Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Sexualstraftäter und Sexualdelikte
2.1 Begriffsbestimmung Sexualstraftäter
2.2 Sexualstraftäter Klassifizierung
2.3 Theoretischer Ansatz für sexualstraffälliges Verhalten
2.4 Rückfallrisiko Sexualstraftäter
3 Wiedereingliederung
3.1 Begriffserklärung Wiedereingliederung
3.2 Stationäre Wiedereingliederung von Sexualstraftätern
3.3 Ambulante Wiedereingliederung durch das Niedersächsische Konzept
4 Herausforderungen für Justizsozialarbeitende im ambulanten Wiedereingliederungsprozess
4.1 Fachliche Klärung
4.2 Professionelle Aufgaben und Methoden
4.3 Gesellschaftliches Bild
4.4 Medien und Öffentlichkeitsarbeit
4.5 Besondere Klientengruppen
5 Schlussbetrachtung
6 Literaturverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis
bzgl. bezüglich
ebd. ebenda
GG Grundgesetzbuch
inkl. inklusiv
KURS Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern
NiVollzG Niedersächsisches Vollzugsgesetz
Pkw Personenkraftwagen
StGB Strafgesetzbuch
u.a. unter anderem
vgl. Vergleiche
z.B. zum Beispiel
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Klassifizierungssystem für Vergewaltiger nach Knight und Pretky
Abbildung 2: Klassifizierungsmodell für Missbrauch an Kindern nach Knight und Pretky
1 Einleitung
Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der These „Niedersächsisches Konzept zur Wiedereingliederung männlicher Sexualstraftäter - eine Herausforderung für die Soziale Arbeit“. Sexualstraftäter verstoßen nicht nur gegen das Strafgesetzbuch (StGB) sondern auch gegen das Grundgesetzbuch (GG). Denn in Artikel 1 des GG steht, „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller stattlichen Gewalten.“(Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, o. J.) Die Würde des Menschen ist im Grundgesetz verankert und wird durch das Menschenrecht des Artikel 1, „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren […]“(Deutsches Institut für Menschenrechte, o. J.) verstärkt. Dieses Menschenrecht ist 1948 in Kraft getreten und besagt, dass jeder Mensch einen sozialen Wert- und Achtungsanspruch seiner selbst willen hat (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (1), 2015).
Eine Sexualstraftat bricht diese Rechte und verstößt gegen §§174-184g StGB. Damit Sexualstraftäter wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können, muss das Rückfallrisiko bekannt sein und die Soziale Arbeit muss eingebunden werden. Denn die Soziale Arbeit kann dazu beitragen und Unterstützen ein straffreies Leben zu führen. Dazu ist unter anderem das Niedersächsische Konzept zum Umgang mit Rückfallgefährdeten Sexualstraftätern konzipiert worden, in dem die Soziale Arbeit involviert ist. Niedersachsen ist eines von 16 Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland und liegt im nördlichen Deutschland. Nach diesem Konzept wird auch in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen und Hessen gearbeitet. Diese weichen lediglich durch geringfügige Unterscheide vom Niedersächsischen Konzept ab.
In dieser Bachelorarbeit liegt der Fokus ausschließlich auf männlichen Sexualstraftätern, da die Literatur für dieser Personengruppe besser erforscht ist und im Rahmen der Bachelorarbeit nicht ausreichend Kapazität gegeben ist auf unterschiedliche Geschlechter einzugehen.
Dennoch sind die Opfer und die Folgen der Straften nicht zu vergessen, können aber durch das Ausmaß dieses Themengebietes in dieser Bachelorarbeit nicht näher erläutert werden.
In Abschnitt zwei Sexualstraftäter und Sexualdelikte wird die Begrifflichkeit einer Sexualstraftat sowie ihre rechtlichen Grundlagen genauer erläutert. Daraufhin folgt eine Klassifizierung von Sexualstraftätern nach Knight und Prentky, um die unterschiedlichen Typen und die jeweiligen Eigenschaften einer Sexualstraftat zu analysieren. Im Anschluss ist der soziokulturelle Ansatz gewählt, der zur Entstehung sexualstraffälliges Verhalten aufklärt. Dieser Ansatz baut auf die Rückfallqoute einer Sexualstraftat auf, um deutlich zu machen, was für ein Ausmaß Sexualdelikte in der heutigen Gesellschaft ausmachen und um die Wichtigkeit der Wiedereingliederung zu unterstreichen.
Der Fokus der Wiedereingliederung liegt im dritten Kapitel unter Berücksichtigung der stationären Wiedereingliederung hauptsächlich auf der ambulanten Wiedereingliederung. Auf die Begriffsbestimmung folgt kurz erläutert die stationäre Wiedereingliederung. Im weiteren Verlauf dieser schriftlichen Ausarbeitung wird die ambulanten Wiedereingliederung durch das Niedersächsische Konzept zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern vorgestellt. Darauf aufbauend werden im Anschluss die Herausforderungen der Sozialen Arbeit im Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern erarbeitet. Dazu wurden diese Herausforderungen in fachliche Klärung, professionelle Aufgaben und Methoden, gesellschaftliches Bild, Medien und Öffentlichkeitsarbeit und besondere Klientengruppen unterteilt. Eine Schlussbetrachtung mit meiner eigenen Stellungnahme und der Beantwortung der These ist abschließenden in Kapitel fünf zu finden.
Ziel dieser Ausarbeitung ist es, die Herausforderungen der Sozialen Arbeit im Umgang mit männlichen Sexualstraftätern durch das Niedersächsische Konzept zu erfassen.
2 Sexualstraftäter und Sexualdelikte
Sexualkriminalität ist ein soziales Problem. Das bedeutet, dass Sexualkriminalität in der Gesellschaft als unerwünscht und als veränderungsbedürftig angesehen wird. Es entstehen soziale Probleme, weil wir uns in einer zunehmenden komplexen und ausdifferenzierten Gesellschaft befinden. Ebenso wird der soziale Wandel und der Anstieg von Konflikten und Krisen auf die sozialen Probleme zurück geführt (vgl. Seifert, 2014, S. 38).
In den 1960er Jahren machte die Frauenbewegung auf sexuelle Gewalt aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt ist zum ersten Mal Gewalt gegen Mädchen und Frauen in der Öffentlichkeit aufgegriffen und bekannt gemacht worden. Es entstanden viele Kampagnen gegen sexuelle Gewalt. Ebenso wurden die Bedürfnisse der Frau erstmals mit Hinblick auf die Selbstbestimmung der Sexualität dargestellt. Es wurde die gesellschaftliche Struktur sowie die alltägliche Gewalt von Männern gegen Frauen skandalisiert (vgl. ebd., S. 60).
Um Sexualkriminalität genauer zu erläutern, ist in Kapitel 2.1 eine ausführliche Begriffsbestimmung von Sexualstraftätern und Sexualdelikten zu finden. Diese Begriffsbestimmung soll einen allgemeinen Überblick geben.
Im Anschluss wird in Kapitel 2.2 die Klassifizierung von Sexualstraftätern nach Knight und Prentky aufgeführt, um unterschiedliche Typen von Sexualstraftätern abgrenzen zu können. Daraufhin folgt in Kapitel 2.3 der Soziokulturelle theoretische Ansatz, um sexualstraffälliges Verhalten ableiten zu können.
In Punkt 2.4 wird dann die Entstehung des Rückfallrisikos und einige statistische Zahlen zu Sexualdelikten vorgestellt, um deutlich zu machen, wie hoch der Anteil von Sexualdelikten in der Gesellschaft ist.
2.1 Begriffsbestimmung Sexualstraftäter
Eine genaue Definition von Sexualstraftätern ist nicht möglich, denn diese Beurteilung unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel. So war zum Beispiel bis 1994 Homosexualität in Deutschland strafbar. In Ländern mit der Scharia-Gesetzgebung, wie u.a im Sudan, in Nigeria und in Somalia, ist Homosexualität heute noch strafbar und wird sogar mit der Todesstrafe bedroht (vg. Bundeszentrale für politische Bildung (3), 2014). Es gibt jedoch sexualabweichendes Verhalten, welches in Deutschland nicht toleriert wird. Sexualdelikte können nur durch das StGB definiert und als strafbares Verhalten benannt werden. Durch das strafrechtliche Vorgehen wird das Ausmaß von sozialfeindlichem Verhalten erkannt und es wird deutlich, dass es sich um eine nicht akzeptable Verhaltensweise in der Gesellschaft handelt (vgl. Seifert, 2014, S. 77).
„Das Strafgesetzbuch ist die Bezugsnorm für das, was als Sexualstraftat qualifiziert wird,[…]“ (ebd., 2014, S.77).
Diese spezifischen Verstöße richten sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Diese sind nach §§174-184g StGB geregelt und umfassen alle sexuellen Handlungen gegen das Recht auf die sexuelle Selbstbestimmung (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2), 2015).
Prof. Dr. Laubenthal unterteilt Sexualdelikte, neben den gesetzlich geregelten Paragraphen, in sechs Untergruppen. Diese werden im Folgenden dargestellt.
Delikte gegen die sexuelle Freiheit
Die Freiheit vor Fremdbestimmung enthält das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Dies ist Teil der Menschenwürde, die zusätzlich besagt, dass die Intimsphäre geachtet werden muss und eine Person nicht als Objekt oder Werkzeug sexuellen Begehrens herabgewürdigt werden darf. Denn jede Person hat die freie Entscheidungsmöglichkeit in ein sexuelles Geschehen einzuwilligen oder es abzulehnen. Damit das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung als Rechtsgut geschützt wird, sind folgende Straftatbestände in der Gesetzgebung erhoben (vgl. Laubenthal, 2012, S. 55):
- „Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, §177 StGB;
- Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge, §178 StGB;
- Sexueller Missbrauch widerstandsfähiger Personen, §179 StGB;
- Sexueller Missbrauch von Kranken und Hilfebedürftigen, §174a Abs.2 StGB;
- Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses, §174c StGB“ ( ebd., 2012, S. 55).
Missbrauch institutioneller Abhängigkeit
Aufgrund staatlicher Macht durch Verwahrungs- und Abhängigkeitsverhältnisse werden sexuelle Übergriffe in diesem Zusammenhang wie folgt sanktioniert.
Die Vornahmen oder Duldungen sexueller Handlungen werden durch den Gesetzgeber nach §174 Abs.1 StGB und nach §174 StGB geschützt. Dieser besagt, dass Gefangene und Verwahrte vor sexuellen Handlungen von Personen geschützt werden, denen sie zur Erziehung, Ausbildung, Beaufsichtigung oder Betreuung unterstellt sind (vgl. ebd., S.153).
Delikte gegen die sexuelle Entwicklung
Diese Untergruppe zählt zu den Jugendschutzvorschriften und gehört zu folgenden Delikten:
- „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, §174 StGB;
- Sexueller Missbrauch von Kindern, §176 StGB;
- Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, §176a StGB;
- Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge, §176b StGB;
- Förderung sexueller Handlungen von Minderjährigen, §180 StGB;
- Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, §182 StGB„(ebd., S. 169).
Exhibitionismus und Erregung öffentlichen Ärgernisses
Zu exhibitionistischen Handlungen zählen unerwünschte Konfrontationen mit sexualbezogenen Betätigungen, die nach §183 StGB sanktioniert werden. Nach §183a StGb machen sich Personen strafbar, die öffentlich sexuelle Handlungen vornehmen und dadurch bewusst und wissentlich ein Ärgernis auslösen (vgl. Ebd., S. 69).
Exhibitionismus zählt zu den „hand-off“ Delikten, in dem eine Handlung ohne körperlichen Kontakt stattfindet (vgl. Laubacher / Gerth / Gmür / Fries, 2012, S. 40).
Prostitutionsdelikte
Unter diesem Teil des StGB fallen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie:
- Ausbeutung von Prostituierten, §180a StGB;
- Zuhälterei,§181a StGB;
- Veranstaltungen und Besuch kinder- und jugendpornografischer Darbietungen, 184e StGB
- Ausübung der verbotenen Prostitution, 184f StGB.
Zusätzlich zählt zu dieser Untergruppe, neben dem Schutz vor sexueller Selbstbestimmung, der Schutz vor Ausbeutung im Menschenhandel nach §232 StGB (vgl. Laubenthal, 2014, S. 289).
Pornografiedelikte
Das Verbreiten pornografischer Schriften ist nach §§184a-d StGB verboten. Denn jeder Mensch besitzt die Freiheit selbst zu bestimmen, was er betrachten möchte und welchen Pornografiekonsum er aufnehmen möchte. Dies dient zum Zweck des Kinder- und Jugendschutzes. Junge Menschen haben ein Anspruch auf Persönlichkeitsentfaltung, in der keine sexuelle Beeinträchtigung stattfindet (vgl. ebd., S.323). Auch Pornografiedelikte zählen zu den „hand-off“ Delikten (vgl. Laubacher / Gerth / Gmür / Fries, 2012, S. 40).
Die Bundesregierung überarbeitet stetig die jetzige Gesetzgebung, um mögliche Interpretationsspielräume zu schließen. So hat eine Gesetzesänderung am 10.10.2016 durch in Kraft treten des §177 StGB stattgefunden. Durch dieses Gesetz macht sich ein Sexualstraftäter nicht nur strafbar, wenn er sexuelle Handlungen mit Gewalt oder Gewaltandrohungen erzwingt, sondern auch wenn sich über den erkennbaren Willen des Opfers durch verbale Verneinung oder körperlicher Abwehr, hinweggesetzt wird (vgl. Die Bundesregierung, 2016). Dennoch gibt es Kritiken an der Änderung des §177 StGB. Nach einem Kommentar von Hörnle, ist die Änderung des Paragraphen zu unüberlegt erfolgt. Auch diese Neuverfassung soll überarbeitungsbedürftig sein. Die zu schnelle Vorgehensweise soll ein Grund einer zu kurzen Legislaturperiode im Bundestag sein (vgl. Hörnle, 2018, S. 18).
2.2 Sexualstraftäter Klassifizierung
Neben der Eingruppierung durch den Rechtsgeber, gibt es Klassifizierungen in denen Sexualstraftäter eingeteilt werden können. Es gibt eine Vielzahl an Typologien, die als Ordnungsversuch von Sexualstraftätern dienen sollen. In den meisten dieser Typologien wurden diese durch eine Differenzierung zweier ausschlaggebenden Charakteristika unterteilt. Zum einen in Vergewaltigungstäter / sexuelle Nötigung, die einen sehr aggressiven Missachtungscharakter aufweisen und gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer erwachsenen Person gehen. Zum anderen der sexuelle Kindesmissbrauchstäter, der vor allem durch das Machtungleichgewicht charakterisiert wird.
Im folgenden Abschnitt ist ausschließlich die Klassifizierung von Knight und Prentky genauer erläutert, da diese Typologie beide Charakteristika umfasst.
Klassifizierungen nach Knight und Prentky
Abbildung 1 zeigt das Klassifizierungssystem für Vergewaltiger.
In diesem System werden die Motivationen, Gelegenheit, durchdringende Wut, sexuelle Motive und Rachsucht, die von einem Sexualstraftäter ausgehen, als grundlegende Kriterien für die Entstehung genommen. Des Weiteren wird zwischen hoher sozialer und geringer sozialer Kompetenz differenziert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klassifizierungssystem für Vergewaltiger nach Knight und Pretky
(Quelle: Niemeczek, A. (2015): Tatverhalten und Täterpersönlichkeit von Sexualdelinquenten, Der Zusammenhang von Verhaltensmerkmalen und personenbezogenen Eigenschaften. Halle: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S. 90)
Von dem Gelegenheitsmotiv ausgehend werden danach die ersten zwei Typen gebildet, die das Delikt spontan aus einer sich ergebenen Situation begehen. Dieses Verhalten weist eine mangelnde Impulskontrolle auf. Die ausgeübte Gewalt dient dabei jedoch nicht als primäres Ziel des Deliktes, sondern ist vielmehr als Gegenstand zu sehen, um das Opfer unter Kontrolle zu bringen und diese Kontrolle während der gesamten Tatausübung aufrecht zu erhalten. Der erste und der zweite Typ unterscheidet sich lediglich zwischen einer hohen und einer geringen sozialen Kompetenz, die auf das Alter des Täters zurückzuführen ist (vgl. Makros, 2007, S. 54 ff.).
Der dritte Typ weist als Motivation durchdringende Wut auf. Hierbei entfällt die Differenzierung in hohe oder geringe soziale Kompetenz. Diese Wut kann auf die gesamte Umwelt, durch eine Belastungssituation oder durch Zurückweisung einer Frau des Tatbegehendens zurückzuführen sein. Diese Täter haben oft ihr gesamtes Leben eine aggressive Charaktereigenschaft und können Wutimpulse nicht kontrollieren. Eine Tat von dieser Motivation ausgehend, ist damit gekennzeichnet, dass die Opfer, unabhängig von dessen Widerstand, oft schwere physische Schäden aufzeigen (vgl. Biedermann, 2014, S. 51).
Das Motiv der sexuellen Motivation wird zunächst in sadistisch oder nicht sadistisch sexualisierend differenziert und erst im Anschluss erneut in geringe oder mittlere soziale Kompetenz unterschieden. Daraus bilden sich die Typen vier bis sieben. Der vierte und fünfte Typ hat die Gemeinsamkeit der sadistischen Charaktereigenschaft. Der vierte Typ lebt seine sadistischen Phantasien während seiner Tat aus. Der fünfte Typ hingegen lebt seinen Sadismus symbolisch aus. Ihm reicht es zu sehen, dass das Opfer vor seiner Befriedigung große Angst erleidet. Die Typen sechs und sieben, die nicht sadistisch sexualisierend sind, begehen eine Vergewaltigung um ihre eigenen Selbstzweifel zu unterdrücken. Diese beiden Typen werden zwischen einer geringen oder mittleren sozialen Kompetenz unterschieden.
Typen acht und neun haben das Motiv der Rache. Sie leben ihre Feindseligkeit gegenüber Frauen durch verbale Verhöhnung, physischen Verletzungen, Demütigungen oder Gewalt aus. Auch diese Typen unterscheiden sich wieder in einer geringen sozialen oder mittleren sozialen Kompetenz (Vgl. Makros, 2007, S. 56 f.). Sie werden auch als negativ sozialisiert, unabhängigkeitsstrebend und als unterkontrollierte Täter beschrieben (vgl. Biedermann, 2014, S. 51).
Abbildung 2 umfasst das Modell der Typisierung von Missbrauchstätern. Dieses Modell wird zunächst in zwei Achsen eingeteilt, die voneinander unabhängige Dimensionen aufweisen.
Achse eins weist die Dimension der Fixierung der Kinder oder auch den Grad der pädophilen Neigung auf. Diese hohe oder niedrige Fixierung wird dann, wie in der vorherigen Klassifizierung, in geringe oder hohe soziale Kompetenz unterschieden. Die hohe Fixierung bildet somit Typ null und eins. Eine niedrige Fixierung ist bei Typ zwei und drei zu erkennen. Achse zwei befasst sich mit der Häufigkeit der Anzahl der pädophilen Kontakte. Demnach wird zwischen viel Kontakt zu Kindern und wenig Kontakt zu Kindern differenziert. Täter mit viel Kontakt wollen eine persönliche Beziehung zum Opfer aufbauen (Typ 1: interpersonell). Typ zwei weist narzisstische Züge auf und sucht nur den sexuellen Kontakt (vgl. Niemeczek, 2015, S. 89).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Klassifizierungsmodell für Missbrauch an Kindern nach Knight und Pretky
(Quelle: Niemeczek, A. (2015): Tatverhalten und Täterpersönlichkeit von Sexualdelinquenten, Der Zusammenhang von Verhaltensmerkmalen und personenbezogenen Eigenschaften. Halle: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. S. 89)
Täter, die nur einen kurzen Kontakt zu Kindern aufweisen, werden zunächst nach dem Ausmaß der physischen Verletzungen unterteilt, die sie den Opfern zugefügt haben. Diese, sich auf nicht verletzend beziehen, bilden Typ drei und vier. Typ fünf und sechs fügen den Opfern erhebliche Verletzungen zu. Typ drei und vier wird zusätzlich unterschieden in ausbeutend, nicht sadistisch (Typ drei) und unterschwellig sadistisch (Typ vier). Ebenso wird Typ fünf als nicht sadistisch, dennoch aggressiv und Typ sechs als sadistisch beschrieben.
Anhand von 117 Missbrauchstätern wurde diese Klassifikation konzipiert. Am stärksten repräsentierten sich während dieser Entwicklung Typ null der Achse eins mit einer hohen Fixierung und geringer sozialer Kompetenz und Typ zwei der Achse zwei mit einem lang bestehenden Kontakt zu Kindern mit narzisstischem Tatmotiv (vgl. edb., S. 89 f.).
2.3 Theoretischer Ansatz für sexualstraffälliges Verhalten
Ebenso wie es eine Vielzahl an verschiedenen Klassifizierungen von Sexualstraftätern gibt, sind verschiedene Theorien bekannt, die sich mit der Entstehung von sexualstraffälligem Verhalten auseinander setzen. Die Theorien beschäftigen sich mit unterschiedlichen Fokussierungen wie u.a. dem biologischen Ansatz, psychoanalytischen Ansatz oder dem lernorientierten Ansatz. Daraus wird deutlich, dass es keine konkrete Ursache gibt, von der sich sexualstraffälliges Verhallten ableiten lässt (vgl. Wößner, 2006, S. 23).
Soziokultureller Ansatz
Im Folgenden wird ausschließlich der soziokulturelle Ansatz von sexualstraffälligem Verhalten erläutert. Diese soziokulturelle Theorie wurde bewusst ausgewählt, da in einem späteren Abschnitt auf das heutige gesellschaftliche Bild in Bezug auf Sexualstraftäter genauer eingegangen wird. Mit Hinblick auf die Herausforderungen der Sozialen Arbeit und dem gesellschaftlichem Bild, bildet diese Theorie das Grundwissen und wird erneut in 4.3 aufgegriffen.
Dieser Erklärungsansatz, geht davon aus, dass sich die Ursachen von sexuellem aggressivem Verhalten einzelner Gesellschaftsmitglieder aus den Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens ableiten lassen. Besonders im Fokus steht der historische Hintergrund in Verbindung mit den veränderten Machtstrukturen, Rollenvorstellungen und Verhaltensnormen. Die Soziokultur beschreibt sexuelle Übergriffe, wie Vergewaltigung, nicht als isoliert zu betrachtendes Phänomen, sondern als ein Muster des gesellschaftlichen organisierten Zusammenlebens. Das bedeutet, dass der historische Hintergrund der Machtstruktur des Mannes gegenüber einer Frau als Erklärungsansatz sexueller Gewalt dient. Dies ist zurückzuführen auf die Rollendifferenzierung zwischen Mann und Frau, denn der Mann hat nach Krahé im Gegensatz zu einer Frau eine höhere gesellschaftliche Macht, die sich auf eine Vielzahl von Lebenssituationen auswirkt. Durch diese Rollenunterschiede hat das männliche Geschlecht eine aktive / initiative Rolle und dem weiblichen Geschlecht wird die passive / rezeptive Rolle zugeordnet (vgl. Krahé, 2002, S. 36 f.).
Neben den Geschlechterstereotypien beschreibt die Soziokultur auch, dass sexuelle Gewalt in verschiedenen Gesellschaften unterschiedlich ausgeprägt ist. Denn nicht jede Gesellschaft definiert sexuelle Gewalt als strafbare Handlung. So wird im Gegensatz zu unserer Gesellschaft teilweise sexuelle Gewalt akzeptiert. In diesen Gesellschaften werden sexuelle Handlungen, die in Deutschland als Vergewaltigung angesehen werden, häufig als Interaktion dargestellt und dienen der Bestrafung oder Bedrohung der Frau.
Weitere Aspekte sind die Vergewaltigungsmythen, in denen stereotype Meinungen über Opfer, Täter und den Umständen durch Tatsachenwissen weder belegt noch widerlegt werden. Durch diese Mythen sind Menschen, je mehr sie von der Mitschuld des Opfers durch Vergewaltigungsmythen überzeugt sind, weniger bereit einen erzwungenen sexuellen Kontakt als Gewalttat anzuzeigen (vgl. ebd., S. 37 ff.). Diese Mythen haben laut Krahé einen erheblichen Zusammenhang mit pornografischen Medien und werden durch diese beeinflusst. Die Verharmlosung von sexueller Gewalt, die Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen und die erhöhte Vergewaltigungsbereitschaft, ist auf den Konsum gewaltbezogener pornografischer Darstellungen zurückzuführen (vgl. ebd., S. 40).
2.4 Rückfallrisiko Sexualstraftäter
Das Rückfallrisiko eines Sexualstraftäters ist von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Faktoren wie junges Alter, keine Partnerschaft, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung und psychopathische Persönlichkeitseigenschaften sind Prädiktoren für die Rückfälligkeit. Spezifische Risikofaktoren für Sexualstraftäter sind frühere Sexualdelikte, sexuell abweichendes Verhalten, psychischer oder emotionaler Missbrauch in der Kindheit und Pädophilie (vgl. Laubacher/ Gerth/ Gmür/ Fries, 2012, S. 39). Um die Rückfallwahrscheinlichkeit eines Sexualstraftäters präzise einschätzen zu können, liegen in dem Risk-Assessment (Synonym für die Beurteilung des Rückfallrisikos) zwei unterschiedliche Methoden vor. Zum einen die klinische Methode, die ohne standardisierte Regeln erfolgt. Mit dieser Methode werden die Straftäter einer Gruppe zugeordnet, die von niedrigem Rückfallrisiko bis hin zu hohem Rückfallrisiko gehen. Um diese Zuordnung vornehmen zu können, liegt kein standardisiertes Verfahren vor. Die Einschätzung erfolgt durch die gesammelten Informationen und lässt die Möglichkeit für spezifische Einzelfälle offen. Das Ergebnis ist deshalb ideografisch und somit auf den Einzelfall bezogen. Dem gegenüber steht die mechanische Methode. Auch hier werden die Straftäter denselben Gruppen zugeordnet. Dieses Verfahren findet jedoch standardisiert, durch ein Auswertungsverfahren, statt. Eine Anpassung an den Einzelfall ist nicht möglich. Durch die Anwendung eines Fragebogens findet ein Beurteilungsschema statt. Nach dem wahrheitsgemäßen ausfüllen des Bogens durch den Straftäter wird ein bestimmtes vorgefertigtes Schema (addieren / subtrahieren) angewandt, um zu einem Ergebnis zu kommen (vgl. ebd., S. 91). Laut Literaturangaben gibt es viele verschiedene Theorien und unterschiedliche Rückfallangaben. Nach einer Studie der kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) wird die Rückfallquote in Gruppen unterteilt. In der Untersuchungsgruppe von sexuellem Missbrauch von Kindern lag die Rückfallquote bei 22 Prozent. Bei der Untersuchungsgruppe sexueller Nötigung / Vergewaltigung lag die Rückfallquote bei 19 Prozent. Zu kritisieren an der Studie ist, dass die Fallzahlen ausschließlich auf das verurteilte Hellfeld, der polizeilich bekannten Straftaten, bezogen ist (vgl. Biedermann, 2014, S.80). Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 9.234 Fälle gegen sexuelle Selbstbestimmung wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe in besonders schweren Fällen einschl. mit Todesfolge, gemeldet. Zusätzlichen wurden im selben Jahr 12.321 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern gelistet (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2019, S. 14). Trotz dieser hohen Zahlen machen Sexualdelikte mit 1,1 Prozent einen geringen Teil aller polizeilich bekannt geworden Delikte 2018 in Deutschland aus (vgl. ebd. S.24). Von diesen gemeldeten Fällen gab es eine Aufklärungsquote von 84 Prozent (vgl. Statista, 2019). Diese aufgelisteten Zahlen und Statistiken umfassen jedoch lediglich dass sogenannte Hellfeld von Sexualdelikten. Das Dunkelfeld, nicht polizeilich bekannter Sexualdelikte, ist im Verhältnis anderer Delikte besonders erhöht. Die Gründe für das hohe Dunkelfeld können Angst vor intensiven Vernehmungen sein oder sich für die Tat als Opfer mitschuldig zu fühlen. Diese Begründung wird besonders dann genannt, wenn sich Täter und Opfer bereits im Vorfeld kannten. Die Anzeigebereitschaft sinkt, je intensiver die Beziehung zwischen Täter und Opfer ist. Dann erlangen Faktoren wie Partnerschaft, Familie, ein falsches Pflichtgefühl, Scham oder Befürchtungen hinsichtlich sozialer Konsequenzen eine hohe Bedeutung (vgl. Biedermann, 2014, S. 41). Eine exakte Angabe, bezüglich des Dunkelfeldes für Sexualdelikte, kann bisher nicht angegeben werden, da verschiedene Studien zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Somit wird auch nachdrücklich vor einem inflationären Gebrauch der Dunkelziffer gewarnt (vgl. Barabs, 2006, S.52). Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass Rückfälle nicht immer vermeidbar sind. In der Zusammenarbeit mit Sexualstraftätern kann es immer zu Krisen und Unvorhersehbarem kommen. Doch um das Rückfallrisiko zu verringern und besser einschätzen zu können, findet die Wiedereingliederung statt (vgl. Stiels-Glenn 2012 S. 118 ff.).
3 Wiedereingliederung
Um dem Rückfallrisiko, wie unter Punkt 2.4 beschrieben, entgegenzuwirken, ist der Prozess der Wiedereingliederung unumgänglich. Im Rahmen des dritten Kapitels soll zunächst der Begriff der Wiedereingliederung erläutert werden. Im weiteren Verlauf der Bachelorarbeit wird dann die Wiedereingliederung in stationär und ambulant unterteilt. Ein besonderer Fokus liegt auf der ambulanten Wiedereingliederung, da es sich dabei unter anderem um das Niedersächsische Konzept zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern handelt, worauf auch das darauf folgende Kapitel aufgebaut ist.
3.1 Begriffserklärung Wiedereingliederung
Der Begriff der Wiedereingliederung ist im Allgemeinen auch als Resozialisierung bekannt. Da es für die Resozialisierung unterschiedliche Definitionen gibt, beziehe ich mich in meiner Bachelorarbeit ausschließlich auf die der Wiedereingliederung. Diese hat das Ziel einen Straftäter in das soziale Leben einzubinden und ihn zu einem straffreien Leben zu verhelfen. Die Wiedereingliederung ist somit klar zu definieren und wurde früher lediglich für Strafgefangene angewendet. Heute muss die ambulante Reaktion auf kriminelles Verhalten mit einbezogen werden, denn die Wiedereingliederung in die Gesellschaft könnte nicht geschehen, wenn der Prozess mit der Haftentlassung beendet wäre. Es ist sinnvoll die Wiedereingliederung auch nach der Inhaftierung fortzusetzen, um die Normen der Gesellschaft weiter zu befolgen (vgl. Cornel, 2018, S. 32 ff. ).
Ein Sexualstraftäter hat sich durch sein nicht normkonformes Verhalten von der Gesellschaft gelöst, so dass er in diese während und nach der Inhaftierung wieder eingegliedert werden muss.
3.2 Stationäre Wiedereingliederung von Sexualstraftätern
Zu der stationären Wiedereingliederung zählen Strafgefangene die sich in einer Justizvollzugsanstalt befinden. Der Strafvollzug und die dazugehörige Gesetzgebung sind seit dem 1. Januar 1977 in Kraft getreten. In Niedersachsen befinden sich 14 Justizvollzugsanstalten. In allen Justizvollzugsanstalten sind die zwei wesentlichen Ziele nach §5 Niedersächsischen Vollzugsgesetz (NjVollzG), den Gefangenen dazu zu befähigen in der Zukunft in sozialer Verantwortung leben zu können, ohne dabei eine Straftat zu begehen. Zum anderen ist ein Ziel des Vollzugs die Gesellschaft vor weiteren Straftaten zu schützen. Der Vollzug schützt somit nicht nur während der Inhaftierung eines straffällig gewordenen Menschens, sondern auch darüber hinaus (vgl. Niedersächsisches Justizministerium, 2016). Innerhalb des Strafvollzugs findet eine Differenzierung nach Alter (Jugend-, Erwachsenenvollzug), Delikt (Ersatzfreiheitsstrafe, Kurzstrafe, Langstrafe, Drogenabhängigkeit, Gewaltstraftaten und Sexualstraftaten) und Geschlecht statt. Danach wird unterschiedenen, um einen optimalen Input für den Inhaftierten mit direktem Einfluss, zusammenzustellen. In Bezug auf Sexualstraftäter ist während der Inhaftierung eine bestimmte Behandlung vorgesehen, die den Fokus auf die Sozialtherapie gerichtet hat. Diese Wiedereingliederung wird nach der Inhaftierung durch die ambulante Wiedereingliederung weitergeführt (vgl. Maelicke, 2018, S. 15).
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