Die Nazis und der Jazz - das ging nun mal gar nicht zusammen, so könnte man meinen. Tatsächlich lag an sich nichts der braunen Diktatur so fern wie die spontane, improvisierte Musik der Afroamerikaner – der Swing eines Count Basie oder Benny Goodman, nach dem in den 30er Jahren die ganze Welt tanzte. Und die auch in der Tanzmusik der deutschen Orchester überall ihre Spuren hinterließ. Doch Propagandaminister Joseph Goebbels erkannte bald, daß diese Musik von unschätzbarem Wert sein konnte - wenn man sie richtig einsetzte. So instrumentalisierten Goebbels und seine Mitarbeiter skrupellos Tanzmusik und Jazz: Deutsche Schallplattenfirmen preßten heißen Swing für den Export – denn das brachte wertvolle Devisen. Der Reichsrundfunk sendete zuletzt fast rund um die Uhr Unterhaltungsmusik – und er plazierte dazwischen um so perfider seine braunen Botschaften. Und Außenminister Joachim von Ribbentrop initiierte eine Propaganda-Band, deren Musik gar nicht „schwarz“ genug sein konnte - ihre Texte waren antisemitisch... Im zweiten Weltkrieg entspann sich ein Kampf um die Köpfe der Menschen, in dem die Unterhaltungsmusik eine Schlüsselrolle spielte: Mit Schallplatten, die von Flugzeugen hinter der Front abgeworfen wurden. Mit einem Wettlauf um die deutschen Hörer zwischen Reichsrundfunk und Londoner BBC. Mit brutalen Aktionen gegen jugendliche Swingfans in Hamburg, Frankfurt, Köln. Und mit einem Kräftemessen im Äther zwischen Mittel- und Langwellensendern, die mit ihren Musikprogrammen mühelos in ganz Europa zu hören waren...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Ressentiments nationalsozialistischer Ideologie gegenüber zeitgenössischer Unterhaltungskultur
- 1. "Keine Destille ohne Yazz[!]-Band" - Die afroamerikanisch beeinflußte Musikkultur der zwanziger Jahre und die mannigfachen Ressentiments etablierter Kreise
- 2. Popularmusik und NS-Ideologie
- II. Der Umgang mit Popularmusik in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur
- 1. Popularmusik in der massenmedialen Praxis
- a) Pragmatismus statt "Gesinnung" - der Rundfunk
- b) Primat der Ökonomie - die Schallplattenindustrie und die "unerwünschte" Musik
- 2. Kampagnen gegen die afroamerikanische Musik
- 1. Popularmusik in der massenmedialen Praxis
- Schluß: "Und die entartete Musik hat doch gesiegt" - Popularmusik in der Propaganda des NS-Staates
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Umgang mit Popularmusik im nationalsozialistischen Deutschland. Sie beleuchtet die Entstehung von Ressentiments gegenüber der afroamerikanisch beeinflussten Musikkultur der zwanziger Jahre, die von der NS-Ideologie aufgegriffen wurden. Des Weiteren wird untersucht, wie die NS-Propaganda die Popularmusik für ihre Zwecke nutzte und wie die Schallplattenindustrie mit dieser Musik umging.
- Die Entstehung von Ressentiments gegenüber afroamerikanischer Musik im Kontext des kulturellen Wandels der zwanziger Jahre.
- Die Verwendung von Popularmusik in der NS-Propaganda, insbesondere im Rundfunk.
- Die Rolle der Schallplattenindustrie und deren Umgang mit "unerwünschter" Musik.
- Die Kampagnen der Nationalsozialisten gegen afroamerikanische Musik.
- Die Rezeption von Swingmusik in der Jugend und der Widerstand gegen die NS-Kulturpolitik.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik des Themas "Umgang mit Popularmusik im nationalsozialistischen Deutschland" vor und skizziert den Kontext des kulturellen Wandels der zwanziger Jahre, der durch afroamerikanische Einflüsse geprägt war. Der erste Abschnitt beleuchtet die Ressentiments gegenüber dieser Musik, die von der NS-Ideologie aufgegriffen wurden. Der zweite Abschnitt untersucht die Verwendung von Popularmusik in den Massenmedien, insbesondere im Rundfunk, sowie die Rolle der Schallplattenindustrie. Der dritte Abschnitt beleuchtet die Kampagnen gegen afroamerikanische Musik und die Reaktionen darauf.
Schlüsselwörter
Popularmusik, NS-Ideologie, Afroamerikanische Einflüsse, Rundfunk, Schallplattenindustrie, Propaganda, Kulturpolitik, Swing, Jazz, Ressentiments, Jugendkultur, Widerstand.
- Quote paper
- M.A. Michael Kuhlmann (Author), 1995, Popularmusik im "Dritten Reich" - unter besonderer Berücksichtigung afroamerikanischer Einflüsse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53232