Die Regenbogenfamilie und ihre sozialgesellschaftliche Lebenswelt. Wie die Soziale Arbeit die Akzeptanz von alternativen Familienmodellen fördern kann


Fachbuch, 2020

120 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Familie
2.1 Die Entstehung und der Wandel des Familienbegriffes
2.2 Definition

3 Regenbogenfamilien
3.1 Definition
3.2 Forschungsergebnisse
3.3 Die eingetragene Lebenspartnerschaft und Stiefkindadoption
3.4 Die Vielfalt der Elternschaft

4 Die Lebenswelt von Regenbogenfamilien
4.1 Das Coming-Out als homosexueller Mensch
4.2 Die homosexuelle Elternrolle/n
4.3 Das Kind im Zentrum
4.4 Die rechtlichen Rahmenbedingungen
4.5 Die Homophobie
4.6 Der Heterosexismus
4.7 Die Heteronormativität
4.8 Diskriminierung
4.9 Resümee des Kapitels

5 Exkurs: Experteninterviews mit Regenbogenfamilien
5.1 Das Experteninterview als Forschungsmethode
5.2 Die Erhebungsmethode – das Leitfadeninterview
5.3 Die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode
5.4 Die Experteninterviews mit den Regenbogenfamilien
5.5 Zusammenfassung und Auswertung der Ergebnisse

6 Handlungsmöglichkeiten in der Sozialen Arbeit
6.1 Die Regenbogenfamilie als Klient
6.2 Normen- und Identitätskonstruktion
6.3 Resümee des Kapitels

7 Auswertung und Perspektive
7.1 Zusammenfassung und Diskussion
7.2 Fazit

Literatur

Internetquellen

Gesetze / Rechte

Anhang

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Impressum:

Copyright © Social Plus 2020

Ein Imprint der GRIN Publishing GmbH, München

Druck und Bindung: Books on Demand GmbH, Norderstedt, Germany

Covergestaltung: GRIN Publishing GmbH

1 Einleitung

Schließen Sie kurz die Augen und stellen Sie sich eine Familie bildlich vor.

Sicherlich werden Sie eine Familie gesehen haben, mit einer Mutter, einem Vater, mit einem oder mehreren Kind/ern. So wird es den meisten Menschen gehen.

Denn diese Form der Familie ist die Bekannteste und wird als die Kernfamilie bezeichnet, welche seither als gesellschaftliches Leitbild fungiert (vgl. Peuckert 2012, S. 14 f.). Durch die erworbene gesellschaftliche Dominanz dieses Modelles etablierten sich Familienstrukturen, Rollenverteilungen und soziale Erwartungen und sorgten so für eine generalisierte normative sowie gesellschaftliche Orientierung (vgl. ebd.).

Ungeachtet dessen ist die Gesellschaft jedoch durch vielfältige Familienmodelle geprägt. In diesem Zusammenhang gibt Nave-Herz an:

„Zählt man die theoretisch möglichen Familientypen aufgrund der unterschiedlichen Rollenzusammensetzungen […] und Familienbildungsprozesse […] zusammen und differenziert die Elternfamilien nach formaler Eheschließung und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, ergeben sich insgesamt 18 verschiedene, rechtlich mögliche Familientypen“ (Nave-Herz 2012, S. 16).

Im Gegensatz zum erwähnten tradierten Familienbild zeichnen sich diese alternativen Familienmodelle durch individuelle aufgebaute familiäre Strukturen aus. Zu den alternativen Familienformen gehören u.a. die Ein-Eltern-Familie, die Patchworkfamilie und die Regenbogenfamilie.

Unter einer Regenbogenfamilie versteht man das gleichgeschlechtliche Zusammenleben von Schwulen, Lesben oder Transsexuellen mit Kind/ern. Diese Familienform bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Bachelorarbeit. Innerhalb dieser Arbeit wird der Fokus auf schwule und lesbische Regenbogenfamilien gelegt und mangels unzureichender vorhandener Fachliteratur die transsexuelle Familie außen vor gelassen.

Durch eine zunehmende öffentliche Diskussion obliegt die Regenbogenfamilie einer gesellschaftlichen Polarisierung. Dieser Diskurs ist geprägt von starken Kontroversen verschiedener Teilgruppierungen der Gesellschaft. Dies wurde zum Beispiel in der Debatte des Bundesrats um die Angleichung der Ehe für homosexuelle Paare im Juni 2017 sichtbar. Innerhalb der Bundestagssitzung teilten sich die Meinungen. Die Mehrheit der Abgeordneten befürwortete die Öffnung der Ehe. Sie empfanden die rechtliche Anpassung der Ehr für homosexuell Liebende als den ersten Schritt für eine gesellschaftliche Akzeptanz. Andere Politiker positionierten sich als Gegner dessen und argumentierten mit abwertenden Aussagen sowie der Sorge um den Verfall von traditionellen Ehe- und Familienvorstellungen. (vgl. Röhling 2017; vgl. zeit.de 2017; vgl. Ley 2017; vgl. Stocker 2017). Wertschätzung erfuhren Regenbogenfamilien auch beispielsweise in der Neujahrsansprache des Bundespräsidenten (vgl. Kläser 2011b, S. 171). Im internationalen Vergleich der Anerkennung homosexueller Familien liegt Deutschland weit hinten (vgl. regenbogenfamilien-nrw). Siebzehn andere Staaten erkannten Regenbogenfamilien vor Deutschland rechtlich an (vgl. ebd.).

Ähnliche kontroverse Diskussionen spiegeln sich auch im gesellschaftlichen Kontext wieder. Dies kann exemplarisch an der Debatte um den Bildungsplan 2015 in Baden-Württemberg festgehalten werden (vgl. sueddeutsche.de 2014). Dort hatten „190.000 Menschen […] die Petition ‚Zukunft – Verantwortung – Lernen: kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens’ unterzeichnet“ (sueddeutsche.de 2014). Der Entwurf, den Bildungsplan um homosexuelle Lebensstile innerhalb des Unterrichtes als Zeichen der „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zu erweitern wurde daraufhin revidiert (vgl. Crolly 2015).

Diskussionsgegenstand aller Debatten sind die lebensweltlichen Aspekte der Regenbogenfamilie. Oftmals werden das Kindeswohl innerhalb dieses Familienmodells und die homosexuelle Elternschaft kritisch hinterfragt (vgl. Borchardt & Reinhold 2014, S. 23). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Menschen durch homosexuelle Lebensweisen und Familien jenseits der tradierten heterosexuellen Identität sowie der entsprechenden Lebensführung verunsichert sind (vgl. ebd.; vgl. Eder 2014, S. 20). „Wenn [Menschen] […] diese Sicherheit genommen wird, kann das dazu führen, dass sie sehr hartnäckig an starren Konzepten von Identität und den damit verbundenen Normen festhalten“ (vgl. Timmermanns 2013, S. 258). Die Folge dessen könnten diskriminierende, mit Vorurteilen und Stereotypen besetzte, Reaktionsweisen sein (vgl. ebd.). Diese Unsicherheit könnte mögliche Anknüpfungspunkte für die Soziale Arbeit begründen. So stellt sich die Frage, inwieweit auf diese Unsicherheit im Umgang mit Regenbogenfamilien durch die Soziale Arbeit eingegangen werden muss.

Mit dieser Thematik und im Speziellen mit der Fragestellung, wie die Soziale Arbeit Regenbogenfamilien im Kontext ihrer Lebenswelt unterstützen kann, beschäftigt sich die vorliegende Bachelorarbeit. Sie zeigt auf, welche Handlungsmöglichkeiten die Soziale Arbeit besitzt, von welchen Rahmenbedingungen sie abhängig ist und inwieweit auf die Lebenswelt von Regenbogenfamilien durch diese Aufgaben eingegangen wird und werden kann.

Speziell durch den dritten Artikel des Grundgesetzes und das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz lässt sich für die Soziale Arbeit die Aufgabenzuweisung herleiten, Menschen in ihrer sexuellen Orientierung und in ihrer Lebenswelt zu schützen, zu unterstützen sowie für sie gesellschaftlich einzustehen. Durch die Gesetzesänderung zur Ehe für alle, werden diese rechtlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Antidiskriminierung verstärkt in den Fokus rücken.

Trotz der starken Polarisierung und Reaktionen in der Gesellschaft sowie den rechtlichen Forderungen des allgemeinen Gleichstellungsgesetzes, findet die Regenbogenfamilie kaum Beachtung innerhalb verschiedener Lebens- und Arbeitsbereiche sowie im schulischen Kontext. Besonders in diesem fehlen derzeit praktische Handlungsmöglichkeiten, die das Thema der sexuellen und gleichgeschlechtlichen Lebensvielfalt behandeln. „Es treten Erfahrungslücken und -defizite im Umgang mit Menschen verschiedener sexueller und geschlechtlicher Identität zutage“ (Schmidt & Schondelmayer 2015, S. 10). Aufgrund der Unwissenheit vieler Menschen kann sich nur schwer ein positives und wertfreies Bild unabhängig von den tradierten gesellschaftlichen Wertvorstellungen der homosexuellen Lebensweise und schließlich der Regenbogenfamilien gebildet werden. Demnach ist es wichtig, die Lebenswelt der Regenbogenfamilien darzulegen und aufzuzeigen, durch welche Faktoren sie bedingt wird. So wird im Rahmen der Forschungsfrage hinterfragt, was die Lebenswelt homosexueller Familien ausmacht und inwiefern durch heterosexuelle Verhaltensnormen Einfluss auf sie ausgeübt wird.

Bedingt durch den Ausbau der Rechte zur Familiengründung homosexueller Paare werden voraussichtlich zukünftig mehr lesbische und schwule Paare ihrem Kinderwunsch nachgehen (vgl. Eggen 2010, S. 55; vgl. Wegener 2005, S. 60). Sie werden sich aktiver damit auseinandersetzen wollen und infolgedessen Beratungsstellen aufsuchen (vgl. ebd.).

Sowohl aufgrund des vermuteten zukünftigen Anstiegs an homosexueller Elternschaft, als auch durch die eingangs erwähnten starken Meinungsverschiedenheiten, welche unter anderem durch Unsicherheit im Umgang mit Regenbogenfamilien ihre Ursache haben, verfolgt diese Bachelorarbeit das Ziel, diese mangelnde Präsens der Lebenswelt der Regenbogenfamilien aufzunehmen. Die Arbeit dient der Anerkennungsorientierung von Regenbogenfamilien und ist an die Gesellschaft und (werdende) Fachkräfte gerichtet. Ziel der Bachelorarbeit ist es, nach der Darstellung der Lebenswelt von Regenbogenfamilien und der auf sie einwirkenden gesellschaftlichen Einflüssen im Zuge der Antidiskriminierung Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit aufzuzeigen. Durch die vorliegende Bachelorarbeit wird demnach diskriminierendes Verhalten dargelegt und Gründe hierfür skizziert werden. Darüber hinaus sollen Handlungsmöglichkeiten für die Soziale Arbeit abgeleitet werden. Infolge dessen sollen Handlungsmaßnahmen analysiert, begründet und anhand von Praxisbeispielen belegt werden.

Besonders für Fachkräfte der Sozialen Arbeit ist es eine unumgängliche Prämisse des professionellen Umgangs, sich im Zuge der Fallarbeit auf die Lebensform anderer Menschen einzulassen und unabhängig eigener tradierter und internalisierter Werte- und Normverständnisse zu handeln. „Da es in […] der Sozialen Arbeit oftmals darum geht, Menschen einzuschätzen und somit also um komplexe semantische Urteile über Personen, ist die Wahrscheinlichkeit der Aktivierung von Stereotypen“ groß (Roth & Steffens 2014, S. 26).

Nach der Einleitung, in der ein inhaltlicher Einstieg in das Thema sowie eine Erläuterung der Forschungsfrage gegeben wurde, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit dem Wandel des Familienbegriffes und dessen Bedeutung innerhalb der Gesellschaft. Schwerpunkt hierbei wird die Entstehung der Kernfamilie und deren Machtposition bilden. Daraus abgeleitet werden verschiedene definitorische Zugänge dargelegt, um den Familienbegriff (allgemeingültig) für diese Arbeit zu klären. Das dritte Kapitel behandelt die Regenbogenfamilie und ihre Vielfalt. Zum einen wird der Begriff als solches erklärt, zum anderen werden die unterschiedlichen Familienmodelle sowie die damit verbundenen Ursprünge der Elternschaft skizziert. Beide Kapitel bilden die Grundlage dieser Bachelorarbeit. Durch sie werden die unterschiedlichen Entstehungshintergründe sowie die gesellschaftlichen Positionen innerhalb der Anerkennungsorientierung verdeutlicht und dienen somit der späteren Bezugnahme. Das vierte Kapitel erläutert die Lebenswelt der Regenbogenfamilie. Die Zugänge zur Lebenswelt umfassen biographische Erfahrungen, wie exemplarisch das Coming-Out, sozial-gesellschaftliche Einflüsse, wie die Homophobie oder den Heterosexismus. Aus diesen sozial-gesellschaftlichen Einflüssen werden bestehende Verhaltensmuster verschiedener Teilgruppierungen der Gesellschaft erläutert. Aus den vielschichtigen Aspekten der Lebenswelt werden Thesen des Handlungsbedarfes der Sozialen Arbeit hergeleitet. Um die wissenschaftlich-theoretischen Ausführungen der Kapitel mit biographischen Erfahrungen untermauern zu können, wird der Bachelorarbeit im fünften Kapitel ein empirischer Teil in Form von sechs Interviews mit Familienmitgliedern aus Regenbogenfamilien hinzugefügt. Das vierte und fünfte Kapitel bilden die Grundlage für die Ausformulierung von Handlungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit. Innerhalb des sechsten Kapitels werden Gründe und Umsetzungsbeispiele dieser Aufgaben dargelegt und es wird auf die Interviews Bezug genommen. Die vorliegende Bachelorarbeit schließt im siebten Kapitel mit zentralen Erkenntnissen sowie Überlegungen ab und beantwortet schlussendlich die Forschungsfrage, inwieweit die Soziale Arbeit im Hinblick auf Antidiskriminierung und Akzeptanzförderung durch ihre Handlungsmöglichkeiten die Regenbogenfamilie und ihre Lebenswelt unterstützen kann.

2 Familie

Wie in der Einleitung beschrieben, ist Familie ein weitumfassendes Themengebiet und umschließt viele Aspekte des Lebens und der Gesellschaft. Um den Begriff der Familie von damals bis zum heutigen Zeitpunkt zu klären und ihre gesellschaftliche Machtposition wissenschaftlich herzuleiten, findet im Kapitel 2.1 die Auseinandersetzung mit dem Begriff der ‚Familie’ statt. Fokussiert wird die „westeuropäische Familienentwicklung […] auf den Übergang von der traditionalen Hausgemeinschaft der europäischen Neuzeit zur bürgerlichen Familie im 18. und 19. Jahrhundert“ (Funcke & Thorn 2010, S. 14 f.). In Kapitel 2.2 wird der Begriff der Familie aus verschiedenen Perspektiven analysiert. Im Zuge dessen werden allgemeingültige Kernelemente herausgearbeitet, die alle Familienmodelle berücksichtigen. Diese bilden das Allgemeinverständnis des Familienbegriffes für die vorliegende Arbeit.

2.1 Die Entstehung und der Wandel des Familienbegriffes

Der Begriff Familie kommt aus dem lateinischen „familia“ (duden.de) und entspringt dem Gedanken einer Kollektivbildung (vgl. duden.de). Bevor diese Vokabel im Laufe des 18. Jahrhunderts in der deutschen Sprache aufgenommen wurde, gab es die große Haushaltsfamilie (vgl. Marx 2011, S. 14; vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 16). Die familiäre Verbundenheit war nicht die Blutsverwandtschaft untereinander, sondern vielmehr der ökonomische Zusammenhalt (vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 16). So bestand die große Haushaltsfamilie, auch Sippe genannt, neben den Eltern mit Kind/ern auch aus ledigen Verwandten und nichtverwandten Arbeitskräften (vgl. ebd.).

Die Familie fand ihren sozialen Ursprung im Bürgertum, dass sich „jenseits der ständischen Gesellschaft als neue soziale Formation etablierte“ (ebd., S. 16). Grund dessen war, dass das Bürgertum sich weder auf eine etablierte gesellschaftliche Stellung durch adelige Geburt noch auf ererbten Wohlstand stützen konnte (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 16). Daraus vollzog sich eine ausgeprägte normative, institutionelle und soziale Abgrenzung gegenüber dem Adel (vgl. ebd., S. 16 ff.). Besonders die sozialen Normen wirkten sich auf die Familie aus (vgl. ebd.). „Die Produktion und Reproduktion […] [zerfielen] im Bürgertum in zwei getrennte Lebensbereiche, die jeweils der alleinigen Zuständigkeit eines Geschlechts zugeordnet […] [wurden]“ (Lenz & Böhnisch 1999, S. 17; vgl. Marx 2011, S. 19). So übernahm in bürgerlichen Familien der Mann die Erwerbsarbeit und die Frau den häuslichen sowie familialen Kontext (vgl. ebd.). Durch die Arbeitsaufteilung erfuhr die Frau starken Zuspruch im Kontext ihrer emotional-psychischen Interaktionen mit den Kindern und der einhergehenden Erziehung (vgl. ebd., S. 17 ff.). „Frauen werden von nun an wesentlich durch die Mutterschaft definiert“ (Lenz & Böhnisch 1999, S. 19). Im Zuge dessen wird die althergebrachte elterliche Distanz durch bewusste Kindererziehung abgelöst (vgl. ebd., S. 18). Aufgrund der Teilung der familiären Arbeitsgebiete „wird [die Familie] zum Inbegriff des Privaten und […] wird auf die Kernfamilie beschränkt“ (ebd., S. 17). So kommt es, dass sich die ökonomische Funktion des Haushaltes verändert, Angestellte als nicht-familiäre Personen deklariert werden und sich die Familie verkleinert (vgl. ebd.; vgl. Marx 2011, S. 15). Innerhalb der Kernfamilie nimmt die Partnerschaft der Eltern an Bedeutung zu (vgl. ebd., S. 15 f.). So erfährt die Emotionalität steigenden Zuspruch. Dies lässt sich vor allem an der Ehe erkennen (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 17 f.). Die Ehe bildet das Alleinstellungsmerkmal einer stabilen, durch Liebe geformten Elternschaft und dient als Absicht der Familiengründung (vgl. ebd.; vgl. Spory 2013, S. 163). Durch die stetige Etablierung der bürgerlichen Kernfamilie bildet sie „das unhinterfragte Leitbild […]; alle Fragen zum Thema Familie werden […] vor dem Hintergrund dieses Leitbildes diskutiert“ (Spory 2013, S. 163). Andere Lebensformen von Familien waren dementsprechend gesellschaftlich selten aktiv präsent und wurden oftmals nur stillschweigend gelebt (vgl. Beck-Gernsheim 2014, S. 15).

Im Jahr 1949 wurde die Kernfamilie, bestehend aus dem verheirateten heterosexuellen Ehepaar und ihren leiblichen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz verankert und steht seitdem unter dem besonderen Schutz des Staates (vgl. Marx 2011, S. 19; vgl. Funke & Thorn 2010, S. 11). Dieses Familienmodell besaß seinerzeit eine starke gesellschaftliche Anerkennung sowie Popularität und wurde aufgrund dessen „eines der wirkungsmächtigsten sozialen Ordnungsmodelle“ (Gestrich 2008 S. 79; vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 11; vgl. Beck-Gernsheim 2014, S. 15; vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 11). Dieses Lebensmodell wurde innerhalb der 1950er und 1960er Jahre von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt und bekam durch die zunehmende sozial-gesellschaftliche Dominanz die Bezeichnung der ‚Normalfamilie’ (vgl. ebd.; vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 28).

„Diese Normalfamilie bestand aus einem erwachsenen Paar mit leiblichen Kindern; die Erwachsenen waren selbstverständlich verschiedenen Geschlechts, also Mann und Frau; sie waren verheiratet und sie blieben dies auch bis zum Tod; und zwischen den beiden bestand eine Arbeitsteilung derart, dass der Mann erwerbstätig war, der „Ernährer“, dagegen die Frau für Heim und Familie die Verantwortung trug“ (Beck-Gernsheim 2014, S. 15).

Wie dem Zitat zu entnehmen, war die dargestellte Normalfamilie durch gesellschaftlich aufgebauten Sozialrollen gekennzeichnet (Marx, 2011, S. 19). Diese Rollen sind mit Erwartungen an Stellungen und Verhaltensweisen des jeweiligen Mitgliedes innerhalb der Familien als auch der Gesellschaft verbunden (vgl. ebd.). Bis Ende des 20. Jahrhunderts galt die Kernfamilie als das allgemeingültige Familienmodell (vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 17).

Durch das steigende Verwirklichen individueller Lebensentwürfe und dem Verlassen traditioneller Werte und Normen innerhalb des Familienmilieus kam es zu einer Auflösung der erklärten Rollenmuster und einer Entstrukturierung der Familie (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 56). Demzufolge konnte als Konsequenz die Reduzierung der angegebenen ‚Normalfamilie’ verzeichnet werden (vgl. Beck-Gernsheim 2014, S. 15 f.). Dieser Prozess spiegelt auch die „repräsentative Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik in Deutschland“ (destatis.de 2017) wieder. Der sogenannte ’Mikrozensus’ erfasst seit 1957 Daten zu Bevölkerungsstrukturen und deren wirtschaftliche und soziale Realität (vgl. ebd.). Aus ihm geht hervor, dass die Anzahl der Normalfamilien im Vergleich der Jahre 1996 bis 2015 um rund 2,1 Millionen gesunken ist (vgl. bmfsfj 2017). Zu verzeichnen ist zugleich ein Anstieg alternativer Familienformen neben dem klassischen Ehepaar mit Kind (vgl. bmfsfj 2017). Die Lebensgemeinschaften stiegen von 452.000 im Jahr 1996 auf 843.000 im Jahr 2015 (vgl. ebd.).

Marx versteht die Entstrukturierung der Familie nicht als einen „Bedeutungsverlust“ (2011, S. 26), sondern vielmehr als einen „Bedeutungswandel“ (ebd.). Durch diesen Wandel werden auf Grundlage tradierter Werte und Normen innerhalb von Institutionen und Lebensformen Individualisierungsprozesse vollzogen (vgl. Beck-Gernsheim 2014, S. 15). Dies lässt sich unter anderen an Sozialbeziehungen, dem Umgang mit dem Glauben und in Bindungen verzeichnen (vgl. ebd.). Diese Konstanten bestimmten die Menschen sehr ergiebig und nachhaltig (vgl. ebd.).

Durch den Individualisierungsprozess konnte auch in der Konstruktion der Elternschaft eine Weiterentwicklung insoweit verzeichnet werden, dass biologische Elternschaft nicht mit der sozialen Elternschaft einhergehen muss (vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 12 & 21). Die Monopolstellung der Kernfamilie verlor an Grundwert, sodass sich die Rahmenbedingungen dahin veränderten, dass sich neue „historische[e] Freiräume und Wahlmöglichkeiten [entwickeln]“ (Beck-Gernsheim 2014, S. 15; vgl. ebd., S. 15 f.). In dem Sinne kam es zu einer gleichmäßigeren Verteilung und einem aktiveren gesellschaftlichen Auftreten bereits vorhandener alternativer Familienformen (vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 20).

So lässt sich festhalten, dass sich der Begriff Familie an keiner „Entstehung, Zusammensetzung […], Funktion und subjektiver Bedeutung“ (Marx 2011, S. 24) definieren lässt (vgl. ebd.). In diesem Zusammenhang spricht Marx davon „dass konsequenterweise nur noch von Familien in Plural gesprochen werden könne“ (ebd., S. 35).

2.2 Definition

Bezugnehmend auf Lenz und Böhnisch (1999, S. 25) sowie das vorherige Kapitel, wird bei der Betrachtung des Familienbegriffs im Wandel sichtbar, dass die Familie als eine „nicht […] besondere […] historisch gebundene Form bezeichnet [wird].“ Um innerhalb der Diversität an Familienmodellen einen Konsens des Begriffes zu definieren, findet im Folgenden eine interdisziplinäre Darstellung des Familienbegriffes statt. Anschließend werden konstitutive Merkmale des Familienbegriffes definiert.

Gesetzlich wird die Familie international durch den Art. 16 Abs. 3 in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als „die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft“ (ebd.) angesehen. Des Weiteren verweist der Artikel darauf, dass die Familie durch den Staat sowie die Gesellschaft geschützt werden soll (vgl. ebd.). Dies wird zudem durch den Internationalen Pakt über das bürgerliche und politische Recht in Art. 23 des UN-Zivilpaketes deklariert (vgl. ebd.).

Innerhalb der Charta der Grundrechte der europäischen Union wird in Art. 9 des zweiten Kapitels das Recht ausgesprochen, dass eine Familie unter den staatlich dafür festgelegten Gesetzen gegründet werden kann (vgl. ebd.). Ebenso wird der Schutz der Familie in der Charta der Grundrechte unter Art. 33 Abs. 1 betont.

Hierzulande ist die gesetzliche Grundlage und somit der Schutz der Familie zuvörderst über den Art. 6 des Grundgesetzes gesichert: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Auch wird der Familie durch die §§ 16 – 21 „die Förderung der Erziehung in der Familie“ (ebd.) geregelt.

Systemisch betrachtet stellt die Familie ein selbstregulierendes und somit autonomes System dar, dass sich stetig in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt und deren Anforderungen befindet (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 57). Die aktive Auseinandersetzung der Familie mit der Umwelt wird als die „Selbstreferentialität“ (ebd.) bezeichnet. Die Fähigkeit des Hinterfragens, Annehmens und Integrierens umweltbedingter Forderungen ist systemtheoretisch sowohl auf die starke Verbundenheit sowie die hohe Emotionalität aller Mitgliederbeziehungen zurückzuführen (vgl. ebd.).

Die soziologische Betrachtungsweise stellt die familiäre Funktion im gesellschaftlichen Gefüge heraus (vgl. Marx 2011, S. 22). So bedingt sich die Familie mit den gesellschaftlichen Erwartungen der Reproduktion. Hinzukommend wird die Familie als Erziehungs- und Sozialisationsinstanz verstanden (vgl. ebd.). So lässt sich im soziologischen Kontext feststellen, „dass die Familie für die Mitglieder einer Gesellschaft ein in besonderer Weise prägendes und ordnendes Element darstellt“ (2009, S. 78).

Aufgrund der komplexen Zugänge zum Familienbegriffs mit unterschiedlichen „rechtlichen, gesellschaftlich-funktionalen, sozialen und subjektiv wahrgenommenen Familienvorstellungen“ (Marx 2011, S. 24), werden die eingangs erwähnten allgemeingültigen Kernelementen der Familie folgend zusammengefasst (vgl. Marx 2011, S. 24).

Die Entstehung einer Familie erfolgt in der Regel durch Realisierung eines Kinderwunsches (vgl. Marx 2011, S. 24). Gemäß Gerlach kann die Familie durch die Verbindung aus Erwachsenen und Kindern definiert werden (vgl. ebd. 2010, S. 70). Die Zuständigkeit des Aufziehens der Kinder obliegt in der Verantwortung der Eltern (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 35; vgl. Marx 2011, S. 41). Neben der Eltern-Kind-Beziehung wird oftmals der erweiterte Verwandtenkreis, durch Großeltern, Onkeln und Tanten etc. als Familie eingeschlossen (vgl. Marx 2011, S. 19). Aufgrund der Generationsunterschiede und dem Austausch an familiärer Beziehungen, kann davon ausgegangen werden, dass sich Familien „durch ein biographisch langfristigen Zusammenleben [mit] breit[em] Wissen voneinander [auszeichnen]“ (Lenz & Böhnisch 1999, S. 36). Daraus lassen sich das Kernelement der Generationsbeziehungen sowie die „genealogische Verbundenheit [herausstellen]“ (Marx 2011, S. 20; vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 28). Die Generationsbeziehungen können im Kontext biologisch begründeter Beziehungen und Heirat, aber auch durch die Wahlbeziehungen verstanden werden (vgl. Gerlach 2010, S. 70). Die angesprochene Wahl der Familie, wird im dritten Kapitel im Unterkapitel 3.1 näher erläutert.

Alle Familien haben die Gemeinsamkeit, dass sie sich voneinander unterscheiden. Dies lässt sich unter anderem an der Entstehung der Kinder, der Rollenverteilungen innerhalb der Familie, der Haushaltsform, sowie den sozialen und „biologisch-genetischen[n]“ (Marx 2011, S. 37) Familienbeziehungen untereinander herausstellen (vgl. ebd.). In den familiären Beziehungen, lässt sich wiederum die Gemeinsamkeit herausstellen, dass in allen Familien eine strukturelle Unkündbarkeit aller Famileinmitglieder besteht (vgl. Funke & Thorn 2010, S. 18). Demnach kann als Kernelement festgehalten werden, dass sich jede Familie durch familiengültige soziale und strukturelle Muster kennzeichnen lässt (vgl. ebd.; vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 54).

Des Weiteren besteht in allen Familien eine „affektive Solidarität“ (Funke & Thorn 2010, S. 18). Dies bedeutet, dass die Familie durch ein intensives Kooperation- und Solidaritätsgefüge aufgebaut ist, welches die definierten Gruppenmerkmale, „wie z.B. gemeinsames Ziel, begrenzte Zahl, Struktur, Wir-Gefühl“ (Nave-Herz 2012, S. 15) überschreitet (vgl. ebd.). Dies wird ersichtlich, in dem davon ausgegangen wird, dass die Familie von Menschen als Ort der Sicherheit, des Rückhaltes, der Zugehörigkeit und der Unterstützung angesehen wird (vgl. Marx 2011, S. 20; vgl. Nay 2017, S. 32). Jedes Familienmitglied steht im Spannungsverhältnis mit seinen individuellen Gefühlen und der Dynamik der Familie (vgl. Lenz & Böhnisch 1999, S. 56). „Familie wird so als offener Verständigungsraum, basierend auf einer Grundwelt des Gemeinsamen […], gesehen.“ (ebd.). Dieses Gemeinsame befindet sich im Sinne des sozialkonstruktivistischen Ansatzes durch einen gesellschaftlichen und familiären Wandel in stetigen Veränderungsprozessen (vgl. Schier & Jurczyk 2007). Daraus lässt sich das Kernelement „Familie als Herstellungsleistung“ (Jurczyk 2014, S. 50) und somit als „doing family [deklarieren]“ (Schier & Jurczyk 2007; vgl. Jurczyk 2014, S. 50).

3 Regenbogenfamilien

Die Regenbogenfamilien werden als ein Teil der sogenannten alternativen Familienformen angesehen (vgl. Rauchfleisch 1997, S. 41 f.; vgl. Marx 2011, S. 24). „Alternative Familienformen (…) transzendieren die historisch bedeutsamen uni-lokalen Mehrgenerationenfamilien ebenso wie die traditionellen Verwandtschaftssysteme“ (Marx 2011, S. 24). Besonders in gleichgeschlechtlichen Familien werden diese bürgerlichen Familienstrukturen aufgelöst (vgl. Funcke & Thorn 2010, S. 13). So gibt Peuckert an, dass „keine andere Lebensform […] vermutlich solch heftige Emotionen und ideologisch begründete Diskussionen aus[löst] wie Regenbogenfamilien“ (2012, S. 584). Verstärkt wird dies zusätzlich aufgrund der Tatsache, dass Regenbogenfamilien kein homogenes Familienmodell darstellen und sich oftmals in Entstehung, Zusammensetzung, Rollenstrukturen sowie sozialer Vernetzung unterscheiden (vgl. Marx 2011, S. 226). Aufgrund dessen, werden nach der Definition der Regenbogenfamilie die Vielfalt und die Formen der homosexuellen Elternschaft erläutert.

3.1 Definition

Als Regenbogenfamilie wird das Familienmodell bezeichnet, in dem sich mindestens eine Person innerhalb der Elterngeneration als homosexuell definiert (vgl. Jansen & Steffens 2006, S. 644; vgl. Gerlach 2010, S. 18). Der Definitionsursprung entstammt aus der schwul-lesbischen Szene und nimmt durch das Symbol des Regenbogens Bezug auf die „Emanzipationsbewegung der Homosexuellen“ (Körner 2015, S. 111). Der Regenbogen und die dazugehörige Flagge wurden von dem amerikanischen Künstler Gilbert Baker im Jahr 1978 entworfen und stehen seitdem als weltweites anerkanntes Symbol für den stolzen Schwulen und die stolze Lesbe (vgl. ebd.). Demnach symbolisiert der Regenbogen innerhalb der Familie die Vielfalt der homosexuellen Familienmodelle (vgl. Körner 2015, S. 111). Obwohl das Wort ‚Regenbogenfamilie’ in die 25. Auflage des Dudens im Jahr 2009 aufgenommen wurde, ist die Definition bis dato in Teilen der Gesellschaft noch nicht etabliert (vgl. duden.de; vgl. Kläser 2011b, S. 172).

Laut des Familienreports 2017, der sich auf das statistische Bundesamt und somit den eingangs genannten Mikrozensus bezieht, lebten im Jahr 2015 rund 7.000 Kinder in Haushalten von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften (vgl. bmfsfj 2017). Komparatistisch betrachtet muss es sich jedoch nur um die Anzahl von Regenbogenfamilien handeln, die aktiv und wahrheitsgetreu an der bundesweiten Erhebung teilgenommen haben (vgl. Peuckert 2012, S. 584). Demnach wird mit einem höheren Aufkommen an Regenbogenfamilien in Deutschland gerechnet (vgl. ebd.; vgl. Nave-Herz 2012, S. 114; vgl. Gerlach 2010, S. 19). Wissenschaftlich wird diese These aus dem Aspekten hergeleitet, dass erstens nicht alle teilnehmenden Menschen ihre gleichgeschlechtliche Orientierung ofenbarten, sowie zweitens die Kategorie der alleinerziehenden homosexuellen Elternteile fehlte (vgl. Peuckert 2012, S. 578 & 584).

Eine Regenbogenfamilie erstreckt sich, neben der Bluts- und biologischen Verwandtschaft, oftmals über eine Wahlfamilie (vgl. Gerlach 2010, S. 70). Wie unter 2.2 erwähnt, können auch Wahlfamilien zu Generationsbeziehungen führen. Eine Wahlfamilie besteht meist aus anderen homosexuellen älteren Menschen, welche aufgrund von Erfahrungen der lesbischen Frau und dem schwulen Mann elterlicher Art Rückhalt, Orientierung sowie sicheren Halt bieten. Durch die gemeinsame Homosexualität fühlt sich ein jedes Mitglied in seiner sexuellen Orientierung vollkommen verstanden. Besonders für Lesben und Schwule ist es oftmals sehr wichtig, sich ein sozial-emotionales Netzwerk an familiären gleichwertigen Beziehungen außerhalb der biologischen Familie, aufzubauen (vgl. ebd.). Oftmals sind Wahlfamilien auch die Folge mangelnder Akzeptanz oder Ausschluss aus der Blutsverwandtschaft (vgl. Nay 2017, S. 33).

3.2 Forschungsergebnisse

In Hinblick auf die Erforschung familialer Strukturen stellt die Lebenswelt von Regenbogenfamilien in der empirischen Forschung innerhalb Deutschlands kein zentrales Thema dar (vgl. Rupp & Dürnberger, 2010, S. 61; vgl. Schmauch 2008, S. 290 f.). „Nicht nur die statistischen Daten über die Lebensform sind ungenau, auch der empirische Forschungsstand, abgesehen von psychologischen Forschungsergebnissen, ist mehr als mager“ (Nave-Herz 2012, S. 115; vgl. Schmauch 2008, S. 290 f.). Die Erhebungen weisen zwar für sich eine Kohärenz auf, jedoch wird bezüglich der „Repräsentativität und Qualität“ (Wapler 2010, S. 130) Kritik geübt. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass viele Forschungsergebnisse durch zu kleine und zu selektiv gestellte Fragestellungen sowie die Wahl der Erhebungsmethode keine gültige Vergleichbarkeit aufweisen (vgl. ebd.). Aufgrund dessen kann in Deutschland nur partiell auf empirische Ergebnisse und (Längsschnitt-)Studien über Regenbogenfamilien zurückgegriffen werden (vgl. Kläser 2011b, S. 173). Deshalb wurden jahrelang nur auf Erhebungsdaten aus anglo-amerikanischen Ländern zu Grunde gelegt (vgl. Körner 2015, S. 115).

Die Studien von Carapacchio (2009) und Kläser (2010) konnten Aspekte homosexueller Paare sowie gleichgeschlechtlicher Elternschaft partiell empirisch erheben und werden folgend beschrieben. Ebenfalls lieferten Funcke und Thorn (2010) Erkenntnisse über die Lebenswelt von Regenbogenfamilien. Die empirischen Resultate von Funcke und Thorn finden innerhalb der Kapitel dieser Arbeit Bezug.

Carapacchio (2009) widmete sich in ihrer Studie den Kindern aus Regenbogenfamilien (vgl. ebd. 2009, S. 11). Sie verfolgte die Frage, inwieweit Kinder homosexueller Eltern im Vergleich zu Kindern in heterosexuellen Familien diskriminiert werden (vgl. ebd.). Um diesen Vergleich vollziehen zu können, erhob sie mittels standardisierter Befragung Datensätze von jeweils 46 Jugendlichen und einem homosexuellen Elternteil beziehungsweise von 46 Jugendlichen mit der Mutter (vgl. ebd., S. 5). Aufgrund der anschließenden Codierung der Antworten, zeigte die Studie, dass sich weniger als die Hälfte der homosexuellen Jugendlichen diskriminiert fühlten. Belegt wurde im Zuge dessen, dass sich Jugendliche oftmals solidarisch ihren Eltern gegenüber im Hinblick auf „gesellschaftliche[…] Vorbehalte und negative[…] Erfahrungen“ (ebd.) zeigten. Im Kontext der oben ausgeführten Kritik, kam Carapacchio innerhalb ihrer Studie selbst zu dem Ergebnis, dass es noch weiterer empirischer Untersuchungen bedarf, um sich einen Überblick über die „Grundgesamtheit der Regenbogenfamilien in Deutschland“ (ebd., S. 191) zu verschaffen. Diese Annahme führte sie auf ihre begrenzte Teilnehmerzahl der Befragung zurück (vgl. ebd.). Des Weiteren schlussfolgerte sie eine mögliche Verzerrung der Ergebnisse durch die unterschiedlichen Erhebungsverfahren des Interviews und des Fragebogens (vgl. ebd., S. 192).

Kläser (2010) untersuchte durch die multidisziplinäre Betrachtung von Regenbogenfamilien die Kindererziehung von homosexuellen Eltern (vgl. ebd. S. 6 f.). Er stützte sich auf quantitative Fragebögen und eine qualitative Interviewstudie mit insgesamt 192 Versuchspersonen (vgl. ebd., S. 293). Er betonte in seiner Studie, dass „Regenbogenfamilien nicht zwingend Besonderheiten aufweisen müssen. […] Regenbogenfamilien [seien] genauso gewöhnlich bzw. besonders wie andere Familien“ (ebd., S. 293). Zudem zeigte er in seiner Studie gesellschaftliche Kontroversen auf und definierte die Regenbogenfamilie als Minderheit „in einer Gesellschaft mit zumeist heterosexistisch geprägten Weltbild“ (ebd., S. 294). Letztlich positionierte Kläser sich, in dem er angab, dass erst durch eine rechtliche Gleichbehandlung Akzeptanz geschaffen werden könne (vgl. ebd., S. 294).

Des Weiteren fand im Jahr 2010 im Rahmen eines Projektes namens „‚AHEAD’ (‚Against Homophobie. European local Administration Devices’)“ (Frohn et al. 2011, S. 2) eine kommunale Studie „Wir sind Eltern! Eine Studie zur Lebenssituation von Kölner Regenbogenfamilien“ (ebd.) statt. Zielsetzung des Kooperationsprojektes zwischen Beratungsstellen Kölns, dem Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands sowie einem wissenschaftlichen Team, war es, fehlende Daten dieser Lebensform auf kommunaler Ebene zu erheben sowie analytisch Konsequenzen für die Kölner Familienpolitik aufzudecken und zu evaluieren (vgl. ebd., S. 4). Mittels Online-Fragebogen und Interviews konnte die Lebenswelt Kölner Regenbogenfamilien erschlossen werden. Schlussfolgernd daraus kamen die Autoren zu dem Ergebnis, dass sich seinerzeit Regenbogenfamilien in Köln wohlfühlten. Darüber hinaus wurden Wünsche der Familien erhoben (vgl. ebd.). Ein zentraler Wunsch der Familien war die „Sensibilisierung und Qualifizierung von Fachkräften […] der pädagogischen Arbeit“ (ebd. S. 55).

Die drei vorgestellten Studien verschaffen multidimensionale Einblicke in die Familienform der Regenbogenfamilie. Sie stellen aufgrund der Stichproben an Erhebungsdaten jedoch keine repräsentative Untersuchung dar und geraten demnach in die eingangs beschriebene Kritik (vgl. ebd.; vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 281).

Anders ist hingegen die Querschnittsstudie „Die Lebenssituation von Kindern in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften“ von Rupp aus dem Jahr 2009 zu betrachten (vgl. ebd., S. 281).

„Die Studie wurde im Auftrag des Bundesjustizministeriums (BMJ) vom Bayrischen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg […] durchgeführt und ergänzt durch eine psychologische Kinderstudie vom Bayrischen Staatsinstitut für Frühpädagogik in München […]“ (Jansen 2009).

Die Studie wurde im Zeitraum von 2007 ist 2008 durchgeführt (vgl. ebd.). Da in dieser Zeitspanne zu verschiedenen Zeitpunkten im gleichen Kontext Informationen mit denselben Probanden erhoben wurden, stellt die Studie von Rupp eine Längsschnittuntersuchung dar (vgl. Wübbenhorst o.J; vgl. Jansen 2009). Demnach ist sie die erste repräsentative wissenschaftliche Studie über Regenbogenfamilien in Deutschland (vgl. Jansen 2009). Im Vergleich zu den anderen Studien stützten sich Rupp und ihre Mitarbeiter/innen auf eine umfangreiche Datenbasis, bestehend aus unterschiedlichen methodischen Erhebungseinheiten (vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 282).

Grundlegend für die Studien waren „telefonische Befragung[en] von 1.059 Eltern bzw. deren Partner(inne)n in Regenbogenfamilien“ (Rupp & Bergold 2009, S. 282). Zur Vertiefung dienten zusätzliche lebensweltbezogene Erhebungsdaten aus einer weiteren Zusatzstudie, in der 28 Eltern aus unterschiedlichen Familienkonstellationen befragt wurden (vgl. ebd.). Aus den Befunden beider Erhebungen folgte mit Hilfe von „29 Expert(inn)en zur rechtlichen und sozialen Situation der Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ (ebd., S. 283) ein Vergleich zwischen den Familienkonstellationen mit oder ohne eingetragene Lebenspartnerschaft (vgl. ebd.). Die Studie verdeutlichte, dass „knapp die Hälfte [47 %] der befragten Eltern bzw. Partner(innen)“ (Rupp & Bergold 2009, S. 269) aufgrund ihrer homosexuellen Elternschaft Ablehnung erfahren haben (vgl. ebd.). Daraus schlussfolgerte Rupp, dass „gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Kindern […] nach wie vor nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen eine völlige Akzeptanz entgegengebracht [werde]“ (Rupp und Bergold 2009, S. 296). Parallel dazu fand eine weitere Untersuchung zur kindlichen Entwicklung statt (vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 282). In dieser Teilstudie wurden „insgesamt 119 Kinder, die mindestens 10 Jahre alt waren, […] mit einem eigenen persönlichen Interview in die Studie aufgenommen“ (ebd., S. 282 f.). Unter den teilnehmenden Kindern, lebten seinerzeit 95 Kinder in Regenbogenfamilien. Zentraler Fokus war das Kindeswohl innerhalb gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften (vgl. ebd.). Ergebnisse daraus werden in Kapitel 4.3 vertieft. Schlussfolgernd stellten Rupp und Bergold Ansatzpunkte zur Veränderung in der Praxis im Umgang mit Regenbogenfamilien vor (vgl. 2009, S. 311). Zum einen hinterfragen sie kritisch die pädagogische Arbeit mit Trennungskindern, unabhängig von der Familienform. Zum anderen betonen sie, dass aktiv am Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung gearbeitet werden muss, um Kindern in Regenbogenfamilien durch etwaige Assoziationen nicht zu benachteiligen (vgl. ebd.).

3.3 Die eingetragene Lebenspartnerschaft und Stiefkindadoption

Folgend findet, grundlegend für die anschließenden Kapitel, sowohl eine Definition der eigetragenen Lebenspartnerschaft als auch der Stiefkindadoption statt.

„Am 01.08.2001 trat in Deutschland das ‚Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft’ (Lebenspartnerschaftsgesetz – LpartG) in Kraft“ (Steinbeck & Kastrike 2014, S. 20). Ziel des Lebenspartnerschaftsgesetzes war es, homosexuellen Paaren rechtliche Rahmenbedingungen für ihre Beziehung zu ermöglichen (vgl. ebd.). Neben der Verpflichtung zum gegenseitigen Unterhalt (vgl. § 5 LPartG), wurden, außer bei bestehendem Lebenspartnerschaftsvertrag (vgl. § 7 LPartG), erbrechtliche Gesichtspunkte (vgl. § 10 LPartG) geregelt. Im Zuge der Überarbeitung und dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes im Jahr 2005, war es homosexuellen Paaren gestattet, sich zu verloben und einen gemeinsamen Nachnamen anzunehmen (vgl. Gerlach 2010, S. 117; vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 20 f.). Im Zuge dessen wurde homosexuellen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Recht zugesprochen, das Kind des leiblichen Elternteils mit Hilfe der Stiefkindadoption zu adoptieren (vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 21). Durch die Stiefkindadoption, die im Anhang näher erklärt wird, ist der/die Lebenspartner/-in, gem. § 9 Abs. 7 LPartG, „gleichberechtigtes, gesetzliches Elternteil des Kindes“ (ebd. 2014, S. 21). Diese Adoption kann nur vollzogen werden, wenn das andere biologische Elternteil die Zustimmung zur Stiefkindadoption gibt und somit von den Rechten wie der Sorge- und Unterhaltspflicht als auch dem Erbrecht abtritt (vgl. lsvd.de; vgl. Lähnemann o.J.; vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 21). „Somit erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu dem abgebenden leiblichen Elternteil“ (Wapler 2010, S. 119). Ist bzw. wird bei einem lesbischen Paar der biologische Vater des Kindes bekannt, muss dieser zunächst seine Zustimmung zur benannten Adoption erbringen, um der Lebenspartnerin das gleichberechtigte gesetzliche Elternrecht zu ermöglichen (vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 21). Unverständlicher gestaltet sich die Adoption eines Kindes in schwulen Lebensgemeinschaften (vgl. ebd.). Diese und andere Schwierigkeiten, die rechtliche Rahmenbedingungen auf Regenbogenfamilien ausüben, werden in Kapitel 4.4 erläutert.

Bis zur Bewilligung der Stiefkindadoption, hat der/die Partner/-in das Recht, „im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes [erhalten]“ (§ 9 Abs 2 LPartG; vgl. lsvd.de; vgl. Lähnemann o.J.). Ihr/Ihm wurde durch das sogenannte ’kleine Sorgerecht‘, sowohl das Recht der Mitentscheidung als auch der Entscheidung in Vertretung zugesprochen (vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 14). Dies erfolgt unter Berücksichtigung des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB, der vorgibt, nur in den Situationen Verantwortung zu übernehmen, die vermehrt aufkommen und die „keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben“ (ebd.). Aufgrund der Gesetzeserweiterung im Jahr 2013, ist es Lebenspartnern/-innen erlaubt, das durch den/die Lebenspartner/-in bereits adoptierte Kind, im Zuge einer Sukzessivadoption, anzunehmen (vgl. bundestag.de).

Gesellschaftlich wurde durch die Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ein öffentlicher Prozess der Toleranz und Akzeptanzannäherung von homosexuellen Partnerschaften vollzogen (vgl. Kläser 2011b, S. 177).

3.4 Die Vielfalt der Elternschaft

Eltern zu werden umfasst eine radikale Veränderung des eigenen Lebens (vgl. Gerlach 2010, S. 26). Dies ist bei heterosexuellen und bei homosexuellen Paaren gleich (vgl. ebd.). Jedoch stehen homosexuelle Paare vor anderen Fragen (vgl. Rupp & Dürnberger 2010, S.64). Zentrale Frage ist „die Art und Weise der Realisierung des Kinderwunsches“ (ebd.). Dies äußert sich einerseits in der Planung der gewünschten konstitutiven Familienkonstellation, andererseits in der Kinderentstehung (vgl. ebd.; vgl. Thorn 2010, S. 380; vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 14). Diese Vielfältigkeit der Familienmodelle einer Regenbogenfamilie wird folgend dargelegt.

3.4.1 Das gleichgeschlechtliches Paar mit Kind/ern aus heterosexueller Vergangenheit

Das Familienmodell der gleichgeschlechtlichen Elternschaft mit Kind/ern aus einer heterosexuellen Vergangenheit bildet derzeit die größte Gruppe an Regenbogenfamilien (vgl. Jansen 2014, S. 9; vgl. Wegener 2005, S. 57). Dies hat unter anderem den Grund, dass viele Menschen nicht direkt zu ihrer Homosexualität stehen beziehungsweise es gegebenenfalls erst später realisieren (vgl. Jansen 2014, S. 9). Mehrfach kommt es zu einer Verdrängung der eigenen sexuellen Orientierung, sodass viele Menschen sich zunächst ein heterosexuelles Leben mit Partner/-in, Ehe und Kind/ern aufbauen (vgl. ebd.). Rahmenbedingungen des Verhalten werden in Kapitel 4.1, ‚das Coming-Out’, vertieft.

Bei homosexuellen Paaren mit Kind/ern aus heterosexueller Beziehung, können unterschiedliche familiäre Konstellationen aufkommen (vgl. Gerlach 2010, S. 76 f.). Bezugnehmend zur Fragestellung dieser Bachelorarbeit könnten diese Konstellationen und die miteinhergehenden unterschiedlichen Rechte der Elternteile Einfluss auf die Einzelfallhilfe des Sozialarbeiters üben (vgl. ebd.). Zu berücksichtigen ist, wer das Sorgerecht für das Kind besitzt (vgl. Steinbeck & Kastirke 2014, S. 26). Lebt das homosexuelle Paar in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft könnte es sein, dass der/die Lebenspartner/-in das Kind des/der Partners/-in durch die Stiefkindadoption angenommen hat (vgl. ebd.). Ist dies nicht der Fall, ist es wahrscheinlich, dass beide leiblichen Eltern das Sorgerecht besitzen (vgl. ebd.). Auch kommt es vor, dass in einer einvernehmlichen Klärung, das alleinige Sorgerecht an ein biologisches Elternteil überschrieben wird (vgl. Jansen 2014, S. 17). Gemäß § 1671 Abs. 1 BGB, könnte dies auch erfolgen, wenn das Kindeswohl gefährdet sein sollte. „Die homosexuelle Orientierung eines Elternteils ist kein Grund, die elterliche Sorge zu entziehen“ (ebd. 2014, S. 17).

Das Outing vor der Ursprungsfamilie und dem Umfeld ist mit einigen Auseinandersetzungen und Konflikten unterschiedlicher Perspektiven behaftet (vgl. Jansen 2014, S. 18). „Es markiert gleichzeitig […] das Ende des vertrauten (heterosexuellen) Lebens und den Beginn eines vollkommenen (homosexuellen) Neulandes“ (ebd. 2014, S. 17). Zunächst wohnen diesem Prozess Ängste inne (vgl. ebd., S. 16). Väter, die sich als schwul outen, hegen Ängste, dass sie weniger in der Erziehung beteiligt werden und dass ihnen der Kontakt zu ihren Kindern verwehrt wird (vgl. ebd.). Betrachtet man die Statistiken dazu, könnten die Sorgen berechtigt sein. Aus dem Datenreport 2016 des statistisches Bundesamtes, geht hervor, dass im Jahr 2014 90% aller Fälle die Mutter das alleinerziehende Elternteil war (vgl. Krack-Roberg et al. 2016, S. 47). Wegener stellt die Vermutung auf, dass es aufgrund der tradierten, eingangs besprochenen, sozialen Rollen „zu dieser „gesellschaftsspezifisch differenten sozialen Prax[is] [kommt]“ (Wegener 2005, S. 56). Im Kontext der aufgezeigten Rollen, befürchten lesbische Mütter, dass sie durch die Trennung ihres Ehemannes heterosexuelle männliche Privilegien verlieren (vgl. Jansen 2014, S. 16). Das geoutete Elternteil wiederrum muss sich eine neue (homosexuelle) Selbstakzeptanz aufbauen, welche durch „soziale Diskriminierung […][,] unvertraute Beziehungsstrukturen und –dynamiken, Verhaltenskodexe und Rollendefinition“ (ebd., S. 17) tangiert und ggf. erschwert wird (vgl. ebd.).

Ein weiterer aufkommender Konflikt des Outings eines Elternteils ist, dass das Kind das Coming-Out des homosexuellen Elternteils und die Auflösung seines bestehenden Familienmodells miterlebt (vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 23). Infolgedessen bezeichnet Jansen (2014, S. 24) diese Krise als einen „Stressfaktor.“ Sie setzt den Stressfaktor in unterschiedliche Altersstufen des Kindes und zieht daraus förderliche oder erschwerende Reaktionsweisen (vgl. ebd., S. 25). Förderliche Bewältigungsstrategien, so Jansen, zeigen sich in dem Kindesalter bis zu zwei Jahren, da das Kind mit der neuen Identität des Elternteils aufwächst und primär den Beziehungsaufbau zu Menschen fokussiert (vgl. ebd.). Ebenso wird davon ausgegangen, dass Kinder nach der Vollendung der Adoleszenz in der Lage sind, die Entwicklung des Elternteils so zu reflektieren, dass sie positiv aus dem inneren Konflikt gehen können (vgl. Jansen 2014, S. 25). Für Jugendliche jedoch besteht der meiste Stress (vgl. ebd.). Ihr Übergangsprozess in die Lebensphase der Jugend ist bedingt durch eine „produktive Realitätsverarbeitung“ (Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 5). Sie werden in dieser Persönlichkeitsentwicklung durch differenzierte Entwicklungsaufgaben getrieben, welche den zunehmenden Charakter der Ablösung von Eltern und Aufbau eines eigenständigen Lebens, im besonderen Maße beeinflusst durch die Peer-Group, aufweisen (ebd., S. 26 f.; vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 308). Innerhalb dieser Gruppe aus Gleichaltrigen grenzen sie sich durch „gruppenspezifische Codes […] ab und entwickeln in ihren alltäglichen Lebensbereichen relativ eigenständige Wert- und Normenstrukturen sowie eigene Normalitätsstandards“ (Ferchhoff 2010, S. 10; zit. nach Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 175). Das Outing eines Elternteils bedeutet für viele Jugendliche ein Herausstechen aus der angegebenen Normstruktur und die damit verbundene Sorge umd den möglichen Verlust der Peer-Group (vgl. Jansen 2014, S. 25; vgl. Hurrelmann & Quenzel 2013, S. 59). Aus dieser Angst heraus bauen viele Jugendliche zunächst Aggressionen gegenüber dem homosexuellen Elternteil auf (vgl. Jansen 2014, S. 25). Carapacchio kam in diesem Kontext in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass sich viele Jugendliche innerhalb der Peer-Group aufgrund der Homosexualität des Elternteils nicht integriert fühlen (vgl. ebd., S. 184 f.).

„Letztendlich wird das ‚Familienklima’ darüber entscheiden, wie die Auseinandersetzung mit dieser fundamentalen Veränderung im Leben einer Familie verläuft“ (Jansen 2014, S. 25). Demnach bildet das in Kapitel 2.2 beschriebene Kernelement des Solidaritätsgefüges eine wesentliche Ressource den Prozess zu meistern (vgl. ebd., vgl. Jurczyk 2014, S. 50).

3.4.2 Die lesbische Regenbogenfamilie durch Insemination

Lesbische Paare können im Zuge einer Insemination eine Familie gründen (vgl. Herrmann-Green & Herrmann-Green 2010, S. 257 ff.). Jansen gibt an, dass sich „50% der Beratungsinhalte zur Familienplanung im Projekt Regenbogenfamilien auf die Form der Familienrealisation [konzentrieren]“ (2014, S. 38). Das hohe Aufkommen der Inseminationen spiegeln die Erhebungsdaten der Querschnittsstudie des Bundesjustizministeriums wieder (vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 284). Diese verzeichnet, dass ca. jedes zweite Kind in eine lesbische Partnerschaft hineingeboren wird (vgl. ebd.).

Als eine Insemination wird die künstliche Samenübertragung verstanden (vgl. Rütz 2008, S. 5). Unterschieden wird in die homologe und heterogene Insemination (vgl. ebd.). Da eine homologe Insemination immer durch den Samen des Partners vollzogen wird, kommt bei lesbischen Paaren ausschließlich die heterogene Insemination in Betracht (vgl. ebd., S. 5 ff.). Unter einer heterogenen Insemination, versteht man die künstliche Befruchtung durch einen Samenspender, welcher nicht der eigene Partner ist (vgl. ebd. S. 7). Demnach handelt es sich „bei dem Samenspender um einen Dritten, der weder verheiratet noch in einer festen partnerschaftlichen Beziehung mit der werdenden Mutter steht“ (Jansen 2014, S. 39). Eine heterogene, auch donogene Insemination genannt, kann zum einen durch in- und ausländische Samenbanken, Reprozentren, in klinischen Praxen oder privat zu Hause erfolgen (vgl. Herrmann-Green & Herrmann-Green 2010, S. 259). Innerhalb ärztlicher Betreuung findet die Insemination durch die intrauterine Methode, dem Einspülen des aufbereiteten Samens in die Gebärmutter, statt (vgl. Jansen 2014, S. 55). Die Eigeninsemination zu Hause erfolgt durch die intracervikale Methode, bei der durch den Einsatz einer Einwegspritze der Samen vor den Muttermund gebracht wird (vgl. ebd.).

Zuvörderst stellt somit sowohl die Frage nach dem Spender als auch nach dessen Maß der Beteiligung am Familienleben ein zentrales Thema lesbischer Paare mit Kinderwunsch dar (vgl. Gerlach 2010, S. 72; vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 26). Ist eine familiale Partizipation gewünscht, könnte dies Züge einer Queerfamily darstellen. Diese Familienform wird in Kapitel 3.4.3 beschrieben. In dieser Variante würde der Spender als Bekannter oder Freund der Familie in Betracht kommen (vgl. Jansen 2014, S. 38 f.). Auch kann eine Spende durch Samenbanken oder Reprozentren anonym erfolgen (vgl. Steinbeck & Kastrike 2014, S. 26). Innerhalb dieser Organisationen wird in „No- und Yes-Spender[…]“ (ebd.) unterschieden. Bei einer No-Spende wird die Rekonstruierung des Spenders verhindert, sodass der biologische Vater des Kindes anonym bleibt (vgl. Herrmann-Green & Herrmann-Green 2010, S. 259). Yes-Spender bilden die Mehrheit einer Samenbank oder Reprozentren (vgl. ebd.; vgl. Janssen 2014, S. 53). Sie unterschreiben eine Einverständniserklärung, dass die gezeugten Kinder bei Volljährigkeit und Wunsch ihre Identität als biologischen Vaters erfahren können (vgl. ebd.; vgl. Körner 2015, S. 114).

Herrmann-Green und Herrmann-Green definieren die Insemination einer lesbischen Frau als einen belastenden Prozess, der sie aufgrund dieser Familienform zu einer Minderheit deklariert (2010, S. 257). Dies könnte auf die gemachten Unterschiede der assistierten Reproduktion bei lesbischen Paaren im Vergleich zu heterosexuellen Paaren zurückzuführen zu sein (vgl. Wapler 2010, S. 118). Zu verzeichnen ist, dass in Deutschland ausschließlich verheiratete Frauen einen garantierten Anspruch auf Dienstleitungen der Samenbanken besitzen (vgl. Jansen 2014, S. 39). Da, wie in Kapitel 4.4 näher beschrieben wird, die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht mit einer heterosexuellen Ehe gleichgesetzt wird, sind diese Zugänge lesbischen Paaren verwehrt (vgl. ebd.). Die gleiche Marginalisierung aufgrund des Nicht-Anerkennens wird im Zuge der gesetzlichen Krankenkassen und der Bezuschussung von Inseminationen sichtbar (vgl. ebd.).

Grundlegend beeinflussend für diese Situation ist die statusrechtliche “(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ (Bundesärztekammer 2006, S. 1392) der Bundesärztekammer. Sie gibt an, dass die Mithilfe einer Insemination im Sinne des Kindeswohls nur bei Ehepaaren angewandt werden sollte (vgl. Bundesärztekammer 2006, S. 1395). Des Weiteren wird festgehalten, dass „bei nicht verheirateten Paaren […] einer heterologen Insemination mit besonderer Zurückhaltung zu begegnen sei“ (ebd.). Aus den Voraussetzungen wird ersichtlich, dass die heterosexuelle Ehe als einzige akzeptable Option einer Reproduktion anerkannt wird und mutmaßlich nur diese Konstellation das Kindeswohl geschützt wird (vgl. Wapler 2010, S. 117 f.). Dies folgt der Konsequenz, dass „eine heterologe Insemination zurzeit bei Frauen ausgeschlossen [ist], die in keiner Partnerschaft oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben“ (Bundesärztekammer 2006, S. 1400). Diese allgemeinen Zulassungsbedingungen gelten als Muster-Richtlinien und verstehen sich als nicht verbindlich (vgl. Jansen 2014, S. 40). Demnach besteht kein Verbot, eine assistierte Reproduktion einer lesbischen Frau in einer Partnerschaft durchzuführen (vgl. ebd.). Somit sind lesbische Paare hierzulande „auf den guten Willen der Samenbanken und Reprozentren angewiesen“ (ebd. 2014, S. 40). Aufgrund dieser Hürde entscheiden sich viele lesbische Paare dazu, auf ausländische Samenbanken zurückzugreifen (vgl. ebd., S. 54). Dort ist es oftmals irrelevant, in welcher Familien- oder Paarkonstellation die Frau mit Kinderwunsch steht (vgl. ebd. S. 55).

Erfolgte die Insemination, kann die Co-Mutter nur im Zuge einer Stiefkindadoption zum zweiten rechtlichen Elternteil werden (vgl. Steinbeck & Kastirke 2014, S. 26). Dieser Prozess kann vollzogen werden, wenn die Vaterschaft, welche gemäß § 1592 Nr. 1 & 2 BGB definiert wird, nicht anerkannt wurde. Dieser rechtliche Akt ist oftmals bei einer privaten Insemination durchzuführen. Männer, die ihren Samen innerhalb des Verfahrens einer Samenbank oder eines Reprozentrums gespendet haben, gelten gemäß des angegebenen Paragraphens nicht als rechtlicher Vater. Oftmals wird vertraglich vor der Reproduktion in Samenbanken vertraglich festgelegt, dass die Co-Mutter zum erstmöglichen Termin das Kind durch die Stiefkindadoption annimmt (vgl. Steinbeck & Kastirke 2014, S. 26).

Somit sind „lesbische Paare, die ihren Kinderwunsch realisieren wollen, […] häufig einem hohen finanziellen Aufwand, immenser zeitlicher Inanspruchnahme (sowohl bei der Suche nach einem geeigneten Spender oder einer Samenbank als auch bei der eventuell mehrmaligen Fahrt zur Samenbank, meist sogar ins Ausland) und emotionaler Belastung ausgesetzt“ (Steinbeck & Kastirke 2014, S. 25).

3.4.3 Die Queerfamily

Eine Queerfamily wird auch Mehrelternmodell genannt und kommt zustande, wenn sich ein schwuler Mann und eine lesbische Frau ihren Kinderwunsch gemeinsam erfüllen (vgl. Steinbeck & Kastirke 2014, S. 27; vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 15). Somit treten sie in eine Erziehungsgemeinschaft, werden die biologischen Eltern eines Kindes und bedienen zunächst die klassischen Rollen des Vaters sowie der Mutter (vgl. ebd.; vgl. Jansen 2014, S. 83). Demnach ist das Alleinstellungsmerkmal des Mehrelternmodells, dass beide biologischen Eltern gemeinsam ein Kind erziehen, jedoch kein gemeinsames Intimleben besitzen (vgl. Jansen 2014, S. 74). Aufgrund von bestehenden Beziehungen kann es dazu führen, dass ein Kind innerhalb der Queerfamily drei oder mehr Erwachsene als elterliche Bezugsperson besitzen kann (vgl. Gerlach 2010, S. 71). Da Leihmutterschaft in Deutschland gesetzlich verboten ist, bietet die Form des Mehrelternmodells die einzige Möglichkeit für einen schwulen Mann ein leibliches Kind zu bekommen (vgl. Jansen 2014, S. 9; vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 16). Innerhalb der Kölner Studie ‚Wir sind Eltern’ gehört jede vierte Familie ein Mehrelternmodell dar (vgl. Frohn et al. 2011, S. 16).

Im Vorfeld der Kinderzeugung muss sorgfältig über einen gemeinsamen Konsens der Familienkonstellation, der Rechte und der Strukturierung des täglichen Miteinanders gesprochen werden (vgl. Jansen 2014, S. 74 ff.). Dieser Prozess bedarf langer Vorlaufzeit, sodass alle Beteiligten sich sehr bewusst über ihr geplantes Familienmodell werden (vgl. ebd.). Die Familienform des Mehrelternmodels kann nur gelingen, wenn ein stetiger starker kommunikativer Austausch, Ehrlichkeit und Vertrauen zwischen allen Beteiligten bestehen(vgl. ebd., S 80; vgl. Gerlach 2010, S. 72). „Je mehr Personen beteiligt sind, desto klarer müssen die Absprachen sein“ (Gerlach 2010, S. 72).

Im Zuge dessen entstehen individuelle Formen des Zusammenlebens: von einer „Teilzeit-Elternschaft mit Kinder-Tagen“ (ebd. S. 72) bis hin zu der totalen Beteiligung aller, welches einen gemeinsamen Haushalt in Form einer Wohnungsgemeinschaft oder ein recht nahes Zusammenwohnen zur Folge hätte (vgl. Jansen 2014, S. 72 f.).

Durch das mögliche Aufkommen vieler Erziehungspersonen entstehen unterschiedliche Variationen der Elternschaft, die direkten Einfluss auf die Rechte aller Beteiligten ausüben (vgl. Körner 2015, S. 113). „Bei Mehrelternmodellen kommt es wesentlichen darauf an, wie die biologische, rechtliche und soziale Elternschaft entschieden und gelebt wird“ (Körner 2015, S. 113).

Wird der schwule Mann als Vater in die Geburtsurkunde eingetragen, ist er neben der lesbischen Mutter voll Sorgeberechtigter und besitzt mit ihr die gleichen Rechte und Pflichten (vgl. Herberts-Floßdorf 2015, S. 16). Lebt die lesbische Mutter in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, ist die Lebenspartnerin die Co-Mutter (vgl. Wapler 2010, S 120 f.). Die Rolle der Co-Mutter, auch soziales Elternteil genannt, erlangt innerhalb einer Regenbogenfamilie keinen offiziellen gesellschaftlichen sowie rechtlichen Status (vgl. Jansen & Steffens 2006, S. 646). Durch die eingetragene Lebenspartnerschaft, ist sie demnach nur eine „verschwägerte […] Fremde[…]“ (ebd.).

„Auch wenn Kinderbetreuung und –erziehung gleichberechtigt aufgeteilt werden, gilt der soziale Elternteil in allen gesellschaftlich und finanziell relevanten Kontexten (z.B. Gesundheits- oder Rentenwesen) entgegen der familiären Realität als kinderlos“ (Jansen & Steffens 2006, S. 646).

Aufgrund der aufgezeigten Rolle und Zugehörigkeit durch innerfamiliäre Aufgaben und der konträren mangelnden gesellschaftlichen, sozialen und rechtlichen Anerkennung, fühlen sich viele Co-Eltern marginalisiert (vgl. Herrmann-Green & Herrmann-Green 2010, S. 264). Aus diesem Grund heraus halten viele Queerfamilien mittels eines privaten Vertrages die Vormundschaft der Co-Mutter testamentarisch fest (vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 16; vgl. Jansen 2014, S. 77). Gemäß der §§ 1776 ff. BGB hat somit die Co-Mutter das Recht, in alltäglichen Gelegenheiten in Vormundschaft zu treten (vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 16; vgl. Jansen 2014, S. 77).

In der Regel einigen sich die Beteiligten einer Queer-Family darauf, dass dem Paar bei dem das Kind die meiste Zeit lebt, die Rechte zugesprochen werden (vgl. Jansen 2014, S. 76). Lebt das Kind bei beiden Frauen, könnte die Co-Mutter in diesem Falle sogar Elternzeit in Anspruch nehmen (Herbertz-Floßdorf 2015, S. 14). Diese ist an den Wohnsitz und nicht an rechtliche Bedingungen gebunfden (vgl. ebd.). In der weiteren Annahme, dass das Kind überwiegend bei den beiden Müttern aufwachsen würde, könnte der Vater es zur Adoption freigeben (vgl. Körner 2015, S. 14). Dies hätte die Konsequenzen, dass dann kein Verwandtschaftsverhältnis zum Kind bestünde und einhergehend alle elterlichen Rechten und Pflichten verfallen würden oder testamentarisch festgehalten werden müssten (vgl. ebd.; vgl. Herbertz-Floßdorf 2015, S. 14). Als Teil des Mehrelternmodelles könnte er weiter als Co-Vater fungieren. Die Entscheidungskraft würde demnach bei den Müttern liegen (vgl. ebd.). Insofern die Co-Mutter im Zuge der Stiefkindadoption, wie in Kapitel 3.3 beschrieben, das Kind adoptiert, obliegt ihr infolgedessen die Sorgepflicht für das angenommene Kind (vgl. Herrmann-Green & Herrmann-Green, 2010, S. 264 f.).

Eine Balance aus beiden vorgestellten Möglichkeiten würde die Variante bieten, dass die soziale Mutter durch das kleine Sorgerecht die Alltagsfürsorge und –pflicht bekommt (vgl. Körner 2015, S. 114). Dies würde bedeuten, dass der biologische Vater nur durch „Unterhaltspflicht und Umgangsrecht [besäße]“ (Körner 2015, S. 114).

Zusammenfassend ließ sich in diesem Kapitel skizzieren, dass durch die hierzulande geltenden gesetzlichen Bedingungen keine rechtliche Gleichberechtigung von Queerfamilien gewährleistet werden kann (vgl. Jansen 2014, S. 80).

3.4.4 Die gleichgeschlechtliche Pflegefamilie

Die Inpflegenahme eines Kindes stellt eine weitere Möglichkeit dar, eine Regenbogenfamilie zu gründen (vgl. Jansen 2014, S. 130; vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 286). Insbesondere schwule Paare kommen dieser Option mit Kindern zu leben vermehrt nach (vgl. Rupp & Bergold 2009, S. 286). Im Jahr 2009 konnte im Zuge der BMJ-Studie verzeichnet werden, dass 28% der teilnehmenden gleichgeschlechtlichen Pflegefamilien Väterpaare ausmachten (vgl. ebd.). Demnach ist in der Studie jede dritte Familie der Pflegepaare ein schwules Paar (vgl. Jansen 2014, S. 130). In der Studie ‚Wir sind Eltern’ lässt sich aus den Erhebungsdaten ableiten, dass sogar jedes zweite homosexuelle Männerpaar eine Pflegefamilie darstellt (vgl. Frohn et al. 2011, S. 18; vgl. Jansen 2010, S. 130).

Die Eingangsprüfung, die potenzielle Pflegefamilien durchlaufen, gleicht einer Adoptionsbeantragung und ist im Anhang beschrieben. Während bei der Adoption dem neuen Elternpaar alle Rechte übertragen werden, bleibt bei einer Pflegschaft die gesetzliche Pflicht und Sorge entweder bei den leiblichen Eltern oder obliegt - gegebenenfalls nur in Teilen - in der Verantwortung eines Amtsvormundes (vgl. Jansen 2014, S. 131; vgl. Greib 2014, S. 136 f.).

Gemäß des § 1688 Abs. 1 BGB, „ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten […], sowie Unterhalts-, Versicherungs- und sonstige Soziallleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten.“

Pflegefamilien sind im Zuge des § 37 Abs. 1 SGB VIII dazu verpflichtet, im Kontext des Kindeswohls eine Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie zu gewährleisten (vgl. ebd.). Demnach können gemäß Steinbeck und Kastirke drei unterschiedliche Kontaktregelungen entstehen (vgl. ebd. 2014, S. 27). Entweder hat das Kind Kontakt zur Ursprungsfamilie und sie ist aktiver Bestandteil seines/ihres Lebens oder es besteht sporadischer unbedeutender Kontakt oder aber es besteht keinerlei Verbindung (vgl. ebd.).

Greib (2014, S. 138) gibt zu bedenken, dass schwule oder lesbische Paare als Pflegeeltern potenziellen Schwierigkeiten aufgrund mangelnder Akzeptanz durch Vorurteile der Ursprungsfamilie ausgesetzt sein könnten. Schwule Paare können oftmals in diesem Spannungskonflikt schneller an Akzeptanz gewinnen, da sie durch ihr Geschlecht nicht im direkten Konkurrenzverhältnis der leiblichen Mutterschaft stehen (vgl. ebd.). Andererseits befürwortet Funcke schwule oder lesbische Pflegefamilie aufgrund ähnlicher biographischer Erlebnisse, die das Pflegekind erlebt haben könnte (vgl. Funcke 2015, S. 150). „Die biographische Erfahrung von sozialer Abweichung und das Ringen um soziale Desintegration, die mit der Gleichgeschlechtlichkeit verbunden sein können, machen gleichgeschlechtliche Pflegeelternpaare anschlussfähig an die desintegrativen Erfahrungen der Pflegekinder“ (ebd.). In diesem Kontext wäre eine repräsentative Langzeitstudie interessant.

Neben den unterschiedlichen Ansichten der Bedeutung von gleichgeschlechtlichen Pflegeeltern, werden Ungleichheiten von Reaktions- und Handlungsweisen von Jugendämtern im Umgang mit potenziellen homosexuellen Pflegefamilien sichtbar (vgl. Greib 2014, S. 131). Greib zeigt auf, dass homosexuelle Paare als Antragsteller/-innen in manchen Jugendämtern abgelehnt werden, in anderen jedoch aktiv geworben werden (vgl. ebd.; vgl. Rupp 2009). Darüber hinaus besteht oftmals eine Überforderung seitens der Fachkräfte (vgl. Greib 2014, S. 131.). „Viele [Mitarbeiter/-innen des Jugendamtes] sind einfach nicht mit Regenbogenfamilien oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vertraut und daher unsicher“ (ebd., S. 132).

Daher empfiehlt Greib schwulen und lesbischen Paaren mit Kinderwunsch bedacht mit ihrem Sprachgebrauch innerhalb des Jugendamtes umzugehen (vgl. Greib 2014, S. 132). Sie betont, dass die Wörter ‚schwul’ oder ‚lesbisch’ bei vielen Menschen ausschließlich sexuelle Assoziationen hervorrufen könnten und rät im Zuge dessen den Bewerbern/-innen, die Wörter zu meiden (vgl. ebd.) „Wenn sich Bewerber/innen als Frauen- oder Männerpaar präsentieren, machen sie es dem Gegenüber leichter“ (Greib 2014, S. 132).

[...]

Ende der Leseprobe aus 120 Seiten

Details

Titel
Die Regenbogenfamilie und ihre sozialgesellschaftliche Lebenswelt. Wie die Soziale Arbeit die Akzeptanz von alternativen Familienmodellen fördern kann
Autor
Jahr
2020
Seiten
120
Katalognummer
V538773
ISBN (eBook)
9783963550720
ISBN (Buch)
9783963550737
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regenbogenfamilie, Queer, Homosexualität Soziale Arbeit, Wahlfamilie, Diskriminierung, Lebenspartnerschaftsgesetz, Queerfamily, Heteronormativität
Arbeit zitieren
Kai Kölschbach (Autor:in), 2020, Die Regenbogenfamilie und ihre sozialgesellschaftliche Lebenswelt. Wie die Soziale Arbeit die Akzeptanz von alternativen Familienmodellen fördern kann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/538773

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