Die Aufgaben eines Gruppenleiter in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) sind sehr vielfältig und nicht klar zu definieren. Die Schwierigkeit bei der Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung besteht jedoch vor allem im Aufbau einer helfenden Beziehung. Diese ist geprägt durch den Aufbau einer helfenden Nähe, wobei die Grenzen der professionellen Distanz nicht überschritten werden dürfen.
Theoretisch gesehen muss man auf jeden Klienten entsprechend seiner Bedürfnisse eingehen, ohne dabei eine professionelle Distanz zu verlieren. Unter professioneller Distanz ist hier die Einhaltung der Grenzen, die der Klient möchte und die, die man für sich selber absteckt, zu verstehen.
Wie kann man dies aber gewährleisten? Welche verschiedenen Aspekte hat die Rolle des Gruppenleiters überhaupt und führen die unterschiedlichen Rollenaspekte zwangsweise zu einem Nähe-Distanz-Problem? Welche verschiedenen Möglichkeiten gibt es in einer Situation zu handeln und wie kann man ein Nähe-Distanz-Probleme verhindern?
Alle aufkommenden Fragen, von denen nur ein paar hier angesprochen sind, können nicht vollkommen beantwortet werden. Aber einige werde ich in der folgenden Seminararbeit versuchen zu lösen und durch multiperspektivische Fallarbeit eine bestimmte Situation, in der ein Nähe-Distanz-Problem entstehen könnte, aufschlüsseln, indem die Situation aus unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen heraus betrachtet wird.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffserläuterungen
2.1 Methodisches Handeln
2.2 Ausgewählte Methode: Multiperspektivische Fallarbeit
2.3 Paradigmen der Behindertenarbeit
2.3.1 Empowerment
2.3.2 Selbstbestimmung
2.3.3 Integration
2.3.4 Inklusion
2.3.5 Normalisierung
3 Rollen des Gruppenleiters
3.1 Rollentheorie (nach KRAPPMANN)
3.2 Einige mögliche Aspekte der Rolle des Gruppenleiters
3.2.1 Aspekt des Anleiters, Kontrolleurs und Helfers
3.2.2 Aspekt des Ratgebers und Zuhörers
3.2.3 Weitere mögliche Aspekte
4 Nähe- Distanz- Problem?
4.1 Eventuell aufkommende Probleme
4.1.1 Zu viel Nähe
4.1.2 Zu viel Distanz
4.2 Beispiel für Nähe- Distanz in einer bestimmten Situation
4.3 Situationsklärung durch Multiperspektivische Fallarbeit
5 Schluss
Literaturverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
1 Einleitung
Was ist die Aufgabe eines Gruppenleiters? Dies war eine meiner ersten Fragen, als ich im Oktober 2004 in dem Berufs-Bildungs-Bereich (BBB) der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Hanau-Steinheim angefangen habe. Man konnte mir die Frage jedoch nicht eindeutig beantworten und man muss überlegen, ob dies überhaupt möglich ist! Denn obwohl in der Betriebsvereinbarung „Struktur der Werkstatt für behinderte Menschen im BWMK[1] e.V.“ die Aufgabenverteilung und Organisation für die Gruppenleiter und andere Angestellte in einer WfbM festgehalten sind, so ist doch unklar, ob die genaue Durchführung und Einhaltung dieser in der Theorie festgelegten Aufgaben auch in der Praxis möglich ist.
Aus dieser Situation heraus und aufgrund der individuellen Bedürfnisse der Klienten bezüglich der Nähe und Zuwendung möchte ich in der folgenden Seminararbeit auf die unterschiedlichen Aspekte der Rolle eines Gruppenleiters und das daraus resultierende Nähe-Distanz-Problem in einer Werkstatt für behinderte Menschen ansatzweise und bezüglich ausgewählter Punkte genauer eingehen. Jedoch stellt sich zwingendermaßen auch die Frage, ob es wirklich ein Problem ist, oder ob es nur als eines angesehen wird?
Der BBB ist der prägende Anlaufpunkt im BWMK e.V. für Menschen mit Behinderungen. Zu dem Klientel zählen hauptsächlich geistig behinderte Menschen, wobei die Grenzen zu Lernbehinderungen und Körperbehinderungen mittlerweile nicht völlig klar zu erkennen sind. Weitere mögliche Handlungsorte für Menschen mit einer geistigen Behinderung im Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V. sind u.a. Tageseinrichtungen, Wohnheime, Rehabilitationseinrichtungen, Integrationsbetriebe und Frühförderungen.
Theoretisch gesehen muss man auf jeden Klienten entsprechend seiner Bedürfnisse eingehen, ohne dabei eine professionelle Distanz zu verlieren. Unter professioneller Distanz ist hier die Einhaltung der Grenzen, die der Klient möchte und die, die man für sich selber absteckt, zu verstehen. Wie kann man dies aber gewährleisten? Welche verschiedenen Aspekte hat die Rolle des Gruppenleiters überhaupt und führen die unterschiedlichen Rollenaspekte zwangsweise zu einem Nähe-Distanz-Problem? Welche verschiedenen Möglichkeiten gibt es in einer Situation zu handeln und wie kann man Nähe-Distanz-Probleme verhindern? Alle aufkommenden Fragen, von denen nur ein paar hier angesprochen sind, können nicht beantwortet werden. Aber einige werde ich in der folgenden Seminararbeit versuchen zu lösen und durch multiperspektivische Fallarbeit eine bestimmte Situation, in der ein Nähe-Distanz-Problem entstehen könnte, aufschlüsseln, indem die Situation aus unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen heraus betrachtet wird.
2 Begriffserläuterungen
2.1 Methodisches Handeln
In seinem Buch „Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung“ erklärt GALUSKE methodisches Handeln als ein Beschreiben der eigenen Tätigkeiten und deren Reflektion. Es ist das Abwägen von verschiedenen möglichen Lösungsansätzen, deren Auswirkungen auf den Klienten und seine Umwelt, also das Erstellen von Handlungsplänen unter Einbeziehung der vorhandenen Ressourcen des Klienten. Dabei soll der Klient nicht mehr nur als soziales Wesen gesehen, sondern in seiner Umgebung betrachtet und alle möglichen Einflussfaktoren berücksichtigt werden.
2.2 Ausgewählte Methode: Multiperspektivische Fallarbeit
Die multiperspektivische Fallarbeit beschreibt Burkhard MÜLLER in seinem Buch „Sozialpädagogisches Können. Ein Lehrbuch zur multiperspektivischen Fallarbeit“. Diese Methode betrachtet Situationen aus verschiedenen Perspektiven heraus, die nicht miteinander vermischt werden, aber trotzdem in Wechselwirkung stehen. Dabei unterscheidet man zum einen zwischen den verschiedenen Perspektiven, auf die ich mich in meiner Arbeit konzentrieren werde: „Fall von“, „Fall für“ und „Fall mit“. Der „Fall von“ kategorisiert die vorliegenden Problemlagen. Der „Fall für“ zeigt, dass Sozialarbeiter nicht alleine eine Problemlage lösen können, sondern auch an andere Institutionen/Personen verweisen müssen. Im „Fall mit“ wird nun die Beziehungsarbeit mit dem Klienten angesprochen.
Zum anderen unterscheidet man die Phasen und Elemente der multiperspektivischen Fallarbeit: Anamnese, Diagnose, Intervention und Evaluation. Diese Punkte werde ich im folgenden nur kurz beschreiben, aber in der weiteren Arbeit nicht näher betrachten.
Die Anamnese kann mit „Wiedererinnerung“ übersetzt werden und bezeichnet das Sammeln, Systematisieren und Dokumentieren von Informationen bzgl. des Klienten. Der Begriff Diagnose kann mit „Durchblick“ übersetzt werden und beschreibt das Sortieren der zuvor aufgelisteten Informationen, um Probleme zu deuten und einen Handlungsplan zu erstellen. Intervention bedeutet so viel wie „dazwischentreten“. Es beschreibt das Eingreifen in eine Situation, das Anbieten von Therapiemöglichkeiten, die auch abgelehnt werden können und das gemeinsame Handeln von Sozialarbeiter und Klient. Die Evaluation ist dann das Auswerten und Bewerten des gesamten Prozesses und dessen Ergebnisse.
2.3 Paradigmen der Behindertenarbeit
Menschen mit einer geistigen Behinderung gab es schon immer und wird es vermutlich auch immer geben. Die Entwicklung der Geistigbehindertenpädagogik war geprägt durch Aberglauben, Ignoranz und Ablehnung.
Menschen mit einer geistigen Behinderung wurden in der Antike ausgestoßen und selektiert. Im Mittelalter wurden die geistig und körperlich schwergeschädigten Kinder aufgrund des christlichen Glaubens nicht mehr selektiert, aber dennoch glaubte man, dass es ein Werk des Teufels sei und sie wurden verstoßen. Während der Aufklärung kam es zur Überwindung des Aberglaubens. Man interessierte sich zunehmend für die Gründe von Geistesschwäche, aber auch für die Bildung und Erziehung dieser Menschen.
Die ersten Schulen und Anstalten für Menschen mit einer geistigen Behinderung wurden im 19. Jahrhundert gegründet. Bedeutsame pädagogisch-soziale Ansätze waren von PESTALOZZI ausgegangen. Er war der Überzeugung, dass auch schwerbehinderte Menschen ihren Unterhalt selber verdienen und ein freies Leben führen können.
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[1] BWMK e.V. = Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.
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