In dieser Arbeit sollen zunächst die migrationsbedingten Veränderungen/ Problematiken in Bezug auf die Bildungsbeteiligung im deutschen Bildungssystem betrachtet werden. Das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der PISA Studie hat die bildungspolitische Debatte stark angeregt und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen. Gerade im Hinblick auf den Anspruch auf Chancengleichheit sind die individuellen Lebensverhältnisse der Schüler und deren Familien untersucht worden. Auffallend ist, dass Kinder/ Jugendliche mit Migrationshintergrund auf Realschulen und Gymnasien unterrepräsentiert und auf Hauptschulen und Sonderschulen überrepräsentiert sind. Umstritten ist, ob die Ursachen für dieses Phänomen auf institutionelle Diskriminierung und systematische Benachteiligung durch das Bildungssystem zurückzuführen sind oder ob es sich um kulturalistische oder sozioökonomische Effekte handelt. Diesbezügliche Studien vor PISA haben vorwiegend nur in Expertenkreisen für Diskussionen gesorgt.
Zunächst wird ein zusammenfassender Überblick über die Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Migrationsfamilien im Vergleich zu deutschen Schülern dargestellt, um so die These, bezüglich der Bildungsbenachteiligung von Migrantenkindern zu überprüfen. Im folgenden wird nach möglichen Erklärungen für die aufgezeigten Diskrepanzen gesucht. Der zweite Teil betrachtet die Auswirkungen dieser Ergebnisse auf die Praxis. Hier wird der linguistische Aspekt thematisiert und Überlegungen zur Zweisprachigkeit entfaltet. Inwieweit diese Überlegungen einen Konsens gefunden haben, der in die bildungspolitische Realität umsetzbar ist, wird an dem Land Rheinland- Pfalz überprüft.
Inhaltsverzeichnis
Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund
1.Einleitung
2.1 Das Forschungsprojekt: „Bildungsverhalten in Migrantenfamilien – Eine Sekundäranalyse des Sozio- ökonomischen Panels
2.2 Darstellung der Ergebnisse Bildungsbeteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund nach Bildungsgang im Vergleich mit einheimischen Schülern
2.3 Erklärungsansätze Sprachkompetenz und Bildungserfolg
3. Einführung
4. Die Bedeutung des Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht
5. Blick auf die Praxis
5.1 Förderungsbedarf in Rheinland- Pfalz
5.2 Programme zur Sprachförderung von Migranten
5.3 Kindertagesstätten
5.4 Schule
a) Allgemein
b) Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht
5.5 Weitere Anbieter von Deutschförderkursen
6. Kooperation mit den Eltern
7. Fazit
Literaturverzeichnis
Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund
1. Einleitung
Vor rund 50 Jahren begannen in Deutschland die ersten Anwerbungen von Gastarbeitern als kostengünstige Arbeitskraft für die Landwirtschaft. Durch die expandierende Wirtschaft stieg die Anzahl der Arbeitsmigranten, welche die untererste Sozialschicht bildeten. Zunächst setzte die Bundesregierung auf das Rotationsprinzip, dem erhofften Auswechseln der Arbeitskräfte durch eine jeweils fünfjährige Aufenthaltserlaubnis. Jedoch funktionierte dieses Prinzip nicht, da die Arbeitsmigranten ihre Familien nachzogen und so ein Einwanderungsverhalten an den Tag legten. Dies änderte die Struktur der ausländischen Bevölkerung, da nun immer mehr Frauen und Kinder hinzukamen.[1] Seit 1964 wurde die Schulpflicht auch für ausländische Kinder umgesetzt. Im Laufe der Jahre wurde die Gesellschaft, sowie auch die Schule, immer heterogener. „Seriöse Schätzungen weisen darauf, dass sich in der Sammelkategorie “andere Herkunftsländer” [keine ehemaligen Anwerberstaaten], in der – je nach Zählung – ein Drittel bis die Hälfte der neuerdings Zuwandernden registriert werden, weit mehr als hundert verschiedene staatliche Herkünfte verbergen. Das bedeutet auch: noch mehr mitgebrachte Sprachen, möglicherweise ein Vielfaches der Zahl der Staaten, wurden durch Zuwanderung nach Deutschland gebracht.“[2]
Oft werden Migranten in die Kategorien Gastarbeiter, Flüchtlinge, Aussiedler..., oder je nach Aufenthaltsstatus und Generation unterteilt. Für diese Arbeit definiere ich den Begriff Migranten, als Personen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist. Anzumerken ist in diesem Sinne, dass einige Statistiken, je nach Intention, mit diesem Begriff spielen.
In dieser Arbeit sollen zunächst die migrationsbedingten Veränderungen/ Problematiken in Bezug auf die Bildungsbeteiligung im deutschen Bildungssystem betrachtet werden.
Das schlechte Abschneiden Deutschlands bei der PISA Studie hat die bildungspolitische Debatte stark angeregt und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen.
Gerade im Hinblick auf den Anspruch auf Chancengleichheit sind die individuellen Lebensverhältnisse der Schüler und deren Familien untersucht worden. Auffallend ist, dass Kinder/ Jugendliche mit Migrationshintergrund auf Realschulen und Gymnasien unterrepräsentiert und auf Hauptschulen und Sonderschulen überrepräsentiert sind. Umstritten ist, ob die Ursachen für dieses Phänomen auf institutionelle Diskriminierung und systematische Benachteiligung durch das Bildungssystem zurückzuführen sind oder ob es sich um kulturalistische oder sozioökonomische Effekte handelt. Diesbezügliche Studien vor PISA haben vorwiegend nur in Expertenkreisen für Diskussionen gesorgt.
In der Fachdiskussion gibt es verschiedene Untersuchungen mit jeweils verschiedenen Zielsetzungen und Designs. Da gibt es zum Beispiel Studien, die nach strukturell bedingten Merkmalen im Bildungssystem suchen, die für Diskriminierungseffekte verantwortlich sind.[3] Besonders die Übergänge im Bildungssystem zwischen Kita- Grundschule- Sekundarstufe werden kritisch betrachtet. Die kulturalistischen Theorien sehen die Ursachen für die Bildungsbenachteiligung bei den Zugewanderten selber, da diese kulturbedingt nicht in der Lage sind, sich unserem Bildungssystem anzupassen (vgl.:Grosch und Kreidt). Andere Untersuchungen interessieren sich für einen internationalen Schulleistungsvergleich unter Einbezug der Nationalitäten. (TIMSS, PISA)
In dieser Hausarbeit beziehe ich mich jedoch vorwiegend auf Daten des Sozio- Ökonomischen Panels und deren Analysen. Zunächst werde ich die Aussagen des Forschungsprojekts: „Bildungsverhalten in Migrantenfamilien – Eine Sekundäranalyse des Sozio- Ökonomischen Panels“ zusammenfassend darstellen.[4] Zum Vergleich werden weitere, jüngere Studien (in erster Linie die PISA Studie und ihre Ergänzungsstudien) herangezogen. Da sich diese Studien in Erhebungs- und Auswertungstechniken, und vor allem in der Definition der Zielgruppe, unterscheiden ist ein direkter Vergleich natürlich nicht möglich. Jedoch kann dieser Vergleich dem Erkennen und Validieren von Tendenzen dienen oder Widersprüche aufzeigen.
Zunächst wird ein zusammenfassender Überblick über die Bildungsbeteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Migrationsfamilien im Vergleich zu deutschen Schülern dargestellt, um so die These, bezüglich der Bildungsbenachteiligung von Migrantenkindern zu überprüfen. Im folgenden wird nach möglichen Erklärungen für die aufgezeigten Diskrepanzen gesucht.
Der zweite Teil betrachtet die Auswirkungen dieser Ergebnisse auf die Praxis.
Hier wird der linguistische Aspekt thematisiert und Überlegungen zur Zweisprachigkeit entfaltet. Inwieweit diese Überlegungen einen Konsens gefunden haben, der in die bildungspolitische Realität umsetzbar ist, wird an dem Land Rheinland- Pfalz überprüft. Ich berufe mich hier weitesgehend auf Informationen der Pressestelle der Landesregierung, des Ministerium für Bildung, Jugend und Frauen, des Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur, der ADD Trier (Referat 32, 33), der Ausländerbehörde, dem Ausländerbeirat, der Volkshochschule Trier, der Caritas, des Diakonischen Werks, dem Flüchtlingszentrums und dem Multikulturellem Zentrum. Zunächst wird dargestellt, inwieweit in Rheinland- Pfalz Förderbedarf besteht. Dann werden die jeweiligen Maßnahmen zur Sprachförderung von Kindertagesstätten, Schulen und externen Anbietern betrachtet. Ich möchte hiermit einen Überblick über das derzeitige Angebot zur Sprachförderung von Migrantenkindern geben. Speziell wird die Umsetzung des Muttersprachlichen Unterrichts und die Kooperation mit den Eltern dargestellt. Zum Schluss werde ich versuchen Bilanz aus den vorgestellten Fakten ziehen.
2.1 Das Forschungsprojekt: „Bildungsverhalten in Migrantenfamilien – Eine Sekundäranalyse des Sozio- Ökonomischen Panels
„Das SOEP wird von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) als eigenes Projekt gefördert und vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durchgeführt. Es handelt sich hierbei um eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland (ab 1984), die dem Beobachten und Analysieren gesellschaftlicher und politischer Veränderungen dient. Durch das Längsschnittdesign (Panelcharakter) lassen sich Aussagen über objektive Lebensbedingungen, Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Lebensbereichen und deren Wandel treffen.“[5]
Die im folgenden betrachtete Re-Analyse der SOEP- Daten möchte feststellen, welche Faktoren ausschlaggebend für den Bildungserfolg von Migrantenkinder sind.
Die hierzu durchgeführten Regressionsanalysen verbinden einen lebensverlaufs- mit einem humankapitaltheoretischen Ansatz. „Bildungsbeteiligung wird als Erwerb bzw. Verfügbarkeit von kulturellem Kapital aufgefasst, das im Lebensverlauf akkumuliert wird und zum Erwerb weiterer Kapitalien (auch ökonomischen oder sozialen Kapitals) eingesetzt wird. (vgl. Bourdieu 1983). Bildungsbeteiligung ist aber- umgekehrt- auch ein Ergebnis der Verfügbarkeit von bereits vorhandenem kulturellem, sozialem und ökonomischem Kapital, insbesondere dem, das in der Elterngeneration akkumuliert wurde und zur Investition in die Kindergeneration [intergenerationale Transmissionsprozesse] zur Verfügung steht.“[6] Im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Folgen der Arbeitsmigration für Bildung und Erziehung“ wurde das, von Bernhard Nauck und Heike Diefenbach beantragte, Projekt durch die DFG gefördert. Die Projektlaufzeit war von 1995 bis 1997. Für die Analysen wurden Angaben von türkischen, italienischen, (ex-)jugoslawischen, griechischen, spanischen und deutschen Befragten aus elf Befragungswellen verwendet. „Sie wurden mit Hilfe von Fragebögen in ihrer jeweiligen Muttersprache befragt. Neben einem Haushaltsfragebogen, der jeweils vom Haushaltsvorstand auszufüllen ist, beinhaltet das SOEP einen Personenfragebogen, der allen Personen im Haushalt, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, vorgelegt wird. Ausländischen Befragten werden zusätzlich einige ausländerspezifische Fragen gestellt wie z. B. Fragen nach den deutschen Sprach- und Schreibkenntnissen oder nach Besuchen im Herkunftsland.“[7]
2.2 Darstellung der Ergebnisse
Bildungsbeteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund nach Bildungsgang im Vergleich mit einheimischen Schülern
Die Studie bestätigt die These (Befund der Bildungsstatistik) der Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien, in Bezug auf ihre Schullaufbahn, auf die Dauer ihrer Schulzeit und damit auch auf ihre berufliche Karriere. Die verschiedenen Stufen des Bildungssystems wirken unterschiedlich stark selegierend. Besonders in der Sekundarstufe zeigen sich die Differenzen hinsichtlich des Schultyps im Vergleich zu einheimischen Schülern. „Wenn Kinder aus Migrantenfamilien also in der Sekundarstufe bereits gegenüber deutschen Kindern Nachteile haben, lässt dies dauerhafte Nachteile der Kinder aus Migrantenfamilien auch im Bereich höherer Bildung, der Berufsausbildung und nicht zuletzt des im Lebenslauf zu erzielenden Einkommens erwarten.“[8]
Kinder aus Zuwandererfamilien sind an der Hauptschule überrepräsentiert. Gegenteilig verhält es sich bei dem Gymnasialbesuch. Hier sind Schüler mit Migrationshintergrund stark unterrepräsentiert (nahezu nur ein Drittel im Vergleich zu deutschen Kindern). Ebenso, in abgeschwächter Form, gilt dies für die Realschule. Betrachtet man die Anteile deutscher, bzw. ausländischer Kinder in der Gesamtschule, so lassen sich keine signifikanten Unterschiede herausstellen. Ebenfalls kann keine übermäßige Repräsentation von Migrantenkindern an Sonderschulen nachgewiesen werden. Die Befunde der Bildungsstatistik werden diesbezüglich nicht bestätigt. Hier ist jedoch anzumerken, dass weder die SOEP- Daten, noch die PISA- Studie dieses Phänomen explizit erforscht haben. Die mit dem Relativen Risiko- Index berechneten Daten bestätigen allerdings die Überrepräsentation an Sonderschulen.
Jugendliche mit Migrationshintergrund treten früher aus dem Schulsystem aus und beginnen mit der Erwerbstätigkeit. Anhand der untersuchten Daten lässt sich feststellen, dass Jugendliche aus Migrationsfamilien früher arbeitslos werden. „Der Anteil derer, die nach dem Austritt aus dem allgemeinbildenden Schulsystem nicht erwerbstätig sind, ist bei den Jugendlichen aus Migrantenfamilien mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Jugendlichen.“[9]
Abschließend möchte ich noch darauf hineisen, dass es starke lokale und nationalitätenspezifische Differenzen gibt. „Der Vergleich der Nationalitäten der Migrantenkinder untereinander ergibt z.T. erhebliche Unterschiede, vor allem hinsichtlich des Wechsels von der Grundschule auf das Gymnasium und auf die Hauptschule“[10] (siehe Tab.: 2) In dieser Arbeit werde ich jedoch keine weitere Unterteilung der Kinder und Jugendlichen aus Migrationsfamilien in weitere Subgruppen vornehmen, da dies zum einen den inhaltlichen Rahmen sprengen würde und zum anderen ist die statistische Aussagekraft dieser Daten, aufgrund der Panelmortalität, zweifelhaft.
Die o.g. Ergebnisse bezüglich der Bildungsbeteiligung finden ihre Bestätigung ebenfalls in den Ergebnissen der Pisa Studie. „Bei Jugendlichen aus reinen Zuwandererfamilien findet man eine Bildungsbeteiligung, wie sie in Deutschland etwa 1970 anzutreffen war: Hauptschulbesuch bei 50 Prozent, Gymnasialbesuch bei etwa 15 Prozent.“[11]
Wie es in Tab. 3 ersichtlich ist, steigt die statistische Chance ein Gymnasium zu besuchen, wenn ein Elternteil in Deutschland geboren ist. Dies weist bereits auf die Bedeutung der Sozialisationsbedingungen hin, was im nächsten Kapitel näher betrachtet wird.
2.3 Erklärungsansätze
Wie oben bereits angedeutet, gibt es verschiedene Erklärungsansätze für die Bildungsbenachteiligung Zugewanderter. „Es scheint, dass viele bisherige Forschungen weder die Komplexität der Mechanismen hinreichend eingefangen haben, die zusammenwirken, um das Resultat der Bildungsbenachteiligung zugewanderter gegenüber deutschen Kindern zu erzielen, noch den Prozesscharakter der Eingliederung in das Bildungswesen bzw. die aufnehmende Gesellschaft genügend berücksichtigen.“[12]
Die Gruppe Nauck, Diefenbach und Petri haben mit ihrer Publikation Intergenerationale Transmission von kulturellem Kapital unter Migrationsbedingungen versucht, den strukturellen und individuellen Zusammenhang zwischen mehreren Variablen zu erfassen. „Hierzu wird auf den kapitaltheoretischen Ansatz von Pierre Bourdieu zurückgegriffen, der es erlaubt, erstens innerhalb des Konzepts des Humankapitals unterschiedliche Kapitalarten zu unterscheiden und zweitens die Bedingungen der Transferierung dieser Kapitalarten ineinander anzugeben.“[13]
Sie betrachten den Zusammenhang zwischen den Variablen: Bildung der Eltern, Einkommen, Wahrscheinlichkeit des Abschlusses, sowie Anzahl der Kinder, jeweils bei deutschen und ausländischen Familien. Auffallend bei Migrantenfamilien, im Gegensatz zu autochthonen Familien, ist der nicht vorhandene, bzw. kaum signifikante Zusammenhang zwischen den Variablen Bildung der Eltern und Einkommen, sowie zwischen Einkommen und Wahrscheinlichkeit des Abschlusses. Mit den Worten Pierre Bourdieus kann dies wie folgt beschrieben werden:
Migrantenfamilien ist es nicht möglich allochthon erworbenes kulturelles Kapital in ökonomisches Kapital zu transferieren.
Die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses von Jugendlichen aus Migrantenfamilien steht in einem sehr geringen Zusammenhang mit dem ökonomischen Kapital.
Je höher die Anzahl der Kinder in Migrantenfamilien, je knapper ist das jedem Kind zur Verfügung stehende ökonomische Kapital zur Transferierung in seine Bildung, sprich in kulturelles Kapital.
Festzuhalten ist, dass die Migrationssituation die Ausstattung und Verfügungsgewalt über Kapitalien stark negativ beeinflusst. „Im Hinblick auf das explanandum „Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern“ können ungleiche Verteilungen von Kindern unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeiten auf verschiedene Schultypen und ebenso ihr unterschiedlicher schulischer Erfolg zunächst als Ergebnis strategischer Handlungsentscheidungen im Hinblick auf den Einsatz und die Transferierbarkeit von Kapitalien angesichts gegebener (...) Restriktionen erklärt werden.“[14]
Im folgenden soll der Eingliederungsprozess der Migrantenfamilien im Hinblick auf die Abiturwahrscheinlichkeit ihrer Kinder näher betrachtet werden. Hierfür wird das Modell ergänzt durch die Faktoren: Alter der Mutter (im 14. Lebensjahr des Kindes), Einreisealter des Kindes, Kulturelles Klima im Elternhaus (additiver Index: Präferenzen des Vaters für dt. Küche, Zeitungslektüre, Musik gegenüber denjenigen der Herkunftsgesellschaft im 14. Lebensjahr des Kindes), Deutschkenntnisse der Eltern.
Mit einem kulturell- assimilativen Klima im Elternhaus und zunehmenden Deutschkenntnissen der Eltern steigt die Abiturwahrscheinlichkeit. Umgekehrt verhält es sich bei zunehmendem Einreisealter des Kindes und höherer Geschwisterzahl. Von den anderen Faktoren gehen nur indirekte Effekte aus. Hervorzuheben ist die Bedeutung der familiären Sozialisationsbedingungen.
Die PISA Studie sieht den primären Grund der Benachteiligung von Schülern aus Zuwandererfamilien in der mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache. Fast die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe überschreitet im Lesen nicht einmal die elementare Kompetenzstufe 1. „Nach den Befunden scheinen sich sprachliche Defizite kumulativ in Sachfächern auszuwirken, sodass Personen mit unzureichendem Leseverständnis in allen akademischen Bereichen in ihrem Kompetenzerwerb beeinträchtigt sind.“[15]
Interessant ist auch folgende Betrachtungsweise der PISA Ergebnisse: „Vergleicht man Jugendliche mit gleicher Lesekompetenz, ist keine Benachteiligung von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien mehr nachweisbar. Das heißt, für Kinder aus Zuwandererfamilien ist die Sprach- und Lesekompetenz die entscheidende Hürde in ihrer Bildungskarriere.“[16]
Neben dem primären Grund, der mangelnden Sprachkompetenz, stellt die PISA- Studie den großen Zusammenhang zwischen Sozialschicht und Bildungserfolg heraus. Da Kinder mit Migrationshintergrund nicht selten aus einer niedrigen Sozialschicht stammen und die deutsche Sprache nicht beherrschen, können sie den Normalerwartungen des Schulsystems nicht entsprechen.
Somit bestätigen die PISA Ergänzungsstudien (PISA-E, PISA-O) die u.a. von Gomolla vertretene „institutionelle Diskriminierungsthese“. Der Hauptgrund liegt in der starken Segregation im gegliederten Schulsystem. Anzumerken ist hier, dass in der PISA Studie die Sonderschüler nicht berücksichtigt wurden.
Unabhängig der diversen Studien lassen sich die wichtigsten Erklärungsansätze, als Ergebnis der Fragestellung, unter folgenden Stichpunkten auflisten:
- Sprachkompetenz
- familiäre Sozialisationsbedingungen und die Transferierbarkeit der Kapitalien
- institutionelle Diskriminierung
Unumstritten ist die Bedeutung der Sprachkompetenz für den Bildungserfolg. Dieses Ergebnis werde ich nun im zweiten Teil dieser Hausarbeit fokussieren.
[...]
[1] Vgl.: Erika Richter: Migration und Interkulturalität: Herausforderung für die Soziale Arbeit, Seite137 ff, In: Siegfried Müller, Heinz Sünker, Thomas Olk & Karin Böllert (Hrsg.), Soziale Arbeit. Gesellschaftliche Bedingungen und professionelle Perspektiven, Neuwied/ Kriftel: Luchterhand, 2000
[2] Ingrid Gogolin: Sprachlich-kulturelle Differenz und Chancengleichheit- (un)versöhnlich in staatlichen Bildungssystemen?, in: Lohmann, Ingrid, Rilling, Rainer (Hrsg.): Privatisierung des Bildungsbereiches, Dietz- Verlag, Berlin, 2001, Seite 4
[3] vgl. Bommes, M., Radtke, F.-O: Institutionalisierte Diskriminierung von Migrantenkindern. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule. Zeitschrift für Pädagogik, 39.Jg., H. 3, S. 483- 497
[4] vgl.: Bernhard Nauck, Heike Diefenbach, Kornelia Petri: Intergenerationale Transmission von kulturellem Kapital unter Migrationsbedingungen: Zum Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien in Deutschland, Zeitschrift für Pädagogik,5, Seite: 701-722, 1998
[5] vgl. www.diw.de Stand: 15.10.03
[6] Bernhard Nauck, Heike Diefenbach, Kornelia Petri: Intergenerationale Transmission von kulturellem Kapital unter Migrationsbedingungen: Zum Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien in Deutschland, Zeitschrift für Pädagogik,5, Seite: 703
[7] Diefenbach Heike: Bildungsbenachteiligung und Berufseinmündung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien, Eine Fortschreibung der Daten des Sozio- Ökonomischen Panels, In: Sachverständigenkommission 11. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Band 5: Migration und die europäische Integration, Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe, verlag Deutsches Jugendinstitut, München, 2002, Seite 13
[8] Diefenbach Heike: Bildungsbenachteiligung und Berufseinmündung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien, Eine Fortschreibung der Daten des Sozio- Ökonomischen Panels, In: Sachverständigenkommission 11. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Band 5: Migration und die europäische Integration, Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe, verlag Deutsches Jugendinstitut, München, 2002, Seite: 21
[9] Bernhard Nauck, Heike Diefenbach, Kornelia Petri: Intergenerationale Transmission von kulturellem Kapital unter Migrationsbedingungen: Zum Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien in Deutschland, Zeitschrift für Pädagogik,5, Seite: 709
[10] Diefenbach Heike: Bildungsbenachteiligung und Berufseinmündung von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien, Eine Fortschreibung der Daten des Sozio- Ökonomischen Panels, In: Sachverständigenkommission 11. Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Band 5: Migration und die europäische Integration, Herausforderungen für die Kinder- und Jugendhilfe, verlag Deutsches Jugendinstitut, München, 2002, Seite 28 ff.
[11] vgl.: Baumert, Jürgen (Hrsg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Leske + Budrich, Opladen, 2001, Seite: 373
[12] Gogolin Ingrid: Bildung und ausländische Familien, In: Sachverständigenkommission 6. Familienbericht (Hrsg) Materialien zum 6. Familienbericht, Band 2: Familien ausländischer Herkunft in Deutschland: Lebensalltag, Leske+ Budrich,Opladen, 2000, Seite 79
[13] Diefenbach, H., Nauck, B.;: Bildungsverhalten als „strategische Praxis“- ein Modell zur Erklärung und Reproduktion von Humankapital in Migrantenfamilien, In: Pries, H.(Hrsg.), Transnationale Migration. Soziale Welt, Sonderband 12, Baden- Baden: Nomos, 1997
[14] Pries, L. (Hrsg.), Transnationale Migration. Soziale Welt, Sonderband 12, Baden- Baden: Nomos, 1997, Seite: 289
[15] Baumert, Jürgen (Hrsg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich, Leske + Budrich, Opladen, 2001, Seite: 379
[16] vgl.: Landesbeauftragte für Ausländerfragen bei der Staatskanzlei: Treffpunkt 2/2002, Seite 25
- Arbeit zitieren
- Michael Roos (Autor:in), 2003, Die Bildungsbenachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund und der bildungspolitische Umgang mit dem Sprachdefizit in Rheinland-Pfalz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53790
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