Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Problemstellung
2 Charakteristika von Startup-Unternehmen und Implikationen für deren Bewertung
2.1 Bewertungsrelevante Charakteristika im Allgemeinen
2.2 Relevante Bewertungsanlässe
3 Kritische Betrachtung möglicher Bewertungsverfahren
3.1 Substanzwertverfahren
3.2 Marktorientierte Bewertungsverfahren
3.3 Zukunftserfolgswertverfahren
3.3.1 Prognose der finanziellen Überschüsse
3.3.2 Diskontierung der finanziellen Überschüsse
3.4 Realoptionsansatz
3.5 Exkurs: Situationsspezifische Verfahren
4 Thesenförmige Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Problemstellung
Technologischer Fortschritt und zunehmend liberalisierte, transnationale Märkte führen zu anhaltenden Digitalisierungs- und Internationalisierungstendenzen in der globalen Wirtschaft. Während historisch etablierte Großunternehmen in einem solchen Wettbewerbsumfeld vor neue Herausforderungen gestellt werden, bietet sich unter diesen Rahmenbedingungen seit geraumer Zeit ein wachsender Markt für einen neuen Unternehmenstypus. Startups sind definiert als junge, innovative und stark wachsende Unternehmen,1 die die besonderen Anforderungen des oben beschriebenen Zeitgeistes bereits in ihrem konstituierenden Unternehmensprofil internalisiert haben. Das entscheidende Unterscheidungsmerkmal liegt dementsprechend im Umgang der Unternehmen mit einer sich verändernden Umwelt.2 Junge, innovative Wachstumsunternehmen können folglich in gewisser Weise ein Alleinstellungsmerkmal innehaben, indem sie die Umwelt aktiv zu gestalten versuchen: „It is a commonly held belief that technological innovation is the province of small, entrepreneurially driven business enterprises, and not the large, bureaucratic corporate institutions.“3
Die klassische Theorie der Unternehmensbewertung konzentriert sich auf einen spezifischen Unternehmenstyp, der insbesondere gekennzeichnet ist durch eine etablierte Marktstellung und ein in organisatorischer Hinsicht ausgebautes Rechnungswesen, v. a. in Hinblick auf mittel- bis langfristige Finanzplanungssysteme.4 Demzufolge ist zunächst grundsätzlich in Frage zu stellen, ob und inwiefern klassische Unternehmensbewertungskalküle für Startups Anwendung finden können und welche Alternativen existieren.
Diese Arbeit soll einen grundlegenden Überblick verschaffen über die bewertungsrelevanten Spezifika von Startups, klassische Bewertungsverfahren hinsichtlich ihrer allgemeinen Eignung und Anpassungsmöglichkeiten kritisch betrachten sowie auch in Ansätzen alternative Bewertungsmöglichkeiten aus der Literatur vorstellen. Hierbei werden sowohl die theoretische Güte als auch die praktische Akzeptanz der jeweiligen Methoden beleuchtet. Im Vordergrund hinsichtlich der Methoden stehen die Zukunftserfolgswertverfahren aufgrund ihrer gemeinhin bekannten theoretischen und praktischen Akzeptanz.5
2 Charakteristika von Startup-Unternehmen und Implikationen für deren Bewertung
Dieser erste Hauptteil widmet sich dem betriebswirtschaftlichen Wesen von sog. Startup-Unternehmen mit besonderem Fokus auf finanzwirtschaftlichen Spezifika sowie deren Einfluss auf Theorie und Praxis der Unternehmensbewertung.
2.1 Bewertungsrelevante Charakteristika im Allgemeinen
Achleitner definiert Startup-Unternehmen als „junge, noch nicht etablierte Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee […] mit geringem Startkapital gegründet werden und i. d. R. sehr früh zur Ausweitung ihrer Geschäfte und Stärkung ihrer Kapitalbasis auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed-Capital […] angewiesen sind.“6 Dieser eng gefassten Definition können bereits wesentliche Unterscheidungsmerkmale entnommen werden:7
Im Gegensatz zu etablierten Gesellschaften sind Unternehmen als jung zu klassifizieren, wenn insbesondere ihre wirtschaftlichen Existenz noch nicht lange währt.8 Das merkmalskonstituierende Kriterium bezieht sich demnach weniger auf den rechtlichen Bestand der Unternehmung, sondern auf dessen individueller Marktstellung.9 Der Entwicklungsprozess von der Gründung bis zur Etablierung eines Unternehmen ist u. a. gekennzeichnet durch zunehmenden Umfang und zunehmende Stabilität hinsichtlich der Liefer- und Leistungsbeziehungen im jeweiligen Markt und ist dadurch von zahlreichen Determinanten abhängig.10
Startups i. S. v. obiger Definition ist ferner eine deutlich höhere Dynamik zuzuschreiben. Diese Dynamik rührt nicht allein aus dem Umstand, sich einer verändernden Umwelt anpassen zu müssen, sondern vielmehr aus der innovativen Unternehmungsidee, mit der Veränderungen in der Umwelt intrinsisch initiiert werden.11 Im Vergleich zu lediglich „passiv reagierenden“12, etablierten Unternehmen können so bedeutende Wettbewerbsvorteile entstehen, die mitunter Treiber für ein (relativ zum Markt betrachtet) hohes Wachstumspotential der näheren Zukunft sind.13 Wachstumsindikatoren beziehen sich insbesondere auf relevante Ertragseinflussfaktoren wie Umsatz oder Gewinn.14 Junge Innovationsunternehmen sind deshalb maßgeblich geprägt durch kontinuierliche Veränderungsprozesse, um diese Potentiale langfristig in Abhängigkeit von den Marktgegebenheiten und -dynamiken zu sichern.15
Eine weitere wichtige Eigenschaft ist die erhöhte Risikodisposition. Zwar ist Unsicherheit ein Kernelement eines jeden prospektiv ausgerichteten Unternehmenswertes, jedoch dürfte für Startups „das Spektrum der potentiellen Erfolgsentwicklungen wesentlich größer sein.“16 Ein wesentlicher Einflussfaktor ist der Innovationscharakter des Geschäftsmodells und die damit verbundenen Unsicherheiten hinsichtlich der möglichen Marktentwicklungen (in i. d. R. jungen Branchen), die letzten Endes zu hohen Unsicherheiten bezüglich der Unternehmenserfolgsentwicklung führen.17 Damit einher geht ebenfalls ein deutlich höherer Kapitalbedarf, der nicht nur durch anfängliche Investitionen, sondern auch maßgeblich durch wachstumsbedingte Erweiterungsinvestitionen getrieben wird.18
Nicht zuletzt spielt auch das individuelle Management eine entscheidende Rolle und übt maßgeblichen Einfluss auf den künftigen Erfolg aus.19 In der Anfangsphase eines Startups ist vielfach eine personelle Identität zwischen Eigentümern und Managern zu beobachten, die dem Unternehmen gleichzeitig auch sein oben beschriebenes, spezifisches Profil verleihen.20 Unter diesem Gesichtspunkt ist sowohl dem bestehenden Management als auch zu antizipierenden Änderungen aufgrund eines möglichen Wechsels der Eigentumsverhältnisse besondere Aufmerksamkeit im Rahmen der Bewertung zu schenken.21
Aus den bereits beschriebenen Eigenschaften von Startup-Unternehmen ergeben sich unmittelbare Konsequenzen für die Unternehmensbewertung. Aufgrund der kurzen wirtschaftlichen (und u. U. rechtlichen) Existenz des Unternehmens stehen aussagefähige Bewertungsdaten in quantitativer und qualitativer Hinsicht nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung.22 Da sich solche Unternehmen in aller Regel in einer Ingangsetzungs- bzw. Wachstumsphase befinden, sind die vorhandenen Daten aufgrund ihres einmaligen Charakters nicht repräsentativ und unter zusätzlicher Berücksichtigung der fortwährenden Entwicklungsdynamiken und der hohen Flexibilität nur bedingt für prospektive Extrapolationen geeignet.23 Aus diesem Grund bietet es sich aus Perspektive des Bewertenden allenfalls an, auf sehr kurzfristig ausgerichtete interne Unternehmensplanungen zurückzugreifen.24 Indes gilt es zu beachten, dass Planungssysteme in jungen Unternehmen mitunter noch nicht in ausreichendem Umfang ausgebaut sind und die Art der Ausgestaltung keinen gesetzlich kodifizierten Rahmenbedingungen unterliegt.25
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Startups aufgrund ihrer jungen wirtschaftlichen Existenz i. V. m. ihrem Innovationscharakter ständigen endogenen und exogenen Dynamiken unterliegen. Die dadurch mitunter entstehenden Wettbewerbsvorteile gegenüber etablierten Unternehmen führen zu einem hohen Wachstumspotential, dessen Ausschöpfung jedoch auch maßgeblich von den verantwortlichen Entscheidungsträgern abhängig ist. Diesem Potential stehen unweigerlich auch hohe Risiken bezüglich der künftigen Entwicklung und damit einhergehend ein hoher Kapitalbedarf gegenüber. Diese besonderen Rahmenbedingungen führen unter Berücksichtigung unzureichender Bewertungsdaten und eines u. U. inadäquaten internen Planungswesens zu besonderen Bewertungsproblemen, auf die im zweiten Hauptteil eingegangen werden soll.
2.2 Relevante Bewertungsanlässe
Wesentliches Erkenntnisziel der Unternehmensbewertung ist die Ermittlung eines Wertes bzw. potentiellen Preises, der sich aus dem erwarteten Nutzen des Bewertungssubjektes ergibt, den er aus dem Bewertungsobjekt zu gewinnen gedenkt.26 Nach heutiger h. M. ist auf die funktionale Unternehmensbewertung abzustellen, die die Zweckabhängigkeit des Unternehmenswertes in den Vordergrund stellt.27 Für jedes Bewertungsproblem ist daher zunächst ein konkreter Bewertungsanlass zu identifizieren, der implizit Bewertungszweck und -funktion festlegt und dabei auch die anwendbaren Verfahren eingrenzt.28
Mögliche Bewertungsanlässe unterliegen in der Literatur verschiedensten Systematisierungsversuchen. Indes sollen hier nur die für das konkrete Bewertungsobjekt „Startup-Unternehmen“ relevanten betrachtet werden. Kennzeichnend für die wesentlichen Bewertungsanlässe eines Startups sind dessen Finanzierungsbeziehungen. Hier spielen in einem frühen Stadium insbesondere Venture Capital (VC) und später zunehmend auch Private Equity (PE) eine große Rolle. VC ist eine spezielle Form außerbörslichen Beteiligungskapitals (PE), das sich auf junge und innovative Unternehmen mit hohem Wachstumspotential konzentriert.29 VC-Gesellschaften verfolgen das Ziel, hohe Wertsteigerungen ihrer Eigenkapitalanteile in einem mittelfristigen Zeitraum (fünf bis zehn Jahre) zu realisieren, indem sie u. a. während dieses Zeitraumes auf Dividendenausschüttungen verzichten und gezielt Mitbestimmungsrechte in Anspruch nehmen und Managementberatung anbieten, um die Entwicklung hinsichtlich ihrer eigenen Kapitalinteressen zu fördern.30
Die Überlassung von (Risiko-) Kapital im Rahmen einer Beteiligungsfinanzierung sowie dessen Konditionen stellen eine Entscheidungssituation sowohl für den Kapitalgeber als auch -nehmer dar. In diesem Zusammenhang liefert der Unternehmenswert einen subjektiven, d. h. parteibezogenen Entscheidungswert, der als Preisgrenze der Konzessionsbereitschaft interpretiert werden kann.31 Somit lassen sich die für Startups relevanten Bewertungsanlässe eingrenzen auf die Ermittlung von Entscheidungswerten, insbesondere in Zusammenhang mit VC- und PE-Finanzierungen. Für VC- und PE-Gesellschaften kommt der Unternehmensbewertung die Aufgabe zu, subjektive Entscheidungswerte zu ermitteln, die die Anteilsforderungen bei den Vertragsverhandlungen stützen, die laufende Portfolioüberwachung sicherstellen sowie Exit-Strategien evaluierbar machen.32
Der (zumeist externe) Bewertende erfüllt in diesem Sinne eine Entscheidungs- bzw. Beratungsfunktion für die jeweilige Partei.33 Die übrigen in der Theorie diskutierten Bewertungsfunktionen bleiben hier aus pragmatischen Gründen außer Ansatz, da sie für Startup-Unternehmen in einem frühen Entwicklungsstadium nur eine marginale Rolle spielen.34
3 Kritische Betrachtung möglicher Bewertungsverfahren
Nachfolgend werden die wichtigsten Verfahren aus Theorie und Praxis betrachtet, indem sie kurz systematisch eingeordnet, ihr theoretisches Konstrukt vorgestellt sowie ihre Eignung für die Bewertung von Startups kritisch untersucht werden. Hierbei liegt der Fokus der Untersuchung auf der Bewertung des betriebsnotwendigen Vermögens.
3.1 Substanzwertverfahren
Die Substanzwertverfahren zählen als Oberbegriff zu den Einzelbewertungsverfahren und unterscheiden sich hinsichtlich ihres konkreten Verfahrens in der Definition des Mengengerüstes der Bewertung und des Wertansatzes.35 Die Wirtschaftsgüter des Unternehmens werden zum Stichtag isoliert voneinander in ihrem Wert bemessen.36
Das statische Konzept des Substanzwertes berücksichtigt dabei insbesondere keine Verbundeffekte, die sich aus dem Zusammenwirken der einzelnen Wirtschaftsfaktoren ergeben und kann damit grundsätzlich keinen Entscheidungswert liefern, der die Kombination der Produktionsfaktoren im Rahmen des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses und die damit verbundenen Nutzenpotentiale erfasst.37 Gerade diese zukunftsorientierten Nutzenvorteile im Sinne immaterieller Werte spielen bei der Bewertung junger Innovationsunternehmen eine herausragende Rolle aus der Perspektive des Bewertungssubjektes.38 In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass der Substanzwert in der Praxis – insbesondere bei der Bewertung von Startups – nur eine marginale Rolle spielt.39
Hervorzuheben ist jedoch eine besondere Art des Substanzwertes: Der Liquidationswert erfasst denjenigen Geldbetrag, der sich ergibt, wenn das Unternehmen in veräußerungsfähige Einzelteile zerlegt und am Markt veräußert wird.40 Diese Wertkonzeption spielt insbesondere für die Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens und als Wertuntergrenze eine große Rolle, da diese definitionsgemäß keinen Einfluss auf die eigentliche Unternehmensaufgabe hat und damit keinen Mehrwert im Vergleich zur Veräußerung stiftet.41
3.2 Marktorientierte Bewertungsverfahren
Die marktorientierten Verfahren zählen zu den Gesamtbewertungsverfahren, und greifen für die Bewertung auf Marktpreise von Vergleichsunternehmen an öffentlichen Kapitalmärkten zurück, um so potentielle Preise ableiten zu können.42 Allen marktorientierten Methoden ist das theoretische Konstrukt der arbitragefreien Bewertung nach der Gleichgewichtstheorie von Arrow und Debreu gemein, wonach „[…] für alle Marktteilnehmer unabhängig von ihrer individuellen Risikoneigung derselbe Entscheidungswert resultiert, der aus Arbitragegründen auch zum Marktpreis werden muß.“43 Indes ist das theoretische Idealmodell in der Praxis nicht haltbar, wodurch die generierten Werte grundsätzlich mit Blick auf den Entscheidungswertanspruch hinterfragt werden müssen.44
Nach dem grundlegenden Paradigma wird aus dem Marktpreis von Vergleichsunternehmen pro Vergleichseinheit (Multiplikator) auf den potentiellen Marktpreis des Bewertungsobjektes pro Vergleichseinheit geschlossen.45 Für die Vergleichs- bzw. Bezugsgröße werden üblicherweise finanzielle Ertragskraftindikatoren herangezogen, die insbesondere für Startup-Unternehmen, die sich u. U. noch in der Verlustphase mit geringen Umsatzerlösen befinden, wenig geeignet sind und durch zukunftsorientiertere (immaterielle) Größen oder durch Einbezug von Wachstumserwartungen anzupassen sind.46
Ein übergeordnetes Problem hinsichtlich der Anwendung für Startups ergibt sich aus der Wahl adäquater Vergleichsunternehmen. Diese sollten hinsichtlich verschiedener Dimensionen dem Bewertungsobjekt ähnlich sein.47 Da Startups sich in einem innovativen und jungen Umfeld befinden, dürften i. d. R. nur wenige Vergleichsunternehmen mit entsprechendem Zugang zu relevanten Daten vorhanden sein.48
Insgesamt erfreuen sich marktorientierte Verfahren aufgrund ihrer geringen Komplexität und Nachvollziehbarkeit in der Praxis hoher Beliebtheit, die aufgrund der aufgezeigten Kritik theoretisch nicht fundiert ist, wodurch nur die ergänzende Anwendung zu Schätzungs- und Plausibilisierungszwecken geboten ist.49
3.3 Zukunftserfolgswertverfahren
Die Zukunftserfolgswertverfahren stellen die wohl wichtigste Gruppe von Bewertungsverfahren dar und zählen zu den Gesamtbewertungsverfahren, da sie das Bewertungsobjekt als einheitliches Investitionsobjekt betrachten.50 Die verschiedenen Zukunftserfolgswertverfahren unterscheiden sich z. T. in ihrer inhaltlichen Ausrichtung und methodischen Vorgehensweise.51 Für eine zweckorientierte Darstellung werden diese Unterschiede nicht weiter thematisiert, sondern es wird das grundlegende Modell der Kapitalwertrechnung zur Ermittlung von Entscheidungswerten betrachtet.
Den Zukunftserfolgswertverfahren liegt das Gegenwartkalkül, das Prinzip der Bewertungseinheit sowie der Zukunftsbezogenheit zugrunde.52 Im Kern geht es um die Ermittlung eines Wertes, der durch risikoadjustierte Diskontierung den Gegenwartswert der künftigen finanziellen Überschüsse (FÜ) eines Unternehmens repräsentiert, die den (potentiellen) Eigentümern zukommen.53 Unter der Annahme, dass der so ermittelte Ertragswert über dem Liquidationswert liegt, „repräsentiert der Ertragswert am besten die finanzielle Wertschätzung, die ein Erwerber oder Veräußerer mit dem Unternehmen verbindet.“54 Damit erfüllt der Ertragswert in der Theorie die Funktion der Entscheidungswertermittlung am besten und wird aus diesem Grund im Folgenden ausführlicher betrachtet.
Aus der Konzeption folgen bereits unmittelbar Prognoseprobleme für die Zählergröße und Kapitalisierungsprobleme für die Nennergröße, die sich im Falle von Startup-Bewertungen aus den in Kap. 2 beschriebenen Gründen noch stärker auswirken.
3.3.1 Prognose der finanziellen Überschüsse
Für die Bewertung sind die zukünftigen finanziellen Überschüsse zu schätzen. Vor dem Hintergrund einer entscheidungswertorientierten Bewertung sind hierbei die subjektiven Einschätzungen des Bewertungssubjektes zugrunde zu legen. In einer vorgelagerten Analyse sind sowohl die Vergangenheit als auch die gegenwärtige Lage unter Einbezug der Marktsituation und -stellung für die Prognose umfassend zu würdigen.55 Der Vergangenheitsanalyse kann bei Startups aufgrund mangelnden Datenmaterials und fehlender Repräsentativität für die Zukunft nur eine untergeordnete Bedeutung zugesprochen werden, während die Gegenwartsanalyse den Schwerpunkt der Prognose bilden muss.
Mangels der Möglichkeit, die Zukunftsgrößen aus angepassten Vergangenheitsdaten zu extrapolieren, liegt das Kernproblem bei der Bewertung von Startup-Unternehmen in der Quantifizierung qualitativer Daten. In der Literatur existieren zahlreiche Ansätze für Prognosemethoden und -techniken, die sich vorwiegend unterteilen lassen in mathematisch-statistische, modellgestützte und intuitive Verfahren.56 Während erstere einzig auf quantitativen Vergangenheitsdaten zur Ableitung von Trenderwartungen basieren, berücksichtigen die intuitiven Verfahren zusätzlich qualitative Daten. Die diversen Zeitreihen- und Regressionsanalysetechniken sind aufgrund ihres starken Vergangenheitsbezuges nur bedingt für die Prognose von künftigen Erfolgsgrößen eines Startups geeignet und werden daher nicht weiter betrachtet. Im Folgenden soll ein kombiniertes Verfahren skizziert werden, das ein zugrundeliegendes Bewertungsmodell mit intuitiven Prognoseverfahren und stochastischen Simulationsprozessen kombiniert und in erster Linie für die Detailplanungsphase m. E. als besonders geeignet erscheint.
Zielsetzung ist ein mehrwertiges Bewertungsmodell in diskreter Zeit mit stetigem Zustandsraum, das die Wertentwicklung eines Startups in Abhängigkeit von den zufallsbedingten und wertbestimmenden Parametern abbildet. Dadurch werden auch die Ergebnisse der Unternehmens- und Umweltanalyse implizit berücksichtigt. Die Grundlage bildet das Gewinnmaximierungskalkül, in dem die marktstrukturabhängige Preis-Absatz-Funktion die Perspektive der Marktentwicklung widerspiegelt, die von der Produktqualität im Vergleich zum Wettbewerb und den technologischen und ökologischen Rahmenbedingungen sowie den Konsumentenpräferenzen abhängt und über die Funktion als Zufallsgröße modelliert werden kann.57 Der zweite Teil der Gewinnfunktion verdeutlicht die unternehmensinterne Kostenperspektive , innerhalb derer sowohl direkt umsatzabhängige Kosten als auch kostenbezogene interne Zustände stochastisch abgebildet werden können. Grundsätzlich lassen sich die jeweiligen Funktionsbestandteile beliebig um zufallsabhängige Parameter erweitern, sodass sich das folgende Grundmodell ergibt:58
[...]
1 Vgl. zur Definition u. a.: Hayn (2000), S. 15.
2 Vgl. hierzu: Hayn (2000), S. 2.
3 Edwards (1987), S. 18.
4 Vgl. Hayn (2000), S. 2.
5 Vgl. hierzu: Achleitner/Nathusius (2004), S. 136; Maehrle et al. (2005), S. 836.
6 Achleitner (2018).
7 In Anlehnung an Hayn (2000), S. 15-34.
8 Vgl. Hayn (2000), S. 15 f.
9 Vgl. Hayn (2000), S. 15 ff.
10 Vgl. Hayn (2000), S. 16 f.
11 Vgl. Hayn (2000), S. 17 f.
12 Hayn (2000), S. 20.
13 Vgl. Hayn (2000), S. 20 ff.
14 Vgl. Rudolf/Witt (2002), S. 19.
15 Vgl. Hayn (2000), S. 18 ff.
16 Hayn (2000), S. 28.
17 Vgl. Hayn (2000), S. 28 f.
18 Vgl. Hayn (2000), S. 30.
19 Vgl. Hayn (2000), S. 31 f.
20 Vgl. Hayn (2000), S. 31 f.
21 Vgl. Hayn (2000), S. 31 f.
22 Vgl. Hayn (2000), S. 22.
23 Vgl. Hayn (2000), S. 22 ff.
24 Vgl. Hayn (2000), S. 24 f.
25 Vgl. Hayn (2000), S. 26.
26 Vgl. Nölle (2005), S. 15.
27 Vgl. hierzu: Matschke/Brösel (2013), S. 14 ff.
28 Vgl. Nölle (2005), S. 15.
29 Vgl. Ernst/Häcker (2011), S. 66 f.
30 Vgl. Ernst/Häcker (2011), S. 67.
31 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 134 f.
32 Vgl. auch Achleitner/Nathusius (2004), S. 134.
33 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 52 ff.; Hering (2006), S. 5.
34 Vgl. auch: Hayn (2000), S. 72 ff.
35 Vgl. Sieben/Maltry (2015), S. 761.
36 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 123 u. S. 317.
37 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 4 f.
38 Vgl. Kap. 2.1.
39 Vgl. Kuhner/Maltry (2017), S. 46 ff.; Achleitner/Nathusius (2004), S. 135.
40 Vgl. Mandl/Rabel (2015), S. 88 f.
41 Vgl. IDW (2008), S. 14.
42 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 125 f.
43 Hering (2006), S. 157.
44 Vgl. auch: Matschke/Brösel (2013), S. 41 ff.
45 Vgl. für mögliche Marktpreisquellen: Böcking/Nowak (1999), S. 170 ff.
46 Vgl. Achleitner/Nathusius (2004), S. 138; Maehrle et al. (2005), S. 835.
47 Vgl. Achleitner/Nathusius (2004), S. 137; Böcking/Nowak, S. 169 ff., Kuhner/Maltry (2017), S. 315 f.
48 Vgl. Achleitner/Nathusius (2004), S. 137.; Maehrle et al. (2005), S. 838.
49 Vgl. Maehrle et al. (2005), S. 837 f.; Drukarczyk/Schüler (2016), S. 419 f.
50 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 244 ff.
51 Vgl. ausführlich zur Abgrenzung: Matschke/Brösel (2013), S. 244 ff.; Mokler (2009), S. 235 ff.
52 Vgl. Matschke/Brösel (2013), S. 246.
53 Vgl. Ballwieser/Hachmeister (2013), S. 13-17.
54 Kuhner/Maltry (2017), S. 52.
55 Vgl. IDW (2008), S. 15 f.
56 Vgl. für einen Überblick: Kuhner/Maltry (2017), S. 121 ff.
57 Vgl. hierzu: Pohl (2013), S. 633 f.
58 In Anlehnung an: Pohl (2013), S. 630 ff.