Das Stereotyp der "heilen Welt" in der Fernsehwerbung. Die Werbespots des Produkts "Kinderschokolade" von Ferrero


Masterarbeit, 2019

84 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Aufgaben und Ziele von Werbung
2.1 Dieinformationsfunktion
2.2 Die Beeinflussungsfunktion

3 Stereotype und ihr Vorkommen in der Werbung
3.1 Definition desBegriffsStereotyp
3.2 Die Funktion von Stereotypen in der Werbung
3.2.1 Die Geschlechterstereotype
3.2.2 Die Berufsstereotype
3.2.3 DasStereotyp der„heilen Welt“

4 Das Produkt Kinderschokolade aus dem Hause Ferrero
4.1 Philosophie und die Zielgruppen der Marke
4.2 Informationen über das Produkt Kinderschokolade

5 Analyse der Fernsehwerbung von Kinderschokolade in Hinblick auf das Stereotyp „heile Welt“
5.1 Vorwort
5.2 Werbespotvon l986
5.2.1 Verhalten und Eigenschaften der Protagonisten
5.2.2 DasSetting derHandlung
5.2.3 AkustischeElemente
5.2.4 PräsentationdesProdukts
5.3 Werbespot von l996
5.3.1 Verhalten und Eigenschaften der Protagonisten
5.3.2 DasSetting derHandlung
5.3.3 AkustischeElemente
5.3.4 PräsentationdesProdukts
5.4 Werbespot von
5.4.1 Verhalten und Eigenschaften der Protagonisten
5.4.2 DasSetting derHandlung
5.4.3 AkustischeElemente
5.4.4 PräsentationdesProdukts
5.5 Werbespot von 2015
5.5.1 Verhalten und Eigenschaften der Protagonisten
5.5.2 DasSetting derHandlung
5.5.3 AkustischeElemente
5.5.4 PräsentationdesProdukts

6 Fazit

7 Quellenverzeichnis

8 Anhang

1 Einleitung

Im Alltag einesjeden Menschen ist sie stets präsent: die Werbung. Sie erreicht uns auf den verschiedensten Kanälen und spricht dadurch zahlreiche menschliche Sinnesorgane an. Plakatwände, Zeitungsanzeigen, Radiospots, Product Placement in Filmen, Werbespots im Fernsehen oder Werbeanzeigen im Internet - und dabei handelt es sich nur um eine kleine, vereinfachte Auswahl der Werbeformen. Diese Vielfalt an Werbemöglichkeiten zeigt die enorme Intelligenz des Mediums. Es entwickelt stetig neue Wege, den potenziellen Kunden zu erreichen und passt sich den neusten Techniken an. Neben der technischen Aktualität ist die Anpassung an die Kultur und den Lebensstil der Kunden jedoch noch viel entscheidender. Genauso schnell wie sich Trends, Einstellungen und Vorstellungen der Menschen wandeln, muss auch die Werbung ihren Auftritt anpassen können. Thiele beschreibt das Medium daher sehr treffend als „Spiegel der Gesellschaft“ oder „Indikator gesellschaftlicher Entwicklungen“.1 Stagnation lässt die Menschen schnell das Interesse verlieren, denn sie verlangen Dynamik und Aktualität. Aber die Werbung zeigt nicht nur ein Bild der aktuellen Gesellschaft, sie will darüber hinaus auch die Gesellschaft beeinflussen und besitzt daher eine Doppelfunktion. Dieser enge Kulturbezug der Werbung ist Hintergrund der vorliegenden Arbeit. Denn die Frage, die sich aus dieser Herleitung zwingend aufwirft, ist, wie Werbung es schafft, den Kunden anzusprechen und eine Beziehung aufzubauen.

Eine Möglichkeit den Kunden schnell, einfach und dennoch wirkungsvoll zu erreichen, ist der Einsatz von Stereotypen in der Werbung. Eine besonders häufige Form ist das Stereotyp der heilen Welt. Die Werbung präsentiert ihrem Zuschauer ein Ideal, das durch das gezeigte Produkt vermeintlich erreichbar wird. Um die Träume, Hoffnungen und Wünsche der Zuschauer zu kennen und daraufhin das Stereotyp darzustellen, ist es für die Werbeproduzenten notwendig, eng am Puls der Zeit zu sein. Die Lebenswelt der meisten Menschen befindet sich in einem nicht anhaltenden Wandel, auf den die Werbung immer wieder aufs Neue reagieren muss.

Die Kernfrage, die sich somit für die vorliegende Arbeit ergibt, lautet: Wie wandelt sich das Stereotyp der heilen Welt im Laufe der Zeit? Als praktische Grundlage für die Untersuchung dienen verschiedene Werbespots des Produkts Kinderschokolade der Marke Ferrero. Gerade die Werbespots von Ferrero zu dem Produkt Kinderschokolade sind für die Fragestellung interessant, da das Produkt im Jahr 2018 bereits sein 50­jähriges Jubiläum in Deutschland feiern konnte und daher auf eine lange Werbegeschichte zurückblicken kann. Es handelt sich um ein Süßwarenprodukt, mit dem alle Generationen etwas verbinden, weshalb es einen hohen emotionalen Wert hat.

Vor der Analyse geht es zunächst um einige theoretische Grundlagen. Im ersten Schritt sollen die Aufgaben und Ziele von Werbung näher betrachtet werden. Laut dem Duden hat Werbung im Allgemeinen fünf Funktionen, die in dieser Arbeit jedoch in zwei Kategorien gebündelt werden. Die Bekanntmachungsfunktion und die Informationsfunktion werden unter der letztgenannten zusammengefasst. Die zweite große Funktion ist komplexer und hat viele psychologische Elemente: die Beeinflussungsfunktion. Sie ist im Duden ausführlicher untergliedert in Suggestionsfunktion, Imagefunktion und Erinnerungsfunktion.2 Kern dieses Kapitels ist es, Wege herauszustellen, auf denen Werbung es schafft, die Menschen in ihrem Handeln zu beeinflussen.

Ein Mittel um Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Kunden zum Kauf zu verleiten, sind Stereotype in der Werbung. Doch was genau sind Stereotype? Wie hat sich der Begriff des Stereotyps entwickelt, wann tritt eine Stereotypisierung auf, welche Formen existieren, und was steckt hinter dem Stereotyp der heilen Welt? Fragen, die vor dem Hintergrund einschlägiger Fachliteratur rund ums Thema Stereotype geklärt werden.

Im nächsten Schritt wird kurz auf die Marke Ferrero eingegangen. Wie bereits angesprochen, dienen die Werbespots des Produkts Kinderschokolade als Grundlage der Analyse, weshalb gewisse Kenntnisse über die Geschichte, die Kampagnen und die Zielgruppe der Marke wertvolle Aufschlüsse für die Untersuchung bieten.

Nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit bekannten Werken der Fachliteratur rund um Funktionen der Werbung und Eigenschaften von Stereotypen sollen die Werbespots von Kinderschokolade in Hinblick auf die Darstellung der heilen Welt untersucht werden. Die Untersuchung teilt sich in vier Unterkategorien: die Personen, das Setting, akustische Elemente und die Präsentation des Produkts. Den Kern bildet die Analyse der dargestellten Figuren, da sie die heile Welt repräsentieren sollen. Im optimalen Fall stellen sie für den Zuschauer ein erstrebenswertes Ideal dar. Aussehen, Verhalten und Sprache sind hier die wichtigsten Analysekriterien. Die Untersuchung des Settings geht auf Elemente des Filmsets ein. Akustische Besonderheiten sorgen dafür, dass der Spot nicht nur visuell wahrgenommen wird, sondern möglichst viele Sinnesorgane gleichzeitig anspricht. Hierunter fallen Musik, auffällige Geräusche sowie die Frage, ob es einen Sprecher gibt oder die Kommunikation über die Schauspieler stattfindet. Zuletzt widmet sich die Analyse der Präsentation des Produkts. Das Ziel der verschiedenen Untersuchungen ist immer die Darstellung des Stereotyps der heilen Welt in denjeweiligen Kategorien.

Abschließend werden die Erkenntnisse aus der Theorie und der Analyse in einem kompakten Fazit zusammengefasst. Durch die enge Beziehung zwischen Werbung und Gesellschaft bietet die Analyse nicht nur Erkenntnisse über das Stereotyp der heilen Welt, sondern zeigt auch die soziale Entwicklung der Gesellschaft im Wandel der Zeit.

2 Aufgaben und Ziele von Werbung

2.1 Die Informationsfunktion

Die Werbung hat verschiedene Aufgaben, die sie erfüllen soll. Das gemeinsame Ziel dahinter ist immer, dass möglichst viele Personen von der Werbung angesprochen werden und daraufhin das vorgestellte Produkt oder die Dienstleistung kaufen. Hierfür ist es naheliegend, dass die Menschen überhaupt erst einmal über die Neuerscheinung oder die Neuentwicklung informiert werden müssen. Diese Situation bezeichnet man als Bekanntmachungsfunktion. Aber auch Waren, die schon längere Zeit existieren, müssen immer wieder beworben werden, um auf dem hart umkämpften Markt nicht in Vergessenheit zu geraten. Durch den stetigen Wandel der Gesellschaft werden Design, Werbebotschaft und auch das Produkt selbst stetig aktualisiert. Deshalb kann ein Produkt für ein und denselben Konsumenten zunächst noch uninteressant sein, durch ein ansprechendes Design dann aber nur wenig später doch seine Aufmerksamkeit erregen.

Eine simple Gleichung, wie die Informationsfunktion entsteht, liefert Brinker. Er stellt folgende Paraphrase auf: „Ich (der Emittent) informiere dich (den Rezipienten) über den Sachverhalt X (Textinhalt)“.3 Die Informationsfunktion existiert somit allein deshalb, weil der Emittent, in diesem Fall das Unternehmen, dem Rezipienten, etwas mitteilt. Es lässt sich somit schlussfolgern, dass die Information notwendig ist, damit überhaupt erst eine Nachfrage entstehen kann. Doch was für Informationen erhält der Rezipient durch die Werbung? Nach Borchers wird der Marktteilnehmer durch die Werbung über Preis, Verfügbarkeit und Qualität des Produkts informiert. Diese Informationen werden dem Empfänger dabei proaktiv und kostenfrei zur Verfügung gestellt.4

Bei der ganzen Thematik darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass der Informant gleichzeitig auch der Verkäufer ist, der sein Produkt optimal präsentieren möchte, weshalb der Wert der Information durchaus gemindert sein kann. Eine objektive Präsentation, die auch auf Mängel oder negative Aspekte eingeht, kann man als Verbraucher nicht erwarten. Die Informationsfunktion wird durch ein anderes, höheres Ziel überschattet.

Früher diente die Werbung noch der reinen Marktinformation. Einen Wandel erfuhr das Medium mit dem Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, als die Werbung nach und nach professioneller wurde. Sie entwickelte sich von einem informativen zu einem persuasiven Mechanismus. Persuasiv, da sie den Konsumenten aktiv beeinflussen und lenken soll und eine zuvor nicht vorhandene Nachfrage schafft.5 Die Werbung erkennt die halbfertigen Bedürfnisse der Menschen, entwickelt ein Produkt und vervollständigt so das zuvor nicht bewusst präsente Verlangen des Verbrauchers. Oftmals handelt es sich aber auch um Produkte, die realistisch betrachtet nutzlos sind. Durch eine gezielte Marketingstrategie und verschiedene Überzeugungsmechanismen vermittelt die Werbung dem Publikum aber auch Nutzen und Notwendigkeit dieser Produkte. Sie schafft Bedürfnisse, wo vorher keine existierten.6

Nach dieser Ausführung stellt sich die Frage, ob es die Informationsfunktion denn in der aktuellen Werbung überhaupt gibt oder ob die Werbung nicht vielmehr nur aus psychologisch erarbeiteten Mechanismen zur Verkaufssteigerung besteht? In der heutigen Situation lässt sich die Frage folgendermaßen beantworten. Zwar kann die Werbung den bestehenden Bedarf an Produktinformationen nicht vollständig befriedigen, ohne das Produkt weniger attraktiv zu machen. Dennoch wird „zumeist [...] die Zuschreibung der Informationsfunktion beibehalten und gegebenenfalls durch die Feststellung ergänzt, dass die Werbung neben informativen auch persuasive Elemente besitzt.“7 Eine Lösung, um realistische Produktinformationen zu erhalten, wären unabhängige Testungen oder Empfehlungen von Vertrauenspersonen.8

Wie aber reagieren die Verbraucher auf die Situation? Wie gehen sie mit den Informationen um und erkennen sie die persuasiven Mechanismen? Hardt fand in einer Pilotstudie heraus, dass die Probanden die Informationsfunktion der Werbung durchaus bewusst wahrnehmen und auch zu schätzen wissen. Sie sehen viele Vorteile in der Darbietung, wie beispielsweise den leichten Zugang zu den Informationen und einen aktuellen Überblick über das umfassende Angebot des Marktes, was ihnen die Möglichkeit gibt, Produkte untereinander zu vergleichen. In manchen Zusammenhängen wird die Werbung sogar als eine Art der Kundenberatung verstanden. Auch wenn sie den Verbrauchernutzen erkennen und schätzen, stehen die Konsumenten der Werbung dennoch kritisch gegenüber. Die Verbraucher sind heutzutage aufgeklärt, kennen die Mechanismen mit denen die Werbung versucht, Nachfrage zu schaffen und hinterfragen die vermeintlichen Vorteile. Das Misstrauen gegenüber der Werbung ist groß und viele Probanden in Hardts Studie haben angegeben, dass sie die Versprechungen, die die Werbung macht, für unrealistisch halten.9 Hier widerspricht Janich, denn bei Werbung handelt es sich grundsätzlich um eine inszenierte Kommunikationsform, weshalb die Darstellung gar nicht authentisch oder „echt“ sein kann.10

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Werbung den Verbrauchern durchaus einen informativen Mehrwert bietet. Allerdings dürfen die Konsumenten dabei nicht vergessen, dass ihnen die Produkte von dem Verkäufer selbst, mit einer expliziten Verkaufsabsicht, präsentiert werden, weshalb die Informationen kritisch zu hinterfragen sind. Wie Hardts Studie gezeigt hat, sind sich die Verbraucher dieser Beeinflussungsfunktion aber durchaus bewusst und reagieren mit Misstrauen.

2.2 Die Beeinflussungsfunktion

Dass die Werbung nicht nur informiert, sondern auch gezielt beeinflussen möchte, wurde bereits in dem vorherigen Kapitel nachgewiesen. Die Bedeutsamkeit der Beeinflussung wurde bei einem Projekt im letzten Jahrhundert mehr oder weniger beiläufig entdeckt. Mit dem Aufkommen der interaktiven Kabelprogramme wollten die Anbieter normale Werbespots, wie sie bis dahin existiert hatten, hinter sich lassen. Sie schufen große Datenbanken mit einer Vielzahl an Produktinformationen, damit die Kunden einen einfachen Zugang zu den Daten haben und ihre Kaufentscheidung gezielt von der Qualität des Produkts abhängig machen können. Erstaunlicherweise stieß diese Datenbank bei den Zuschauern auf keinerlei Interesse, woraufhin die Anbieter zu dem Schluss kamen, dass Werbung unterhaltsam sein muss, um zu beeinflussen. Hintergrund könnte sein, dass der Zuschauer die Informationen als uninteressant wahrnimmt und den Werbespot deshalb nicht aufmerksam verfolgt. Je nachdem ob der Zuschauer nun aufmerksam oder unaufmerksam ist, ist entweder die Informationsfunktion oder die Beeinflussungsfunktion von größerer Bedeutung.

Ein anschauliches und klassisches Modell in der Medienwirkungsforschung, das sich genau mit diesen zwei Wegen der Zuschaueransprache beschäftigt, ist das AIDA- Modell.11 AIDA steht dabei für die Worte Attention, Interest, Desire und Action. Es handelt sich um eine präskriptive Perspektive, die einen theoretischen Wunschverlauf der Werbekommunikation darstellt. Das Zwei-Prozess-Modell gliedert sich folgendermaßen: die optimale Ausgangsposition besteht in einem aufmerksamen Rezipienten. Dieser widmet sich der Werbung konzentriert und die Wirkung der Beeinflussung entsteht durch die Qualität der Kaufargumente. Sind die Argumente stark und überzeugend, wird die Werbung bei dem Zuschauer eine Verhaltensänderung hervorrufen. Diese kann sich durch eine direkte, beabsichtigte Kaufabsicht zeigen oder der Zuschauer speichert die Informationen und wird bei der nächsten Kaufentscheidung eher auf das präsentierte Produkt zurückgreifen.

Ist der Zuschauer hingegen unaufmerksam, kann die Werbung nur durch eine regelmäßige Ausstrahlung wirken. Anders als bei dem ersten Verlauf, achtet der Zuschauer nicht auf die gebrachten Argumente, sondern wird nur durch indirekte Reize wie Sympathie gegenüber den Schauspielern, einer positiven Atmosphäre und anderer Beeinflussungsmechanismen, die im folgenden vorgestellt werden, gelenkt.12 Man kann sogar sagen, dass die Wirkung der äußeren Reize parallel zu der stärker werdenden Unaufmerksamkeit des Zuschauers wächst.

Diese äußeren Reize nennt man Hinweisreize. Ein Beispiel für einen äußeren Reiz ist die Beliebtheit des Kommunikators. Ist der Kommunikator beliebt bei dem Zuschauer und weckt Erinnerungen oder Assoziationen, dann beeinflusst das die Bearbeitung der Informationen. Aber auch das nonverbale Verhalten der Schauspieler kann Sympathien wecken und sollte die gemachten Aussagen unterstützen. Für eine angenehme Atmosphäre wird der Werbespot meistens zusätzlich mit einer ansprechenden Musik hinterlegt.

Ebenfalls ein beliebtes Werkzeug in der Werbeindustrie ist das Storytelling. Felser stellt sogar fest, dass Aussagen, die in eine Handlung eingebettet sind, besser und tiefer vom Zuschauer verarbeitet und gespeichert werden.13 Beim Storytelling wird die Verbindung zwischen Publikum und Marke deutlich gefördert und kann langfristig verfestigt werden. Dabei sollten die Produzenten darauf achten, dass in der Handlung nur Bedeutendes gezeigt wird. Ziel ist die Identifikation des Zuschauers mit der Geschichte. Im Idealfall handelt es sich um lockere Alltagsgeschichten und allgemeine Situationen, die jeder von sich selbst kennt. So werden Emotionen beim Publikum erzeugt, da sich der Einzelne an entsprechende Episoden aus dem eigenen Leben erinnert. Dabei kann der Werbespot auch durchaus nur die Illusion einer Erinnerung bewirken und muss nicht auf der Realität aufbauen. Besonders Werbespots in denen die Kindheit dargestellt wird, verleiten zu Assoziationen und Träumereien an diese unbeschwerte Zeit. Die Technik nutzt hier eine weit verbreitete Eigenart der Menschen: Man lebt gedanklich oft in der Vergangenheit und neigt dazu, diese zu glorifizieren. Negative oder unspektakuläre Ereignisse werden häufig ausgeblendet. Ein Beispiel dafür ist die geläufige Floskel „Früher war alles besser“. Durch diesen persönlichen Bezug sind die Geschichten anschaulich und motivieren dazu, sich mit der Werbebotschaft auseinanderzusetzen.14

Green und Brock haben das Storytelling mit in das AIDA-Modell einbezogen und sehen dahinter noch einen dritten Prozess. Ihrer Ansicht nach kommt es durch die Geschichte zu einer Rezeption. Die Rezeption besteht aus zwei Faktoren, der Transportation und dem Pathos. Die Transportation beschreibt das Hineingezogen werden in die Geschichte, Pathos bezeichnet Leidenschaft und Emotionalität.15 Hier wird der hohe Wert von Storytelling für die Beeinflussungsfunktion also noch einmal explizit herausgestellt.

Das Storytelling kann seinen vollen Wert aber nur durch die Schauspieler ausschöpfen.16 Hardt stellt in ihrem Werk ebenfalls die hohe Bedeutung emotionaler und sozialer Aspekte für die generelle Bewertung von Werbespots fest. Dabei haben zwei soziale Bereiche einen besonderen Einfluss auf die Handlung des Rezipienten. Die Zuschauer reagieren auf die sozialen Rollen, die ihnen präsentiert werden. Die dargestellten Personen sind für viele Probanden erstrebenswerte Idealbilder, denen sie nacheifem möchten. Diese positive Reaktion auf die Darstellung der Schauspieler wird von den Zuschauern aber selbst erkannt und kritisch hinterfragt. Bei der Auseinandersetzung mit dem Werbespot kommen viele dann zu dem Schluss, dass Werbung unrealistisch ist, wodurch die Beeinflussung zerstört wird. Der zweite soziale Bereich, der Einfluss auf die Handlung hat, ist die Reflexion der sozialen Normen und Werte in der Werbung. Auch diese vermitteln ein Ideal, das in der Realität nur selten existiert. In dem Wunschverlauf der Produzenten beschäftigen sich die Menschen auch noch nach der Ausstrahlung mit der Handlung und diskutieren sie mit anderen Personen. Auf diesem Weg schaffen es die Produzenten, die Werbeinhalte alltäglich zu machen.17

All diese verschiedenen Wege der Beeinflussung haben jedoch eine wichtige Voraussetzung: das Involvement des Zuschauers. Der Zuschauer muss mit einbezogen und zum Mitmachen angeregt werden, um für die verschiedenen Mittel der Beeinflussung offen zu sein. Einige Modelle nach dem AIDA-Modell haben sogar gezeigt, dass auch aufmerksame Zuschauer durch die Hinweisreize beeinflusst werden.

Immer wieder trittjedoch die Problematik auf, dass die Rezipienten die Werbung nicht für realistisch halten und an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln. Das Ziel der Produzenten muss also eine kaum wahrnehmbare Beeinflussung sein. Hier gibt es nach Felser zwei verschiedene Vorgehensweisen. Eine Möglichkeit ist das Overhearing. Das Overhearing bezeichnet eine Argumentation, von der sich der Zuschauer nicht persönlich adressiert fühlt. Ein Beispiel könnte eine Diskussion zwischen zwei der Protagonisten sein. Ein weiteres Mittel zum Ziel ist eine zweiseitige Argumentationsstruktur. In diesem Fall werden in der Werbung sowohl positive als auch negative Argumente gebracht. Trotz verschiedener Mittel und Wege durch die die Produzenten versuchen, den Zuschauer zu beeinflussen, sind sich die Rezipienten der Beeinflussung doch immer bewusst.18

Es ist an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass Felser die Punkte, die in diesem Kapitel unter Beeinflussungsfunktion zusammengefasst werden, noch in die Unterkategorien Motivationsfunktion, Sozialisationsfunktion, Verstärkungsfunktion und Unterhaltungsfunktion teilt. Alle vier Funktionen finden sich in der vorherigen Ausführung wieder, sollen aber an dieser Stelle noch einmal gebündelt zusammengestellt werden. Die Motivationsfunktion möchte dabei die Bedürfnisse des Verbrauchers auf das Produkt lenken und dieses möglichst attraktiv erscheinen lassen. Die Sozialisationsfunktion beschreibt den Prozess, dass Werbung „individual- und sozialpsychologische Veränderungsprozesse in konsumrelevanten Verhaltensbereichen“19 erzeugt. Dies geschieht bei den Rezipienten durchaus unbewusst und indirekt. Selbsterklärend ist die Verstärkungsfunktion. Die Werbung soll die Verbindung zwischen Produkt und Verbraucher zunächst erzeugen und dann später festigen. Wie bedeutend die Unterhaltungsfunktion für den Erfolg eines Werbespots ist, zeigt nicht nur der Misserfolg der zuvor genannten Informationsdatenbank. Allein die Tatsache, dass es in Cannesjedes Jahr das weltweit beachtete und erfolgreiche „Cannes Lions International Festival of Creativity“ gibt, bei dem die besten Werbespots prämiert werden, beweist die Bedeutung der Unterhaltungsfunktion.20

Wie schon im vorherigen Kapitel dargestellt, hat Brinker auch zur Beeinflussungsfunktion eine zusammenfassende Paraphrase erstellt: „Ich (der Emittent) fordere dich (den Rezipienten) auf, die Einstellung (Meinung) X zu übernehmen/ die Handlung X zu vollziehen“.21

Werbung hat somit die Aufgabe, bestimmte Lebensstile zu präsentieren, die durch ihre Darstellung erstrebenswert erscheinen. Durch diese Darstellung werden die Zuschauer zum Kauf animiert. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Zuschauer sich dieser Beeinflussung bewusst sind. Eine wichtige Voraussetzung, damit der Werbespot einen Nutzen hat, ist das Involvement der Zuschauer mit der Handlung, weshalb besonders das Storytelling ein beliebtes Mittel der Suggestion ist.

3 Stereotype und ihr Vorkommen in der Werbung

3.1 Definition des Begriffs Stereotyp

Um dem Phänomen des Stereotyps näher zu kommen, betrachten wir an dieser Stelle zunächst den Wortursprung. Das Wort Stereotyp besteht aus zwei griechischen Worten, stereos und typos. Stereos bedeutet in diesem Zusammenhang hart oder auch starr und typos steht für einen Entwurf oder eine feste Form. Bereits der Wortursprung verrät also ein wichtiges Merkmal von Stereotypen: Sie sind starr in den Köpfen verankert, obwohl sie gleichzeitig kaum Aussagekraft haben, da es sich nur um einen ersten Entwurf handelt. Bevor er in die Sozialwissenschaft übertragen wurde, bezeichnete der Begriff eine bestimmte Form der Drucktechnik. Auch aus diesem Hinweis lässt sich eine Eigenschaft deuten: Das Stereotyp wird den Menschen wie ein Stempel einheitlich aufgedrückt, ohne Rücksicht auflndividuen.22

Erst der Journalist Walter Lippmann brachte den Begriff Stereotyp durch sein bekanntes Werk „Die öffentliche Meinung“ erstmals im Bereich der Sozialwissenschaften auf. Seine Idee dahinter war, dass Menschen eine Person nicht als Individuum wahrnehmen, sondern als Teil einer Gruppe. Anhand unserer Meinung über die Gruppe bewerten wir dann auch die Einzelperson und erwarten von ihr gewisse Eigenschaften.23 Ein zentraler Mechanismus bei der Entstehung von Stereotypen ist also die Bereitschaft, eine Person in soziale Kategorien einzuordnen. Dabei ist jeder Mensch Mitglied in vielen verschiedenen sozialen Kategorien und bekleidet ebenfalls viele unterschiedliche soziale Rollen. Die diversen sozialen Rollen kannjeder auch bei sich selbst identifizieren. Beispielsweise erfülle ich die Rolle einer Studentin, gleichzeitig aber auch die einer Kollegin, einer Schwester, einer Tochter, einer Freundin oder auch ganz allgemein gefasst die Rolle einer Frau. Das Beispiel veranschaulicht aber nicht nur meine sozialen Rollen, es zeigt auch die vielen verschiedenen Kategorien, in die ich als Person eingeordnet werden kann. Bei der Stereotypisierung beruht diese Einordnung aber nicht unbedingt auf Tatsachen. Denn gerade die vermeintliche Zuordnung in soziale Kategorien in Ergänzung erweiterter Eigenschaften ist das Schema eines Stereotyps.24 Sie sind Assoziationen und Vorstellungen über bestimmte Charakteristika und Attribute von Mitgliedern einer Gruppe. Stereotype wirken in ihrer Form als Heuristiken, was bedeutet, dass sie eine weniger aufwändige Verarbeitung von Informationen darstellen. Auch hier werden die Voreingenommenheit und die Verallgemeinerung durch Stereotype deutlich.

Weshalb nutzen Menschen denn überhaupt Stereotype, wenn sie doch informativ keinerlei Aussagekraft besitzen? Sommer sieht drei verschiedene Motivationen für den Gebrauch von Stereotypen. Zum einen erfüllen sie das menschliche Grundbedürfnis, Situationen verstehen und dadurch adäquat reagieren zu können, da diese Form der Abspeicherung stark vereinfachend ist. Zudem können sie ein positives Selbstbild erzeugen und nicht zuletzt den Wunsch erfüllen, Teil einer sozialen Gruppe zu sein. Basis aller drei Motivationen ist eine Aufwertung der eigenen Person durch die Stereotypisierung anderer.25 Entsprechend der eigenen Aufwertung sind die Urteile über Fremdgruppen meist negativ.26

Die Grundlagen für solche Stereotypisierungen sind in der Regel oberflächlich und simpel. Für Klauer sind beispielsweise äußerliche Merkmale wie Hautfarbe und Geschlecht sowie geteilte Überzeugungen über Politik oder Religion bereits potenzielle Grundlagen für Kategorisierungen.27 Und auch Petersen und Six erkennen die Bedeutung von hervorstechenden Merkmalen, die zu einem Urteil verleiten.28 Durch die vereinfachte Darstellung gibt es eine Vielzahl von Vorurteilen und Urteilsfehlern über die beschriebenen Personengruppen, die durch Verzerrungsprozesse entstehen. Viele Wissenschaftler, wie auch Machunsky, ergänzen die Stereotypisierung noch durch Subgrouping, womit eine Unterteilung einer Gruppe in kleinere Untergruppen bezeichnet wird. Dieser Prozess ist vor allem bei der eigenen sozialen Gruppe ausgeprägt und dient der Stereotypveränderung. Dadurch bildet sich ein etwas realistischeres und breiter gefächertes Bild der Individuen einer Gruppe.29

Woher aber stammen die Verzerrungsprozesse und wie werden sie aktiviert? Die Stereotype gehören einerseits zum geteilten Wissen innerhalb einer Gesellschaft. Besonders die Geschlechterstereotype gehen auf diesen Ursprung zurück.30 Sie werden innerhalb eines kulturellen und zeitlichen Kontext geteilt.31 Andererseits können Stereotype aber auch durch einen individuellen Lernprozess entstehen. Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse prägen unsere Lerngeschichte und lassen uns dementsprechend urteilen.32 Dies ist auch die Grundlage, nach der die Stereotype aktiviert werden. Erste Voraussetzung ist der Kontakt mit einem Individuum oder einer Gruppe, die das abgespeicherte Stereotyp auslöst. Dies geschieht automatisch und lässt sich nicht kontrollieren.33 Dabei ist die Auslösung personenabhängig und nicht allgemein gleich. Zwar hat der Mensch nur wenig Einfluss auf die Aktivierung, da die Stereotypisierung die Wahrnehmung stark leitet, aber das Ausleben beziehungsweise die Anwendung ist kontrollierbar. Um ein Stereotyp zu ändern, kann man nur versuchen, die Aktivierung bewusst wahrzunehmen und dem entgegenzusteuem. Eine Ausnahme stellt eine kognitiv sehr belastende Situation dar. In diesem Fall wird kein Stereotyp aktiviert.34

Neben den drei Motivationen nach Sommer haben die Stereotype aber noch eine weitere positive Eigenschaft. Sie erleichtern die Wahrnehmung von Informationen und projizieren eine Vielzahl von Eigenschaften durch einen bloßen Kontakt. Sie helfen den Menschen, die heutige schnelllebige Welt zu strukturieren und den Überblick zu behalten. Dementsprechend sind sie ein Spezialfall des Kontingenzlemens.

Kontingenzlernen bezeichnet das Lernen von Zusammenhängen zwischen Variablen auf Basis einer stichprobenartigen Beobachtung.35

Zusammenfassend gesehen, wird bei einer Stereotypisierung ein Individuum oder eine Gruppe allein auf Grundlage von Optik oder Einstellung einer bestimmten sozialen Kategorie zugeordnet. Diese Einordnung geschieht durch individuelle Erfahrungen oder ist geteiltes Wissen einer Gesellschaft. Zwar werden Stereotype oft als negativ eingestuft, aber für das Individuum, bei dem das Stereotyp automatisch ausgelöst wird, hat dieser Prozess durchaus Vorteile. Durch die Identifikation mit oder auch die Abwertung der stereotypen Persönlichkeit steigt die Aufwertung der eigenen Person. Viele Menschen fühlen sich selbst dadurch gestärkt oder versuchen auf diesem Wege, Teil einer Gemeinschaft zu sein.

3.2 Stereotype in der Werbung

In diesem Abschnitt sollen zunächst die beiden vorherigen Kapitel über Werbung und Stereotype zusammengeführt werden, um anschließend auf vier präsente Arten von Stereotypen in der Werbung einzugehen.

Wie bereits herausgestellt, ist die zentrale Aufgabe der Werbung nicht allein ihre Informationsfunktion, sondern vielmehr die Beeinflussungsfunktion. Die Beeinflussung geschieht oftmals durch Propaganda von Lebensstilen oder Idealbildern, die das Produkt notwendig erscheinen lassen. Dieses vorgegebene Verhalten gibt dem Zuschauer Orientierung und eine Handlungsanweisung. Laut Janich nutzt die Werbung hier eine typisch menschliche Eigenschaft. Denn als Mitglied der Gesellschaft sehen sich die Menschen in verschiedenen Diskursen durch andere Teilnehmer vertreten und identifizieren sich daher leicht mit den handelnden Personen. Es kommt zu einem Wechselspiel von Selbstdarstellung und Fremdwahmehmung, wodurch sich so genannte Images bilden. Die Werbung arbeitet mit diesen Images, verfestigt sie und instrumentalisiert sie anschließend für ihre Zwecke.36

Die hohe Bedeutung von Identifikation mit der Werbung wird durch die folgende Hypothese vom Sommer noch einmal hervorgehoben: „Je ähnlicher eine Gruppe der eigenen Person ist, desto stärker fällt der Einfluss von positiv konnotierten Stereotypen auf die Wahrnehmung von Medienwirkungen auf Dritte aus“37. Nimmt der Zuschauer also eine Ähnlichkeit zwischen sich und dem Darsteller wahr, ist dies äußerst förderlich für die Medienwirkung und somit den Effekt der Werbung. Besonders eine optische Identifikation sorgt für eine höhere Wirkung, die durch den Vergleich mit sich und einem Model zudem noch zur Selbstaufwertung beitragen kann. Mehrere Studien konnten zeigen, dass so eine positive Form von Stereotypen auch zu positiven Bewertungen führt.38 Genau der Zweck also, den die Unternehmen mit ihrer Produktwerbung erreichen möchten: dem Kunden ein möglichst gutes Gefühl vermitteln. Ist der Kommunikator darüber hinaus noch kompetent, integer, sympathisch und einflussreich, steigt die Wirkung und das Vertrauen in Marke und Produkt weiter an. Dieses Vertrauen basiert jedoch lediglich auf Stereotypen, da es sich bei dem vermeintlich seriösen Kommunikator auch nur um einen Schauspieler handelt, der den Stereotyp einer Vertrauensperson darstellt. Die verschiedenen Wirkungsmechanismen schaffen zudem Glaubwürdigkeit, wie bereits in Kapitel zwei dargestellt eines der bedeutendsten Ziele von Werbung.39

Ganz besonders in den Medien lohnt sich der Einsatz von Stereotypen aber noch aus anderen Gründen, denn „Stereotype entfalten [...] ihre volle Wirkungskraft dort, wo sich Menschen Wissen ohne direkte Erfahrungen aneignen“40. Da die Empfänger der Werbebotschaft im Idealfall noch nicht über das Produkt informiert sind, konnten sie noch keine Erfahrungen diesbezüglich machen und sind auf das Urteil der Darsteller angewiesen. Ist die Präsentation also überzeugend und die Schauspieler erzeugen eine Vertrauensbasis durch die Darstellung von Stereotypen, werden die zugehörigen positiven Eigenschaften des Stereotyps beim Zuschauer automatisch aktiviert und auf das Produkt übertragen.

Ohne Stereotype stünden die Produzenten vor einem echten Problem, denn das Wesen der Werbung ist nun einmal, dass sie selten, wenn nicht sogar nie, ein gezielt abgerufenes Medium ist. Überall, wo den Menschen Werbung begegnet, ist diese nicht das eigentliche Ziel. Betrachten wir an dieser Stelle kurz, wo einem im Alltag Werbung begegnet. Sie erscheint im Kino, bevor der Kinofilm beginnt, sie umrahmt Zeitungsartikel, füllt mit großen Anzeigen ganze Magazinseiten, wird zwischen zwei Radiosendungen eingespielt oder bringt die Fernsehsendung zum Pausieren. In all diesen Fällen wird sie eher als störend wahrgenommen, da sie die Menschen von ihrem eigentlichen Ziel abhält. Aus diesem Grund muss die Werbung laut Zurstiege sogar mit Stereotypen arbeiten, um eine schnelle Verarbeitung beim Verbraucher zu bewirken. Die automatische Aktivierung, die Reduktion der Botschaft und die Identifikation mit den Darstellern sind die wichtigsten Effekte, die der Einsatz von Stereotypen für die Werbung hat, da sie von den Menschen nicht gesteuert werden können und somit sicher beim Empfänger ankommen.

Der Nutzen von Stereotypen ist aber nicht immer vorhanden, denn sie können neben vielen positiven auch durchaus negative Auswirkungen haben. Wie schon angesprochen, ist eine positive Eigenschaft von Stereotypen die Vereinfachung von Informationen. Dies kannjedoch gleichzeitig ein negativer Aspekt sein. Denn erkennt der Konsument das Stereotyp und hegt diesem gegenüber eine negative Einstellung oder erkennt sich selbst als das Stereotyp, möchte aber nicht kategorisiert werden, zielt die Wirkung ins Negative und schafft Ablehnung. Ein Beispiel könnte eine stereotype Darstellung einer Hausfrau in einem Werbespot für Reinigungsmittel sein. Viele werden das Stereotyp nicht hinterfragen beziehungsweise nicht als negativ wahrnehmen. Andere wiederum erkennen sich selbst in der Hausfrau wieder und reagieren auf diese vereinfachte Darstellung ihrer Person verletzt.41

Eine weitere Problematik werfen Stereotype im internationalen Kontext auf. Ein Stereotyp, das in Deutschland positiv oder humoristisch verstanden wird, kann in einem anderen Land als abwertend empfunden werden und anders herum.42 Aus diesem Grund müssen Werbetreiber ganz genau abwägen, ob sie ein und denselben Spot weltweit nutzen können oder nicht. Gerade diese Problematik zeigt noch einmal den engen Bezug zwischen Werbung, Stereotypen und der Kultur/ Gesellschaft.

Schlussendlich sollten die Stereotype vorsichtig eingesetzt werden. Achtet man auf den richtigen Umgang, haben siejedoch viele Vorteile für die Werbung. Sie haben bei den Zuschauern eine kurze Aktivierungszeit und können viele positive Assoziationen hervorrufen. Besonders die automatische Aktivierung macht sie höchst effizient. Heutzutage werden Stereotype generell komplexer und differenzierter angewandt, um den Kunden nicht zu verschrecken. Dieser Wandel begann vor rund 30 Jahren als die Werbung noch „geradezu zu einem Jahrmarkt der Stereotype“43 glich.44

3.2.1 Die Geschlechterstereotype

Die Debatte zu Geschlechterstereotypen in der Werbung ist bereits seit vielen Jahren ein öffentliches Thema, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat. So erreichten den Deutschen Werberat im ersten Halbjahr 2018 bereits 137 Beschwerden bezüglich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.45 Dieses anhaltende Bestehen von diskriminierenden Geschlechterrollen in der Werbung kritisiert Holtz-Bacha besonders dahingehend, dass Werbung nicht nur einen Spiegel der Gesellschaft darstellt, sondern zudem einen stark prägenden Charakter hat. Ein modernes, differenziertes Geschlechterbild scheint somit auch in der Realität nicht zu existieren. Ein Zustand, der sich besonders durch den großen Einfluss der Werbung nicht ändern wird, solange diese keine anderen Rollen vermittelt.46

Die Geschlechterstereotype haben dennoch eine große Entwicklung hinter sich. Man kann diese in zwei Phasen teilen, den Zeitabschnitt von I960 bis 1980 und schließlich von 1980 bis in die Gegenwart.

Von I960 bis 1980 waren Frauen in der Werbung zahlenmäßig sogar mehr vertreten als Männer. Dennoch kann man die Darstellung der Geschlechter keineswegs als gleichwertig betrachten. Die Qualität der Darstellung ist geprägt von Stereotypisierungen und Eindimensionalität. Es wird ein Bild von einer jungen, schlanken, vollbusigen, langbeinigen, langhaarigen, bevorzugt blonden, wenig bekleideten Frau gezeichnet, die ihre sekundären Geschlechtsmerkmale betont. Ihr Verhalten vermittelt dem Zuschauer Unwissenheit und Hilflosigkeit. Sie erweckt den Eindruck, dass sie erobert und verwöhnt werden möchte. Diese dargestellte Frau spielt die Rolle der jungen, attraktiven, unverheirateten Frau, der fürsorglichen Ehefrau, der ordentlichen Hausfrau oder der Mutter. Beruflich ist sie eher inaktiv.47 Dementsprechend bewirbt die Frau in der Regel Produkte, mit denen sie die Familie versorgen oder ihre eigene Attraktivität, trotz des steigenden Alters, erhalten kann. Oftmals wirkt sie auch als Hingucker in Männerwerbung, beispielsweise in der Autowerbung.

Männer hingegen erscheinen machtvoll und überlegen. Treten sie in einem Werbespot auf, reden sie nicht, sondern handeln. Sie treffen Entscheidungen, sind Experten und erleben Abenteuer. Dieses Missverhältnis zwischen Mann und Frau wird gut an ihrer Bewegung im Werbespot symbolisiert. Nach Thiele verweilen die Frauen meist statisch an einer Stelle, wohingegen der Mann dynamisch ist und den Raum mit Bewegung füllt. Auch diese Beobachtung zeigt eindrücklich, dass die Frau als unterlegen und der Mann als der Handelnde dargestellt werden soll.48

[...]


1 Thiele, Martina: Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes. Bielefeld 2015, S. 269.

2 Duden: Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 6. Auflage. Mannheim2016, S. 306-307.

3 Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 6. Auflage. Berlin2005, S. 113.

4 Vgl. Borchers, Nils S.: Werbekommunikation. Entwurf einer kommunikationswissenschaftlichen Theorie der Werbung. Wiesbaden 2014, S. 49.

5 Vgl. Borchers 2014,S.51.

6 Dieses Schaffen von nicht existierenden Bedürfnissen wurde bereits früh von dem kanadischen Ökonom John Kenneth Galbraith kritisiert. Er erkannte in diesem Prozess die Ausgeburt der Überflussgesellschaft. Denn die Gesellschaft schafft selbst Bedürfnisse, die sie dann anschließend augenscheinlich selbst erfüllen muss. Dabei verlieren die Waren mit der Zeit immer mehr an Wert, denn je mehr ein Mensch besitzt, umso weniger schätzt er sein Eigentum und sieht es als Selbstverständlichkeit an. Seine Bedenken hat er in dem bedeutsamen Werk „Gesellschaft im Überfluss“festgehalten. (Galbraith, JohnKenneth: Gesellschaft imÜberfluss. München 1959.)

7 Borchers 2014, S. 52.

8 Vgl. Ebd.,S.53.

9 Vgl. Hardt, Anna A.: Die generelle Einstellung deutscher Rezipienten gegenüber Werbung. Eine qualitative und quantitative Modellvalidierung. München 1999, S. 145ff.

10 Vgl. Janich, Nina: Einleitung. In: Janich, Nina (Hg.): Stereotype in Marketing und Werbung. Interdisziplinäre Perspektiven auf kulturspezifische Wissensrepräsentationen. Wiesbaden 2019, S. 11.

11 Das AIDA-Modell entspricht in gekürzter Form dem bekannten sozialpsychologischen Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit von Cacioppo und Petty. Es ist eines der bedeutendsten Zwei­Prozess-Modelle und beschreibt die zwei Arten, eine Mitteilung zu verarbeiten. Die Verarbeitung beim Rezipienten kann sowohl zentral als auch peripher sein. (Cacioppo, John T./ Petty, Richard E.: The Elaboration Likelihood Model of Persuasion. In: Advances in experimental social psychology, 19. New York 1986, S. 123-205).

12 Vgl. Felser, Geoig: Werbe-undKonsumentenpsychologie. 4. Auflage. Heidelberg2015, S. 10ff.

13 Vgl. Felser2015,S.275ff.

14 Vgl. Ebd., S. 290ff.

15 Vgl. Green, M.C./ Brock, T.C.: The role of transportation in the persuasiveness of public narratives. Journal of personality and social psychology, 79 (5). 2000, S. 701-721.

16 Eine Studie von Deighton, Romer und McQueen hat gezeigt, dass Werbespots, die ein Geschehen mit handelnden Personen enthalten, eher zu einer Einstellungsänderung führen. Durch den emotionalen Bezug zum Protagonist und das Erkennen von Gemeinsamkeiten kommt es zur Identifikation mit dem Darsteller. (Deighton, J.; McQueen, J. und Romer, D.: Using drama to persuade. In: Journal of Consumer research, 16. 1989, S. 335-343.)

17 Vgl. Hardt, Anna A.: Die generelle Einstellung deutscher Rezipienten gegenüber Werbung. Eine qualitative und quantitative Modellvalidierung. München 1999, S. 148ff.

18 Vgl. Felser2015, S. 276ff.

19 Ebd., S. 8.

20 Vgl. Ebd., S. 8ff.

21 Vgl. Brinker2005, S. 117.

22 Vgl. Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd: Stereotype. In: Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd (Hg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim, Basel 2008, S. 21.

23 Vgl. Lippmann, Walter: Die öffentliche Meinung. Fischer, Heinz-Dietrich (Hg.): Reprint des Publizistik-Klassikers. Bochum 1989, S. 63ff.

24 Vgl. Klauer, Karl Christoph: Soziale Kategorisierung und Stereotypisierung. In: Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd (Hg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim, Basel 2008, S. 23.

25 Vgl. Sommer, Katharina: Stereotype und die Wahrnehmung von Medienwirkungen. Wiesbaden 2017, S. 28f.

26 Vgl. Petersen/ Six 2008, S. 21.

27 Vgl. Klauer 2008, S. 23.

28 Vgl. Petersen/ Six 2008, S. 21. An dieser Stelle ist auf das Eigenschaftslistenverfahren hinzuweisen, das als Messinstrument in der Stereotypenforschung genutzt wird. Beim Eigenschaftslistenverfahren sollen Befragte aus einer großen Liste von Eigenschaften eine sehr kleine Anzahl auswählen, mit denen sie die Mitglieder der Zielgruppe vermeintlich angemessen charakterisieren können. Daraus gewinnt die Untersuchungsleitung Erkenntnisse über die Verbreitung eines Stereotyps und über die Merkmale einer Gruppe. Bekannt wurde das Verfahren durch eine Studie von Katz und Braly im Jahre 1933. (Katz, D./ Brały, K.W.: Racial stereotypes of 100 college students. In: Journal of Abnormal and Social Psychology 28. 1933, S. 280-290.)

29 Vgl. Machunsky, Maya: Substereotypisierung. In: Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd (Hg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim, Basel 2008, S. 49.

30 Vgl. Meiser, Thorsten: Illusorische Korrelationen. In: Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd (Hg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim, Basel 2008, S. 53.

31 Vgl. Sommer 2017, S. 75.

32 Vgl. Meiser 2008, S. 53.

33 Vgl. Sommer 2017, S. 41.

34 Vgl. Schmid Mast, Marianne/ Krings, Franciska: Stereotype und Informationsverarbeitung. In: Petersen, Lars Eric/ Six, Bernd (Hg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim, Basel 2008, S. 33ff.

35 Vgl. Meiser 2008, S. 53f.

36 Vgl. Janich2019, S. 10.

37 Sommer 2017, S. 144.

38 Vgl. Mastro, D., Tukachinsky, R. und Valdivia, A. N.: The Influence of Media Exposure on the Formation, Activation, and Application of Racial/Ethnic Stereotypes. In: The International Encyclopedia ofMedia Studies. Blackwell Publishing Ltd. 2012.

39 Vgl. Sommer 2017, S. 90ff.

40 Zurstiege, Guido: Werbung nach der Werbung. In: Janich, Nina (Hg.): Stereotype in Marketing und Werbung. Interdisziplinäre Perspektiven auf kulturspezifische Wissensrepräsentationen. Wiesbaden 2019, S. 17.

41 Vgl. Papen, Marie-Christin: Stereotype und negative Emotionen in Marketing und Kommunikation. Janich, Nina (Hg.): Stereotype in Marketing und Werbung. Interdisziplinäre Perspektiven auf kulturspezifische Wissensrepräsentationen. Wiesbaden 2019, S. 276.

42 Vgl. Hütten, Antje/ Stumpf, Marcus: Dealing with Stereotypes and Cross Media Challenges in Corporate Communication. In: Schmidt, Christopher Μ. (Hg.): Crossmedia-Kommunikation in kulturbedingten Handlungsräumen. Mediengerechte Anwendung und zielgruppenspezifische Ausrichtung. Wiesbaden 2016, S. 66ff.

43 Zurstiege 2019, S. 19.

44 Vgl. Ebd., S. 24.

45 Vgl. Deutscher Werberat: Halbjahresbilanz 2018. https://www.werberat.de/halbjahresbilanz-2018 (abgerufen am 02.02.2019).

46 Vgl. Holtz-Bacha, Christina: Köcheln auf kleiner Flamme. Frauen und Männer in der Werbung - ein thematischer Dauerbrenner. In: Holtz-Bacha, Christina (Hg.): Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung. Wiesbaden 2008, S. 6.

47 Mehr Informationen zu den Berufsstereotypen von Frauen finden sich in Kapitel 3.2.2.

48 Vgl. Thiele, Martina: Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes. Bielefeld 2015, S. 271ff

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Das Stereotyp der "heilen Welt" in der Fernsehwerbung. Die Werbespots des Produkts "Kinderschokolade" von Ferrero
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
2,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
84
Katalognummer
V536504
ISBN (eBook)
9783346125903
ISBN (Buch)
9783346125910
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stereotyp, welt, fernsehwerbung, werbespots, produkts, kinderschokolade, ferrero
Arbeit zitieren
Franziska Marie Michels (Autor:in), 2019, Das Stereotyp der "heilen Welt" in der Fernsehwerbung. Die Werbespots des Produkts "Kinderschokolade" von Ferrero, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/536504

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