Das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Herausforderungen der sozialen Sicherung in Deutschland

Eine Analyse ausgewählter Modelle


Bachelorarbeit, 2018

44 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das deutsche Sozialsystem
2.1 Verpflichtung des Sozialstaates
2.2 Gestaltung und Finanzierung des Sozialsystems
2.2.1 Prinzipien der Sozialversicherung
2.2.2 Krankenversicherung
2.2.3 Pflegeversicherung
2.2.4 Unfallversicherung
2.2.5 Rentenversicherung
2.2.6 Arbeitslosenversicherung
2.2.7 Sozialhilfe
2.3 Schwächen und Herausforderungen

3. Das Bedingungslose Grundeinkommen
3.1 Grundannahmen
3.2 Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens
3.2.1 Das Althaus Modell
3.2.2 Das Götz-Werner-Modell
3.2.3 Das Emanzipatorische Grundeinkommen
3.3 Kritische Bewertung der Modelle

4. Resümee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der deutsche Sozialstaat in seiner heutigen Form findet seine Ursprünge gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Otto von Bismarck gilt als Initiator des Sozialversicherungssystems, welches 1883 mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes seinen Lauf nahm. In den folgenden Jahren wurden die Unfallversicherung sowie das Invaliditäts und Altersversicherungsgesetz ins Leben gerufen[1]. Zwar gab es zuvor bereits verschiedene Modelle zur Absicherung, jedoch waren diese zum einen exklusiv für bestimmte Berufsgruppen gestaltet, zum anderen in einer anderen Größendimension anzusehen. Mit der Verabschiedung der Gesetze zum Sozialversicherungssystem brach eine neue Ära einer Solidargemeinschaft an, welche einen umfassenden Schutz der Bürger im Krankheitsfall und bei Unfällen gewährleisten sollte. Mit der Pflegeversicherung, die seit 1995 eigenständig verwaltet ist, sind die „fünf Säulen“ der Sozialversicherung komplettiert.

Dieses Sozialsystem gilt als eine große Errungenschaft, welche in Deutschland nur schwerlich wegzudenken ist. Die Wandlung der Gesellschaft und die damit einhergehenden Probleme führen aber unweigerlich dazu, über Veränderungen und Anpassungen nachzudenken. Eine radikale Idee der Umwandlung stellt das bedingungslose Grundeinkommen dar. Nicht nur in Deutschland werden Modelle zu diesem Thema heiß diskutiert. Auch andere Länder haben sich in den letzten Jahren mit dieser Thematik auseinandergesetzt. So wurde beispielsweise 2016 bei einer Volksabstimmung in der Schweiz ein solches Einkommen für jeden Bürger abgelehnt, in Finnland wurde 2017 ein Pilotprojekt mit 2000 Menschen durchgeführt. Die Debatten über Vor und Nachteile sowie die Durchführbarkeit werden immer hitziger geführt. Auch in der deutschen Politik ist dieses Thema längst angekommen. Die Tatsache, dass die Vertreter verschiedenster Parteien Modelle entwickelt haben, zeigt die stärker zunehmende Präsenz des Themas, aber auch die Notwendigkeit von Veränderungen des bisherigen Sozialsystems.

In dieser Arbeit sollen deshalb verschiedene Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens dem heutigen Sozialsystem gegenübergestellt werden und hierbei Vorbzw. Nachteile der Systeme in Hinblick auf gesellschaftliche Veränderungen aufgezeigt werden. Hierzu wird zunächst das deutsche Sozialsystem beleuchtet. Wichtig ist dabei, die festgelegten Prinzipien der Bundesrepublik und ihre Anwendung auf die Sozialversicherung aufzuzeigen. Im weiteren Verlauf werden die verschiedenen Leistungen sowie ihre Finanzierung genau erklärt. Da für die spätere Untersuchung und Bewertung ein besonderes Augenmerk auf die Wirkung des Bedingungslosen Grundeinkommens gelegt werden soll, werden auch steuerfinanzierte Ansätze wie das Arbeitslosengeld II und die Sozialhilfe beschrieben. Das Kapitel schließt mit offensichtlichen Schwächen unseres Sozialsystems sowie anstehenden Herausforderungen, die aufgrund von zukünftigen Altersstrukturen, Technologisierung und gesellschaftlichen Wandel eintreten werden.

Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Dazu werden zuerst grundlegende Argumente, die ein solches Einkommen erfüllen soll beschrieben. Diese lassen sich in drei verschiedene Bereiche kategorisieren. Anschließend werden die drei zu untersuchenden Modelle vorgestellt. Bei der Auswahl der Ansätze sollte eine möglichst große Diversität vorliegen, um verschiedenste Aspekte, Vor und Nachteile sowie Funktionsweisen sichtbar zu machen. Im Einzelnen soll die Funktionsweise jedes Modells aufgezeigt werden. Des Weiteren spielt die Finanzierung eine große Rolle. Hierbei wird lediglich die theoretische Bereitstellung des Kapitals erläutert, eine ganzheitliche Berechnung aller Posten als Gegenüberstellung zu den Kosten würde aufgrund gesamtmarktwirtschaftlicher Wirkungen, die mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen einhergehen würden, den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Am Ende jedes Kapitels erfolgt eine Bewertung der vorher kategorisierten Argumente. Abschließend werden die drei Modelle in einer direkten Gegenüberstellung auf ihre Effektivität hinsichtlich der gegebenen Vorteile untersucht.

2. Das deutsche Sozialsystem

2.1 Verpflichtung des Sozialstaates

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“[2]. In Deutschland ist unter anderem durch dieses Gesetz der Sozialstaat gesichert. Er hat die Pflicht die Aufgaben eines Sozialstaates wahrzunehmen. Für Liebig und Schupp besteht die Notwendigkeit aufgrund von Allokationen von Gütern im Markt. Eine daraus resultierende Verteilung von Lebenschancen, die nicht mit den Überzeugungen der Gesellschaft vereinbar sind, führt zu einem unabdingbaren Eingreifen eines Wohlfahrtsstaates.[3] Der Wohlfahrtsstaat dient also dazu, dem Menschen seine Freiheit zu gewährleisten. Der Begriff der Freiheit muss hierbei positivistisch interpretiert werden: „Die Freiheit ist eine wirkliche erst in dem, der die Bedingungen derselben, die materiellen und geistigen Güter als die Voraussetzungen der Selbstbestimmung, besitzt.“[4] Der Staat muss jedem Einzelnen ein materielles Existenzminimum gewährleisten. Dies wird in Deutschland mithilfe der „fünf Säulen“ des Sozialsystems gedeckt. Sie sorgen entsprechend verschiedenster Notlagen und Bedürftigkeit für einen Schutz des Individuums, nicht mehr an einem gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Dies wird auch im § 9 SGB I festgehalten: „Wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich selbst und auch von dritter Seite keine ausreichende Hilfe erhält, hat ein Recht auf persönliche und wirtschaftliche Hilfe, die seinem besonderen Bedarf entspricht, ihn zur Selbsthilfe befähigt, die Teilnahme an der Gesellschaft ermöglicht und die Führung eines menschenwürdigen Lebens sichert.“[5] Über die Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und die Unfallversicherung werden die unterschiedlichsten Lebensnotlagen abgedeckt, um die beschriebenen Rechte zu garantieren.

2.2 Gestaltung und Finanzierung des Sozialsystems

2.2.1 Prinzipien der Sozialversicherung

Im Folgenden wird unser Sozialsystem näher beleuchtet. Hierbei werden zuerst die Grundprinzipien des deutschen Sozialstaates beschrieben und dann im Einzelnen die Funktion und Leistungsrahmen der verschiedenen Versicherungssäulen erklärt.

Das System der Sozialversicherung unterliegt insgesamt sechs Prinzipien. Die Versicherungspflicht, das Prinzip der Beitragsfinanzierung, Solidarität, Selbstverwaltung, Freizügigkeit und das Prinzip der Äquivalenz bilden diese. Nicht alle Prinzipien finden bei jeder Sozialleistung Anwendung, sie ergänzen sich aber in einigen Punkten.

1. Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer mit einem Gehalt unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze sozialversicherungspflichtig. Ausnahmen werden in der Folge beschrieben.[6]
2. Die Sozialversicherung wird durch Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern weitestgehend paritätisch finanziert. Diese Höhe der Beiträge wird gesetzlich festgelegt und orientiert sich am Gehalt der jeweiligen Person.
3. Die versicherten Risiken werden von allen Beitragszahlern getragen, unabhängig des eingezahlten Betrags des einzelnen Versicherten. Es wird ein Ausgleich zwischen Alten und Jungen, Armen und Gesunden sowie gut Verdienenden und schlecht Verdienenden geschaffen.
4. Die Träger der Versicherung erfüllen ihre Aufgaben eigenständig unter Aufsicht des Rechtsstaates.
5. Das Prinzip der Freizügigkeit beschreibt den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU-Mitgliedstaaten.
6. Das Prinzip der Äquivalenz kommt nur in der Rentenversicherung zum Tragen, und bedeutet, dass die Höhe der Rente von der Höhe der gezahlten Beiträge abhängig ist.[7]

2.2.2 Krankenversicherung

Die Krankenversicherung existierte in seiner Frühform bereits 1883 für Arbeitnehmer. Gesetzlich geregelt wird sie im fünften Buch des Sozialgesetzbuches und beinhaltet zwei verschiedene Zweige. Zum einen werden Vorsorgeleistungen, wie beispielsweise Schutzimpfungen, Früherkennungen von Krankheiten durch Vorsorgeuntersuchungen oder Leistungen zur Schwangerschaft erbracht, zum anderen werden bei schon bestehender Krankheit oder Ausfällen Zahlungen unternommen. Hierzu zählen die ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Rehamaßnahmen, Arzneimittel, Krankenhausaufenthalte sowie Krankengeld und viele weitere Maßnahmen.[8]

Finanziert wird die Krankenversicherung über zwei verschiedene Kanäle. Der Großteil des Geldes wird über die Sozialabgaben von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erwirtschaftet. Der Beitrag beläuft sich auf 14,6% des Bruttogehalts, welcher paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt wird. Ab 2005 konnten von den Krankenkassen Zusatzbeiträge verlangt werden, die sich für das Jahr 2018 im Durchschnitt auf etwa 1,0% belief.[9] Dieser wird bis 2019 alleine vom Arbeitnehmer bezahlt, im Folgejahr wird paritätisch aufgeteilt.[10] Grund für die erhöhten Beitragssätze ist die fehlende Deckung der Kosten für die Krankenkassen. Wenn also die Mittel des Gesundheitsfonds, in welchen neben den Beiträgen außerdem Mittel durch den Bund fließen, nicht ausreichen, können diese Zusatzbeiträge erhoben werden. Der Bundeszuschuss ist seit 2017 festgeschrieben und beträgt 14,5 Milliarden Euro jährlich.[11]

Ausgeschlossen von der gesetzlichen Versicherungspflicht sind zum einen Arbeitnehmer deren Bruttogehalt die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet. Diese liegt 2018 bei 59.400 Euro jährlich oder 4.950 Euro im Monat. Des Weiteren sind Beamte, Soldaten, Richter und Beschäftigte des öffentlichen Rechts nicht gesetzlich versicherungspflichtig. 2017 waren etwa 72 Millionen Menschen in Deutschland gesetzlich krankenversichert, davon ca. 56 Millionen pflichtversichert, der Rest entweder freiwilligoder beitragsfrei mitversichert (dies schließt beispielsweise die Familienversicherung mit ein).[12] Bei Arbeitslosigkeit bezahlt die Agentur für Arbeit die Beiträge der Krankenversicherung direkt, solange bis eine neue Arbeitsstelle gefunden wird.

2.2.3 Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung sichert das Risiko pflegebedürftig zu werden ab. Sie ist mit der Einführung 1995 die jüngste der fünf Sozialversicherungszweige und lehnt sich an die Krankenversicherung an. Jede Person, die gesetzlich oder privat versichert ist, muss gleichzeitig bei seiner Krankenversicherung auch pflegeversichert sein. Die Versicherungspflicht ist somit auf den gleichen Personenkreis anzuwenden. Die gesetzliche Grundlage für die Pflegeversicherung ist das elfte Buch des Sozialversicherungsgesetzes. §1 (4) beschreibt seinen Wirkungsbereich: „Die Pflegeversicherung hat die Aufgabe, Pflegebedürftigen Hilfe zu leisten, die wegen der Schwere der Pflegebedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind.“[13] Diese Hilfe soll gewährleisten, dass die Person trotz des Bedarfs an Hilfe ein möglichst selbstbestimmtes Leben, das der Würde des Menschen entspricht, führen kann.[14] Die Beitragshöhe der Versicherten liegt bei 2,55% des Bruttogehalts, bei kinderlosen Personen über 23 Jahren steigt der Satz auf 2,8%.[15] Im Freistaat Sachsen müssen Arbeitnehmer 0,5% des Beitrags alleine bezahlen. Statt der normalen paritätischen Teilung von 1,275% für beide Seiten ergibt sich hier ein Verhältnis von 1,775% zu 0,775%. Der Grund ist, dass Sachsen das einzige Bundesland ist, das im Zuge einer Reform seit 1993 einen Feiertag mehr hat.[16] Die Pflegeversicherung kann mit dieser Art der Finanzierung keine Vollversicherung sein. Es ist lediglich möglich eine unterstützende Grundsicherung zu gewährleisten. Die Höhe des Zuschusses der Pflegeversicherung hängt vom Pflegegrad des Versicherten ab. Der Begriff der Pflegestufe (1-3) wurde am 1.1.2017 durch Pflegegrade (1-5) ersetzt. Eine Bewertung der Pflegegrade erfolgt durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.[17] Des Weiteren ist entscheidend, ob eine Pflege durch Familienmitglieder oder Bekannte durchgeführt wird (Pflegegeld) oder ob ambulante Pflegedienste eingesetzt werden (Pflegesachleistung). Die Höhe der Beträge ist der Grafik zu entnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[18]

2.2.4 Unfallversicherung

Die Unfallversicherung existiert seit 1884. Obwohl es seitdem etliche Veränderungen gegeben hat, sind die Grundpfeiler dieser Versicherung gleichgeblieben. Eine Unfallversicherung schützt den Versicherten vor dem Risiko von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Beiträge zur Unfallversicherung bezahlt der Arbeitgeber. Die Höhe der Beiträge wird anders als bei den anderen Versicherungen im Nachhinein ermittelt und ist abhängig von mehreren Faktoren. Zum einen ist der Finanzbedarf des letzten Jahres der Berufsgenossenschaft entscheidend, zum zweiten die Arbeitsentgelte, also die gezahlten Bruttolöhne der Mitgliedsunternehmen und zum dritten die Gefahrenklasse, in welcher das Unternehmen gewerblich tätig ist.[19] Durch die Unfallversicherung werden verschiedenste Leistungen abgedeckt. Von medizinischer Versorgung über Rehabilitation und Entschädigungen bis hin zu Pflege, Rente aber auch Hinterbliebenenleistungen wird überall beigesteuert sofern der Unfall unter die Richtlinien der Unfallversicherung fällt. Die Höhe der Rente über die Unfallversicherung ist abhängig vom Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Ab einer Erwerbsfähigkeit von 80% oder niedriger für mehr als 26 Wochen hat man Anspruch auf eine Rentenzahlung.[20]

2.2.5 Rentenversicherung

Der Vorgänger der Rentenversicherung, die Invaliditäts und Altersversicherung existiert seit Ende des 19. Jahrhunderts. Sie versorgt Personen, die aufgrund von Alter aus dem Berufsleben ausscheiden, mit der nötigen Unterstützung. Sie ist die einzige der Sozialversicherungen, die nach dem Prinzip der Äquivalenz handelt. Dies bedeutet, dass die Höhe der Einzahlung in die Versicherung maßgeblich für die Höhe der Auszahlung verantwortlich ist. Finanziert wird die Rente außerdem durch Arbeitgeber, Bundeszuschüsse und weiteren Einnahmen der Rentenversicherungsträger und handelt somit nach dem Solidaritätsprinzip.[21] Der Beitragssatz liegt derzeit bei 18,6% und wird paritätisch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.[22] Die Beitragsbemessungsgrenze liegt für das Jahr 2018 bei 78.000 €, das entspricht einem Monatsverdienst von 6.500 €. (neue Bundesländer 5.800 €) Diese wird jährlich mithilfe der Lohnzuwachsrate angepasst.

Die Berechnung der Rentenhöhe setzt sich aus vier Faktoren zusammen, die Formel lautet:

Monatliche Rentenhöhe = Entgeltpunkte × Zugangsfaktor × aktueller Rentenwert × Rentenartfaktor

Entgeltpunkte: Die Entgeltpunkte orientieren sich am Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Es wird jährlich im Dezember vom Statistischen Bundesamt festgestellt. Demnach wurde im Dezember 2017 das Durchschnittseinkommen von 2016 festgesetzt und das vorläufige Einkommen für 2018 ermittelt. Dieses berechnet sich durch die Multiplikation des Durchschnittseinkommens vor zwei Jahren mit der doppelten Lohnzuwachsrate des gleichen Jahres.

Beispiel:

Vorläufiges Durchschnittseinkommen 2018 = Durchschnittseinkommen 2016 × (Lohnzuwachsrate 2016 (%) × 2)

Vorläufiges Durchschnittseinkommen 2018 = 36.187 €× (2,3301190 %×2) = 37.873 €[23]

Bei einem Verdienst in der Höhe des Durchschnittseinkommens bekommt man einen Entgeltpunkt, verdient man die Hälfte, wird einem ein halber Punkt gutgeschrieben. Aufgrund der Einkommensunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern werden die Durchschnittseinkommen im Osten aufgewertet.

Rechnung:

Jahreseinkommensanpassung (Ost): 30.000×1,1415= 34.245 €

Entgeltpunkte: 34.245/ 36.187 = 0,9463

So bekommt beispielsweise ein Arbeitnehmer im Osten für einen Jahresverdienst von 30.000 € den gleichen Entgeltpunktsatz, wie ein Arbeitnehmer im Westen für einen Jahresverdienst von 34.245 €. (Umrechnungsfaktor 2016: 1,1415) Dies entspricht einer Entgeltpunktzahl von 0,9463. Mit dem Gesetz zur Rentenangleichung von Ost und West wird bis zum Jahr 2025 schrittweise die unterschiedliche Berechnung der Entgeltpunkte abgeschafft. Die maximale Anzahl an Punkten wird durch die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze vorgegeben. Man kann also nicht mehr Punkte bekommen, als das Verhältnis der Beitragsbemessungsgrenze zum Durchschnittseinkommen. Die Grenze liegt für das Jahr 2018 bei 78.000 € (6.500€ monatlich) für den Westen und 69.000 € (5.800 €) für den Osten.[24]

Zugangsfaktor:

Mit dem Zugangsfaktor werden Zu und Abschläge ermittelt, die sich aus dem früheren oder späteren Eintritt als die Regelaltersgrenze ergeben. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelaltersgrenze Im Jahr 2012 (SGB, Sechstes Buch § 35)[25] wird das Rentenalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Bei einer Mindestversicherungsdauer von 5 Jahren und einem Eintritt in die Rente zur Regelaltersgrenze erhält man den Zugangsfaktor 1,0. Eine Arbeit über dieses Alter hinaus erhöht den Faktor entsprechend.

Aktueller Rentenwert:

Der aktuelle Rentenwert ist der Ausdruck eines Geldwertes, der für einen Entgeltpunkt steht. Er wird jährlich über die Faktoren Bruttolohnentwicklung, Riesterfaktor, Nachhaltigkeitsfaktor und Schutzklausel ermittelt. Die genaue Berechnung dieser Rentenanpassungsformel wird nicht Teil meiner Arbeit sein. Für 2018 liegt der Rentenwert im Osten bei 30,69 € und im Westen bei 32,03 €.

Rentenartfaktor:

Die Art der Rente ist ein weiterer Faktor. Die normale Altersrente hat hierbei wieder einen Punktwert von 1,0, genau wie die Rente bei voller Erwerbsminderung und die Erziehungsrente. Andere Rentenarten, beispielsweise die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung oder die Vollwaisenrente werden mit verminderten Entgeltpunkten versehen.[26]

2.2.6 Arbeitslosenversicherung

Das System der Arbeitslosenversicherung wurde 1927 eingeführt. Seitdem wurden unzählige Reformen durchgeführt, um die Versicherung anzupassen. Seit 1952 regelt die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit Hauptsitz in Nürnberg diese Art der Sicherung. Seit 2004 trägt dieses Amt den Namen Bundesagentur für Arbeit.[27]

Das Ziel der Versicherung ist es, arbeitssuchende Menschen finanziell zu unterstützen, um eine Aufnahme von neuer Arbeit zu gewährleisten. Versicherungspflichtig sind Arbeitnehmer, die nicht unter die Kategorie des Minijobs fallen. Selbstständige haben keinen Zwang sich zu versichern, können dies jedoch freiwillig tun. Beamte, Soldaten, Richter und weitere Beschäftigte des Bundes fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.[28] Der Beitragssatz für die Versicherung liegt seit 2011 stabil bei 3,0 Prozent und ist paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu bezahlen.[29] Die Beitragsbemessungsgrenze liegt, genau wie bei der Rentenversicherung, bei 6.500 € in den alten Bundesländern und 5.800 € in den neuen Bundesländern. Die Finanzierung der Versicherung erfolgt neben diesen gesetzlichen Beiträgen durch freiwillig Versicherte, Zuschüsse des Bundes und weiteren Einnahmen. Die Bundesagentur für Arbeit hat jährlich eine Rücklage zu bilden um in Jahren des Konjunkturabschwungs eine Zahlung gewährleisten zu können.

Wichtig ist es zwischen Arbeitslosengeld I (ALG I) und Arbeitslosengeld II (ALG II oder Hartz IV) zu unterscheiden. Das ALG I ist eine wirkliche Versicherungsleistung und die Höhe des Auszahlungsbetrages ist abhängig von der Höhe des bisherigen Verdienstes, während ALG II aufgrund von Bedürftigkeit ausgezahlt wird.

Arbeitslosengeld I:

Um Anspruch auf Arbeitslosengeld I zu haben müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss der Antragsteller wirklich arbeitslos sein, des Weiteren muss man mindestens 12 Monate in den letzten 2 Jahren in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben. Eine persönliche Meldung der Arbeitslosigkeit muss außerdem erfolgt sein.[30]

Bei Arbeitslosen mit Kindern beträgt die Auszahlung 67% des letzten Nettogehalts, bei Kinderlosen sind es 60%. Dieser Betrag wird unabhängig des bestehenden Vermögens der Person bezahlt. Es kann lediglich aufgrund von Nebeneinkünften gekürzt werden. Die Höhe des letzten Nettogehalts wird in einem Bemessungszeitraum von einem Jahr ermittelt. Enthält dieser Zeitraum weniger als 150 Tage Anspruch auf Entgelt oder wäre eine enge Bemessungsgrundlage von einem Jahr unverhältnismäßig kleiner, kann dieser auf 2 Jahre ausgeweitet werden.[31] Bei der Berechnung des ALG I wird das ermittelte Bruttoeinkommen durch die Tage des Berechnungszeitraumes geteilt, um einen durchschnittlichen Bruttoverdienst pro Tag zu erhalten. Von diesem werden dann fiktiv Sozialversicherungsbeiträge (21% Pauschale), Lohnsteuer (je nach letzter Lohnsteuerklasse) sowie Solidaritätsbeitrag abgezogen. Das dadurch ermittelte pauschalisierte Nettoentgelt wird dann mit dem Leistungssatz verrechnet. Eine Hochrechnung auf den vollen Monat ist der letzte Schritt.

Die Leistung aus dem ALG I kann nur in einem bestimmten Zeitraum erfolgen. Dieser ist abhängig von der Dauer der Einzahlung in die Versicherung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[32]

Arbeitslosengeld II:

Das unter dem Namen Hartz IV bekannte Sicherungssystem wird anders als das ALG I nicht ausschließlich aufgrund von Arbeitslosigkeit verwendet, sondern zentriert sich auf die Bedürfnisprüfung. Es gilt der Grundsatz, dass jedem Menschen ein Leben nach dem soziokulturellen Existenzminimum möglich gemacht werden muss. Dies bedeutet, dass jedem, der in Deutschland lebt und erwerbsfähig ist, aber dessen Mittel nach einer Prüfung zu gering sind, diese Art der Sicherung zusteht. Eine Inanspruchnahme ist somit auch dann möglich, wenn man einen schlecht bezahlten Job hat, der nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu decken. Bei der Prüfung sind die Einkommens und Vermögensverhältnisse der Person sowie von Angehörigen relevant.[33] Die Finanzierung funktioniert dabei nicht über eine Versicherung, in welche man beispielsweise als Arbeitnehmer einzahlt, sondern über Steuern, die von der gesamten Solidargemeinschaft getragen werden. Träger dieser Sicherung sind die Bundesagentur für Arbeit und die Kommunen. Der Regelsatz für ALG II beträgt für das Jahr 2018 bundeseinheitlich 416 € und wird jährlich auf Basis von Preis und Lohnentwicklung angepasst.[34] Hinzu kommen Leistungen, wie Miete und Heizkosten, die von der zuständigen Einrichtung bezahlt werden. Mitglieder in einer Bedarfsgemeinschaft, beispielsweise Familienangehörige, erhalten außerdem einen zusätzlichen verminderten Leistungssatz. Beziehern des ALG II wird die Pflege und Krankenversicherung vom jeweiligen Träger finanziert. Diese wird, wenn möglich, als Familienversicherung über einen gesetzlich versicherten Angehörigen abgewickelt.

[...]


[1] Vgl. Schmid, Josef: Deutsche Verhältnisse. Eine Sozialkunde. 31.05.2012, Bundeszentrale für politische Bildung. Unter: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138744/historischer-rueckblick?p=all. (Stand 27.08.2018).

[2] GG, Art 20 Abs 1.

[3] Vgl. Liebig, Stefan/Schupp, Jürgen: Gerechtigkeitsprobleme im Wohlfahrtsstaat: Besteuerung, wohlfahrtsstaatliche Transfers und die Gerechtigkeit des eigenen Erwerbseinkommens, Berlin 2008, S. 1.

[4] Von Stein, Lorenz: Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, Bd. 1, Leipzig 1850, S. 104.

[5] SGB I. § 9.

[6] Krankenkassen Zentrale: Formen der Sozialversicherung in Deutschland. Unter: https://www.krankenkassenzentrale.de/wiki/sozialversicherung# (Stand: 27.9.2018)

[7] Vgl. Haas, Jörg: Bedingungsloses Grundeinkommen, Hamburg 2009. S. 25.

[8] Vgl. Herath, Karl-Jürgen: Sozialversicherung. 2018, Deutsche Rentenversicherung. Unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/02_fachliteratur/studientexte/01_versicherungsrecht/01_sozialversicherung.pdf?__blob=publicationFile&v=3. S.15 (Stand 27.09.2018).

[9] Vgl. Bundesministerium für Gesundheit: Durchschnittlicher Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung wird für 2018 auf 1,0 Prozent gesenkt. 2018, Bundesgesundheitsministerium. Unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2017/4-quartal/festlegung-durchschittlicher-zusatzbeitrag.html (Stand: 27.09.2018)

[10] Vgl. Bundesregierung: Beschäftigte ab 2019 entlastet: 2018, die Bundesregierung. Unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2018/06/2018-06-06-beschaeftigte-und-selbstaendige-ab-2019-entlastet.html (Stand 27.09.2018)

[11] Vgl. Statista: Höhe des Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds in den Jahren 2004 bis 2018 (in Milliarden Euro). 2018 Statista Das Statistik-Portal: Unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/244326/umfrage/zuschuss-des-bundes-zum-gesundheitsfonds/. (Stand: 27.09.2018)

[12] Vgl. GKV: Zahlen und Grafiken. 2018, GKV Spitzenverband. Unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/zahlen_und_grafiken/zahlen_und_grafiken.jsp (Stand 27.09.2018)

[13] SGB, XI §1 (4)

[14] Vgl. Deutsche Rentenversicherung: Unserer Sozialversicherung. 2018. Unter: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/5_Services/03_broschueren_und_mehr/01_broschueren/01_national/unsere_sozialversicherung.pdf?__blob=publicationFile&v=31 S. 174. (Stand 27.09.2018)

[15] Vgl. Krankenkassen Zentrale: Beitragssatz 2018 für die Pflegeversicherung. Unter: https://www.krankenkassenzentrale.de/wiki/pflegepflichtversicherung#. (Stand 27.09.2018)

[16] Vgl. Lohn-Info: Beitragsberechnung zur Pflegeversicherung in Sachsen. Unter: https://www.lohn-info.de/pflegeversicherung_sachsen.html. (Stand: 27.09.2018)

[17] Vgl. Deutsche Rentenversicherung: Unsere Sozialversicherung. S. 184.

[18] Vgl. Deutsche Rentenversicherung: Unsere Sozialversicherung. S. 187.

[19] Vgl. DGUV: Kein Buch mit sieben Siegeln: Die Beitragsberechnung. Unter: https://www.dguv.de/de/ihr_partner/unternehmen/beitragsberechnung/index.jsp (Stand 27.09.2018)

[20] Vgl. Deutsche Rentenversicherung: Unsere Sozialversicherung. S. 183.

[21] Vgl. Haas, Jörg, Bedingungsloses Grundeinkommen. S. 24.

[22] Deutsche Rentenversicherung: Werte der Rentenversicherung. Unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/6_Wir_ueber_uns/02_Fakten_und_Zahlen/01_werte_der_rentenversicherung/werte_der_rv_node.html#doc183748bodyText1 (Stand 27.09.2018)

[23] Vgl. Deutsche Rentenversicherung: Wie sich die Rente berechnet: Unter: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Navigation/1_Lebenslagen/05_Kurz_vor_und_in_der_Rente/01_Kurz_vor_der_Rente/ 04_wie_sich_die_rente_berechnet/wie_sich_die_rente_berechnet_node.html#doc233988bodyText3 (Stand 27.09.2018)

[24] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Referentenentwurf. Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung 2018. Unter: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Meldungen/2016/referentenentwurf-zur-sozialversicherungs-rechengroessenverordnung-2018.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Stand 27.09.2018)

[25] SGB, VI § 35.

[26] Vgl. SGB, VI § 67

[27] Vgl. SGB III, § 1.

[28] Vgl. SGB III, § 27 Absatz 1, Satz 1.

[29] Vgl. SGB III, § 341 Absatz 2.

[30] Vgl. Bundesagentur für Arbeit: Anspruch, Höhe, DauerArbeitslosengeld. Unter: https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/anspruch-hoehe-dauer-arbeitslosengeld (Stand 27.09.2018)

[31] Vgl. SGB III, § 150, Absatz 3.

[32] Vgl. Haas: Bedingungsloses Grundeinkommen. S. 29.

[33] Vgl. SGB II, § 9 Absatz 2.

[34] Vgl. HartzIV: Hartz IV Regelsatz. Unter: https://www.hartziv.org/regelbedarf.html (Stand. 27.09.2018)

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Herausforderungen der sozialen Sicherung in Deutschland
Untertitel
Eine Analyse ausgewählter Modelle
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Wirtschaftswissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
44
Katalognummer
V539173
ISBN (eBook)
9783346143181
ISBN (Buch)
9783346143198
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bedingungsloses Grundeinkommen, Sozialsystem, Götz Werner, Althaus-Modell, Emanzipatorisches Grundeinkommen, Dieter Althaus
Arbeit zitieren
Felix Brütting (Autor:in), 2018, Das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Herausforderungen der sozialen Sicherung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539173

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das bedingungslose Grundeinkommen als Antwort auf die Herausforderungen der sozialen Sicherung in Deutschland



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden