebetontes Erlebnis für die Schülern darstellt und eine Sensibilisierung für die Phänomene der Natur erfolgen wird.
Hypothese 2: Es kann erwartet werden, dass projektorientierte Arbeit neben der Wahrnehmung auch vielfältige Potenzen für die Entwicklung verschiedener Persönlichkeitsbereiche (kognitiv; sozial – emotional; sprachlich) bietet.
Hypothese 3: Es ist anzunehmen, dass sich die Wahrnehmung fördern lässt und sich Erfolge besonders im visuellen, auditiven sowie sozialen Bereich einstellen.
Dieser Arbeit liegt folgende Vorgehensweise zugrunde: Weiterführend werden im Kapitel 1 die theoretischen Hintergründe zur projektorientierten Arbeitsform sowie Wahrnehmung beleuchtet und der Bezug zur Lerngruppe hergestellt. Kapitel 2 beschreibt die Planungsphase und befasst sich mit den Zielen, Lernvoraussetzungen und dem Ablauf des Unterrichtsvorhabens. Die zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der Unterrichtseinheit finden sich in Kapitel 3. Das 4. Kapitel dient der Auswertung und Diskussion der Ergebnisse und Überprüfung der Hypothesen.
1.2 Projektorientierte Arbeit
-Projekt – Lebensnahes Lernen in ganzheitlichen Zusammenhängen-
Das Begriff Projekt geht auf das lateinische Wort projicere zurück, welches vorwerfen, entwerfen, planen, sich vornehmen bedeutet. Heute wird der Projektbegriff im Sinne von Plan, Entwurf oder Vorhaben verwendet, wobei die Verwirklichung der Planung beabsichtigt wird. Der Projektunterricht weist eine charakteristische Gestalt auf, die ihn von anderem Unterricht unterscheidet, ihm werden in der Literatur jedoch viele unterschiedliche Bedeutungen und Vorstellungen zugeordnet. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle nicht auf eine Beschreibung des Projektunterrichts beschränken, sondern unterschiedliche Definitionen von verschiedenen Autoren anführen.
Der Projektbegriff bezieht sich auf ein „konkretes, zeitlich und räumlich von anderem abgrenzbares Geschehen. Dieses Geschehen nimmt bei einem Problem seinen Ausgang und endet mit dessen Lösung. Das Projekt als konkretes zeitlich und räumlich abgrenzbares Geschehen fasst wie in einem Brennglas die geforderte Veränderung von Mensch und Welt zusammen und lässt sie exemplarisch sichtbar werden. (…) Es stellt ein pädagogisches Experiment dar, nämlich den geplanten Versuch, durch pädagogisches Handeln von Lehrern und Schülern Mensch und Welt höherzuentwickeln [sic!]“[6]. Projektunterricht „geht von einer problemhaltigen Aufgabe mit einem Produktziel aus. Dabei bestimmt die Projektgruppe durch plausibles und selbständiges Handeln den Weg und löst durch fächerübergreifendes und anwendungsorientiertes Handeln die gestellte Aufgabe in ihrer natürlichen Umgebung, d.h. meist außerhalb der Schule: ein Beitrag der Erziehung zum Handeln in einer demokratischen Gesellschaft“[7].
„Das Projekt ist eine bedeutsame praktische Tätigkeit, die Aufgabencharakter hat, von den Schülern in natürlicher Weise geplant und ausgeführt wird, die Verwendung physischer Mittel in sich begreift und die Erfahrung bereichert.“[8]
In der Literatur wird zwischen Projektmethode (Frey 1984), Projektunterricht (Gudjons 1997, Hänsel 1995, 1997), dem Projekt (Otto 1977), dem Vorhaben (Reichwein 1937, Haase 1932) und projektorientiertem Unterricht unterschieden. Beim Projektunterricht handelt es sich um eine besondere Form praktischer pädagogischer Tätigkeit von Lehrern und Schülern. In dieser besonderen Unterrichtsform kommt die Projektmethode zum Einsatz. Auch der projektorientierte Unterricht wird nach der Projektmethode gestaltet.[9] Projektorientierter Unterricht stellt den weiteren Begriff dar, der verschiedene Unterrichtsformen einschließt, die nach den Kriterien der Projektmethode vorgehen. Von einem Projekt spricht man nur dann, wenn folgende Merkmale erfüllt werden:
Handlungs- und Produktionsorientiertheit
Situations- und Gesellschaftsbezug
Schülerorientierung
Interdisziplinarität
Projektartiges oder projektorientiertes Lernen entspricht nicht vollständig der Projektmethode und berücksichtigt nur einige der wichtigsten Projektkriterien. Projektorientiertes Lernen besteht nicht nur aus Projekten, sondern auch aus „lehrgangsmäßig organisierten traditionellen Unterrichtseinheiten“[10]. Projektorientierter Unterricht stützt sich vielleicht nur auf zwei oder drei der typischen Komponenten, ist jedoch trotzdem darum bemüht, Kooperation, Selbstbestimmung und Kommunikation zu fördern.
Durch projektorientiertes Lernen sollen die Schüler dazu befähigt werden, eigene Handlungsmöglichkeiten zu erfahren, Probleme zu artikulieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, selbsttätig und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und reflektiert, planvoll und zielorientiert zu handeln. Sie lernen, sich selbständig zu informieren, Informationen zu sammeln, sie zu ordnen, auszuwerten, kritisch zu beurteilen und sich an der Planung und Durchführung des Unterrichts zu beteiligen. Im projektorientierten Unterricht können methodische Kompetenzen erweitert werden, das Kind lernt, Fragen zu stellen, mit anderen zu kommunizieren, sich gegenseitig zu respektieren, Gespräche zu führen, Konflikte und Spannungen innerhalb der Gruppe zu lösen, den Lernprozess selbständig zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Durch die Fähigkeit, sich mit Problemen auseinanderzusetzen, selbständig nach Lösungen zu suchen, das eigene Leistungsvermögen einzuschätzen und persönliche Interessen zu artikulieren, entwickeln sich Selbstvertrauen und Urteilsvermögen und die Kinder lernen, sich selbst bewusster wahrzunehmen. Somit verringert sich ihre Abhängigkeit vom Lehrer und komplexe Aufgabenstellungen und Lebenssituationen können besser bewältigt werden. Der Projektunterricht soll die Kinder dazu befähigen, Lernprozesse selbst zu organisieren, sich ihren Interessen entsprechende Aufgaben zu stellen und Ziele zu setzen, mit Erfolgserlebnissen und Misserfolgen umzugehen und sich selbst zu organisieren. Die gemeinsame Durchführung von projektorientiertem Unterricht kann zudem das Schulklima verbessern.
Für das Schülerklientel der Lernbehindertenschule stellt diese Form der Arbeit eine abwechslungsreiche Lernform dar, die - gut organisiert - ganzheitlich und schülerorientiert arbeitet und eine Individualisierung und Differenzierung möglich macht.
1.3 Grundlagen der Wahrnehmungsförderung
„Unter Wahrnehmung versteht man den Prozess der Informationsaufnahme aus
Umwelt- und Körperreizen (äußere und innere Wahrnehmung) und der Weiterleitung,
Koordination und Verarbeitung dieser Reize im Gehirn.“[11]
Die Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, bei dem der Mensch sich mit seiner Umwelt und deren Gegebenheiten auseinandersetzt.[12]
Bedeutung der Wahrnehmung
Die Wahrnehmung ist für uns ein selbstverständlicher Teil des alltäglichen Lebens. Sie ist stets an die Interaktion mit der Umwelt gebunden und bestimmt unser tägliches Handeln. Die einfließenden Sinnesreize müssen verarbeitet und differenziert werden, d. h., dass wichtige von unwichtigen Informationen getrennt werden. Das Sinnessystem hat die Aufgabe, aus einer Fülle von Reizen die Information auszuwählen, die für die momentane Situation von Bedeutung ist. Um dieser hohen Anforderung gerecht zu werden, muss das Kind stets die Möglichkeit bekommen, sich aktiv mit seiner Umwelt auseinander zu setzen, um das Wahrnehmungssystem zu schulen und zu fördern. Durch eine gute Wahrnehmung werden Kinder sicherer in ihren Bewegungen und in den Anforderungen, die an sie gestellt werden. Dies bezieht sich auf alle Bereiche des Lernens und in der Welt seins.[13]
1.3.1 Neurophysiologische Grundlagen
Abb. 1 zeigt die schematische Darstellung des ZNS in Anlehnung an ZIMMER[15]. Das zentrale Nervensystem ist der Ort der Reizverarbeitung und Koordination der Sinne. Es stellt somit das Steuerungs- und Überwachungssystem für unser gesamtes Lernen und Verhalten dar. Zum Zentralnervensystem gehören das Gehirn und das Rückenmark.[14]
Das Gehirn umfasst das Großhirn mit seinen beiden Großhirnhemisphären und dem Hirnstamm, der es mit dem verlängerten Rückenmark, der Medulla oblongata verbindet. Im Rückenmark werden die Nervenbahnen zusammengefasst. Informationen aus der Umwelt werden über die sensorischen, aufsteigenden Nervenbahnen zum Gehirn geleitet, wo sie weiterverarbeitet, und als motorische, absteigende Nervenbahnen zu den Muskeln in die Peripherie geleitet werden. Auch einfache Reflexe fallen in den Aufgabenbereich des Rückenmarks.[16]
Der Hirnstamm enthält die Formatio reticularis . Dies ist eine netzförmige Nervenmasse, die sich vom verlängerten Mark bis zum Zwischenhirn zieht. Hier werden alle sensorischen Informationen miteinander verknüpft. Der Hirnstamm ist somit ein wichtiger Bestandteil zur Verarbeitung und Integration aller eingehenden Informationen.[17]
In der Hinterkopfregion befindet sich das Kleinhirn. Es koordiniert alle Bewegungen des Menschen, indem es eingehende Nachrichten aus den Sinnesorganen und Instruktionen der Großhirnrinde zuordnet und aufeinander abstimmt. Das Zwischenhirn ist eine Verbindung zwischen Großhirn und Hirnstamm. In ihm liegen der Thalamus , der Hypothalmus und das Limbische System . Alle Sinne (mit Ausnahme des Riechsinns) senden ihre Informationen über den Thalamus zum Großhirn. Er stellt somit den wichtigsten Teil der bewussten Wahrnehmung dar. Er stellt somit den wichtigsten Teil der bewussten Wahrnehmung dar.[18] Der Hypothalamus reguliert das Hormonsystem.
Wichtig für die Entstehung von Gefühlen ist das Limbische System. Sinneswahrnehmungen werden mit Gefühlen verbunden und mit früheren Erfahrungen zusammengeschlossen. Eine bedeutende Funktion kommt dem Limbischen System bei der Gedächtnisspeicherung und beim Lernen zu.[19]
Die Großhirnrinde ist die äußere Schicht der beiden Großhirnhemisphären. Sie ist eine dünne, stark gefaltete Nervengewebsschicht. Hier werden das Denken, das Bewusstsein, die Sprache, die Motorik und das Körpergefühl gesteuert. Diesen Leistungen können bestimmte Rindenareale zugeordnet werden. Weiterhin hat jede Hemisphäre hat einen speziellen Aufgabenbereich. So schreibt man der linken Hälfte die Sprachproduktion und Spracherkennung zu, während die rechte Hälfte für nicht-verbale Leistungen und die räumliche Wahrnehmung zuständig ist.[20] Die linke und die rechte Gehirnhälfte werden durch den sog. Balken miteinander verbunden. Das bedeutet, dass beide nicht unabhängig voneinander arbeiten und gleichermaßen angesprochen werden müssen. Diese Kenntnis ist für die pädagogische Praxis von Bedeutung, da der Unterrichtsstoff so dargestellt werden sollte, dass beide Gehirnhälften angesprochen werden.
Neben diesem makrophysiologischen Aufbau des Zentralnervensystems existiert ein mikrophysiologischer Aufbau.[21] Hierunter fasst man die kleinsten Bausteine des Nervensystems, die Nervenzellen. Die Nervenzellen nehmen Reize auf und leiten sie unter Einbezug von Synapsen weiter. Durch Übung und häufige Benutzung werden die Synapsen stetig verändert und schneller in ihrer Tätigkeit. Die Informationsverarbeitung erfolgt dann ökonomischer.
Der Prozess der Wahrnehmung
Um den Prozess der Wahrnehmung zu beschreiben, ist es notwendig, einige Grundbegriffe der Sinneswahrnehmung zu erläutern.
Die sensorischen Reize werden von den Sinnesorganen durch Analysatoren aufgenommen, zum Gehirn weitergeleitet und dort verarbeitet. Ein Analysator ist eine sensorische Funktionseinheit zur Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung eines Reizes. Der Analysator besteht aus Rezeptor, afferenter[22] Nervenbahn und entsprechendem Anteil der Hirnrinde. Man unterscheidet u. a. den optischen, akustischen, vestibulären, taktilen, kinästhetischen, olfaktorischen und gustatorischen Analysator.[23] FISCHER[24] fügt noch einen weiteren Sinn hinzu: den Drehsinn.
Rezeptor bedeutet „Empfänger“, d. h. es handelt sich um eine physiologische Einrichtung an Zellen, Organen oder ganzen Systemen, die bestimmte physikalische und/oder chemische Gegebenheiten registriert. Die Rezeptoren spielen u. a. bei der Aufnahme der Umweltinformation und der ‚Übersetzung’ in den Organismus eine entscheidende Rolle. So messen z. B. Dehnungsrezeptoren den Längenzustand in der Muskulatur. Der Rezeptor ist ein wichtiger Teil einer sensorischen Funktionseinheit, dem sog. Analysator.
Jeder Rezeptor ist für einen bestimmten Reiz empfindlich. Er liegt an für ihre spezifischen Reize besonders exponierten Stellen. Nervenleitungen, die Informationen vom Sinnesorgan zum Gehirn senden, bezeichnet man als afferente Bahnen. Vom Gehirn zu den ausführenden Organen verlaufende Impulse nennt man efferente[25] Nervenfasern.[26] Die Summe aller Sinneseindrücke nennt man Sinnesempfindung. Hinzu kommt noch eine individuelle Deutung, die durch Erfahrungen und bereits vorhandenes Wissen entsteht. Dieser Vorgang wird als Wahrnehmung bezeichnet.[27]
Im Folgenden wird kurz der Weg vom ankommenden Reiz zur Reaktion dargestellt. Abb. 2 verdeutlicht diese Erläuterung. Die Aufnahme des Reizes erfolgt durch den entsprechenden Rezeptor des Sinnesorgans. Von dort wird er durch aufsteigende Nervenfasern in die entsprechenden sensorischen Zentren der Großhirnhälfte weitergeleitet. Im Gehirn wird das Wahrgenommene gespeichert und der neue Reiz wird mit bereits Vorhandenem verglichen. Anschließend werden die Informationen aus den Sinnesorganen ausgewählt und bewertet. Im Gehirn erfolgt dann die Koordination der Einzelreize der verschiedenen sensorischen Zentren. Der Reiz wird verarbeitet und in die bisherigen Erfahrungen eingeordnet. Nach diesen Prozessen kommt es zur Reaktion. Diese erfolgt dadurch, dass die absteigenden Nervenfasern den Impuls des Gehirns zum ausführenden Organ leiten. Dies sind z. B. die Muskeln und Sehnen des Körpers. Durch die ausgelöste Reaktion werden wiederum weitere Wahrnehmungen ausgelöst und der o. g. Prozess beginnt erneut. Daher ist der Prozess der Wahrnehmung auch als immer wiederkehrender Regelkreis zu verstehen und nicht als abgeschlossene Handlung.[28]
Die Sensorische Integration
Der Begriff der sensorischen Integration geht auf die Ergotherapeutin Jean AYRES zurück. Nach AYRES beinhaltet die sensorische Integration das Ordnen der Empfindungen und Sinneseindrücke, damit diese richtig gebraucht werden können. Die Autorin geht davon aus, dass eingehende Impulse durch das Gehirn sortiert, geordnet und in einen zweckmäßigen Zusammenhang gebracht werden, damit das Individuum entsprechend mit der Umwelt interagieren kann. Sensorische Integration stellt ihrer Ansicht nach die wichtigste Form sinnlicher Verarbeitung[29] dar. Daraus lässt sich schließen, dass die sensorische Integration ein Teil des Wahrnehmungsprozesses ist.
Durch die Integration werden Empfindungen in Wahrnehmung übergeführt. Durch alltägliche Tätigkeiten wie z.B. bewegen, sprechen und spielen vollzieht sich die sensorische Integration. Sie ist die notwendige Voraussetzung für komplexere Vorgänge wie z. B. Lernprozesse im Lesen, Schreiben und Rechnen. Bei gut geordneten sinnlichen Integrationsprozessen wird es dem Kind leichter fallen, kognitive und soziale Fähigkeiten zu erlernen. Die Lernprozesse eines Kindes werden durch eine beständige Auseinandersetzung mit der Umwelt erreicht. Durch die so genannte Anpassungsreaktion erfährt das Kind den umfassendsten geistigen und körperlichen Adaptationsfortschritt. Die Anpassungsreaktion ist die sinnvolle und zielgerichtete Antwort auf einen sensorischen Reiz. Das Gehirn entwickelt sich hierdurch weiter, um ein ganzheitliches System zu schaffen.[30] Eine schlechte sensorische Integration kann zu den verschiedensten Schwierigkeiten der betroffenen Kinder führen. Sie müssen sich mehr anstrengen und haben trotz aller Mühen meist weniger Erfolg und Befriedigung. Probleme der sensorischen Integration sind jedoch nicht gleichzusetzen mit geistiger Entwicklungsverzögerung, denn viele Kinder mit Mühen in diesem Bereich haben meist eine normale bis überdurchschnittliche Intelligenz.[31] Schon zu Beginn der Schulzeit kann ein Kind mit einer gestörten sensorischen Integration große Schwierigkeiten bekommen, da es intensiver arbeiten muss als seine Klassenkameraden, und sich dadurch hilflos und ängstlich fühlt. Es gibt einige spezifische Symptome, die Kinder mit einer schlechten sensorischen Integration aufzeigen. Dennoch müssen nicht alle Betroffenen, die diese Merkmale zeigen, zwangsläufig an einer gestörten sensorischen Integration leiden. Im Folgenden soll auf diese möglichen Anzeichen kurz eingegangen werden.
Viele Kinder zeigen motorische Auffälligkeiten. Sie bewegen sich tollpatschig und können sich nicht so elegant und leicht bewegen wie die anderen. Auch beim Spielen ist eine Ungeschicklichkeit im Umgang mit den Materialien zu sehen. Z. B. beim Umgang mit Bausteinen fällt es den Kindern häufig schwer, diese zusammen zu führen und ihre Hände scheinen anders zu handeln, als das Kind es vorsieht. Häufig wird eine Entwicklungsverzögerung der Sprache bemerkt. Dies ist in vielen Fällen ein Hinweis auf die mangelnde Funktion des Gehirns. Das Kind scheint alle Dinge schlechter ausführen zu können als Gleichaltrige. Dadurch, dass es einströmende Sinneseindrücke nicht richtig verarbeiten kann, reagiert es mit vermeintlich falschem Verhalten auf Situationen. Das Kind zeigt häufig aggressives und wütendes Verhalten.[32] AYRES stellt mit Recht fest:
„Eine Störung der Integration sinnlicher Wahrnehmung ist eine schwere Last für jedermann,
der sie zu tragen hat.“[33]
Die für die Wahrnehmung bedeutsamen Sinnessysteme und ihre Bedeutung für schulisches Lernen
Zunächst sei gesagt, dass eine genaue Trennung der einzelnen Sinnessysteme nicht möglich ist, da die Informationen aus der Umwelt stets über mehrere Sinneskanäle wahrgenommen werden. Dennoch ist eine isolierte Darstellung der Sinnesbereiche zweckmäßig, um einen Überblick zu erhalten und das Verständnis zu
erleichtern. Folgende Tabelle soll zunächst eine Übersicht über die Grundwahrnehmungsbereiche geben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] vgl. ZIMMER 2004, 32
[2] vgl. GUDJONS 2001, 18 - 19
[3] vgl. ZIMMER 2004, 17
[4] KANTER (2003) definiert: Eine Lernbeeinträchtigung oder „Lernbehinderung ist keine eindeutig umrissene, definierte Behinderungsform. […] Bei lernbehinderten Kindern ist die Lernfähigkeit substantiell betroffen, was sich u.a. in unterdurchschnittlichen Intelligenzergebnissen und einem kognitiven, sprachlichen Rückstand (etwa Gedächtnisschwäche, Sprachschwierigkeiten, mangelnder Wortschatz, mangelndes Instruktionsverständnis) äußert. Eine solche Lernbeeinträchtigung ist in der Regel mehrfach (multifaktoriell) bedingt. Die moderne Forschung geht deshalb kaum noch der Frage nach Ursachen nach; sondern beobachtet vor allem, wie diese Kinder lernen.“ Nach EBERWEIN ist „Lernbehinderung […] also kein feststehendes, defizitäres Persönlichkeitsmerkmal.“ Kinder sind demzufolge als lernbehindert zu bezeichnen, wenn sie langandauernd und umfänglich in ihrem schulischen Lernen beeinträchtigt sind und deutliche Leistungs- und Verhaltensabweichungen bezüglich der Altersnorm aufweisen. (vgl. KANTHER 2003)
[5] vgl. Zimmer 1999, 22
[6] DEWEY, zitiert nach HÄNSEL 1997, 70 f.
[7] vgl. EMER / LENZEN 2002, 11
[8] BOSSING zitiert nach LENZEN
[9] vgl. HÄNSEL 1997, 73
[10] vgl. REINTGES 1978, 60
[11] vgl. ZIMMER 1995a, 31
[12] vgl. ZIMMER, 1995a, 31
[13] vgl. ZIMMER 1995a, 65
[14] In diesem Kapitel soll vornehmlich ein kurzer Überblick über die für die Wahrnehmung bedeutsamen neurologischen Zusammenhänge gegeben werden. Weiterführende Literatur in: FRÖHLICH, Andreas D (Hrsg.): Wahrnehmungsstörungen und Wahrnehmungsförderung. 9. vollst. überarb. Aufl., Heidelberg, Winter, Programm Ed, Schindele, 1996
ZIMMER, Renate: Handbuch der Sinneswahrnehmung, 3. Aufl., Herder, Freiburg, 1995 BRAND, Ingelid, BREITENBACH, Erwin, MAISEL, Vera: Integrationsstörungen. Diagnose und Therapie im Erstunterricht, 6. Aufl., Ed. Bentheim, 1997 Diesen Publikationen sind auch die Informationen für dieses Kapitel entnommen.
[15] vgl. ZIMMER, 1995a, 33
[16] vgl. FRÖHLICH 1996, 18
[17] vgl. ZIMMER 1995a, 34
[18] vgl. FRÖHLICH 1996, 21
[19] Das Limbische System ist z. B. für die Motivation eines Menschen von Bedeutung und damit für das schulische Lernen von Belang.
[20] vgl. ZIMMER 1995a, 35
[21] Auf eine detaillierte Beschreibung wird hier verzichtet. Weiterführende Literatur siehe Literaturverzeichnis.
[22] „aufsteigend“
[23] vgl. ROTHING 1992, 33; vgl. Kap. 2.5
[24] FISCHER 2003, S.35
[25] absteigend“
[26] vgl. ZIMMER 1995a, 42
[27] vgl. ZIMMER 1995a, 43
[28] vgl. ZIMMER 1995a, 45
[29] vgl. AYRES 1998, 7
[30] vgl.AYRES 1998, 11.
[31] vgl. ebd.
[32] vgl. AYRES 1998, 14
[33] AYRES 1998, 17
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