Solidarnosc. Einfluss der polnischen Arbeiterbewegung auf den Zerfall der UDSSR


Hausarbeit, 2020

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. „Solidarnosc“
2.1. Entstehung der
2.1.1. Arbeiterbewegung Der Anfang
2.2. Lech Wat^sa
2.3. Ziele der Proteste

3. Auswirkungen der Proteste in Polen auf die UDSSR
3.1. Die Auswirkung auf die östlichen
3.1.1. Staaten Die baltischen Staaten
3.1.2. Samtene Revolution in der Tschechoslowakei
3.2. Der Zerfall der UDSSR

4. Fazit

„Die Ungleichheit ist die Ursache aller örtlichen Bewegungen.“

- Leonardo DaVinci (1452 - 1519)

„Vereinte Kraft ist zur Herbeiführung des Erfolges wirksamer als zersplitterte oder geteilte.“ - Thomas von Aquin (1225 - 1274)

1. Einleitung

In dieser politikwissenschaftlichen Hausarbeit befasse ich mich mit der polnischen Arbeiterbewegung „Solidarnosc“, welche sich 1980 in Zeiten des kommunistischen Regimes gründete. Ich möchte der Frage auf den Grund gehen, wie weit der Einfluss dieser Arbeiterbewegung ging und welche tatsächlichen Auswirkungen sie auf den Zerfall der UDSSR hatte.

Zur Einführung möchte ich mich mit der Entstehung der Arbeiterbewegung befassen. Dazu erörtere ich, wer die Gesichter dieser Bewegung waren, welche Gründe die Proteste ausgelöst haben und welche Ziele genau mit der Solidarnosc-Bewegung verfolgt wurden.

Für die spätere Analyse und wissenschaftliche Aufarbeitung stelle ich anhand eines kurzen Portraits das wohl bekannteste Mitglied der Solidarnosc-Bewegung und späteren Präsidenten der polnischen Republik, Lech Wal^sa, vor.

Im zweiten Teil dieser Arbeit möchte ich Schritt für Schritt die Auswirkungen dieser sozialen Bewegung reflektieren. Dazu stelle ich die Entwicklungen innerhalb der baltischen Staaten und die innerhalb der Tschechoslowakei, in Form der „Samtenen Revolution“ gegenüber.

Anschließend betrachte ich im Kontext der Fragestellung, in wie weit die Solidarnosc- Bewegung tatsächlich Einfluss auf den Zerfall der UDSSR hatte, d.h. ob überhaupt ein Einfluss stattfand und wenn ja, in welchem Umfang und wie der Zerfall vonstattenging.

Im Fazit möchte ich die gesammelten Informationen zusammenfassen und darstellen, ob und wie sich die anfängliche Fragestellung beantworten und analysieren ließ.

2. „Solidarnosc“

Solidarnosc selbst ist ein sehr bedeutsames Wort aus dem Polnischen und bedeutet frei übersetzt, schlichtweg Solidarität. Der tiefere Sinn von Solidarität lässt sich aber nicht anhand eines einzigen Wortes erklären und so hat schon der eingangs zitierte Thomas von Aquin festgestellt, dass Erfolg nur aus der Kraft der Einigkeit entsteht; ein Grundprinzip, welches sich auch in den Naturgesetzen wiederspiegelt.

Die wahre Bedeutung hinter diesem Wort lässt sich also nicht so einfach herunterbrechen und dennoch findet man auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung eine sehr treffende Beschreibung:

„Du empfindest, dass dein Freund zum Beispiel von einem Lehrer ungerecht behandelt wird. Du stehst auf und sagst es laut. Du stellst dich also auf seine Seite, zeigst so dein Zusammengehörigkeitsgefühl“ (Schneider / Tokya-Seid 2020).

Was dieses Beispiel so besonders macht, ist die Tatsache, dass es nicht nur darstellt, dass Solidarität dann auftreten muss, wenn man selbst Opfer von Ungleichbehandlung oder Ungerechtigkeit wird, sondern auch, und besonders dann, wenn man nicht Ziel solcher Attacken ist und trotzdem anderen zu Hilfe eilt und ihnen beisteht.

In dieser Hausarbeit soll es aber nicht um die Solidarität selbst gehen, sondern um die Arbeiterbewegung „NSZZ Solidarnosc“.

2.1. Entstehung der Arbeiterbewegung

Was das Wort Solidarnosc übersetzt bedeutet, wurde im vorherigen Punkt schon erläutert. Klarer wird das Bild, wenn man das Buchstabenkürzel „NSZZ“ genauer betrachtet, ausgeschrieben im Polnischen bedeutet es nämlich „Niezalezny Samorzqdny Zwiqzek Zawodowy“, was ins Deutsche übersetzt so viel heißt wie „Unabhängige Selbstverwaltungs-Gewerkschaft“. Dieser Zusatz ist deswegen so wichtig, da die Arbeiterbewegung in einer Zeit entstand, in der „Unabhängigkeit“ zu Repressalien durch den Staatsapparat führen konnte und tendenziell häufiger zu jenen geführt hat, als dass das Kommunistische Regime dieses „Aufbegehren des Volkes“ durchgehen ließ. Generell waren unabhängige Organisationen, wozu auch Gewerkschaften zählten, verboten. Repressalien wurden vehement und nicht selten mit Gewalt durchgesetzt. Warum dies so war und ist, bietet genug Material für eine weitere wissenschaftliche Arbeit. Kurz gesagt lässt sich aber zusammenfassen, dass Unabhängigkeit und Aufklärung die Urängste von Diktaturen und Autokratien sind und durchaus als Nährboden für Widerstand verstanden werden können, welcher wiederum häufig ein Grundstein für Demokratie ist.

2.1.1. Der Anfang

Die Solidarnosc-Bewegung ist am 31. August 1980 in Danzig entstanden, als die Administration des damals herrschenden kommunistischen Regimes eine vermeintlich kleine und unbedeutende Entscheidung getroffen hat: Die Entlassung der in der Danziger Leninwerft angestellte Kranführerin Anna Walentynowicz. Der Grund für ihre Entlassung wirkte für die damalige Zeit banal und war doch Mitauslöser für die Gründung der NSZZ Solidarnosc. Es läutete einen der größeren Wandel in der Europäischen Nachkriegsgeschichte ein.

Anna Walentynowicz war dem Regime ein Dorn im Auge, denn sie war ein Mitglied der Gesellschaft, welches sich nicht mit normalen Mitteln hat brechen lassen. Egal wie sehr man versucht hat Druck auf Sie auszuüben und welche menschenunwürdigen Mittel die Schergen des Staatsapparates anwendeten, Anna Walentynowicz hielt dem vehement entgegen.

Auf der Internetseite der Bundesstiftung Aufarbeitung findet man in der Biographie zu Anna Walentynowicz eine Aufzählung all ihres “Ungehorsams“ und der daraus resultierenden Konsequenzen: im Jahr 1971 beteiligte sie „sich an der Weiterverbreitung illegaler Schriften und Flugblätter und organisierte Gedenkveranstaltungen zu den Jahrestagen der Ereignisse im Dezember 1970.“ (Adamowicz 2016). Dabei war illegal natürlich die Wortwahl der Gegenseite, heute wird dieses Aufbegehren als freie Meinungsäußerung aufgefasst und nachfolgende Generationen dazu ermutigt, von ihrem Recht Gebrauch zu machen. „Im Juli unterzeichnete sie die „Charta der Arbeiterrechte“ (Karta Praw Robotniczych), ein programatisches Dokument der unabhängigen Gewerkschaftsbewegung.“ (Adamowicz 2016). Dies konnte natürlich nicht geduldet werden und „Die Folge war, dass Walentynowicz immer wieder für 48 Stunden in Polizeigewahrsam genommen und schikaniert wurde. Man untersagte ihr, während der Arbeitspausen ihren Kran zu verlassen, sperrte sie im Umkleideraum ein, unterzog sie Leibesvisitationen, sprach Verwarnungen und Verweise aus.“ (Adamowicz 2016). Doch trotz all dieser Maßnahmen ließ sich Walentynowicz ein knappes Jahrzehnt lang nicht zum Schweigen bringen und so entschied die Werftleitung sie zu entlassen, eine Entscheidung, die man im Nachhinein als i-Tüpfelchen bezeichnen kann.

Die Situation in Polen war angespannt und das gesamte Land befand sich 1980 in einer Wirtschaftskrise, die dazu geführt hatte, dass die Lebensmittelpreise drastisch erhöht wurden und der Unmut in der Bevölkerung sich noch weiter ausbreitete. Die Bevölkerung ging auf die Straße und letztendlich schlossen sich auch die Arbeiter der Lenin-Werft den Protesten im ganzen Land an (vgl. Mitteldeutscher Rundfunk 2015). Eine Person stach neben Anna Walentynowicz ganz besonders hervor, und zwar der bereits im Jahr 1976 ebenfalls aus der Werft entlassene Lech Wal^sa.

2.2. Lech Wat^sa

„Lech Walesa wurde 1943 in Popowo bei Lipno in der heutigen Woiwodschaft Kujawien- Pommern geboren. Er machte eine Berufsausbildung und arbeitete ab 1961 als Elektromechaniker in der Staatlichen Maschinen-Traktoren-Station in dem ebenfalls unweit von Lipno gelegenen Lochocin. 1967-76 war er Elektriker in der Danziger Lenin- Werft.“(Skorzynski 2016).

Darüber hinaus war Lech Walesa schon vor der Gründung der NSZZ Solidarnosc kein unbekanntes Gesicht in der polnischen Streikbewegung, denn schon bei den blutig niedergeschlagenen Streiks 1970 spielte Wal^sa, als einer ihrer Initiatoren, eine entscheidende Rolle. Bei den Streiks von 1970 starben 80 Arbeiter bei den blutigen Auseinandersetzungen mit der Staatspolizei und der Armee. Lange wurde Lech Walesa von Feinden der Streikbewegung kritisiert und man schrieb ihm eine Mitschuld an dem Tod der 80 Arbeiter zu, wenn auch offiziell immer nur von 45 Toten die Rede war. Der Bekannteste von ihnen war Zbyszek Godlewski, dessen Leichnam von den Demonstranten auf einer Tür durch die Straßen von Gdingen getragen wurde und dessen von Patronen durchlöcherte Jacke wie ein Mahnmal im heutigen Solidarnosc Zentrum ausgestellt ist.

Es war der 30. August 1980, ca. einen halben Monat vor der offiziellen Gründung der NSZZ Solidarnosc, als Lech Walesa ein Jahrzehnt nach den Ereignissen von 1970 auf den Schultern der streikenden Arbeiter zurück in die Werft getragen wurde und die Leute seine Wiedereinstellung verlangten. Die Werft stand still, was für das kommunistische Regime eine weitere Belastung, in der ohnehin schon angespannten polnischen Wirtschaft bedeutete.

Am 31. August 1980, nur einen Tag später, wurde ein erster Teilerfolg erzieht, in dem sich die Obrigkeit des kommunistischen Regimes dazu entschied, ein Abkommen zu unterzeichnen. Als Gesicht der Solidarnosc-Bewegung sollte Lech Walesa bei diesem geschichtsträchtigen Tag als Leitfigur die Unterzeichnung vornehmen. Walesa aber ließ es sich nicht nehmen etwas Komik in die Umstände mit einfließen zu lassen und unterzeichnete das Abkommen mit einem überdimensionierten Bleistift. Bis heute sind die Bilder von diesem Moment vielen Polen in Erinnerung geblieben und es spielt keine Rolle, gleich welchen Alters man jemanden in Polen fragt, die meisten erinnern sich an dieses Bild, ganz unter dem Motto, welches Ralph Waldo Emerson so treffend in Worte gefasst hat: „Der Sinn für das Komische verbindet“.

Weniger Komisches kann man der Dokumentation des Mitteldeutschen Rundfunks von 2016 entnehmen, als der polnische Staatschef Wojciech Jaruzelski das Kriegsrecht verhängte und über das Verbot der NSZZ Solidarnosc hinaus noch alle Anführer eben jener Bewegung verhaften ließ (vgl. Mitteldeutscher Rundfunk 2020). „Dennoch kommt es am zweiten Jahrestag der Gewerkschaftsgründung, am 31. August 1983, zu Unruhen in Warschau“ (Mitteldeutscher Rundfunk 2020).

Vielleicht, weil Lech Walesa und die anderen in der Lage waren, die Massen zu mobilisieren und die Menschen trotz aller Gefahren und dem brutalen Vorgehen des kommunistischen Regimes auf die Straße gingen, die Arbeit niederlegten oder aus Solidarität zu den Streikenden im ganzen Land Konfrontation mit der Polizei und Armee suchten, entschied sich das Nobel-Gremium in Oslo dazu, Lech Walesa im Jahr 1983 den Friedensnobelpreis zu verleihen. Walesa entschied sich dazu, nicht persönlich an den Feierlichkeiten in Oslo teilzunehmen, da er befürchtete später nicht mehr zurück nach Polen gelassen zu werden, aber er schickte seine Frau Danuta und seinen Sohn an seiner Stelle dorthin. Die Entscheidung, ausgerechnet einem Elektriker wie Lech Walesa den Friedensnobelpreis zu verleihen, wurde von nahezu allen westlichen Medien als Zeichen gegen den Kommunismus gefeiert und fand großen Anklang in allen Bevölkerungsschichten. Plötzlich was Lech Walesa kein einfacher Werftarbeiter mehr, der für seine und die Rechte von anderen in den Kampf zog, sondern eine Symbolfigur im Kampf gegen die Unterdrückung und Zwangsherrschaft.

Erst ein weiteres Jahrzehnt später wurde Lech Walesa zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Polens, seit Ende des zweiten Weltkrieges. Seine Präsidentschaft sollte nur 5 Jahre währen. Auch wenn Walesa in der Lage war, während seiner Präsidentschaft Polen zu erheblichem Wirtschaftswachstum zu verhelfen und im europäischen Kontext Gewicht zu verleihen, so verlor er im Laufe der Zeit zusehends an Unterstützung in der Bevölkerung und wurde nicht wiedergewählt.

Die Ära Walesa schien zu Ende, denn bis heute hat Walesa in der Politik kein Gewicht mehr. Vielmehr aber wird er nach wie vor für seine Verdienste in der Vergangenheit verehrt und geschätzt, sein Beitrag zur Befreiung Polens von einem kommunistischen Regime ist unumstritten.

2.3. Ziele der Proteste

In der heutigen Zeit, wenn man die Situation von damals unter soziologischen Aspekten betrachtet, war der Drang nach Freiheit und eigenständiger Entfaltung überfällig und die politische Stimmung in Polen wie ein Dampfdruckkessel, der bis zum Bersten mit Emotionen gefüllt war. So sollte es keinen wundern, dass die Menschen von damals, ob der Tatsache bewusst, dass es sie ihr Leben kosten kann, auf die Straße gingen. Es ist daher reichlich unfair von den Gegnern der Streikbewegung, einzelne polarisierende Gestalten für den Tod der Arbeiter verantwortlich zu machen und sollte daher als Propaganda des kommunistischen Regimes betrachtet werden.

Die Zustände in Polen und vielen anderen Ostblockstaaten, aber auch der DDR, waren für die Menschen unerträglich. Die Ziele der Proteste waren in aller erster Linie, die Lebensbedingungen zu verbessern und der Bevölkerung mehr Raum für Entscheidungen und Entwicklungen zu geben. Polen steckte in einer tiefen Wirtschaftskrise, die Lebensmittelpreise waren hoch und das kommunistische Regime kündigte an, diese noch weiter zu erhöhen. Den Menschen blieben nur wenige Optionen: verhungern oder sich wehren. So kam es, dass die ersten Proteste um 1970 vom Regime mit brutaler Gewalt niedergeschlagen wurden und man versuchte mit „Muskelkraft“ die Bevölkerung in die Schranken zu weisen. Als die Proteste abflachten, hat man versucht, die Rädelsführer zum Schweigen zu bringen, indem man sie entließ oder inhaftiere und über längere Zeiträume schikanierte. Zur Verwunderung der kommunistischen Obrigkeit hatte dies kein Erfolg. Ein polnisches Sprichwort besagt: „Kein Frieden ohne Kampf“ und so sollte es sich auch bei den anhaltenden Protesten bewahrheiten.

Die Protestierenden lieferten sich offene Kämpfe mit der Staatsgewalt und verschanzten sich in der Werft. Dabei entstanden die 21 Forderungen der Solidarnosc-Bewegung von Danzig. Diese wurden auf herausgebrochenen Brettern niedergeschrieben und geben inhaltlich die Gründe und Ziele der Proteste genauestens wieder, denn sie beinhalten die tatsächlichen Forderungen, die letztendlich um jeden Preis umgesetzt werden sollten.

Da die meisten Übersetzungen, die ich während meiner Recherche gefunden habe, fehlerhaft oder nicht vollständig waren, habe ich die Übersetzung selbst angefertigt.

Dies ist deswegen so wichtig, da man nur so nachvollziehen kann, welche Relevanz die Forderungen hatten. So kann man sich aus dem Inhalt der Forderungen die damaligen Zustände sehr gut herleiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Solidarnosc. Einfluss der polnischen Arbeiterbewegung auf den Zerfall der UDSSR
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin  (Fachbereich 3)
Veranstaltung
Politik und Verwaltung
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
21
Katalognummer
V538193
ISBN (eBook)
9783346158260
ISBN (Buch)
9783346158277
Sprache
Deutsch
Schlagworte
arbeiterbewegung, einfluss, solidarnosc, udssr, zerfall
Arbeit zitieren
Adam Balitzki (Autor:in), 2020, Solidarnosc. Einfluss der polnischen Arbeiterbewegung auf den Zerfall der UDSSR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538193

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Solidarnosc. Einfluss der polnischen Arbeiterbewegung auf den Zerfall der UDSSR



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden