Das Ende der Hexenverfolgung in Kurmainz - Wie der 'deutsche Salomo' die Hexenverfolgung im Erzstift beendete


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Literaturüberblick und Forschungsstand

3. Die kurmainzische Hexenverfolgung
3.1. Der Einfluss der Obrigkeit auf das Strafverfahren gegen die Hexen
3.2. Die Motive der Obrigkeit
3.3. Der Verlauf der Hexenverfolgung im Erzstift bis 1647
Johann Adam von Bicken (1601-1604)
Johann Schweikard von Kronberg (1604-1626)
Georg Friedrich Greiffenclau von Vollrads (1626-1629)
Anselm Kasimir Wambold zu Umstadt (1629-1647)

4. Johann Philipp von Schönborn und das Ende des Hexenwahns
4.1. Die Beendigung der Hexenprozesse
4.2. Mögliche Motive Johann Philipps
Das Wirken Friedrich Spees
Die Praxis des Parlement de Paris
Wirtschaftliche Beweggründe

5. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Die Zahl der Opfer von Hexenprozessen im Kurfürstentum Mainz dürfte „wohl in keinem anderen deutschen Territorium übertroffen“[1] worden sein: Neuere Forschungen (s.u.) haben für das Erzstift eine Zahl von über 2000 nachweisbaren Hinrichtungen festgestellt – und diese fanden in der Hauptsache in dem relativ kurzen Zeitraum von fünfzig Jahren statt.

Mit einer Hexenverfolgung diesen Ausmaßes stellte das vergleichsweise kleine Kurfürstentum aber auch im europäischen Vergleich andere Länder weit in den Schatten. So bekommt man vielleicht von der Größenordnung der Kurmainzer Hexenverfolgung noch besser ein Bild, wenn man sich vor Augen führt, dass in ganz England insgesamt „nur“ fünfhundert Personen wegen Hexerei verurteilt wurden.[2]

Dass diese grausame Verfolgung schließlich endete, kann vor allem als das Verdienst eines Mannes gesehen werden: des Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn (1647-1673). Dem Ende der Hexenprozesse im Erzstift während seiner Regierungszeit ist diese Hausarbeit gewidmet. Die These, die in dieser Arbeit vertreten wird, ist die, dass Johann Philipp derjenige war, der die unselige gegenseitige Befruchtung der Prozesswünsche „von unten“ (also aus der Bevölkerung) und „von oben“ (also von Seiten der Obrigkeit) beendete, indem er die starke Kontrolle, die die Obrigkeit im Erzstift über die Prozesse hatte, nutzte, um die Hexenangst „von unten“ zu zügeln.

Es ist hier daher zunächst darauf einzugehen, wie die Strafverfolgung der Hexen im Erzstift aussah und wie sehr diese von der Obrigkeit kontrolliert wurde (3.1.). Leider verbietet es der begrenzte Umfang dieser Arbeit dies ausführlich zu tun. Es muss daher bei einer sehr groben Beschreibung bleiben. Auch auf eine nähere Beschäftigung mit dem Zauberglauben des Erzstiftes wird hier verzichtet.[3]

War es aber nur die pure Hexenangst, die die Obrigkeit dem Prozesswünschen der Bevölkerung so großzügig stattgeben ließ? Auch andere mögliche Motive sollen hier betrachtet werden (3.2.). Schließlich soll die Hexenverfolgung unter den einzelnen Kurfürsten in einem kurzen chronologischen Abriss dargestellt werden. (3.3.)

Vor dieser Kulisse soll alsdann das Wirken des großen Kurfürsten Johann Philipp beschrieben werden, dessen Hexenpolitik sich maßgeblich von der seiner Vorgänger unterschied. (4.1.)

Zwangsläufig muss die Frage nach den möglichen Ursachen für diese Politik nach den Motiven des Kurfürsten gestellt werden: Was bewegte ihn in einer Zeit, in der noch (fast) alle Welt nach Hexenprozessen schrie, zu einer Ablehnung derselben? (4.2.)

Schon Gottfried Wilhelm Leibniz sah hierfür Friedrich Spee, den wohl berühmtesten Gegner der Hexenprozesse, verantwortlich. War Johann Philipp also endlich das Instrument, das dieser zur Beendigung der Prozesse herbeigesehnt hatte? Inwiefern er das meiner Meinung nach tatsächlich war, möchte ich schließlich in einem Fazit klären. (5.)

Bevor wir aber mit der eigentlichen Beschäftigung mit dem Thema beginnen, sei nun kurz ein Überblick über die verwendete Literatur gegeben (2.)

2. Literaturüberblick und Forschungsstand

Auf dem Gebiet der Literatur über die Hexenprozesse im Kurfürstentum Mainz hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges getan. Die bis dato offene Lücke schlossen Ende der 1980er Jahre die Gesamtdarstellungen der kurmainzischen Hexenprozesse von Herbert Pohl[4] und Horst Heinrich Gebhard[5], die beide die Verfolgung im Ganzen beschreiben, gleichwohl ihren Schwerpunkt auf das 16. (Pohl) bzw. 17. Jahrhundert (Gebhard) legen. Die Werke sind immer noch maßgebend für die Darstellung der Hexenprozesse im Erzstift.

Pohl und Gebhard werteten für ihre Forschungen Regierungs- sowie Gerichtsakten, Rechnungen etc. aus verschiedenen Archiven aus. Probleme bereiteten beiden Autoren hierbei einerseits die Tatsache, dass das Aktenmaterial für das mainzische Eichsfeld und Erfurt damals nicht einsehbar war, da es in Archiven der DDR lagerte.[6] Weiterhin fielen viele Akten auch den Bombardements des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Am schlechtesten ist die Quellenlage für das Unterstift, wo die meisten Akten während der französischen Besetzung in französische Archive gebracht wurden und dort verschwanden.

Bei ihrer Auswertung kommen Pohl und Gebhard jedoch teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen. Um dies an einem besonders krassen Beispiel zu verdeutlichen: Ginge es nach Gebhard, dann wäre die hier vorliegende Arbeit überflüssig – für ihn endeten die Hexenprozesse bereits während der Regierungszeit Kurfürst Anselm Kasimir Wamboldt von Umstadts.[7] Pohl sieht das völlig anders: Er widmete dem Ende der Hexenverfolgung unter Kurfürst Johann Philipp einen eigenen Aufsatz[8] – der leider gegenüber der Erwähnung dieses Themas in seinem Hauptwerk nicht viel Neues bringt und die dortige Darstellung in weiten Teilen wörtlich kopiert.

Darüber hinaus existieren kleinere Darstellungen für Kurmainz: Elmar Weiss beschäftigt sich in einem Aufsatz mit der Hexenverfolgung im Kurfürstentum – allerdings nur für dessen südwestdeutsche Gebiete.[9] Gerhard Schormann geht in seinem Werk über die kurkölnische Hexenverfolgung auch kurz auf die Vorgänge in Kurmainz ein[10], gründet seine Ausführungen jedoch nur auf Sekundärliteratur.

Dass die Forschung über die Hexenverfolgung auch in jüngster Zeit nicht zum Erliegen gekommen ist, zeigt eine neue Veröffentlichung der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz: Erst kürzlich gab diese eine CD-ROM zu dem Thema heraus, die unter Leitung von Ludolf Pelizaeus im Rahmen einer Übung entstand.[11] Diese Übung wurde in ihrem Wirken u.a. auch von Herbert Pohl unterstützt. Der Datenträger stellt neben einem zeitlichen Überblick der kurmainzischen Prozesse – mit Schwerpunkt Dieburg – eine ganze Reihe von digitalisierten Archivalien zur Verfügung.

Für die Beschäftigung mit Kurfürst Johann Philipp steht eine große Auswahl an Literatur zur Verfügung. Für diese Arbeit wurden zwei Werke von Friedhelm Jürgensmeier[12] sowie ein Aufsatz von Axel Gotthard[13] herangezogen.

Genauso steht es um die Literatur zu dem Mann, dem eine maßgebliche Beeinflussung Johann Philipps nachgesagt wird: Für die Beschäftigung mit Friedrich Spee wurden hier in der Hauptsache das Werk von Theo G. M. Oorschot[14] sowie Aufsätze von Gordon W. Marigold[15] und Gunther Franz[16] herangezogen. Darüber hinaus war natürlich eine Beschäftigung mit Spees Hauptwerk, der „Cautio Criminalis“[17], unumgänglich.

Weitere Literatur ist dem Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit zu entnehmen.

3. Die kurmainzische Hexenverfolgung

Im Kurfürstentum Mainz bei den Hexenprozessen ging die Initiative von der Bevölkerung aus: Es ist, laut Pohl, quasi „ein Charakteristikum der Hexenprozesse im Kurfürstentum Mainz, daß sie seitens der Bevölkerung initiiert wurden.“[18] Wie überall im Reich[19], so zeigt sich auch im Erzstift eine zeitliche Übereinstimmung der Prozesswellen mit den Teuerungswellen für Agrarprodukte. Und so ist man sich in der Literatur auch einig darüber, dass die ungünstigen klimatischen Bedingungen am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts („kleine Eiszeit“), die für viele Menschen existenzbedrohend wirkten – und für die man die vermeintlichen Hexen verantwortlich machte – zu einem erhöhten Drängen der Bevölkerung dieses Übel zu beseitigen führten.[20]

Die Hexenangst war jedoch keinesfalls auf die normale Bevölkerung beschränkt – auch wenn sie hier wohl eher zum Tragen kam, da ja für diese die „Auswirkungen“ der Hexerei viel deutlicher zu spüren waren. Auch die mainzische Obrigkeit war „selbst im Hexenglauben tief befangen“[21]. Und so lies bei allem Drängen der Bevölkerung, deren Meinung nach die Obrigkeit immer noch zu wenig gegen die Hexen unternahm[22], sich diese im Kurfürstentum Mainz zwar nie das Heft aus der Hand nehmen, wie dies in anderen Territorien geschah[23], gleichwohl zeigt sich eben durch ihre große Kontrolle, dass die Prozesse den Segen der Obrigkeit hatten: Sie hätten ansonsten nie diesen Umfang erreicht.

Wie diese Kontrolle aussah, soll im Folgenden anhand der (sehr groben) Darstellung des strafrechtlichen Verfahrens gegen die Hexen im Kurfürstentum gezeigt werden:

3.1. Der Einfluss der Obrigkeit auf das Strafverfahren gegen die Hexen

Das strafrechtliche Vorgehen bei den Hexenprozessen in Kurmainz regelte die 1532 auf dem Regensburger Reichstag verabschiedete und im Jahre 1534 publizierte, für das ganze Reich gültige Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V, die Constitutio Criminalis Carolina (CCC), oder kurz Carolina. Die Reichsstände hatten zwar eine „salvatorische Klausel“[24] eingebaut, die besagte, dass diese Ordnung nur unbenommen der „Churfürsten Fürsten und Stenden ... rechtmessigen vnnd billichen gebreuchen[25] gelten solle. Die Mainzer Kurfürsten besaßen als Reichskanzler jedoch einen maßgeblichen Anteil am Werden der Peinlichen Halsgerichtsordnung und so bot das „Mainzer Landrecht [...] nur einige Ergänzungen für seinen Geltungsbereich“[26].

[...]


[1] Pohl, Johann Philipp, S. 19; Gebhard sieht dies allerdings ein wenig anders: laut ihm blieb Mainz hinsichtlich der Verfolgungsintensität hinter den Fürstbistümern Bamberg und Würzburg zurück (vgl. Gebhard, S. 305).

[2] Vgl. ebd.., S. 19.

[3] Dazu jeweils sehr ausführlich Pohl, Zauberglaube, S. 148-204 (Strafrechtliche Verfolgung) bzw. S. 236-287 (Zauberglaube).

[4] Pohl, Herbert: Zauberglaube und Hexenangst im Kurfürstentum Mainz. Ein Beitrag zur Hexenfrage im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. Stuttgart ²1998. Die erste Auflage erschien 1988 unter dem Titel „Hexenglaube und Hexenverfolgung im Kurfürstentum Mainz. Ein Beitrag zur Hexenfrage im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert“ als Band 32 der Reihe „Geschichtliche Landeskunde“.

[5] Gebhard, Horst Heinrich: Hexenprozesse im Kurfürstentum Mainz des 17. Jahrhunderts. Aschaffenburg 1989.

[6] Pohl hat allerdings auch in seiner neuen überarbeiteten Auflage jenes Aktenmaterial nicht einbezogen.

[7] Vgl. Gebhard, S. 327f.

[8] Pohl, Herbert: Kurfürst Johann Philipp von Schönborn (1647-1673) und das Ende der Hexenprozesse im Kurfürstentum Mainz; In: Sönke Lorenz und Dieter R. Bauer (Hrsg.): Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 19-36.

[9] Weiss, Elmar: Erzstift Mainz (südwestdeutsche Gebiete); In: Sönke Lorenz und Jürgen Michael Schmidt (Hrsg.): Wider alle Hexerei und Teufelswerk. Die europäische Hexenverfolgung und ihre Auswirkungen auf Südwestdeutschland. Tübingen 2004, S. 325-338.

[10] Schormann, Gerhard: Der Krieg gegen die Hexen. Das Ausrottungsprogramm des Kurfürsten von Köln. Göttingen 1991; dort S. 123-128.

[11] Pelizaeus, Ludolf: Hexenprozesse in Kurmainz. Bestraffung des abscheulichen lasters der zauberey. Mainz 2004. [CD-ROM]

[12] Jürgensmeier, Friedhelm: Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil. Frankfurt am Main 1988 sowie Idem: Friedhelm: Johann Philipp von Schönborn (1603-1673) und die römische Kurie. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts. Mainz 1977.

[13] Gotthard, Axel: Friede und Recht. Johann Philipp – Lothar Franz: Die beiden Schönborn in Umriß und Vergleich; In: Peter Claus Hartmann (Hrsg.): Die Mainzer Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren. Frankfurt am Main 2002, S.17-64.

[14] Oorschot, Theo G. M. van: Friedrich Spee von Langenfeld. Zwischen Zorn und Zärtlichkeit. Göttingen 1992.

[15] Marigold, Gordon W.: Beziehungen zwischen Friedrich von Spee und Johann Philipp von Schönborn; In: Italo Michele Battafarano (Hrsg.): Friedrich von Spee. Gardolo di Trento 1988, S. 277-296.

[16] Franz, Gunther: Prominente Gegner der Hexenprozesse; In: Rosmarie Beier-de Haan, Rita Voltmer, Franz Irsigler (Hrsgg.): Hexenwahn. Ängste der Neuzeit. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung des Historischen Museums. Berlin 2002, S. 154-163.

[17] Spee, Friedrich von: Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse. Deutsch von Joachim-Friedrich Ritter. Darmstadt 1967.

[18] Pohl, Zauberglaube, S. 156.

[19] Vgl. Behringer, Vermarktung, S. 129.

[20] Vgl. Pohl, Zauberglaube, S. 234f; Gebhard, S. 346ff; Weiss, S. 341f; Behringer, Hexenprozesse, S. 129f.

[21] Weiss, S. 344.

[22] Vgl. Weiss, S. 343.

[23] Beispiel: Kurtrier, vgl. hierzu Schormann, S. 128ff und Gebhard, S. 314f.

[24] Pohl, Zauberglaube, S. 148.

[25] Radbruch, Gustav (Hg.): Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V von 1532 (Carolina), Stuttgart, 51980, zit. n. Pohl, Zauberglaube, S. 148.

[26] Scheppler, Paul R.: Aschaffenburg und das Kurmainzer Recht, Aschaffenburg, 1973, zit. n. Pohl, Zauberglaube, S.149.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Ende der Hexenverfolgung in Kurmainz - Wie der 'deutsche Salomo' die Hexenverfolgung im Erzstift beendete
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Geschichte)
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V53731
ISBN (eBook)
9783638491006
ISBN (Buch)
9783656806530
Dateigröße
450 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ende, Hexenverfolgung, Kurmainz, Salomo, Hexenverfolgung, Erzstift
Arbeit zitieren
Vincent Steinfeld (Autor:in), 2005, Das Ende der Hexenverfolgung in Kurmainz - Wie der 'deutsche Salomo' die Hexenverfolgung im Erzstift beendete, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53731

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