Integrationsperspektiven für von Exklusion gefährdete Gruppen durch lebenslanges Lernen


Hausarbeit, 2005

40 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Social Exclusion - weit mehr als Armut

3. Social Exclusion - analytisch, prozesshaft, multidimensional

4. Die Gefahr der einseitigen Definition: Zustand der Ausgrenzung statt Prozesshaftigkeit

5. Faktoren, die Social Exclusion befördern

6. Hartz IV - verordnete Exklusion durch Senkung des soziokulturellen Existenzminimums
6.1 Der unterste Sockel sinkt, weil Bund und Kommunen „sparen“
6.2 verordnete Exklusion

7. Hinderungsfaktoren für soziale Ausgrenzung

8. Exklusion als Gefährdung demokratischer Grundwerte

9. Soziale Ausgrenzung und Rassismus

10. Integrationschancen durch Netzwerkberatung und lebenslanges Lernen - Beispiele aus der Praxis Mobiler Beratungsarbeit für Demokratische Kultur
10.1 TACH - Ein Theaterprojekt für und mit benachteiligten Frauen und Männern
10.2 Beratungsprojekt des Kulturbüro Sachsen e.V. „Alternatives Kultur- & Bildungszentrum Sächsische Schweiz (AKUBIZ)“
10.3 „Neue Heimat - fremdes Land?“ - Begegnungstagung für Initiativen und Projekte von Spätaussiedlern und Kontingentflüchtlingen in Sachsen

11. „Von der Privatperson zum politischen Akteur“ - Zehn Schritte in die demokratische Zivilgesellschaft

12. Literatur

13. Anhang
Stellungnahme der BAG der Sozialhilfeinitiativen e. V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch - Deutscher Bundestag Drucksache 15/1514 - Frankfurt, 23. September 2003
AUFRUF VON WISSENSCHAFTLERINNEN UND WISSENSCHAFTLERN

1. Vorwort

Die ökonomische Stärke und der gesellschaftliche Wohlstand in Europa sorgen im weltweiten Vergleich nach wie vor für Beachtung und Nachahmung. Ökonomische Stärke und hochtechno- logische Innovation schafften in den vergangenen Jahren Arbeitsplätze und waren essentiell da- für, einen hohen Lebensstandard und eine gute Lebensqualität der Menschen aufrechtzuerhalten. Ergänzend dazu gelang es den EU-Mitgliedsstaaten - vor allem mit dem in Frankreich, der BRD und den skandinavischen Ländern praktizierten Paradigma der Sozialen Marktwirtschaft - dafür zu sorgen, dass dieser Reichtum bis zu einem gewissen Grad in der Bevölkerung verteilt wurde. Dennoch, ein nicht zu unterschätzender Teil der europäischen Bevölkerung lebt in Armut. Dieser Teil der Bevölkerung wuchs in den vergangenen Jahren nach dem Ende der Ost - West - Kon- frontation an und ist aufgrund struktureller Barrieren und interner Verteilungskämpfe Subjekt sozialen und kulturellen Ausschlusses.

Der Begriff „social exclusion” ist in diesem Zusammenhang in der europäischen Forschung über Arbeitslosigkeit, Armut und sozialen Zusammenhalt („social cohesion“), insbesondere in Frank- reich wo er von den Medien und der politischen Debatte aufgegriffen wurde, weit verbreitet.1 Unter dem Einfluss der französischen Diskussion übernahm auch die Europäische Union den Exklusionsbegriff in ihren offiziellen Sprachgebrauch und stellt seit 1989 sowohl ihre politischen Programme zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Armut als auch einen Teil ihrer For- schungsförderung unter das Motto "combat social exclusion”.2 Selbst in Deutschland, wo der Begriff sehr viel weniger Resonanz fand als in Frankreich, wurden während der 80er und frühen 90er Jahre mehrere Studien zur "neuen Armut” und den neuen Formen der Arbeitslosigkeit ver- öffentlicht, die das deutsche begriffliche Äquivalent für Exklusion, ‚Ausgrenzung’, einführten. Die Artikel 136 und 137 des Amsterdamer Vertrages, welcher 1999 in Kraft trat, sollten dazu führen, dass der Kampf gegen sozialen Ausschluss zu einem Hauptziel der EU Sozialpolitik wird.3 Artikel 138 des Vertrages besagt, dass die Gemeinschaft darauf abzielen soll, die bestehen- den Entwicklungsunterschiede der einzelnen Regionen vor allem der am meisten benachteiligten Regionen oder Inseln einschließlich ländlicher Gebiete abzustellen, um den ökonomischen und sozialen Zusammenhalt der europäischen Gesellschaften zu stärken.

Die derzeitigen unter dem Begriff Globalisierung diskutierten Veränderungen der Weltökonomie und der gleichzeitige Rückzug des Staates aus der Verantwortung für sozialen Zusammenhalt in beinahe allen europäischen Gesellschaften erhöhten jedoch das Risiko sozialen Ausschlusses be- stimmter Bevölkerungsgruppen und der sozialen Diversifizierung der mitteleuropäischen Gesell- schaften in den letzten 10 Jahren dramatisch. Gefährdet sind vor allem jene, die über wenig Fä- higkeiten verfügen, bei den auf Innovation und Wissen basierenden Aktivitäten und Arbeitsmög- lichkeiten erfolgreich mitzuhalten, sowie jene, die aus strukturellen Gründen nicht am bezahlten Arbeitsmarkt teilhaben können (Mütter/Väter - vor allem Alleinerziehende, MigrantInnen, Ge- ringqualifizierte, Kranke und Behinderte). In dieser Hausarbeit beschäftigen mich Aspekte pro- zesshafter (Wieder-)Aneignung von sozialen, kulturellen und symbolischen Ressourcen von Men- schen und damit Chancen für den Integrationsprozess exkludierter Gruppen und Individuen in den Kreislauf gesellschaftlicher Teilhabe. Mein besonderes Interesse gilt den Chancen und Res- sourcen, die innerhalb von lebenslangen Bildungs- und Begleitungsprozessen nach der Methode des Empowerment liegen. Dabei beschäftigen mich in dieser Hausarbeit Personengruppen, die in besonderem Maße von struktureller und darüber hinaus von sie begleitender individueller Exklusion, in meinen beruflichen zusammenhängen durch Alltagsrassismus und Diskriminierung bzw. rassistisch motivierte Gewalt, betroffen sind. Mich interessiert die Frage, welche Formen zivilgesellschaftlicher Inklusionsprozesse heute für solche Gruppen notwendig und erfolgreich sind. Insbesondere stelle ich zivilgesellschaftliche Handlungsansätze vor, die durch kulturelle, soziale und formative Bildungsprozesse und solidarische Begleitungs- und Beratungsarbeit die den betroffenen Gruppen innewohnenden Selbsthilfekräfte entwickeln und stärken.

2. Social Exclusion - weit mehr als Armut

Lange Zeit wurde das Problem der Sozialen Ausgrenzung in Europa nicht als themenübergrei- fendes individuelle und gesellschaftliche Voraussetzungen einbeziehendes Phänomen verstanden, sondern in partikularen Themenfeldern interpretiert und diskutiert. Das vorherrschende Kriteri- um dafür war Armut als materielles Defizit an Einkommen. Es gab Armutsberichte und es gibt bis heute in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion eine Engführung der Thematik auf materiellen Wohlstand und quantitativ messbare Kriterien wie ein ökonomisch definiertes Lebensminimum. So wird ‚social exclusion’ im engeren Sinn als Synonym für Einkommensarmut verstanden und bezieht es sich auf Menschen, die entweder vom bezahlten Arbeitsmarkt ausge- schlossen sind (Arbeitslose) bzw. diejenigen, die im Billiglohnsektor tätig sein müssen.

Da Hunger, Krankheit und der permanente Überlebenskampf nicht oder nur schwer messbar sind, definiert bspw. die Weltbank Armut über das Einkommen bzw. Vermögen einer Person. Als absolut oder extrem arm gilt, wer weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat (Ein-Dollar-Marke bzw. Ressourcenansatz). Das sind derzeit rund 1,2 Milliarden Menschen, also jeder fünfte Mensch. Beim Schwellenwert von 2 US-Dollar pro Kopf und Tag leben 2,8 Milliarden Menschen in Armut. Beinahe jeder zweite Mensch ist nach dieser Definition nicht in der Lage, einen minimalen Lebensstandard zu erreichen, sich bspw. eine angemessene Mindesternährung zu leisten.4 Die Ein-Dollar-Marke ist in der Entwicklungszusammenarbeit gängig, um eine weltweit vergleichbare Messgröße für Armut zu haben. Auf diese Größe bezieht sich auch das Ziel der UN, die absolute Armut weltweit bis 2015 zu halbieren.

Der sog. Lebenslageansatz, fasst den Armuts-Begriff wesentlich weiter. Ihm geht es um die Fra- ge: Reichen die verfügbaren Ressourcen aus, um das eigene Leben individuell und menschenwür- dig zu gestalten? Indikatoren wie Bildungschancen, gesellschaftliche Teilhabe an Entscheidungen, Lebensstandard, Selbstbestimmung, Rechtssicherheit u.v.m. werden hier berücksichtig. Auf Grundlage des Lebenslageansatzes errechnet das United Nations Developement Programme (UNDP) den Human Developement Index (HDI). Auf einer Skala zwischen 0,0 und 1,0 be- schreibt er den Entwicklungsstand eines Landes mit den Indikatoren: Lebenserwartung bei der Geburt, Alphabetisierungsrate, Bildungsniveau und reale Kaufkraft pro Kopf. Der Lebenslagen- ansatz kommt dem im folgenden Kapitel vorgestellten Konzept von ‚social exclusion’ näher.

Auch in der BRD gelten beide Definitionen: Der Begriff ‚relative Armut’ vergleicht den Lebens- standard unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen innerhalb eines Landes. In der BRD gilt nach dem Statistischen Amt der EU (Eurostat) als arm, wer über weniger als 50 Prozent des durch- schnittlichen Jahresnettoeinkommens der Bevölkerung verfügt. In der BRD waren dies 2001 19.250 € oder jede zehnte Person.5 Wer über 40% oder weniger verfügt gilt als absolut arm, bei60% als einkommensschwach. Absolute Armut bezeichnet einen Zustand, ohne Ausstattung mit den Ressourcen, um elementare Grundbedürfnisse zu befriedigen und ein menschenwürdiges Leben zu führen.6 Dieser Armutsbegriff schließt materielle wie immaterielle Aspekte ein. Materielle Armut bedeutet ein Mangel an Gütern, die zum physischen Überleben erforderlich sind, wie Essen, Kleidung, Wohnung, sauberes Trinkwasser. Immaterielle Armut bezieht soziale, ethnische, religiöse, kulturelle und politische Aspekte ein, ohne die ein menschenwürdiges Leben nicht möglich ist: Teilhabe am politischen wie gesellschaftlichen Leben, Bildungschancen, Menschenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter u.v.m.7

3. Social Exclusion - analytisch, prozesshaft, multidimensional

Beide im vorhergehenden Kapitel dargestellten Armutsbegriffe beschreiben, ob eng oder weit aufgefasst, einen messbaren Zustand. Der Begriff ‚social exclusion’ geht auf konzeptueller und empirischer Ebene über die Armutsbegriffe hinaus: Armut konzentriert sich auf die Verteilung materieller Ressourcen, ‚social exclusion’ fragt nach dem Prozess sozial-kultureller Teilhabe und Integration. Die EU-Kommission beschreibt das Defizit eines statischen Armutsbegriffes so: „Poverty was no longer the right word. The phenomenon was not simply related to material wealth, or lack of it, but involved a complicated interaction between - wealth, certainly - but also access to social rights, attachement to the labour market, the strength of informal networks. [...] a kind of poverty built into the structures of society, and not simply relevant to a residual minority of the population [...].“8 Der Exklusionsbegriff verknüpft daher die Analyse sozialer, kultureller und ökonomischer Nachteile von Menschen mit der Frage von individueller sozial-kultureller Teilhabe und letztlich der Stabilität der Gesellschaft.“9 Armut bzw. Langzeitarbeitslosigkeit wird in Verbindung mit sozialer Ausgrenzung betrachtet, aber nicht als Einzelphänomen, ohne es mit anderen Nachteilen zu kombinieren. Während das Armutskonzept vor allem auf ein Fehlen ma- terieller Ressourcen (Bedingungen und Umstände) als statischen Zustand fokussiert, beachtet das Konzept sozialen Ausschlusses die multidimensionale Natur des Prozesses sozialen Ausschlusses. Der Exklusionsbegriff richtet den Blick auf folgende Bedeutungsebenen:

1. Ausschluss am Arbeitsmarkt und Auflösung sozialer Bindungen

Der Begriff ‚social exclusion’ zeichnet sich dadurch aus, dass er die Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut von vornherein sozial und damit relational, als abgestufte soziale Verhältnisse von Teilhabe bzw. Ausschluss bestimmt. Bei dieser Interpretation von Exklusion wird deutlich, welch hohe Bedeutung die Erwerbsarbeit für die Vergesellschaftung von Individuen in kapitalistischen Gesellschaften spielt. Gesellschaftliche Zugehörigkeit stellt sich hier wesentlich über Einbindung in Sozialbeziehungen her, die auf wechselseitiger Abhängigkeit in geregelten Kooperationsver- hältnissen beruhen. Ausgrenzung am Arbeitsmarkt wird dann als Bruch von Interdependenzbe- ziehungen (gesellschaftlich vorgeformte Beziehungen von Individuen durch Arbeitsteilung, Re- geln, Anerkennung und Solidarität) verstanden. Sie ist in dieser Lesart eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung für Exklusion.10

2. Verlust von Partizipations- & Teilhabemöglichkeiten

Der Begriff lenkt die Aufmerksamkeit auf die Mehrdimensionalität von gesellschaftlicher Zuge- hörigkeit und Teilhabe (ökonomisch, kulturell, politisch-institutionell, soziale Beziehungen). Folgt man diesem Ansatz, konstituiert sich gesellschaftliche Zugehörigkeit im Wesentlichen durch Par- tizipationsmöglichkeiten, die sich an kulturellen und damit historisch veränderbaren Maßstäben bemessen lassen und in hohem Maße institutionell vermittelt sind. Dabei kommt neben dem Ar- beitsmarkt vor allem den staatlichen Institutionen eine besondere Rolle bei der Eröffnung von Chancen und der Risikoabsicherung zu.11 Die ausschlaggebende Vorbedingung nur begrenzter Teilhabe an der Gesellschaft ist die Anhäufung von Nachteilen und zugleich auftretende unter- schiedliche Mängel in materieller Hinsicht, zerbrochenen Familienbeziehungen oder sozio- psychologischem Stress. Wo sich defizitäre Lebenslagen über einen langen Zeitraum entwickeln, ist die Wahrnehmung limitierter Chancen sozialer Teilhabe sehr wahrscheinlich. Dies führt zu Hoffnungslosigkeit und einem beschränkten Zugang zu sozialen Institutionen.12

3. Exklusion als Prozess

Der Exklusionsbegriff unterscheidet sich vom herkömmlichen Armutsverständnis insbesondere darin, dass er auf den Prozesscharakter von Ausgrenzung hervorhebt. Dieser Prozess ist indivi- dueller (hier liegt das Augenmerk auf der biographischen Kumulation, das sukzessive Ineinander- greifen von Ausgrenzungsfolgen und -erfahrungen) und gesellschaftlicher Natur (hier liegt der Schwerpunkt auf gesellschaftlichen Instanzen, Strategien von Unternehmen, institutionellen Re- gelungen und Verfahrensweisen, sozialem Verhalten, die Ausgrenzung bewirken)13 und hat zu- nehmend Effekte auf Individuen, bestimmte Teile der Bevölkerung, Regionen oder urbane Ge- biete sowie die Gesamtgesellschaft. Der prozesshafte Exklusionsbegriff lenkt den Blick von den Betroffenen auf die Akteure und Agenturen der Ausschließung. Er zwingt dazu, die Ursachen, die Abstufungen und die Formen der Ausgrenzung bis in den Kern der Gesellschaft zurückzu- verfolgen. Aktuelle strukturelle Veränderungen in der Weltökonomie (Globalisierung) führen zu parallelen Veränderungen der sozio-ökonomischen Bedingungen der Menschen. Damit unter- scheidet der Exklusionsbegriff grundlegend von Theorien über soziale Randgruppen.14

Der Abschlussbericht des Armutsprogramms der Europäischen Union15 versteht ‚social exclusi- on’ als Ausgrenzungsprozess, der in einem mehrfachen Mangel, dem Zusammenbruch von Fami- lienbindungen und sozialen Beziehungen (gesellschaftliche Ebene), dem Verlust von Identität und Sinn (individuelle Ebene) resultiert.16 Exklusion bezeichnet somit Zustand und Prozess, Wirkkraft und Wirkung zugleich und stellt ein integratives, die Beschreibung von Lebensla- gen/Lebensqualitäten ermöglichendes Analysekonzept gegenüber den bisher bestehenden parti- kularen Begrifflichkeiten (Armut, Marginalisierung) dar, die sich mit dem quantitativen Messen von Einkommensgrenzen zufrieden gaben. Da Inklusions- bzw. Exklusionsprozesse sowohl in- dividueller als auch gesellschaftlicher Art sind, führt der Mangel spezifischer sozialer oder öko- nomischer Bedingungen nicht zwangsläufig dazu, dass ein Individuum oder eine Gruppe ausge- grenzt werden. Es bedeutet aber, dass sie dadurch anfälliger für soziale Ausgrenzung werden.

4. Die Gefahr der einseitigen Definition: Zustand der Aus- grenzung statt Prozesshaftigkeit

Der Begriff ‚social exclusion’ ist Anfälligkeit für Missinterpretationen. Ursprünglich als strukturel- le Kategorie der Analytik und Gesellschaftskritik konzipiert, leistet er dennoch zugleich Lesarten Vorschub, die ihn affirmativ, personalisierend und damit stigmatisierend deuten. „Die Gegen- überstellung eines „Innen“ und „Außen“ der Gesellschaft [...] leistet der Interpretation Vorschub, „die Gesellschaft“ und „die Ausgeschlossenen“ einander entgegenzusetzen. Sie legt nahe, nicht die Gesellschaft, die Ausgrenzung erzeugt, sondern die Ausgeschlossenen selbst zum Problem zu erklären: zu „Asozialen“, „Sozialschmarotzern“ oder gar „Parasiten“17, die sich im Gegensatz zum Wertekanon der Mehrheitsgesellschaft befinden. Das Innen-Außen-Bild entzieht die „inter- nen“ gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnisse dem Blick und trägt somit zu einer Mystifizie- rung sowohl der „guten Gesellschaft“ als auch „der Armen“ bei. Die Gesellschaft stellt sich so als in sich unproblematische Einheit dar. Die Ausgegrenzten oder von Ausgrenzung Bedrohten da- gegen werden zu Außenseitern und Problemgruppen, die an ihrer Situation durch ihr eigenes Verhalten selbst die Schuld tragen.18

Abb. 1 von „sozialen Fliehkräften“ besonders bedrohte Bevölkerungsschichten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wird nun die oben skizzierte Grenze zwischen der integrierten Gesellschaft und den von Exklu- sion bedrohten Bevölkerungsgruppen als fester Wert betrachtet, werden bestimmte Stadtviertel zum Wohnort der „Ausgegrenzten“ erklärt,19 entstehen feste Zuschreibungen. Auch die Partei- nahme Sozialarbeitender für die Ausgeschlossenen steht in der Gefahr in eine Apologie des „Innen“ umzuschlagen, wenn die Eingliederung in die Gesellschaft zum Selbstzweck wird, ungeach- tet der Arbeits- und Lebensverhältnisse unter denen sie zu haben ist. Sobald sich das Augenmerk allein auf das „Außen“ und die Extreme der Ausgrenzung richtet (Integration von Lanzeitarbeit- losen in den ersten Arbeitsmarkt durch Umschulung und Fortbildung, paternalistische Spenden- sammlungen für Obdachlose, Tafel-Projekte etc.), verstellt dies den Blick auf die wachsenden Einkommens- und Machtunterschiede, die zunehmende Prekarität der Erwerbsverhältnisse, die (noch) nicht zeitlich verfestigte Arbeitslosigkeit und Armut, die für die Entwicklung der Gesell- schaften Westeuropas und der USA während der letzten zwei Jahrzehnte charakteristisch sind.20 Wird Ausgrenzung allein vom Resultat her gesehen erscheint sie als Zustand (nicht Prozess), der am besten dadurch beseitigt wird, indem er rückgängig gemacht wird. Das Eingliederungsprob- lem verlagert sich dadurch auf die Betroffenen (Ausgeschlossenen). Sie sind es, die wiedereinglie- derungsfähig gemacht, deren Ressourcen aktiviert werden müssen. Die gesellschaftlichen Ver- hältnisse hingegen, in die hinein eingegliedert werden sollen, stehen selbst nicht mehr zur Dispo- sition. Die Orientierung allein an den Ausgeschlossenen verleitet Sozialarbeitende dazu, die In- terventionen zu spät anzusetzen. Der dichotome Exklusionsbegriff des „Drinnen“ und „Drau- ßen“ verortet die Probleme an den Rändern der Gesellschaft. Die analytische Erkenntnis, dass Ausgrenzung im Zentrum der Gesellschaft beginnt, (dem kapitalistischen System immanent ist, der Verf.) in Abstufungen prekärer Lebenslagen auftritt, auf sozialer, kultureller und ökonomi- scher Ungleichheit beruht und durch sie in Gang gehalten wird, wäre jedoch Voraussetzung für eine adäquate und fachliche soziale Intervention. „Durch das Fürsorgeverhältnis schützt die Ge- sellschaft weniger den Armen als den gesellschaftlichen Status quo.“21 Dabei müsste doch, wenn eine nachhaltige Veränderung erreicht werden sollte, die Gesellschaft, die Ausgrenzung bewirkt, selbst verändert werden.

5. Faktoren, die Social Exclusion befördern

Auf der Grundlage dieses multidimensionalen Verständnisses sozialer Ausgrenzung ist es mög- lich, sich differenzierter und komplexer mit den Faktoren auseinander zu setzen, die einerseits Integration und andererseits Exklusion befördern. Aktuelle Exklusionsdiskurse identifizieren bestimmte Zielgruppen, die aufgrund bestimmter Risikofaktoren (ökonomische, physische, psy- chische, soziale oder geographische) von sozialem Ausschluss besonders betroffen sind:

- prekäre Arbeitsverhältnisse wie unsichere, schlecht bezahlte Arbeit niedriger Qualität, Gefahr von Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit (der offensichtlichste, unmittelbarste und statistisch be deutendste Faktor sozialer Ausgrenzung)
- Wohnungslosigkeit und prekäre Lebensbedingungen
- Geringeres Bildungsniveau und Analphabetismus
- Aufwachsen in einer prekären Familiensituation (Alleinerziehende, Alkoholmissbrauch, häusliche Gewalt) bzw. in sozialen Brennpunkten (Verbrechen, Drogen, antisoziales Verhalten)
- Behinderung, Krankheit (schlechte Gesundheit), Invalidität
- Immigration, ethnische Konflikte, Rassismus und Diskriminierung
- Stigmatisierende Institutionen (Gefängnis, Jugendhilfe, psychiatrische Institutionen)

Die strukturellen Veränderungen der Globalisierung, können für die beschriebenen anfälligen Bevölkerungsgruppen zu neuen Risiken für Armut und sozialen Ausschluss führen, sollte nicht eine entsprechende darauf reagierende Politik entwickelt werden. Belastende strukturelle Verän- derungen bei für sozialen Ausschluss anfälligen Bevölkerungsgruppen sind dabei insbesondere:

1. Der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, in dessen Verlauf Arbeitsplätze

in der Produktion verschwinden und teilweise durch Dienstleistungstätigkeiten ersetzt werden, die höhere oder doch andere Qualifikationen erfordern. Strukturelle, also konjunkturunabhängige Ar- beitslosigkeit erklärt sich aus dem Verschwinden der alten Arbeitsplätze einerseits und der zu geringen Anzahl oder der Unzugänglichkeit der neuen andererseits. Soweit es sich um niedrig qualifizierte und schlecht bezahlte Dienstleistungsarbeitsplätze handelt, werden sie vornehmlich von Migranten und von Frauen eingenommen; soweit es Arbeitsplätze in den produktions- und unternehmensorientierten Dienstleistungen (Medien, Forschung, Entwicklung und Management) sind, von hochqualifizierten einheimischen Männern - sie haben ausgezeichnete Chancen auf dem Arbeitsmarkt, während die meisten derer, die durch Stillegungen und Rationalisierungen in der industriellen Produktion arbeitslos geworden sind, keinen neuen Arbeitsplatz finden.22

2. Diese Entwicklungen werden verschärft durch die Globalisierung der ökonomischen Beziehungen,

bei der industrielle Produktion ins Ausland verlagert wird, während sich die Leitungs- und Kontroll- funktionen der globalen Ökonomie in wenigen Global Cities konzentrieren.23 Die in strategisch wich- tigen Sektoren beschäftigten, gut bezahlten Arbeitskräfte fragen für die Befriedigung ihrer differen zierten Konsumbedürfnisse und zur Entlastung von Haushaltstätigkeiten die Arbeit von Dienstleis- tungspersonal nach, das dafür allerdings nur gering entlohnt wird.24 Ein anderer Aspekt der Globali- sierung sind die Wanderungen aus der Dritten in die Erste Welt. Mit der Globalisierung der Medien angebote, der Konsumgütermärkte und der Verkehrsinfrastruktur wird die westliche, urbane Lebens- weise in allen Teilen der Erde bekannt und vertraut, ohne dass sie dort auch praktiziert werden könn- te. Gerade die Aufstiegsorientierten wandern also in jene Zentren, wo sie hoffen können, diesen Lebensstil verwirklichen zu können. Die Anwesenheit der Dritten Welt in den Städten der Ersten wird zu einer Normalität, die für die demographische Reproduktion dieser Städte auch notwendig ist.

3. Der Wohlfahrtstaat zieht sich zurück oder wird zumindest nicht in dem Maße ausgebaut, wie es die

wachsenden sozialen Probleme erfordern. Auch hier macht sich die Globalisierung bemerkbar. Die Nationalstaaten konkurrieren durch Abbau von sozialen Bestandteilen der Lohnkosten und durch Senkung der Steuern um das zunehmend mobile Kapital, was wiederum die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen erschwert.

4. Die informellen Systeme, in denen Subsistenzmöglichkeiten und gesellschaftlich anerkannte Rollen

für jene zur Verfügung stehen, die ihr Leben außerhalb von Markt und formellen Institutionen orga- nisieren, erodieren. Größerer Wohlstand, verlängerte Ausbildungszeiten, die Liberalisierung rechtli- cher Regeln und die veränderte Rolle der Frau brachten einen Wandel der Familien- und der Haus- haltsstrukturen, in dessen Folge die informellen sozialen Netze der Verwandtschaft kleiner und brü- chiger wurden. Neue Haushaltstypen treten vermehrt auf, die - wie z.B. die Haushalte alleinerziehen- der Mütter - besonders von den Risiken der Arbeitsmärkte bedroht sind. Die informelle Ökonomie bietet heute kaum noch dauerhafte Existenzmöglichkeiten außerhalb des Arbeitsmarkts, und die Hausfrauenrolle ist aus guten Gründen für die meisten Frauen nicht mehr attraktiv, sofern sie als Al- ternative zur Erwerbsbeteiligung angelegt ist. Erst die Erosion der informellen sozialen Netze und der Alternativen zur nicht marktförmig organisierten Ökonomie bedroht all diejenigen mit sozialer Ausgrenzung, die außerhalb von Markt und formellen Institutionen stehen.

5. Der Strukturwandel der Städte trägt ebenfalls zur Ausgrenzung bei. Immigration und soziale Polarisie- rung vergrößern die sozialen Distanzen innerhalb der Gesellschaft, und diese werden durch selektive Wanderungen in neue räumliche Strukturen übersetzt. Wenn die Zahl der Arbeitslosen und der Fremden in einem Quartier wächst und die öffentlich sichtbaren Probleme zunehmen, ziehen diejeni- gen, die sich Mobilität leisten können, weg - weil sie ihre Kinder nicht auf Schulen schicken wollen, in denen “zu viele” Ausländerkinder unterrichtet werden müssen (zu wenig Bildungschancen bestehen), sei es, weil sich der öffentliche Raum verändert und das Quartier eine “schlechte Adresse” wird. Diese soziale Entmischung führt zu einer großräumigen Segregation zwischen verschiedenen Stadtteilen. In die frei werdenden Wohnungen ziehen vorrangig Haushalte ein, die andernorts keine Wohnung mehr finden, weil sie mit vielen Problemen beladen sind und diskriminiert werden. Segregation zwischen Umland und Innenstadt im Zuge der Suburbansierung ist die eine Form sozialer Entmischung, die Konzentration ethnischer Minderheiten und Armer in und das Vordringen von einkommensstarken Haushalten in bestimmten Quartieren eine andere. Werden diese Prozesse der Segregation nicht un- terbrochen, entwickelt sich allmählich Armutsquartiere, die zu Orten sozialer Exklusion werden.

Die Hauptdimensionen sozialen Ausschlusses lassen sich wie folgt definieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

6. Hartz IV - verordnete Exklusion durch Senkung des sozio- kulturellen Existenzminimums

Die Sozialhilfe ist das unterste Netz sozialer Sicherung das als nachrangige Leistung individuelle Notlagen absichern soll, wenn das vorhandene Einkommen nicht den täglichen Bedarf zum Le- ben deckt. Wenn die vorgelagerten Sicherungssysteme nicht greifen, ist sie für viele in Not gera- tene Menschen deshalb die dringend notwendige Mindest-Existenzsicherung auf dem Niveau des soziokulturellen Existenzminimums. 2003 wurde in der BRD im Windschatten des 3. und 4. Hartz-Reform-Gesetzes auch ein neues Sozialhilfegesetz verabschiedet, das als neues XII. Sozial- gesetzbuch im Januar 2005 in Kraft trat. Diese Neuregelung der Sozialhilfe ist von Politik und Öffentlichkeit nahezu unbemerkt über die Bühne gegangen, da es sich um keine eigenständige Reform handelte. Die Änderung des bisherigen Bundessozialhilfegesetzes wurde vielmehr durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige in die "Grundsi- cherung für Arbeitsuchende" im SGB II notwendig. In dieser Grundsicherung werden seit Jahr 2005 alle ehemaligen Arbeitslosenhilfebezieher ebenso wie alle ehemaligen erwerbsfähigen Bezie- her von Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe einschließlich ihrer Angehörigen überführt.

Die Neuregelungen gehen jedoch über die begleitenden Änderungen zum SGB II hinaus. So wurde mit dem von der Bundesregierung 2004 vorgelegten Entwurf einer Regelsatzverordnung die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das neue Sozialhilferecht im Bereich der Regelsätze ab 2005 umgesetzt werden kann. Mit der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bietet die neue Sozialhilfe nach dieser Neuregelung zwei Geld- leistungen, mit denen die Führung eines Lebens entsprechend der Würde des Menschen gemäß Artikel 1 Grundgesetz ermöglicht werden soll.25 Der notwendige Lebensunterhalt, der dabei zu decken ist, umfasst Güter aus den Bereichen Ernährung, Unterkunft, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (einschließlich der Bezie- hungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben). Dieser Bedarf wird - mit Aus- nahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung - in der Sozialhilfe nach Regelsätzen erbracht, wobei im Einzelfall davon abgewichen werden kann. Die Höhe der monatlichen Regelsätze wird von den Landesregierungen jeweils zum 1. Juli eines jeden Jahres durch Rechtsverordnung fest- gesetzt. Grundlage sollen gemäß dem so genannten Statistikstandard die tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen sein. Mit der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 2005 wird dieses System der Regelsatz- bemessung auch auf die neue Grundsicherung übertragen. Zwar wurden die Leistungen des Ar- beitslosengelds II und des Sozialgelds im Gesetzestext des SGB II betragsmäßig festgelegt. Die Fortschreibung der Leistungsbeträge soll jedoch in Anlehnung an die Sozialhilferegelsätze erfol- gen. Insofern wird die Regelsatzbemessung künftig für das gesamte letzte Netzwerk aus Sozialhil- fe- und Grundsicherungsleistungen bestimmend sein.

6.1 Der unterste Sockel sinkt, weil Bund und Kommunen „sparen“

Ab 1990 sollte ein sog. Statistikstandard als Bedarfsbemessungssystem den notwendigen Lebens- bedarf auf Grundlage statistisch erfasster Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkom- mensgruppen ermitteln. Allerdings wies dieses Bemessungssystem bereits bei seiner Einführung gravierende methodische Mängel auf und wurde schließlich wieder außer Kraft gesetzt (und bis heute nicht wieder eingesetzt).26 Die Ermittlung des notwendigen Lebensbedarfs im Rahmen der Sozialhilfe wurde danach wieder, wie ursprünglich, auf Basis der Warenkorbmethode vorgenom- men, die Regelsätze zunächst willkürlich angepasst und später mit der Entwicklung des aktuellen Rentenwerts jährlich fortgeschrieben. Als Folge dessen hat die Regelsatzentwicklung in den 90er Jahren mit der Entwicklung der privaten Einkommen nicht Schritt halten können.27 Mit der So- zialhilfereform 1996 wurde eine Rückkehr zum Statistikstandard angekündigt, in den beiden Fol- gejahren vom damals zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zehn Gut- achten in Auftrag gegeben, in denen Einzelfragen eines Bemessungssystems für die Regelsätze untersucht wurden, die bis heute nicht öffentlich wurden. Stattdessen ist das Thema Weiterent- wicklung des Sozialhilfeniveaus von der damaligen liberal-konservativen wie von der darauf fol- genden rot-grünen Regierung zurückgestellt worden.

Mitte 2003 wurde dann zunächst das Gesetzgebungsverfahren zum neuen Arbeitslosengeld II (SGB II) und - als Ergänzungsgesetz hierzu - zur Sozialhilfe (SGB XII) in Gang gesetzt. Die Klä- rung der Regelsatzfrage wurde dagegen erneut verschoben und schließlich der bisher bestehende Regelsatz als Grundsicherungsminimum festgeschrieben.

[...]


1 vgl. Kronauer 2002, S. 43 ff.

2 vgl. Commission of the European Communities 1993, S. 5

3 vgl. : http://www.europace.org/s2net/docs/wp6/Social%20Inclusion%20Statement.doc

4 Quelle: Weltentwicklungsbericht 2002; Weltbank, 2002 auf www.aktionsprogramm2015.de/www/begriffdefinition_14_18_0_f.htm; eingesehen am 20. 9. 2005

5 Quelle: Sozioökonomisches Panel (SOEP) 2001 auf http://www.diw.de/programme/jsp/presse.jsp?pcode=362 &language=de, eingesehen am 20. 09. 2005

6 e.b.d.

7 Quelle: Weltentwicklungsbericht 2002; Weltbank, 2002 auf www.aktionsprogramm2015.de/www/begriffdefinition_14_18_0_f.htm; eingesehen am 20. 9. 2005

8 Commission of the European Communities 1993, S. 7

9 e.b.d.

10 vgl. Kronauer 2002, S. 44 f

11 vgl. Kronauer 2002, S. 45 f

12 Böhnke, 2001

13 Kronauer 2002, S. 18

14 vgl. Kronauer 2002, S. 47 f

15 Decision No. 50/2002/EC of the EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL. Official Journal of the European Communities, 7 December 2001 (12 January 2002)

16 Silver 1995

17 „Biologen verwenden für „Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben“, übereinstimmend die Bezeichnung „Parasiten“. Natürlich ist es völlig unstatthaft, Begriffe aus dem Tierreich auf Menschen zu übertragen. Schließlich ist Sozialbetrug nicht durch die Natur bestimmt, sondern vom Willen des Einzelnen gesteuert. Wer den Grundstock seines Haushaltseinkommens bei der Arbeitsagentur oder der für das Arbeitslosengeld II zuständigen Behörde kassiert und im Hauptberuf oder nebenher schwarzarbeitet, handelt deshalb besonders verwerflich. Schwarzarbeiter nehmen den Staat auf doppelte Weise aus: Erstens verdienen sie Lohn, für den sie weder Steuern noch Sozialabgaben entrichten. Dabei benutzen sie dieselben Straßen, schicken ihre Kinder in dieselben Schulen und rufen in Not dieselben Polizisten zu Hilfe wie die ehrlichen Steuerzahler. Aber schwarzarbeitende Arbeitslose verweigern nicht nur ihren Anteil an der „Gemeinschaftskasse“; zusätzlich bedienen sie sich aus den Töpfen, die von der Mehrheit der Ehrlichen im Land gefüllt werden.“ (BMWA (August 2005): Vorrang für die Anständigen - Gegen Missbrauch, „Abzocke“ und Selbstbedienung im Sozialstaat - Ein Report vom Arbeitsmarkt im Sommer 2005)

18 vgl. Kronauer 2002, S. 19

19 vgl. Pougam 1998, S. 44

20 vgl. Kronauer 2002, S. 19

21 vgl. Kronauer 2002, S. 19-20; 22

22 vgl. Häußermann/Kronauer/Siebel, 2004

23 vgl. Sassen, 1991

24 vgl. Häußermann/Siebel 1995

25 vgl. § 1 SGB XII in der Fassung vom 01. 01. 2005; auf: http://www.sozialgesetzbuch.de/gesetze/12/index.php?norm_ID=1200100; eingesehen am 30. 10. 2005

26 Hanesch, Walter; 2004

27 vgl. Stellungnahme der BAG der Sozialhilfeinitiativen e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch, Deutscher Bundestag Drucksache 15/1514, http://www.bag-shi.de/sozialpolitik/sozialhilfe/bagshi-sgbxii.; eingesehen am 30. 10. 2005

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Integrationsperspektiven für von Exklusion gefährdete Gruppen durch lebenslanges Lernen
Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin  (Zentrum Postgraduale Studien Sozialer Arbeit, Berlin (ZPSA))
Veranstaltung
Armut/Erwerbslosigkeit, Reichtum
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
40
Katalognummer
V53422
ISBN (eBook)
9783638488815
ISBN (Buch)
9783638662666
Dateigröße
1068 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
32 Seiten Hausarbeit plus Anhang
Schlagworte
Integrationsperspektiven, Exklusion, Gruppen, Lernen, Armut/Erwerbslosigkeit, Reichtum
Arbeit zitieren
Dipl. Soz.Päd. (FH) Friedemann Bringt (Autor:in), 2005, Integrationsperspektiven für von Exklusion gefährdete Gruppen durch lebenslanges Lernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53422

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Titel: Integrationsperspektiven für von Exklusion gefährdete Gruppen durch lebenslanges Lernen



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