Nachdem das Deutsche Reich 1876 auf der Weltausstellung in Philadelphia seine industrielle Entwicklung noch in einer Weise präsentiert hatte, die den Direktor der Berliner Gewerbeakademie Franz Reuleaux dazu veranlasste, die in Philadelphia gezeigten deutschen Produkte gemeinhin als „billig und schlecht“ abzuqualifizieren, stellte sich die Situation nur ein Vierteljahrhundert später völlig anders dar. Auf den Weltausstellungen in Chicago 1893 und Paris 1900 war es das Kaiserreich, welches sich als dynamischste Industriemacht Europas präsentieren konnte. Seine gesamte Darstellung und die Anzahl der errungenen Preise - in Chicago fiel allein ein Viertel an die deutschen Vertreter - waren hier zum Spiegelbild des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Aufstiegs seit der Reichsgründung geworden.
Zurückzuführen ist dieser Aufstieg des Deutschen Reiches zu einem der führenden Industriestaaten im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts dabei wesentlich auf den Aufschwung der Naturwissenschaften, auf den wissenschaftlichen Fortschritt, welcher schließlich auch in die industrielle Produktion Einzug gehalten und in den Leitsektoren dieser „Zweiten Industriellen Revolution“, in der Chemie und Elektrotechnik, zur Entstehung wissensbasierter Industrien geführt hatte. Diese Verbindung von Wissenschaft und Industrie wiederum war zurückzuführen auf eine zur damaligen Zeit in Europa beispiellose Kooperation der Trias Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Es war diese Zusammenarbeit, die das spezifisch deutsche Innovationssystem kennzeichnete, welches den Weg der wissensbasierten Industriezweige an die Weltspitze möglich gemacht hatte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. „Triple Helix“ und „Mode 2“ - Wissenschaftskultur und Wissenschaftssystem im Deutschen Kaiserreich
- 2. Staatliche Wissenschaftspolitik - Das „,System Althoff“
- 3. Leitbilder und Zielvorstellungen staatlicher Wissenschaftsförderung
- 4. Zur Rolle des Staates bei der Entwicklung wissensbasierter Industrien
- Resümee
- Abkürzungsverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle der staatlichen Wissenschaftspolitik in der Entwicklung von „Science Based Industries“ im Deutschen Kaiserreich. Sie beleuchtet die spezifischen Faktoren und Strategien, die zur Verflechtung von Wissenschaft und Wirtschaft führten und damit den industriellen Aufstieg des Deutschen Reiches im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts prägten.
- Wissenschaftskultur und -system im Deutschen Kaiserreich
- Die staatliche Wissenschaftspolitik unter Friedrich Althoff
- Leitbilder und Ziele der staatlichen Wissenschaftsförderung
- Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik
- Die Rolle des Staates in der Entwicklung wissensbasierter Industrien
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung beleuchtet den rasanten industriellen Aufstieg des Deutschen Reiches im späten 19. Jahrhundert und stellt die These auf, dass die staatliche Wissenschaftspolitik einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet hat. Es wird außerdem auf die Bedeutung der Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik hingewiesen, die das spezifisch deutsche Innovationssystem prägte.
- Kapitel 1: „Triple Helix“ und „Mode 2“ - Wissenschaftskultur und Wissenschaftssystem im Deutschen Kaiserreich: Dieses Kapitel analysiert die Wissenschaftskultur und das Wissenschaftssystem des Kaiserreichs, wobei der Fokus auf den Aufschwung der Natur- und Technikwissenschaften im 19. Jahrhundert liegt. Der Fortschrittsglaube und die zunehmende Hinwendung zu den Naturwissenschaften werden beschrieben, sowie die Entwicklung des dualen Bildungssystems, das zur Gleichstellung von Universitäten und Technischen Hochschulen führte. Die Überwindung der traditionellen Trennung von Wissenschaft und Technik wird als entscheidender Faktor für die Verbindung von wissenschaftlichem Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum dargestellt.
- Kapitel 2: Staatliche Wissenschaftspolitik - Das „,System Althoff““: Dieses Kapitel gibt einen Abriss zur staatlichen Wissenschaftspolitik im Kaiserreich und stellt das „System Althoff“ vor, das sich unter der Leitung von Friedrich Althoff entwickelte. Die Bedeutung der staatlichen Wissenschaftspolitik für den Aufschwung der deutschen Wissenschaft wird hervorgehoben, insbesondere durch die Förderung des deutschen Bildungs- und Hochschulwesens.
- Kapitel 3: Leitbilder und Zielvorstellungen staatlicher Wissenschaftsförderung: Hier wird die Frage nach den Motiven staatlicher Wissenschaftsförderung behandelt, wobei die Ziele und Leitbilder der staatlichen Wissenschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich beleuchtet werden.
- Kapitel 4: Zur Rolle des Staates bei der Entwicklung wissensbasierter Industrien: Dieses Kapitel untersucht die Rolle des Staates bei der Entwicklung wissensbasierter Industrien, insbesondere im Hinblick auf die chemische Industrie als Paradebeispiel für eine wissensbasierte Branche. Es wird untersucht, ob und inwiefern der Staat Strategien zur gezielten Förderung der neuen Industrien verfolgte und wie sein Einfluss zu bewerten ist.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem Thema der staatlichen Wissenschaftspolitik im Deutschen Kaiserreich, insbesondere im Kontext der Entwicklung von „Science Based Industries“. Zentrale Themen sind die „Triple Helix“ - Theorie, die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, sowie das „System Althoff“ als ein Paradebeispiel für erfolgreiche staatliche Wissenschaftspolitik. Weitere relevante Themen sind der Aufstieg der Natur- und Technikwissenschaften, der Fortschrittsglaube und die Verwissenschaftlichung der industriellen Produktion.
- Quote paper
- Daniel Jacob (Author), 2005, Staatliche Wissenschaftspolitik und die Entwicklung von Science Based Industries im Deutschen Kaiserreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53660