Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Motive zum Kauf von Lebensmitteln in Deutschland, die mit Nachhaltigkeitsmerkmalen kommuniziert werden. Als Ergänzung zu der umfangreichen quantitativen Forschung in diesem Bereich, wurden zur intensiveren Erforschung Einzelinterviews geführt. Damit die Motive der LOHAS auch im Zusammenhang mit dem Kaufentscheidungsprozess verstanden werden, dient das Stimulus-Organism-Response Modell als Leitrahmen der Untersuchung. Nach der Aufzeichnung und Transkription der Interviews, konnten verschiedene neue Motive herausgefiltert werden. Demnach geht es beim Kauf nachhaltiger Lebensmittel nicht immer nur um die offensichtlichen Beweggründe wie Umweltschutz oder soziale Gerechtigkeit, sondern auch um Selbstdarstellung, das eigene Wohlbefinden oder den Wunsch nach gesellschaftlicher Einflussnahme.
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum
2.1.1 Motive für den Kauf nachhaltiger Produkte
2.1.2 Kaufbarrieren nachhaltiger Produkte
2.2 Die LOHAS
2.3 Nachhaltigkeitsmarketing
2.4. Das Stimulus-Organism-Response Modell
2.4.1 Nachhaltigkeit auf Produktebene
2.4.2 Umweltstimuli
2.4.3 Involvement
2.4.4 Engeres und weiteres soziales Umfeld
2.5 Motive prosozialen Handelns
3. Zielsetzung und Forschungsfrage
4. Methodik
4.1 Erhebungsmethode
4.2 Leitfaden
4.3 Stichprobe
4.4 Auswertungsmethode
5. Ergebnisse
6. Diskussion & Limitation
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
Abstract
This paper examines the motives for buying food that communicates sustainability. As a supplement to the extensive quantitative research in the area, individual interviews are conducted for more intensive research. In order to understand the motives of LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) in connection with the decision making process, the Stimulus-Organism-Response model serves as a guiding framework for the study. After the recording and transcription of the interviews, various new motives could be filtered out. According to this, the purchase of sustainable food is not always only about the obvious motives such as environmental protection or social justice, but also about self-representation, one's own well-being or the desire for social influence.
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Motive zum Kauf von Lebensmitteln in Deutschland, die mit Nachhaltigkeitsmerkmalen kommuniziert werden. Als Ergänzung zu der umfangreichen quantitativen Forschung in diesem Bereich, wurden zur intensiveren Erforschung Einzelinterviews geführt. Damit die Motive der LOHAS auch im Zusammenhang mit dem Kaufentscheidungsprozess verstanden werden, dient das Stimulus-Organism- Response Modell als Leitrahmen der Untersuchung. Nach der Aufzeichnung und Transkription der Interviews, konnten verschiedene neue Motive herausgefiltert werden. Demnach geht es beim Kauf nachhaltiger Lebensmittel nicht immer nur um die offensichtlichen Beweggründe wie Umweltschutz oder soziale Gerechtigkeit, sondern auch um Selbstdarstellung, das eigene Wohlbefinden oder den Wunsch nach gesellschaftlicher Einflussnahme.
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Beispieltabelle Ergebnisse
Abbildung 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit
Abbildung 2: Das S-O-R Modell
Abbildung 3: Auswertung nach Kuckartz
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Die zahlreichen Problematiken, die durch das Konsumverhalten unserer rapide wachsenden Weltbevölkerung entstehen, lassen sich nicht mehr leugnen. Ob Klimaveränderung, Umweltverschmutzung oder Artensterben, ein Großteil der Wissenschaftler ist sich einig: Aktuell leben wir auf Kosten anderer und vor allem zukünftiger Erdbewohner.
Ein Teil der Bevölkerung scheint nun zu verstehen, dass ein Umdenken stattfinden muss, um die Lebensgrundlage unserer Nachfahren nicht zu gefährden. Aus dieser Intention heraus hat sich der Begriff Nachhaltigkeit im täglichen Sprachgebrauch etabliert. Ein wichtiger Einflussfaktor ist unsere Ernährung, die ca. 25% der gesamten Umweltbelastung ausmacht (Vgl. Jungbluth, Itten & Stucki, 2012).
Der Markt für Lebensmittel, die auf eine umweltschonende und nachhaltige Produktion ausgelegt sind, wächst und daraus ergibt sich die Frage: Welche Motive führen zum Kauf von Lebensmitteln, die mit Nachhaltigkeitsmerkmalen kommuniziert werden?
Zahlreiche staatliche Institutionen und Marktforschungsinstitute befassen sich bereits mit dieser Frage, allerdings hauptsächlich durch oberflächliche Umfragen (Vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2014; PricewaterhouseCoopers, (PWC), 2017). Mit vorliegender Studie werden die Kaufmotive nun durch tiefergehende Einzelinterviews genauer erforscht. Auf diese Weise sollen neue Motive entdeckt werden, die sowohl Unternehmen als auch politische Entscheidungsträger nutzen können, um eine nachhaltige Ernährungswirtschaft zu fördern und damit diversen Problematiken entgegenzuwirken.
Dazu werden sogenannte LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) interviewt, die als Vorreiter auf dem Gebiet des nachhaltigen Konsums zu betrachten sind. Ihre Motive zum Kauf nachhaltiger Produkte zeichnen sich durch eine hohe Beständigkeit und Intensität aus.
Zunächst wird dargelegt, welche Erkenntnisse die Wissenschaft bisher zum nachhaltigen Konsum erlangen konnte und wie sich der Markt in Deutschland entwickelt hat. Außerdem wird aufgezeigt, wie Unternehmen Nachhaltigkeit als Marketinginstrument nutzen. Im nächsten Schritt dient das S-O-R Modell als Leitrahmen für den Kaufentscheidungsprozess und wird in Verbindung mit nachhaltigem Konsum veranschaulicht. Daraufhin erfolgt die Beschreibung des methodischen Vorgehens in Bezug auf die Erhebungsmethode, den Leitfaden, die Stichprobe und die Auswertung. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet anschließend die sachliche Darstellung der Interviewergebnisse sowie deren Diskussion unter Berücksichtigung der anfänglichen theoretischen Ausführungen. Zuletzt werden die gewonnenen Erkenntnisse in einem abschließenden Fazit zusammengefasst.
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick zu dem aktuellen Stand der Forschung.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum
Im Jahr 1987 erfolgte im sogenannten Brundtlandbericht die erste formaljuristische Definition von Nachhaltigkeit: "Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff, S.46). Aus dieser Definition leitet sich das Grundverständnis von Nachhaltigkeit ab, welches in dieser Arbeit zugrunde gelegt wird. Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Begriffs, welcher sich in immer mehr Bereichen niederschlägt, wurde zur Verbesserung der Übersichtlichkeit das folgende dreiteilige Modell entwickelt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Dimensionen der Nachhaltigkeit
Die Dimensionen ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit dienen primär als Anhaltspunkt, um sich in dem interdisziplinären Gebiet zurechtzufinden. In der Realität gibt es eine starke synergetische Verbindung zwischen den Bereichen, weswegen eine gelungene Nachhaltigkeit nur entstehen kann, wenn eine Ausgewogenheit zwischen ihnen besteht (Vgl. Ludwikowski, 2010). Die Überlappung der Kreise dient zur Verdeutlichung der engen Verbindung der Dimensionen.
Unter ökologischer Nachhaltigkeit ist die maßvolle Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlage zu verstehen. Themen wie Umweltschutz und Erhaltung der Artenvielfalt stehen im Fokus, um das menschliche Fortbestehen dauerhaft zu sichern. Im Zentrum der sozialen Nachhaltigkeit stehen Aspekte wie Wohlstand und Frieden und deren langfristige Sicherung. Ein wichtiges Ziel ist beispielsweise die Armutsbekämpfung zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit auf der Welt. Die ökonomische Nachhaltigkeit bezieht sich auf Wirtschaftssysteme, welche unter Berücksichtigung der ökologischen Faktoren langfristig bestehen können. Ein permanent wachsendes System wird in unserer endlichen Welt nicht von langer Dauer sein. Deshalb dürfen keine Ressourcen ausgebeutet werden und es gilt irreparable Schäden für nachfolgende Generationen zu vermeiden (Vgl. Kropp, 2018).
Zunächst muss geklärt werden, was Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Konsum konkret bedeutet, weil diese Arbeit die Kaufentscheidung für nachhaltige Produkte näher beleuchtet. Die hier zu Rate gezogene Definition lautet wie folgt: „[..Jconsumption that simultaneously optimizes the environmental, social, and economic consequences of acquisition, use and disposition in order to meet the needs of both current and future generations” (Phipps et al., 2013, S.1227). Die verschiedenen Dimensionen lassen sich in dieser Definition ebenfalls wiederfinden, bei nachhaltigem Konsum ergibt sich jedoch eine Besonderheit in Bezug auf die ökonomische Dimension. Laut Balderjahn (2013) behandelt diese nämlich nicht zwangsläufig die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt, sondern das generelle Hinterfragen, ob der Kauf nötig ist oder nicht. Diese Abkehr vom Materialismus bedeutet auf den Kauf zu verzichten und spielt daher für diese Untersuchung keine Rolle, weil der Konsum eine feste Voraussetzung im Zusammenhang mit der Forschungsfrage ist. Verständlicherweise ist es nicht im Interesse von Unternehmen, die Notwendigkeit der eigenen Produkte durch ihre Werbung in Frage zu stellen.
In der allgemeinen Nachhaltigkeitsdiskussion sollte diese Frage aber auf keinen Fall vernachlässigt werden, weil der Verzicht als die nachhaltigste Art des Konsums überhaupt verstanden werden kann. Denn was nicht produziert werden muss verbraucht auch keine Ressourcen und schadet der Umwelt nicht (Vgl. Carstens, 2018).
2.1.1 Motive für den Kauf nachhaltiger Produkte
Nach einer repräsentativen Umfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind die am häufigsten genannten Beweggründe für den Kauf von Bio-Lebensmitteln eine artgerechte Tierhaltung (90%), weniger Zusatzstoffe (90%), eine regionale Herkunft (87%) und ein Beitrag zum effektiven Umweltschutz (81%). Allem Anschein nach hat die ökologische Dimension die größte Bedeutung, wohingegen die soziale Komponente in der Umfrage nur einmal, in Form von fairem Handel (59%), auftaucht (Vgl. BMEL, 2017). Bio-Lebensmittel sind zwar kein Synonym für Nachhaltigkeit, können aber aufgrund der deutlich geringeren umweltbelastenden Produktion des biologischen Landbaus als ökologisch nachhaltig geltend gemacht werden (Vgl. Brunner, 2009). Gleichwohl sind einige der Kaufmotive nicht den nachhaltigen, sondern gesundheitlichen Aspekten zuzuordnen, welche nicht dem klassischen Verständnis von Nachhaltigkeit entsprechen. Auch wenn bereits einige Forscher die Ergänzung der gesundheitlichen Dimension im Modell der Nachhaltigkeit fordern, da sie der Meinung sind, die soziale Dimension wird dem Wert der Gesundheit nicht gerecht, ist diese Auffassung eher selten (Vgl. Scherenberg, 2011).
Eine scharfe Trennung von Bio und Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln ist in der Realität kaum möglich, weswegen mit einem gewissen Abstrahleffekt gerechnet werden muss. Damit ist gemeint, dass nachhaltige Lebensmittel wegen des biologischen Anbaus gekauft werden und nicht wegen der eigentlichen Nachhaltigkeit.
Ergänzend zu den klassischen Motiven, welche in den Befragungen genannt werden, lassen weitere Studien noch auf andere Beweggründe schließen. Beim Beantworten der Fragebögen achten die Konsumenten darauf, wie sie selbst auf andere wirken und passen ihre Antworten aufgrund der sozialen Erwünschtheit an.
Bei einer Untersuchung des Center for Economics Neuroscience wurde beispielsweise festgestellt, dass der Anblick eines Nachhaltigkeitssiegels das Belohnungszentrum stärker aktiviert als der Anblick konventioneller Lebensmittel, was auch mit einer höheren Zahlungsbereitschaft einhergeht (Vgl. Linder et al., 2010).
Selbiges Institut erforschte auch positive Assoziationen, welche unsere geschmackliche Erfahrung beeinflussen können. Demnach werden Lebensmittel aus konventionellen Zutaten als leckerer bewertet, weil die Probanden glauben es wäre aus biologischen Zutaten hergestellt (Vgl. Wüstenhagen, 2012). Ebenso zeigt eine Studie aus den USA, dass Bioprodukte automatisch als fett- und kalorienärmer bewertet werden (Vgl. Schuldt & Schwarz, 2010). Dieses Phänomen lässt sich mit dem Halo- Effekt (engl. Heiligenschein) erklären, welcher besagt, dass von den bekannten Eigenschaften eines Produktes automatisch Rückschlüsse auf unbekannte Eigenschaften geschlossen werden.
In einem weiteren Experiment an der University of Toronto wurden Studenten nach dem Kauf von Bio-Produkten dazu aufgefordert an Fairnessspielen teilzunehmen und sich anschließend ihren Gewinn aus den Spielen aus einem Geldumschlag zu nehmen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe steckten sich die Probanden, welche Bio-Produkte gekauft hatten, mehr Geld ein (Vgl. Mazar & Zhong, 2009). Diese Reaktion hängt vermutlich mit dem Lizenzierungseffekt zusammen. Das Gefühl etwas Gutes zu tun führt demnach dazu, sich danach weniger sozial zu verhalten, in Berufung auf eine Art moralisches Guthaben. An dieser Stelle gilt es zu beachten, dass dieser Effekt nur bei Konsumenten auftritt, für die der Kauf nachhaltiger Lebensmittel nicht schon selbstverständlich ist (Vgl. Wüstenhagen, 2012).
Zuletzt ist die Theorie des kompetitiven Altruismus zu nennen, die besagt, dass Individuen nach Status wetteifern, indem sie versuchen, sich altruistischer zu verhalten als andere. Der Kauf nachhaltiger Lebensmittel zeigt nicht nur, dass man finanziell in der Lage ist, solche zu erwerben, sondern auch, dass der Wille besteht, dieses Geld auszugeben. Dieser Umstand lässt vermuten, dass nachhaltige Lebensmittel als eine Art Statussymbol fungieren (Vgl. Burroughs, 2010).
Im späteren Verlauf dieser Arbeit werden die genannten Motive anhand der Interviews genauer untersucht und die eben aufgeführten Theorien überprüft. Zuvor werden im folgenden Kapitel die Barrieren erläutert, die beim Kauf nachhaltiger Lebensmittel eine Rolle spielen können.
2.1.2 Kaufbarrieren nachhaltiger Produkte
Eine der offensichtlichsten Kaufbarrieren für nachhaltige Produkte ist der vergleichsweise höhere Preis. Die Mehrzahlungsbereitschaft liegt im Durchschnitt bei etwa 30%, was je nach Produktgruppe aber oft überschritten wird (Vgl. Binner, 2013).
Dabei kommt es darauf an, mit welchen Lebensmitteln die Vergleiche konkret angestellt werden. Gegenüber qualitativer Markenprodukte beispielsweise ist der Preis häufig sehr ähnlich. Zwischen Bio-Produkten und Discounterwaren finden sich oft höhere Preisdifferenzen. Aus diesem Grund lassen sich keine pauschalen Aussagen zu den Preisunterschieden machen.
Die Wahl der Einkaufstätte kann ein weiteres Hindernis sein. Werden dort keine nachhaltigen Alternativen für Lebensmittel angeboten, müssen Konsumenten ihre Gewohnheiten wechseln und eventuell längere Wege zum nächsten Supermarkt in Kauf nehmen. Das führt zu einer Steigerung der Beschaffungskosten und stellt eine weitere Barriere dar (Vgl. Berner, Juister & Hering, 2015).
Selbst wenn die generelle Bereitschaft zur Verhaltensänderung vorhanden ist, spielt die Glaubwürdigkeit der Produkte noch eine große Rolle. Einige Lebensmittelskandale in der Vergangenheit haben das Vertrauen der Konsumenten zerstört und zu Qualitätsunsicherheiten geführt. Zwar steigt dadurch das allgemeine Interesse an nachhaltigen, vertrauensvollen Lebensmitteln, jedoch ist die Skepsis gegenüber tatsächlichen Produkteigenschaften hoch (Vgl. Lehnert, 2009). Für die Verbraucher ist es schwer, die Richtigkeit der Behauptungen zu überprüfen.
Die verschiedenen Gütesiegel sind prinzipiell ein guter Indikator, ein Teil bleibt jedoch immer Vertrauenssache. Falls die Glaubwürdigkeit eines Produktes nicht gegeben ist, können die Verbraucher den Effekt anzweifeln, den sie sich von ihrem Kaufverhalten eigentlich versprechen (Vgl. Peyer, 2014).
Viele Verbraucher wissen zudem nicht genau, wie groß und vielfältig die Relevanz der Nahrung für die Umwelt wirklich ist. Diese Informationsasymmetrie nehmen viele Konsumenten wahr, denn weniger als jeder fünfte gibt an, gut bis sehr gut über die Zusammenhänge zwischen der Herstellung von Lebensmitteln und Umweltproblemen informiert zu sein. Gleichzeitig wünschen sich 69 % der Befragten mehr Umweltinformationen auf den Verpackungen von Lebensmitteln (Vgl. Verbraucherzentrale, 2013). Das fehlende Wissen, egal ob aufgrund von Desinteresse oder fehlender Informationsquellen, ist als weitere Barriere anzusehen. Denn wer sich nicht über die Relevanz von Nachhaltigkeit im Klaren ist, wird voraussichtlich auch nicht die Motivation aufbringen, sein Kaufverhalten zu ändern (Vgl. Binner, 2013).
Falls all diese Barrieren überwunden werden, bleibt noch die Frage nach dem eigenen Nutzen. Die Umwelt ist als Kollektivgut zu betrachten, das für jeden Menschen wichtig ist. Trifft ein Verbraucher die Entscheidung, nachhaltige Produkte zu kaufen, erklärt er sich im Grunde dazu bereit, für das Wohl aller zu handeln. Der kollektive Nutzen ist dadurch mit den Kosten für den Einzelnen verbunden (Vgl. Held & Nutzinger, 2001). Welche Art von Nutzen sich die Konsumenten von ihrem Konsumverhalten versprechen, soll im Verlauf dieser Studie genauer erörtert werden. Zunächst erfolgt ein Überblick zu den bereits erwähnten LOHAS.
2.2 Die LOHAS
Das Akronym LOHAS bedeutet Lifestyle of Health and Sustainability und steht damit für die in der Untersuchung relevante Gruppe. In Ihrer Veröffentlichung „The Cultural Creatives: How 50 Million are changing the world“ verwendeten Paul Ray und Sherry Ruth Anderson (2000) den Begriff zum ersten Mal. Seitdem erfreut sich die Bezeichnung großer Beliebtheit und wird weltweit für kaufkräftige Konsumenten verwendet, die viel Wert auf Nachhaltigkeit und Gesundheit legen. Demnach kann man davon ausgehen, dass Personen dieser Zielgruppe reflektiert mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen und sich mit ihren Kaufmotiven bereits beschäftigt haben. Diese Zielgruppe ist vor allem interessant, weil sie die Funktion von Vorbildern und Multiplikatoren für nachhaltigen Konsum übernimmt. Durch die Ermittlung ihrer Kaufmotive können Empfehlungen darüber abgeleitet werden, wie mehr Menschen zum Kauf nachhaltiger Produkte animiert werden können.
Im Jahr 2015 lag der Anteil von Konsumenten, welche zur Kerngruppe der LOHAS zählen, bei 12,7%, von denen ca. 60% Frauen sind (Vgl. Statista, 2015).
Weitere Auffälligkeiten sind die meist hohe Schulbildung und das überdurchschnittliche Einkommen, was die Kaufkraft dieser Zielgruppe erklärt. Die Mediennutzung der LOHAS erfolgt primär über Buch, Zeitung und Internet. Es wird davon ausgegangen, dass sie sich aktiv über die Produkte, welche sie kaufen, informieren und dabei auch diverse Quellen nutzen. Dies lässt vermuten, dass Greenwashing1 von ihnen schnell entlarvt wird und dann zu Imageverlusten der Unternehmen führen kann (Vgl. Köhn-Ladenburger, 2013).
Im Vergleich zu den umweltbewussten Konsumenten der 80er Jahre sehen die meisten LOHAS heute keinen Widerspruch von Genuss und Umweltschutz. Sie haben ein Bewusstsein dafür, dass sie durch ihr Kaufverhalten das Angebot am Markt bestimmen können. Deshalb baut ihr Verständnis von Umweltschutz nicht auf Verzicht auf, sondern es geht darum, nachhaltige Produkte zu kaufen (Vgl. Griese, 2015). Aufgrund dessen ist das Öko-Thema in der heutigen Zeit auch vielversprechend für Unternehmen, weil der Übergang von einer verzichtsbetonten Lebenseinstellung hin zum genussbetonten Lifestyle erfolgt (Vgl. Pittner, 2014).
Ergänzend zu dem aktiven Drang sich zu informieren, kommt noch das Bedürfnis nach einer klaren Orientierung aufgrund vergangener Lebensmittelskandale. Daher wird gerade in der Lebensmittelbranche die Glaubwürdigkeit eines Produktes zum zentralen Kaufargument, während diese immer wieder kritisch vom Käufer hinterfragt wird (Vgl. Dürk, 2013).
Im folgenden Kapitel wird zunächst Nachhaltigkeitsmarketing im Allgemeinen erläutert, um zu verstehen wie Unternehmen diese in ihr Marketingkonzept integrieren.
2.3 Nachhaltigkeitsmarketing
Die ständige Berücksichtigung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Werte bei der Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle aller markt- und nicht marktbezogenen Transaktivitäten kann als Nachhaltigkeitsmarketing bezeichnet werden (Vgl. Meffert & Heribert, 2015). Dabei wird eine andauernde Zufriedenstellung von heutigen und zukünftigen Kunden angestrebt (Vgl. Winzer & Goldschmidt, 2015).
Um also ein Unternehmen nach umwelt- und sozialverträglichen Prinzipien zu führen und möglichst alle betrieblichen Entscheidungen danach auszurichten, ist die Identifikation der aktuellen sozial-ökologischen Probleme, den die Wertschöpfungskette verursacht, der erste wichtige Schritt. Nachfolgend werden unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen die Kundenbedürfnisse analysiert. Nach der Analyse erfolgt die Definition eines nachhaltigkeitsorientierten Leitbildes für das Unternehmen. Zu dessen Verankerung werden die Marketingmaßnahmen dahingehend abgestimmt, dass die Kundengruppen gezielt erreicht werden. Schlussendlich muss zur finalen Umsetzung des Nachhaltigkeitsmarketings der Marketing-Mix2 zu Gunsten der Nachhaltigkeit angepasst werden (Vgl. Waßmann, 2013). Insbesondere die Produktpolitik als Bestandteil des Marketing-Mix wird im Laufe dieser Untersuchung genauer erläutert.
Die eben genannten tiefgreifenden Veränderungen dienen aber nicht zwangsläufig nur dazu, der Corporate Social Responsibility3 (CSR) nachzukommen, sondern können auch weitere Vorteile bieten. Wenn ein Unternehmen beispielsweise den Wasserverbrauch reduziert, werden damit sowohl ökologische Ziele erfüllt, als auch Geld eingespart. Somit zahlt sich der ressourcenschonende Umgang in diesem Fall doppelt aus (Vgl. Schneider & Schmidtpeter, 2015).
Die hohe Relevanz der strategischen Verankerung von Nachhaltigkeit lässt sich anhand des Risikos von Greenwashing verdeutlichen (Vgl. Lin- Hi, 2018). Es kann von den Zielgruppen als negativ aufgefasst werden, wenn Nachhaltigkeit nur in einzelnen Initiativen veranstaltet wird (Vgl. Dürk, 2013). Vertreibt beispielsweise ein konventioneller Lebensmittelhersteller unter einer Submarke Bio-Artikel, kann eine Markenunglaubwürdigkeit auftreten (Vgl. Weers, 2008). Demnach bietet das Nachhaltigkeitsmarketing zwar viele Chancen aber auch viele Risiken für die Unternehmen.
Eine weitere beliebte Maßnahme ist das Cause Related Marketing, welches auf einer transaktionsbasierten Partnerschaft eines Unternehmens mit einer Non-Profit-Organisation beruht. Der Kauf eines umworbenen Produktes führt dann zu einer mehr oder minder transparenten Spende für einen wohltätigen Zweck (Vgl. Hemat & Yuksel, 2014).
Wie in Kapitel 2.1 beschrieben, ist die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit für das Marketing weniger relevant. Dies bestätigt auch eine Umfrage von Facit Research mit 18.000 Befragten aus dem Jahr 2017. Auf die Frage nach den wichtigsten zehn Kriterien für Nachhaltigkeit, ließ sich nur eins der ökonomischen Dimension zuordnen (Vgl. Facit Research, 2017).
Die beiden anderen Bestandteile der Nachhaltigkeit zielen vorrangig auf die Standards für den Kauf sozial- und umweltverträglicher Produkte ab (Vgl. Balderjahn, 2013). Mit 70% sind die ökologischen Kriterien laut der Umfrage am relevantesten. Ein klassisches Merkmal zur Kommunikation ökologischer Nachhaltigkeit sind Bio-Gütesiegel, welche nur unter bestimmten Auflagen verwendet werden dürfen. Auf diese Weise hat der Kunde die Gewissheit, dass verschiedene Vorschriften voraussichtlich erfüllt werden, die eine ökologisch nachhaltige Produktion versprechen (Vgl. BMEL, 2016). In Kapitel 2.4.1 werden die Siegel noch ausführlich behandelt.
Ein ähnliches System gibt es auch für die Einhaltung sozialer Standards.
Das hierfür eingeführte Fairtrade-Siegel umfasst eine faire Entlohnung, das Verhindern von Kinder- und Zwangsarbeit und die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Arbeitsstandards. Insbesondere in den Entwicklungsländern haben viele Kleinbauern grundsätzlich nicht die Möglichkeit direkt am internationalen Handel teilzunehmen. Das hängt oft mit der geringen Produktionsmenge, der Infrastruktur oder fehlenden wirtschaftlichen Kenntnissen zusammen (Vgl. Balderjahn, 2013). Hier zeigt sich auch wieder die synergetische Verbindung, die eine getrennte Betrachtung der Dimensionen erschwert (Vgl. Ludwikowski, 2010). So hat eine Untersuchung der Stiftung Warentest (2016) gezeigt, dass sich die Kriterien von Fair-Trade zwar zum Großteil auf fairen Handel aber teilweise auch auf nachhaltige Anbaupraktiken fokussieren. Letzteres kann wieder der ökologischen Dimension zugeordnet werden. Außerdem werden die Siegel häufig in Kombination mit Bio-Siegeln auf den Produkten verwendet, was die getrennte Betrachtung zusätzlich erschwert.
Im nachfolgenden Kapitel wird das S-O-R Modell ausführlich dargelegt.
2.4. Das Stimulus-Organism-Response Modell
Die zielführende Einsetzung nachhaltigkeitsorientierter Marketingmaßnahmen basiert, wie eingangs erwähnt, auf der Analyse der Kundebedürfnisse (Vgl. Kapitel 2.3). Das Konsumentenverhalten bildet daher einen zentralen Aspekt für ein gelungenes Nachhaltigkeitsmarketing. Zur Untersuchung dessen wird das Stimulus-Organism-Response Modell als Leitrahmen herangezogen. Aus den zahlreichen Varianten des S-O-R Modells, welche alle dem gleichen Grundprinzip unterliegen, wurde das folgende ausgewählt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das S-O-R Modell ( Foscht, Swoboda & Schramm-Klein, 2017)
Die Grundidee dieses Modells basiert auf der Vorstellung, dass ein bestimmter Stimulus (z.B. Werbung) auf einen Organismus trifft (Konsument) und dadurch eine Reaktion auslöst (z.B. Kauf des Produktes).
Bei den ankommenden Reizen gibt es zwei Arten, die Marketing-Stimuli und die Umfeld-Stimuli. Erstere können gezielt von den Unternehmen beeinflusst werden und beziehen sich auf die Preis- und Produktgestaltung, den Vertrieb sowie das Werben für Produkte. Um herauszufinden, wie die Produktgestaltung bei nachhaltigen Lebensmitteln funktioniert, wird im weiteren Verlauf die Produktpolitik genauer erläutert (Vgl. Kapitel 2.4.1). Zudem gibt es noch die Umfeld-Stimuli, welche auch als situative Faktoren bezeichnet werden. Sie sind nur schwer vorhersehbar und für die Fragestellung nicht primär relevant, weil sie in der Kaufsituation äußere verhaltensprägende Bedingungen betreffen. Dies kann zum Beispiel die mentale Verfassung oder einfach nur Zeitmangel zum Zeitpunkt der Kaufentscheidung sein.
Außerdem kann die Kaufentscheidung durch politische, ökonomische oder technologische Faktoren beeinflusst werden. Dadurch kann aus einem motivgesteuerten Kauf ein situativ gesteuerter Kauf entstehen (Vgl. Rutschmann, 2005). Allerdings verfolgt diese Arbeit das Ziel die motivgesteuerten Kaufentscheidungen zu erörtern.
Im nächsten Schritt wird der Reiz durch den Konsumenten verarbeitet. Dabei gibt es zwei Arten von Prozessen, die parallel ablaufen. Emotionen und Motivationen werden als aktivierende Prozesse bezeichnet. Sie sind mit innerer Erregung und Spannung verbunden und liefern sozusagen die Antriebsenergie für menschliches Verhalten (Vgl. Abbildung 2). Das Auslösen von positiven Emotionen durch einen Werbereiz kann beispielsweise die Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen. Die Emotionen bilden zwar nicht den Kern dieser Untersuchung, spielen jedoch bei den Motivationsprozessen eine große Rolle, da motiviertes Verhalten auf die Erlangung positiver und Vermeidung negativer Emotionen ausgerichtet ist (Vgl. Brandstätter, Schüler, Puca & Lozo, 2018).
Ähnliches gilt für die Motive, welche als eine Art Neigung oder Trieb verstanden werden können. Wenn ein Motiv solch einen Druck auf den Menschen ausübt, dass er dazu veranlasst wird, nach der unmittelbaren Befriedigung dessen zu streben, wird es zur Motivation (Vgl. Walsh, De- seniss & Kilian, 2009).
Zudem gibt es noch die kognitiven Prozesse, welche sich auf jegliche Art der inneren Speicherung und Verarbeitung von Informationen beziehen. Die Kognition ist zwar aus biologischer Sicht unabdingbar für den Kaufentscheidungsprozess, nimmt allerdings keine Rolle in dieser Untersuchung ein, da die kognitive Informationsverarbeitung nicht auf die Beantwortung der Forschungsfrage abzielt.
Parallel zu den eben genannten Prozessen wirken bei der Kaufentscheidung auch die sogenannten prädisponierenden Prozesse auf den Konsumenten ein. Diese beinhalten unter anderem das Involvement, welches die subjektive Wichtigkeit umschreibt, die ein Produkt für den Konsumenten hat. Je mehr persönliche Bedeutung er dem Kauf zuschreibt, desto höher ist die Bereitschaft, Produktinformationen zu verarbeiten (Vgl. An- til, 1984).
Außerdem gelten die Bezugsgruppen im direkten und weiteren sozialen Umfeld als intervenierende Variablen. Das direkte soziale Umfeld meint die eigene Familie, Vereine oder auch Kollegen, während das weitere Sozialfeld sich auf die Landeskultur oder die Bevölkerungsschicht bezieht (Vgl. Howard & Seth, 1969).
Es lässt sich ein signifikanter Einfluss des sozialen Umfelds auf die Motive zum Kauf nachhaltiger Produkte vermuten. Ebenso ist das Involvement bezüglich Lebensmittel bei den LOHAS vermutlich hoch ausgeprägt, weswegen die prädisponierenden Faktoren noch genauer erörtert werden.
In den folgenden Kapiteln werden die relevanten Bestandteile des S-O-R Modells unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit erläutert.
2.4.1 Nachhaltigkeit auf Produktebene
Damit die Frage nach den Kaufmotiven der Kunden beantwortet werden kann, muss zuerst ermittelt werden, wie Unternehmen nachhaltige Produkte gestalten. In diesem Kontext werden vorrangig die Marketing-Stimuli auf Produktebene untersucht. Das bedeutet, dass der Fokus auf dem Produkt an sich, inklusive Verpackung und Design, liegt.
Die Produktpolitik umfasst diese marktgerechte Gestaltung von Produkten und hängt deshalb eng mit den ökonomischen Unternehmenszielen zusammen. Sowohl Wachstums- als auch Kostenziele werden davon stark beeinflusst. Zum Beispiel kann man sich durch besonders nachhaltige Produkte vom Wettbewerber differenzieren oder eine recycelte Verpackung kann gleichzeitig Kosten sparen (Vgl. Prüne, 2013). Diese Beispiele zeigen, dass CSR nicht nur als Pflicht, sondern auch als Chance erkannt werden sollte.
Die meisten Motive zum Kauf nachhaltiger Produkte beruhen auf sozialökologischen Faktoren. In der Produktpolitik bedeutet dies vor allem die Reduzierung von Energieeinsatz und Ressourcen, sowie die Verwendung unschädlicher Materialien und recycelbarer Verpackungen (Vgl. Griese, 2015). Demnach ist nicht nur der biologische Anbau ausschlaggebend für nachhaltige Lebensmittel, sondern auch die Weiterverarbeitung, die Zubereitung und die Verpackung üben einen entscheidenden Einfluss aus (Vgl. Winzer & Goldschmidt, 2015).
Als Konsument ist es verständlicherweise kaum zu bewältigen, sich mit der gesamten Wertschöpfungskette aller Anbieter zu beschäftigen. Um dem Wunsch nach Transparenz nachzukommen und das Nachhaltigkeitsengagement kompakt abzubilden, gibt es verschiedene Gütesiegel. Diese Siegel finden sich auf der Verpackung des Produktes und machen die Nachhaltigkeit schnell ersichtlich. Aufgrund dessen ist vor allem die Verpackungspolitik als Teil der Produktebene interessant.
Prinzipiell gilt aus ökologischer Sicht die Devise, dass so wenig Verpackungsmaterial entstehen sollte wie möglich. Allerdings hat eine Verpackung verschiedene Funktionen und zwar die Portionierung, den Transport, die Hygiene und das Marketing, weswegen nicht komplett darauf verzichtet werden kann (Vgl. Griese, 2015).
Für einen an Nachhaltigkeit interessierten, potentiellen Käufer ist es zumindest teilweise ersichtlich, wie umweltfreundlich eine Verpackung ist. Für Unternehmen bietet sich hier die Chance, möglichst wenig Verpackungsmaterial zu verwenden. Das spart Materialien und reduziert zudem das Gewicht, wodurch der Transport erleichtert wird. Neben dem Volumen der Verpackung ist auch noch deren Material relevant. Der Einsatz von weniger belastenden Rohstoffen kann zusätzlich durch das Forest Stewardship Council (FSC) Siegel zertifiziert werden. Dieses Siegel belegt, dass nur Holz und Papier, also natürlich nachwachsende Rohstoffe, genutzt werden. Dadurch ist es für die Konsumenten direkt ersichtlich, wenn kompostierbare, umweltfreundliche Materialien verwendet wurden (Vgl. Griese, 2015).
Da eine nachhaltige Produktpolitik sich aber auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken sollte, wurde das sogenannte EU-Bio-Siegel eingeführt. Das Siegel verspricht die Vermeidung von Gentechnik und chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln sowie einigen Zusatzstoffen und setzt damit schon im ersten Schritt des Produktionsprozesses an (Vgl. BMEL, 2016). Der potentielle Kunde hat dadurch einen Anhaltspunkt, nach welchen Kriterien die Lebensmittel produziert wurden. Darüber hinaus gibt es weitere Bio-Siegel verschiedenster Anbieter, die teilweise noch strengere Richtlinien einhalten, wie Demeter, Bioland oder Naturland. Dort sind auch soziale Mindeststandards integriert (Vgl. BUND, 2019).
Neben diesen ökologischen Gütesiegeln wird die soziale Dimension hauptsächlich durch das Fairtrade-Siegel kommuniziert. Mit 78% hat das Siegel den größten Marktanteil in dieser Kategorie (Vgl. Stiftung Warentest, 2016). Ergänzend zu den Standards des fairen Handels beinhaltet das Siegel bereits ökologische Mindestanforderungen, weswegen auch viele Produkte beide Siegel tragen (Vgl. Haunhorst & Willers, 2011).
Zuletzt wird noch die Bedeutung des Preises kurz erläutert, da dieser in engem Zusammenhang mit der Produktpolitik steht und Einfluss auf die Kaufmotive hat. Eine Umfrage von PWC (2017) hat ergeben, dass 63% der Befragten auf Bio verzichten, weil konventionelle Produkte günstiger sind. Der Preis scheint daher auch in engem Zusammenhang mit den Motiven für den Kauf zu stehen. Die erhöhten Fixkosten durch Zertifizierungsgebühren und eine Ertragsminderung aufgrund des geringeren Einsatzes chemischer Substanzen sind nur einige Gründe, warum nachhaltige Lebensmittel teurer sind als solche aus konventioneller Landwirtschaft. Unabhängig davon kann ein zu niedriger Preis sogar dazu führen, dass die Glaubwürdigkeit bezüglich der Qualität verloren geht (Vgl. Weber, 2015). Aufgrund dessen ist eine Aufdeckung aller Produktionskosten wichtig, um den Preis anschaulich zu begründen. Gleichzeitig kommt die Transparenz der Kundenbindung zugute.
Für die anvisierte Stichprobe der vorliegenden Untersuchung sollte der Preis vermutlich ein weniger ausschlaggebendes Kaufkriterium sein. Durch einen erkennbaren ethischen Mehrwert steigt nämlich deren Zahlungsbereitschaft (Vgl. Köhn-Ladenburger, 2013).
Im folgenden Kapitel werden die Umweltstimuli kurz erläutert, da sie ebenfalls auf die Kaufmotive einwirken können (Vgl. Abbildung 2).
2.4.2 Umweltstimuli
Die Umweltstimuli sind solche Faktoren, welche zwar von außen beobachtet werden können, jedoch nur schwer durch die Unternehmen kontrollierbar sind. Einige Beispiele dafür können die Wetterbedingungen, die momentane geistige Verfassung oder einfach die Uhrzeit sein (Vgl. Balderjahn, 2013b). Wenn ein Produkt beispielsweise ausverkauft ist, verleitet das den Konsumenten dazu, sich für ein anderes Produkt zu entscheiden. Zudem gibt es Unterschiede in der Kaufsequenz zwischen Wochentagen und Wochenenden oder auch in verschiedenen Jahreszeiten (Vgl. Schneider, 2013).
Ergänzend dazu wirken noch politische, soziale, technologische und ökonomische Faktoren auf die Kaufentscheidung ein. Ein ökonomischer Faktor, welcher den Kauf nachhaltiger Lebensmittel beeinflusst, wäre zum Beispiel fehlendes Geld. Im Hinblick auf politische Faktoren könnte die diskutierte CO2-Steuer Nachhaltigkeit honorieren, beziehu ngsweise nicht nachhaltige Lebensmittel teurer machen und so die Preise angleichen. Die Anzahl dieser Faktoren ist enorm. Da diese Arbeit aber das Ziel verfolgt, die Motive für den Kauf zu erforschen, spielen die Umweltstimuli nur eine untergeordnete Rolle. Sie sind nicht klar vorhersehbar und stehen daher oft im Gegensatz zum motivgesteuerten Kauf. Das folgende Kapitel beschreibt das Involvement, um den Zusammenhang zwischen dem Kaufverhalten und der Bereitschaft Produktinformationen zu verarbeiten, aufzuzeigen.
2.4.3 Involvement
Eine Einflussvariable innerhalb des Organismus ist das Involvement (Vgl. Abb. 2). Es kennzeichnet die subjektive Wichtigkeit, die z.B. ein bestimmtes Produkt für einen Konsumenten hat. Es geht demnach um den Grad der persönlichen Bedeutung, der durch den Stimulus geweckt wurde. Je höher das Involvement, desto höher ist die Motivation des Kunden, zu einem bestimmten Zeitpunkt produktbezogene Informationen zu verarbeiten (Vgl. Antil, 1984).
Tendenziell steigt das Involvement, wenn der Kauf mit einem finanziellen, gesundheitlichen oder sozialen Risiko verbunden ist. In der Regel sind daher der Autokauf oder der Bau eines Hauses klassische High-Involvement Produkte, während Lebensmittel zu den Low-Involvement Produkten zählen (Vgl. Walsh, 2002).
Dies würde bedeuten, dass der potentielle Kunde sich nur oberflächlich mit Lebensmitteln beschäftigt und dann nach offensichtlichen Reizen entscheidet. Es ist allerdings anzunehmen, dass nicht jeder Konsument bei jedem Produkt gleich involviert ist. Bezüglich der Zielgruppe ist ein vergleichsweise hohes Involvement bei Lebensmitteln zu erwarten, weil die LOHAS viel Wert auf ihre Ernährung legen (Vgl. Meffert, Burmann & Ki rch- georg, 2015). In diesem Fall ist es sehr wohl entscheidend, dass die Nachhaltigkeit authentisch und ganzheitlich kommuniziert wird, da in der Zielgruppe auch bei Lebensmitteln eine hohe Informationsverarbeitungstiefe vorherrscht.
Ob sich Lebensmittel für LOHAS nun tatsächlich zu den High-Involvement Produkten zählen lassen, bleibt fraglich, da es keine genaue Festlegung der Kategorien gibt. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass zumindest kein sehr niedriges Involvement Level vorherrscht.
Neben dem Involvement sind noch die Bezugsgruppen und die Kultur Einflussfaktoren auf die Kaufmotive, welche im folgenden Kapitel unter dem Synonym engeres und weiteres soziales Umfeld beschrieben werden.
2.4.4 Engeres und weiteres soziales Umfeld
Die Kulturzugehörigkeit hat Einfluss auf die grundlegenden konsumbezogenen Wünsche einer Person. Das hängt mit der Manifestation ähnlicher Verhaltensmuster im Denken und Fühlen der Kulturmitglieder zusammen (Vgl. Foscht, 2007).
Solche Grundwerte einer Gesellschaft bestimmen auch die konsumrelevanten Wertvorstellungen über materiellen Reichtum, Individualismus, Erfolg, Gesundheit und viele weitere. Für Unternehmen ist es daher wichtig, kulturelle Veränderungen zu erkennen und diese dann bei der Entwicklung neuer Produkte zu berücksichtigen. Aufgrund der Tatsache, dass diese Untersuchung sich auf Deutschland bezieht, sind die landeskulturellen Unterschiede weniger relevant. Innerhalb des Landes gibt es jedoch sogenannte Klassenstrukturen, die sich beispielsweise durch Einkommen, Beruf und Bildung voneinander abgrenzen. Dabei eifern die unteren Einkommensschichten in ihrem Konsumverhalten häufig den oberen Schichten nach (Vgl. Martineau, 1958).
Für Deutschland lässt sich eine positive Korrelation zwischen dem Kauf nachhaltiger Lebensmittel und den Haushaltsnettoeinkommen sowie dem Bildungsniveau erkennen. Eine Studie des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung hat gezeigt, dass der Anteil überzeugter Intensivkonsumenten von Bio-Lebensmitteln bei bis zu 3000 Euro Einkommen nur bei ca. 10 % liegt. Bei den Besserverdienenden dagegen ist der Anteil mit 20 % etwa doppelt so hoch (Vgl. BMEL, 2017). Selbiges lässt sich auch für das Bildungsniveau feststellen. Ein niedriges Bildungsniveau (Hauptschulabschluss) führt auch zu weniger Interesse an intensivem Bio-Konsum (6%), während der Anteil an Intensivkonsumenten mit Abitur 19% beträgt (Vgl. BMEL, 2017).
Es bleibt fraglich, ob diese Werte primär auf finanzielle Gründe zurückzuführen sind oder ob vor allem eine hohe Bildung dazu führt, konventionelle Produkte zu hinterfragen und den Konsum deshalb umzustellen. Die eben genannten Faktoren sind dem weiteren sozialen Umfeld anzurechnen, während die engeren Faktoren sich auf die sozialen Gruppen beziehen, denen ein Konsument direkt angehört. Neben der Familie und dem engeren Freundeskreis zählen auch religiöse Gruppen oder Gewerkschaften dazu. Deren Relevanz zeigt sich auch in der Umfrage des BMEL (2017), nach der die privaten Kontakte die häufigste Ursache für das Interesse an nachhaltigen Produkten sind. Hierbei lässt sich noch zwischen zwei Arten von Einfluss unterscheiden, den die Gruppen auf eine Person ausüben und somit die Kaufmotive verändern können. Bei der Vergleichsfunktion bewertet der Konsument sein eigenes Verhalten und seine Einstellungen anhand der Maßstäbe, welche durch die Gruppe gesetzt werden. Durch Beobachtungen erhält er Auskunft darüber, ob sein Verhalten den Vorstellungen der Gruppe entspricht (Vgl. Walsh, 2009).
Dieses ständige Vergleichen führt zu der Vermutung, dass bei nachhaltigem Konsum eine Art kompetitiver Altruismus entstehen kann. Damit ist gemeint, dass Individuen um Status wetteifern, indem sie sich bemühen, altruistischer zu sein als andere. Dadurch, dass eine Person bereit ist, für nachhaltige Lebensmittel mehr Geld auszugeben, zeigt sie nicht nur, dass sie dazu in der Lage ist, sondern auch, dass sie gewillt ist, das zu tun. Diese Tatsache erzeugt den Verdacht, dass nachhaltige Produkte als Statussymbole fungieren (Vgl. Burroughs, 2010).
Falls eben genannte Verhaltensänderungen nicht mehr nur durch Beobachtungen, sondern durch festgelegte Regeln der Gruppe entstehen, spricht man von der normativen Funktion. Der Einfluss durch solche moralischen Prinzipien wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch aufgegriffen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein starker Einfluss des sozialen Umfeldes auf die Kaufmotive für nachhaltige Lebensmittel zu vermuten ist. Das folgende Kapitel bildet den Abschluss des theoretischen Hintergrunds und erläutert die Motive prosozialen Handelns im Allgemeinen.
2.5 Motive prosozialen Handelns
Als Motiv werden zeitlich relativ überdauernde psychische Dispositionen bezeichnet, die aus dem Verhalten erschlossen werden können. Dieses hypothetische Konstrukt ist auf bestimmte Ziele gerichtet, stellt Gründe für menschliches Handeln dar und beeinflusst die Handlungsbereitschaft (Vgl. Häcker & Stapf, 1998).
Ein Motiv ist demnach eine Art Mangelzustand, welcher den Menschen dazu veranlasst, diesen Mangel zu überwinden. Die dabei entstehende Energie ist die Motivation. Sie ist somit als das Wirksamwerden eines Motivs zu verstehen (Vgl. Walsh, 2002).
Es gibt zwei Arten von Motiven, die impliziten und die expliziten. Erstere zeigen sich nur indirekt und fernab von bewusster Selbstreflektion. Daher ist eine direkte offene Befragung keine hilfreiche Messmethode, da implizite Motive den Befragten nicht bewusst sind (McClelland, 1985). Zur Messung sind daher projektive Tests, wie zum Beispiel der Thematische Apperzeptionstest (TAT), besser geeignet.
Anhand der Interviews sollen nur die expliziten Motive erforscht werden, welche auf bewussten Selbstzuschreibungen basieren. Sie haben sich durch Anforderungen und Erwartungen von wichtigen Bezugspersonen als Teil des Selbstkonzepts entwickelt (McClelland, Koestner & Weinberger, 1989).
Eine weitere Differenzierung erfolgt nach der Theorie des Sozialpsychologen Daniel Batson (1994). Nach seiner Theorie können mögliche Motive für prosoziales Verhalten auf den „Kräften“ Altruismus, Kollektivismus, Egoismus oder moralischen Prinzipien beruhen.
Geschieht die Handlung aufgrund eines Motivs, anderen etwas Gutes zu tun, ohne dass ein persönlicher Nutzen erwartet wird, zählt sie als selbstlos und kann daher auf Altruismus zurückgeführt werden. Die Voraussetzung dafür liegt in der Fähigkeit zur Empathie (Vgl. Batson, 1994).
Der Unterschied zum kollektivistischen Motiv besteht darin, dass das prosoziale Verhalten hier gezeigt wird, um einer bestimmten Gruppe etwas Gutes zu tun. Der erwartete Nutzen zeigt sich dann in Bezug auf diese Gruppe, welche zum Beispiel die Familie oder den Freundeskreis umfassen kann (Vgl. Gerrig & Zimbardo, 2008).
Für den Fall, dass religiöse oder ethische Richtlinien ein Verhalten bestimmen, ist die prosoziale Handlung auf moralische Prinzipien zurückzuführen.
Schließlich lassen sich laut Batson solche Motive als egoistisch bezeichnen, bei denen die gute Tat der Erreichung selbstbezogener Ziele dient.
Dies sind zum Beispiel monetäre Anreize, Ansehen oder Selbstwertsteigerung. Außerdem dienen diese auch der Vermeidung negativer individueller oder sozialer Konsequenzen, wie einem schlechten Gewissen oder Scham (Vgl. Batson, 1994). Diese These konnte auch durch weitere sozialpsychologische Arbeiten unterstützt werden (Vgl. Ariely, Bracha & Meier, 2009; Griskevicius, Tybur & van den Bergh, 2010).
Prinzipiell sind prosoziale Motive darauf ausgelegt, das eigene Verhalten in den Dienst anderer zu stellen, sie können aber trotzdem gelegentlich im Wettstreit stehen. Wenn beispielsweise das Gerechtigkeitsprinzip verlangen würde, eine Ressource fair unter einer Gruppe von Menschen aufzuteilen, könnte ein kollektivistisches Interesse dem entgegenstehen, indem etwa Freunde bevorzugt werden (Vgl. Gerrig & Zimbardo, 2008). Im Kontext dieser Arbeit ist der Kauf von Lebensmitteln, die mit Nachhaltigkeitsmerkmalen kommuniziert werden, als prosoziales Verhalten zu bewerten. Die Einordnung der Kaufmotive in die eben genannten „Kräfte“ kann Marketingverantwortlichen dabei helfen, diese gezielt anzusprechen. Zum Beispiel können bekannte ethische Richtlinien direkt durch Werbung anvisiert oder der Nutzen für eine bestimmte Gruppe deutlich gemacht werden. Im folgenden Kapitel werden die Forschungsfragen und die Zielsetzung der Arbeit ausführlich beschrieben.
3. Zielsetzung und Forschungsfrage
Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, die Motive zum Kauf von nachhaltigen Lebensmitteln herauszufinden. Da die tatsächliche Nachhaltigkeit nur schwer zu bestimmen ist und auch subjektiv wahrgenommen wird, geht es um solche Lebensmittel, die Nachhaltigkeit kommunizieren. Außerdem wurden nur Intensivkonsumenten (LOHAS) in Deutschland befragt, was eine weitere Eingrenzung bedeutet. Die zentrale Forschungsfrage lautet daher:
1. Welche Motive führen zum Kauf von Lebensmitteln, die mit Nachhaltigkeitsmerkmalen kommuniziert werden?
Zur Klärung dieser Frage wird das S-O-R Modell herangezogen, was gezeigt hat, dass eine alleinige Betrachtung der Motive nur schwer umzusetzen ist. Es gibt viele weitere Variablen, welche die Kaufentscheidung beeinflussen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Aufgrund dessen ergibt sich eine weitere Forschungsfrage:
2. Welche Faktoren beeinflussen die Motive, die zum Kauf solcher Lebensmittel führen?
Außerdem soll der Nutzen dieser Arbeit für die Wirtschaft gesteigert werden, indem die Merkmale, insbesondere auf Produktebene, erfragt werden, an denen sich die Konsumenten in puncto Nachhaltigkeit orientieren. Auf diese Weise kann ein Ausblick für Unternehmen gegeben werden, wie das Nachhaltigkeitsmarketing bei Lebensmitteln optimiert werden kann. Die daraus abgeleitete Fragestellung lautet:
3. Welche Indikatoren für Nachhaltigkeit sind für Konsumenten bei Lebensmitteln auf Produktebene am relevantesten?
Die bisherigen Erkenntnisse zu dieser Thematik lassen vermuten, dass die Beweggründe für den Kauf auch häufig auf einen egoistischen und nicht nur auf einen kollektivistischen Nutzen hin ausgerichtet sind. Deshalb wird die folgende Hypothese aufgestellt:
Ein signifikanter Teil der Motive zum Kauf nachhaltiger Lebensmittel ist auf einen egoistischen Nutzen zurückzuführen.
Das methodische Vorgehen bei dieser Untersuchung wird nachfolgend detailliert dargelegt.
4. Methodik
4.1 Erhebungsmethode
Bei der Frage nach den Motiven zum Kauf nachhaltiger Produkte steht die individuelle Sicht der Betroffenen im Mittelpunkt, weswegen sich die qualitative Forschung in diesem Fall am besten eignet. Dabei liegt das Er- kenntnissinteresse auf der Erforschung von Lebenswelten und Interaktionen mit dem Ziel, unbekannte Phänomene zu explorieren und neue Theorien zu entwickeln (Vgl. Flick, Kardorff, Keupp, Rosensteil & Wolff, 2011). Aus diesem Grund wurden leitfadengestützte, halb-strukturierte Interviews ausgewählt, die eine große Offenheit bei der Annäherung an den Forschungsgegenstand ermöglichen. Im Vergleich zur quantitativen Forschung, in der die Einzelfallanalyse kaum Aussagekraft hat, ist es den Befragten möglich, ihre eigene komplexe Sicht auf Sachverhalte darzulegen (Vgl. Strübing, 2013).
Die Verwendung offener Fragen dient dazu, dass die Befragten sich mit eigenen Worten äußern können. Dabei wird der Gesprächsverlauf auch durch den Interviewten gestaltet, während der Interviewleitfaden lediglich eine Vorstrukturierung bietet. Aufgrund dessen sollen die individuellen Ansichten der Probanden nicht nur oberflächlich, sondern detailliert erschlossen werden können. Außerdem lässt die Teilstrukturierung die Möglichkeit offen, eine flexible Interaktion zwischen Interviewer und Befragtem zu erreichen (Vgl. Döring & Bortz, 2016).
Vor der eigentlichen Erhebung wurde ein Pre-Test durchgeführt, um eine inhaltliche Überprüfung des Leitfadens vorzunehmen. Dadurch soll Missverständnissen vorgebeugt, die Fragereihenfolge getestet und gegebenenfalls Formulierungen angepasst werden. Der Pre-Test zeigte diverse Unklarheiten über die Bedeutung des Begriffs „Nachhaltigkeit“, weswegen die Klärung dieser Definition in die Einstiegsfragen integriert wurde. Ansonsten wurden keine weiteren Änderungen vorgenommen (Vgl. Steffen & Doppler, 2019).
Vor Beginn der eigentlichen Befragung wurden die Teilnehmer über die Vorgehensweise informiert und das Einverständnis zur Aufnahme und Verwendung der erhobenen Daten eingeholt. Die Aufzeichnung diente dazu, dass die Konzentration während des Gesprächs nicht negativ beeinflusst wurde.
Außerdem wurden die Interviewten gefragt, welche Art der Anrede sie bevorzugen. Die Wahl fiel bei allen Probanden auf das Duzen, wodurch eine persönlichere Atmosphäre und damit einhergehend eine höhere Bereitschaft sich zu öffnen, geschaffen werden konnte (Vgl. Gläser & Laudel, 2010). Im Laufe der Befragung hat der Interviewer eine anregend passive Rolle eingenommen sowie für eine angenehme Gesprächsatmosphäre gesorgt. Durch ein aufmerksames Zuhören wird Interesse vermittelt und der Grad der Beeinflussung möglichst gering gehalten (Vgl. Lamnek, 2010).
Die Erstellung des verwendeten Leitfadens für die Interviews wird im folgenden Kapitel genauer erläutert.
4.2 Leitfaden
Der Leitfaden gliedert sich bereits in verschiedene Kategorien, welche aus dem theoretischen Hintergrund, also der vorhandenen Theorie und Empirie, abgeleitet wurden. Diese Art der Kategorienbildung wird als deduktiv bezeichnet, während die im weiteren Verlauf aus dem Interviewmaterial abgeleiteten Kategorien als induktiv betitelt werden (Vgl. Vogt & Werner, 2014).
Das S-O-R Modell war auch in diesem Fall ein richtungsweisender Orientierungspunkt, weil die verschiedenen Bestandteile des Kaufentscheidungsprozesses, welche in engem Zusammenhang mit den Motiven stehen, ebenfalls mit einbezogen wurden. Nachdem Klärung der Formalien vor dem eigentlichen Start des Interviews, hielt der Leitfaden verschiedene Einstiegsfragen bereit, um den Befragten die Chance zu geben, in das Gespräch hineinzufinden und dieses zunächst vergleichsweise offen zu gestalten.
Im Anschluss an die Gesprächseröffnung folgte unter der Kategorie Allgemeine Motive der erste Fragenblock. Bei jeder Kategorie galt auch jeweils die Devise, mit allgemeinen Fragen zu starten darauffolgend weiter ins Detail zu gehen. Dieses Vorgehen lässt sich an der Art der Fragestellung gut erkennen: „Was genau ist Ihnen wichtig an xx?“ (Vgl. Anhang 1). Diese detailfördernden Nachfragen dienen zur Herausarbeitung der subjektiven Perspektiven der Befragten.
Die darauffolgende Kategorie behandelt vornehmlich die Indikatoren, welche Nachhaltigkeit bei Lebensmitteln kennzeichnen sowie das Vertrauen ihnen gegenüber. Anhand dieses Fragenblocks sollte zum einen ermittelt werden, worauf die Kunden in Bezug auf Nachhaltigkeit achten und zum anderen, wie es um die subjektive Glaubwürdigkeit dieser Indikatoren steht. Außerdem wurde in diesem Zuge erfragt, wie gut die Befragten informiert sind und wodurch sie sich informieren (Vgl. Anhang 1). Diese Kategorie lässt sich sowohl auf das Nachhaltigkeitsmarketing und die Glaubwürdigkeit als Bestandteile des theoretischen Hintergrunds, als auch auf das Involvement zurückführen.
Da die Emotionen, ergänzend zu den Motiven, zu den aktivierenden Prozessen gehören und motiviertes Verhalten stark durch Emotionen beeinflusst wird, wurden diese ebenfalls in einem Fragenblock untersucht. Dabei wurden die Emotionen in Bezug auf das Einkaufserlebnis an sich sowie gegenüber dem Verhalten anderer Personen erfragt, welche nachhaltige Lebensmittel konsumieren oder sogar ablehnen. Auf diese Weise sollten auch die Bezugsgruppen und die Kultur einbezogen werden, um auch Phänomenen wie der moralischen Überlegenheit oder dem kompetitiven Altruismus auf den Grund zu gehen (Vgl. Anhang 1).
Die letzte Fragenkategorie behandelt verschiedene Szenarien, in denen gewisse Gegebenheiten ausgeklammert werden. Beispielsweise wurde gefragt, ob unter der Voraussetzung, dass Bio-Lebensmittel dieselben Inhaltsstoffe hätten wie konventionelle, sich das Kaufverhalten der Befragten ändern würde. Auf diese Weise sollte ermittelt werden, wie stark der Einfluss der gesundheitlichen Aspekte auf den Kauf von Bio-Lebensmitteln gegenüber den Nachhaltigkeitsaspekten ist.
Gegen Ende der Befragung wurde den Interviewten die Möglichkeit gegeben, etwas hinzuzufügen, damit möglichst keine relevanten Informationen außer Acht gelassen werden. Der Leitfaden für die Interviews findet sich im Anhang (Vgl. Anhang 1).
4.3 Stichprobe
Die Erreichung einer Repräsentativität in der qualitativen Forschung ist nur schwer umsetzbar, weswegen nach dem Prinzip der Sättigung vorgegangen wurde. Dieses besagt, dass eine Stichprobe dann als gesättigt gilt, wenn neue Interviews keine zusätzlichen Erkenntnisse mehr bringen (Vgl. Vogt & Werner, 2014). In dieser Untersuchung wurden sieben Interviews durchgeführt bis die Sättigung erreicht wurde.
Die betrachtete Zielgruppe, sogenannte LOHAS, können nicht strikt nach demographischen Merkmalen erfasst werden. Es gibt zwar Tendenzen was Einkommen und Bildungsgrad angeht, gleichwohl kommen sie aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Sie haben eine hohe Kaufbereitschaft für nachhaltige Produkte, was aber nicht zwangsläufig mit einem hohen Einkommen einhergehen muss (Vgl. Köhn-Ladenburger, 2013). Als Kriterium für die Teilnahme an dieser Untersuchung wurde daher nur der Konsum von nachhaltigen Bio-Lebensmitteln zu mindestens 90% über einen Zeitraum von einem Jahr oder länger vorausgesetzt.
Über diverse Kontakte im erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis konnten ausreichend geeignete Teilnehmer akquiriert werden. Es wurde darauf geachtet, dass keine große Bekanntheit und Vertrautheit zu den interviewten Personen besteht. Dadurch blieb aus, dass weniger kritische Nachfragen entstehen, weil der Interviewer schon zu wissen glaubt, was diejenige Person sagen will (Vgl. Vogt & Werner, 2014). Insgesamt wurden sieben Interviews geführt aber nur sechs davon verwendet, weil durch das letzte Interview keine neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden konnten. Alle Transkripte befinden sich im Anhang (Vgl. Anhang 3).
Die demographischen Merkmale wie Alter und Geschlecht waren prinzipiell nicht relevant, jedoch wurde auf eine gewisse Diversität geachtet, damit keine verfälschenden Effekte entstehen.
4.4 Auswertungsmethode
Die Transkription der Aufnahmen erfolgte nach dem vereinfachten Transkriptionssystem von Dresing und Pehl (2012). Dieses besagt im Wesentlichen, dass prinzipiell wörtlich und nicht zusammenfassend transkribiert wird. Zur besseren Lesbarkeit werden Wortverschleifungen und Satzabbrüche der üblichen Satzstruktur angeglichen oder ausgelassen sowie Pausen mit (...) gekennzeichnet. Außerdem werden nonverbale Äußerungen beim Einsatz in Klammern notiert, falls sie die Aussage unterstützen (etwa wie lachen oder seufzen). Um die besondere Betonung von Worten zu kennzeichnen, wird das jeweilige Wort GROSS geschrieben. Die genauen Regeln lassen sich im Praxisbuch Interview & Transkription nachlesen (Vgl. Dresing & Pehl, 2012).
Nach dem Transkribieren wurden alle Interviews mehrmals gelesen, um sich einen Überblick über den Inhalt zu verschaffen und Besonderheiten herauszustellen. Danach folgte die Auswertung nach dem System von Kuckartz, dessen einzelnen Schritte in der folgenden Grafik dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Auswertung nach Kuckartz (2012)
Der erste Schritt nach der Textarbeit ist die Entwicklung der Hauptkategorien. Diese Kategorien waren zum Teil direkt auf Motive bezogen, aber auch auf andere Einflussfaktoren bezüglich des Kaufverhaltens nachhaltiger Produkte. Die Einteilung erfolgte zudem in Anlehnung an das S-O-R Modell (Vgl. Abbildung 2). Nach Erstellung der Hauptkategorien wurden diese anhand eines Transkripts einem Pre-Test unterzogen, um zu überprüfen, ob damit alle relevanten Textsegmente passend eingeordnet werden konnten. Bis auf ein paar kleine Änderungen erwies sich das Kategoriensystem als gelungen, woraufhin die Codierung des gesamten Materials erfolgen konnte. Dazu wurde das Programm MAXQDA verwendet. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits die folgenden elf Hauptkategorien: Authentizität, Umfeldstimuli, Einflussnahme, Involvement, Wertschätzung, Sozialer Vergleich, Marketing, Prägung, Gewissen, Gesundheit und Nachhaltigkeit.
Im nächsten Schritt wurden aus den gesammelten Textstellen induktiv neue Subkategorien bestimmt. Demnach wurde die Kategorie Wertschätzung noch untergliedert in Allgemein, Einkaufserleben und Qualität. Die Kategorie Marketing wurde eingeteilt in Marke, oberflächliche Indikatoren und Siegel und letztlich folgte die Einteilung der Hauptkategorie Nachhaltigkeit in regional, sozial und ökologisch. Danach wurde das komplette Material mit dem bestehenden Kategoriensystem erneut codiert. Insgesamt besteht das System daher aus elf Hauptkategorien und neun Subkategorien. Der Kodierleitfaden mit den genauen Kriterien und Ankerbeispielen für alle Kategorien findet sich im Anhang (Vgl. Anhang 2). Es gilt noch zu beachten, dass ein Teil der Kategorien direkt als Motive zu verstehen sind, während ein anderer Teil sich auf Stimuli oder prädisponierende Prozesse bezieht.
Darauffolgend wurde anhand von MAXQDA eine Tabelle erstellt, die alle relevanten Aussagen mit der jeweiligen Kategorie beziehungsweise Subkategorie, der zugehörigen Person und der genauen Position innerhalb des Transkriptes auflistet. Diese Tabelle (Vgl. Anhang 4) bildete den Ausgangspunkt für die Darstellung der Ergebnisse und sieht wie folgt aus:
Tabelle 1: Beispieltabelle Ergebnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vielleicht Fairtrade würde ich sagen, bei den Fairtrade-Produkte habe ich viel Vertrauen, bei Bioprodukten aus dem Bioladen direkt habe ich auch wesentlich mehr Vertrauen, weil ich selbst in dem Bioladen gearbeitet habe und die Bauernhöfe teilweise auch besucht habe und weiß wie die Tiere und die tierischen Produkte auch erworben oder gezüchtet werden.
Durch die nun gegebene Übersichtlichkeit konnten die Aussagen der Kategorien zusammengefasst und die Besonderheiten und Zusammenhänge zwischen den Kategorien beschrieben werden, um so die Ergebnisse möglichst verständlich aufzuzeigen. Diese sachliche Darstellung der Ergebnisse findet sich im folgenden Kapitel in Form von vereinheitlichenden Beschreibungen. Die Zitation der einzelnen Textpassagen erfolgt mit Hilfe des jeweiligen Absatzes, welcher in den Transkripten leicht ersichtlich ist (Vgl. Anhang 3).
[...]
1 „Greenwashing bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing- und PR- Maßnahmen ein „grunes Image“ zu erlangen, ohne allerdings entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Wert- schopfung zu implementieren“ (Lin-Hi, 2018).
2 Der Marketing-Mix ist die „Kombination der Ausprägungen der zeitraum- und markt bzw. marktsegmentbezogenen eingesetzten marketingpolitischen Instrumente“ (Kirchgeorg, 2018).
3 Corporate Social Responsibility bezeichnet die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Lin-Hi, 2019).
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