Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Danksagung
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage – Thesis
1.2 Zielsetzung der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Digitalisierung - Definition und Historie
2.2 Digitalisierung im Gesundheitswesen
2.3 Digitalisierung im Gesundheitswesen – Chancen und Erwartungen
2.4 Literatur-Auswertung
3 Methodik
3.1 Patienten / Versicherten Online-Umfrage zur Digitalisierung im Gesundheitswesen
3.2 Studiendesign und Teilnehmer
4 Ergebnisse
4.1 Ergebnisse - Häufigkeitsdaten
4.2 Ergebnisse – Korrelationen
5 Diskussion
5.1 Bereitschaft
5.2 Digitalkompetenz
5.3 Aufklärung
5.4 Technology-Acceptance-Model nach Davis (1989)
5.5 Datenschutz
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang: Der Patientenaufklärungsflyer
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Impressum:
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Abstract
Die vorliegende Bachelorarbeit gibt einen Überblick über die aktuelle Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen unter den Stakeholdern des Gesundheitssystems in Deutschland.
Ziel dieser empirischen Untersuchung, ist die Analyse des Status Quo der Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen unter der Bevölkerung. Aus den Ergebnissen der Forschung soll eine optimale, gezielte Strategie zur Verbesserung der Aufklärung von Patienten und anderen Versicherungs-mitgliedern zu diesem Thema entwickelt werden. Dazu wurde neben eine Literaturanalyse auch eine quantitative Forschung in Form einer Online-Umfrage durchgeführt und Analysiert.
Der Erwartung entsprechend, hat die Auswertung der Umfrage und die Literaturanalyse eine mangelnde Aufklärung unter der Bevölkerung über den Nutzen der Digitalisierung im Gesundheitswesen und damit aktuell eine nicht ausreichende Akzeptanz der digitalen Medizin eindeutig belegt. Entgegen der Erwartung hat die Untersuchung mehr Akzeptanz und Willen zur Nutzung der digitalen Anwendungen bei den Patienten und Versicherten gezeichnet, als bei den niedergelassenen Ärzten. Eine breite Verunsicherung beim Thema Datenschutz hat sich bei mehreren Stakeholdergruppen erwartungsgemäß bestätigt. Ebenso hat sich die teilweise nicht ausreichende digitale Kompetenz der Bevölkerung bestätigt. Diesem Umstand sollte durch Kurse und Fortbildungen entgegengewirkt werden. Zusätzlich hat sich auch die Gültigkeit der Theorie des Technology-Acceptance-Models nach Davis (1989) bestätigt, damit also die Abhängigkeit der Akzeptanz von erkennbaren Nutzen und Bedienungsfreundlichkeit der digitalen Angebote. Dies soll weiterhin bei der Entwicklung der digitalen Anwendungen berücksichtigt werden.
Die Untersuchung hat umgehenden Handlungsbedarf in Form von breiter Aufklärungsarbeit, am besten durch den Staat, für die Patienten und andere Versicherungsmitglieder bestätigt. Außerdem hat die Literaturanalyse eine unumgängliche Notwendigkeit festgestellt, die Akzeptanz der Ärzte wiederholt zu diskutieren und mit entsprechenden Maßnahmen schnellstens zu verbessern.
Diese Bachelorarbeit kann zu einer optimalen Einführung der Digitalisierung im Gesundheitswesen beitragen. Vor allem die nötige Akzeptanz und somit die Bereitschaft der Patienten und Versicherungsmitglieder kann mit Hilfe der hier gewonnenen Ergebnisse gezielt verbessert werden. Die nötigen Prioritäten und Ansätze sind aus der Untersuchung deutlich erkennbar.
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1: Digital Health; Das WIG - Ordnugsmodel
Abbildung 2: Taxonomie der Digitalisierung im Gesundheitswesen nach Leppert und Greiner
Abbildung 3: Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft 2016
Abbildung 4: Digital-Health-Index von 17 untersuchten Ländern nach Bertelsmann Stiftung
Abbildung 5: Telematikinfrastruktur für elektronische Gesundheitskarte und Patientenakte
Abbildung 6: eHealth Soziotechnisches System nach Lux; 2019
Abbildung 7: Die Haupt-Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Medizin.
Abbildung 8: Beschäftigten im deutschen Gesundheitswesen nach Einrichtung in 2017 (in 1000)
Abbildung 9: Nutzung der ePatientenakte nach BMG
Abbildung 10: Nutzungsbereitschaft der geplanter ePatientenakte unter den Patienten
Abbildung 11: Anzahl der Mitglieder und Versicher-ten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung im Jahr 2019 (in Millionen)
Abbildung 12: Zustimmung zur elektronischen Gesundheits-akte in den verschiedenen Bundesländern
Abbildung 13: Anteil der Krankenhäuser in BRD nach Trägerschaft und Bundesland im Jahr 2017
Abbildung 14: Potentielle Inhalte und Funktionalitäten einer ePatientenakte
Abbildung 15: Erwartete betriebswirtschaftliche Chancen der Digitalisierung in Krankenhäusern
Abbildung 16: Status Quo der Online-Sprechstunde in Arztpraxen
Abbildung 17: Veränderung der Bekanntheit ausgewählter digitaler Versorgungslösungen unter den Ärzten 2018-2019
Abbildung 18: Vergleich der Verbreitung aller digitalen Versorgungsangebote unter den Ärzten
Abbildung 19: Positive Zustimmung aller digitalen Versorgungsszenarien nach Berufserfahrungsdauer
Abbildung 20: Anzahl der Pflegebedürftigen in der BRD bis 2030
Abbildung 21: Prognostizierter Bedarf an Pflegekräften in der BRD bis 2035
Abbildung 22: Nutzung der Digitalisierung im Pflegebereich
Abbildung 23: Perspektiven des Erlernens von digitalen Kompetenzen im Pflegebereich
Abbildung 24: Umfrage zur Nutzungsbereitschaft von eHealth Apps; Deutschland; N=1.193 Befragte; 18-69 Jahre
Abbildung 25: Zusammensetzung der digitalen Gesellschaft in Deutschland
Abbildung 26: Kriterien für „Vorsichtige Pragmatiker“
Abbildung 27: Verteilung der digitalen Gesellschaft auf dem Land und in der Stadt
Abbildung 28: Technology-Acceptance-Model nach Davis (1989)
Abbildung 29: Akzeptanzmodel für Digitalisierung im Gesundheitswesen nach Davis,
Abbildung 30: Messmodell für Faktoren „Wahrgenommener Nutzen“ und „Wahrgenommene einfache Bedienbarkeit“
Abbildung 31: Auszug aus einer Befragung zu wahrgenommenem Nutzen und Bedienbarkeit der „In-Ohr-Sensorik“ unter den Patienten, deren Angehörigen, Pflegepersonals und auch Ärzten
Abbildung 32. „Sehen Sie in der Digitalisierung im Gesundheitswesen Vorteile und wenn „ja“ für wen“? - Mehrfache Antwortmöglichkeit
Abbildung 33: „Fühlen Sie sich im Zuge der Digitalisierung im Gesundheitswesen ausreichend über neue Angebote informiert?“
Abbildung 34: „Welche von den folgen-den digitalen Angeboten im Gesundheitswesen würden Sie nutzen (kostenlos) oder sind bereits aktiver Nutzer“? - Mehrfache Antwortmöglichkeit
Abbildung 35: „Ist für Sie bei der Bereitschaft zum Nutzen der digitalen Angebote eine einfache Benutzerfreundlichkeit entscheidend“?
Abbildung 36: „Ist Ihre Bereitschaft, digitale Angebote im Gesundheitswesen zu nutzen, davon abhängig, ob IHNEN diese auch erkennbare Vorteile und Nutzen bringen?
Abbildung 37: Was wären für Sie die wichtigsten Vorteile einer Online-Sprechstunde?“- Mehrfache Antwortmöglichkeit
Abbildung 38: „Auf welchen Bereichen des Gesund-heitswesen würden Sie gerne intensiver über digitale Ange-bote aufgeklärt werden?“
Abbildung 39: „Wären Sie bereit, auch weitere Angebote und Dienstleistungen in digitaler Form in Anspruch zu nehmen, wie z.B. ?
Abbildung 40 „Wären Sie bereit, auch weitere Angebote und Dienstleistungen in digitaler Form in Anspruch zu nehmen, wie z.B. ?
Abbildung 41: „Haben Sie Bedenken oder sogar Ängste vor der Digitalisierung im Gesundheitswesen, wie z.B. künstliche Intelligenz?“
Abbildung 42: „Was könnte Sie von der Nutzung digitaler Angebote im Gesundheitswesen abbringen?“
Abbildung 43: „Durch welche Institution würden Sie gerne über die Digitalisierung im Gesundheitswesen informiert werden?“
Abbildung 44: „Schätzen Sie Ihre Digitalkompetenz für ein digitales Gesundheitswesen als „ausreichend“ aus?“
Abbildung 45: Stärke des Abbildung Zusammenhangs nach Kuckartz et al. 2010
Tabelle 1: Ergebnisse der Korrelationsanalyse (eigene Online-Umfrage)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Danksagung
Mein hauptsächlicher Dank gilt meinem Betreuer Prof. Dr. Marco Halber für seine hilfreichen Anregungen und unermüdliche Zuversicht während des gesamten Betreuungszeitraums. Die Freiheit, die er mir bei der Wahl des Themas gelassen hat, war nicht selbstverständlich.
Auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Umfrage haben durch ihre Auskunftsbereitschaft meine Bachelorarbeit wesentlich mitgeprägt.
Letztlich richte ich auch ein Dankeschön an meine Tochter Marie und Ihren Freund Nahuel für das Korrekturlesen meiner Arbeit sowie an meine beiden jüngeren Töchter Anna und Katrin die mir einen großen Respekt entgegen gebracht haben. Vor allem bedanke ich mich bei meinem Mann Jirka, der mich die ganze Zeit moralisch unterstütz und stets motiviert hat. Ein besonderen Dank an mein Enkelsohn Jonathan, der mir auch in der heißester Phase gezeigt hat, dass noch wichtigere Sachen auf der Welt sind.
1 Einleitung
Die Digitalisierung ist auch in Deutschland angekommen und bietet in vielen Branchen einen breiten Nutzen. Waren noch im Jahr 2015 die digitalen Themen bei der Diskussion oft mit „Angst“ und „Unsicherheit“ verbunden, wurden bereits 2016 in der Wirtschaft verstärkte Aktivitäten im Rahmen einer beginnenden digitalen Implementierung wahrgenommen. Doch nicht alle Wirtschaftsbranchen sind mit gleicher Intensität in die digitale Transformation eingestiegen, denn in verschiedenen Bereichen ist die Geschwindigkeit der Digitalisierung in Abhängigkeit vom aktuellen und allgemeinen Status Quo der Digitalisierung und dem Aufkommen neuer Wettbewerber. Auch dies erklärt in gewisser Weise die erst jetzt ankommende Welle der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen. Diese Welle ist zwar sehr deutlich zu beobachten, trotzdem gilt Deutschland europaweit als Nachzügler bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Doch die Bundesregierung will jetzt das Thema voranbringen und bis 2021 alle Bürger mit einer eigenen elektronischen Patientenakte ausstatten. Mit der Inbetriebnahme der Telematikinfrastruktur wäre ein wichtiger Schritt in Richtung eines zukunftweisenden, optimal funktionierenden Gesundheitssystems getan.
Wie bei jedem betriebswirtschaftlichen Thema, ist auch bei der Umstellung auf Digitalisierung zu hinterfragen, welches konkrete Problem damit gelöst werden soll und kann als auch welche konkreten Vorteile zu erwarten sind. Eine ausgiebige Erörterung des Potentials der Digitalisierung im Gesundheitswesen erhöht die Akzeptanz unter den Nutzern. Dies schafft die besten Voraussetzungen für eine schnelle und erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens.
Doch die Umfragen zeigen, dass die Aufklärung in puncto Digitalisierung des Gesundheitswesens, gerade unter den Hauptakteuren des Gesundheitssystems, nämlich unter den Patienten als auch den Ärzten, sehr mangelhaft und ungenügend ist. Laut einer repräsentativen Umfrage mit dem Titel „Erwartungen an die Digitalisierung des Gesundheitswesens“ von Nuance Healthcare1 (N 2000), herrscht aktuell noch große Verunsicherung unter den Bürgern bezüglich der Digitalisierung des Gesundheitswesens – lediglich 26 Prozent der Befragten fühlen sich ausreichend informiert. Dazu geben 77 Prozent der Befragten an, über nicht genügend Digitalkompetenz im Gesundheitsbereich zu verfügen, oder nicht einschätzen zu können, ob diesbezüglich Nachholbedarf besteht. Erfreulich ist allerdings die Tatsache, dass über 70 Prozent der Bürger bereit sind, sich aktiv um eine höhere Digitalkompetenz für Ihre Gesundheitsversorgung zu bemühen.
Obwohl die Digitalisierung auch das Gesundheitswesen allgemein im großen Stil verändert, gab es bislang in Deutschland noch keine einheitliche Aufklärungskampagne für die Patienten, die großflächig über den Einsatz digitaler Technologien im Gesundheitswesen informiert hat. Die laufenden Diskussionen finden überwiegend in Branchen- und Expertenkreisen statt, dabei geht es jedoch allzu oft um rein wirtschaftliche Aspekte– die Digitalisierung selbst wird lediglich auf Spareffekte reduziert. Auch bei der Erörterung in Literatur und Publikationen wird deutlich, dass Erkenntnisse auf diesem Gebiet überwiegend von dem BMG, Krankenkassen oder anderen beteiligten Anbietern gezielt ausschließlich nur für Fachgruppen vorliegen2. Dabei bietet die Umstellung vor allem große Chancen, die medizinische Versorgung der Patienten zu verbessern.
Eines ist allerdings klar: auch die bestentwickelten digitalen Technologien, fehlerfreie digital organisierte Krankenhaus- und Praxisabläufe, hochwertige Künstliche Intelligenz und weitere Errungenschaften der Digitalisierung, nutzen nichts, solange die Nutzer nicht bereit sind, diese auch in Anspruch zu nehmen, oder es ihnen an der dafür nötigen digitalen Kompetenz mangelt. Selbst die Patienten geben hier eine Richtung vor, wie die mangelnde Aufklärung und die nicht ausreichende digitale Kompetenz bewältigt werden können. Die Umfrage belegt nämlich, dass sich Patienten eine Aufklärung durch Krankenkassen und Ärzte wünschen und dass sie sogar bereit sind, aufklärende Kurse dazu zu besuchen. Wichtig dabei ist natürlich, diese Bemühungen an die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Patienten anzupassen. Vor allem ist anzunehmen, dass eine verständliche Aufklärung über die Vorteile der Digitalisierung des Gesundheitssystems in breiterem Rahmen zu mehr wirklichem Interesse an der Digitalisierung im Gesundheitswesen führen wird, was wiederum zum aktiven „Mitmachen“ anregt.
1.1 Ausgangslage – Thesis
Die immer noch niedrige Beteiligung und Bereitschaft von Anwendern bei der aktiven Umsetzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, ist durch allgemein mangelnde Aufklärung über die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen allgemein verursacht und das sowohl in der Art (wie?), der Qualität (interessant, verständlich, angepasst) und auch der Quantität (wieviel?), wie diese aktuell durchgeführt bzw. nicht durchgeführt ist. Die nicht ausreichende digitale Kompetenz von Bürgern muss ebenso auf politischer Ebene diskutiert werden. In der vorliegenden Bachelorarbeit werden lediglich die „Akzeptanz der Digitalisierung im Gesundheitswesen durch die Bevölkerung“ das dazugehörige wissenschaftliche Modell beschrieben und analysiert. Die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung von Akzeptanz und Bereitschaft gegenüber der Digitalisierung, sowie digitaler Kompetenz in der Bevölkerung, können in dieser Arbeit nicht detailliert und ausführlich erörtert werden. Auch die Problematik der Datenschutzsicherheit wird nur am Rande betrachtet.
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, die Akzeptanz von Patienten und anderen Stakeholdern des Gesundheitssystems gegenüber der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu untersuchen und eine optimale Patientenbroschüre, in Form eines Katalogs, mit Vorteilen der Digitalisierung im breiteren Spektrum des Gesundheitswesens zu erstellen. Es werden für Patienten relevante Beispiele der Digitalisierung aus sämtlichen Bereichen des Gesundheitssystems Deutschlands erörtert und zusammengefasst. Diese werden dann verständlich, an das Patientenniveau angepasst, in einer Patientenbroschüre präsentiert, mit dem Ziel, das Interesse des Patienten an der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu fördern und aktives „Mitmachen“ anzuregen.
2 Theoretische Grundlagen
Schon lange kann Digitalisierung nicht mehr als eine Modeerscheinung oder ein neues Spielfeld für Technikfreaks abgetan werden. Technologiekonzerne, die ihre Geschäftskonzepte auf Digitalisierung aufgebaut haben, belegen die ersten Plätze unter den zehn weltgrößten Unternehmen3. Dabei erzielen diese Unternehmen die gigantischen Umsätze nicht etwa mit neuen Produkten, sondern mit neuen Prozessen und Methoden. So sind die Innovativsten Unternehmen der letzten Jahrzehnte zum Beispiel:
Facebook – das größte Medienunternehmen der Welt, obwohl es keine eigenen Inhalte hat.
Uber – ist ohne ein eigenes Fahrzeug der größte Taxiunternehmer der Welt geworden.
Airbnb – der weltweit größte Anbieter von Unterkünften, obwohl das Unternehmen keine eigene Immobilie besitz.4
Dieser Wandel berührt automatisch auch unsere private Lebenswelt und bei vielen Menschen ist die Digitalisierung in sämtlichen Lebensbereichen bereits durchgedrungen. Auch Medizin und Gesundheitswesen werden durch technologische Errungenschaften der Digitalisierung zunehmend beeinflusst und verändert.
2.1 Digitalisierung - Definition und Historie
Als Ausgangspunkt sollte definiert werden, was in dieser Arbeit unter dem Begriff der Digitalisierung verstanden wird. Es gibt eine Vielzahl von Definitionen, die sich jedoch oft deutlich voneinander unterscheiden. Im Kern beschreibt der Prozess der Digitalisierung die Umwandlung analoger Werte oder Daten in ein digital nutzbares Format. An dieser Stelle ist es mit Sicherheit wichtig nochmal ins Detail zu gehen und den Begriff „Digital“ genauer zu erläutern, denn was heißt es überhaupt, Daten digital zu nutzen? „Digital“ leitet sich vom lateinischen Wort „digitus“ ab, was übersetzt „Finger“ bedeutet. In der Technik bedeutet „digital“ allerdings, dass etwas mit einer begrenzten Zahl von Ziffern dargestellt wird, in der Praxis ist das heute das weit verbreitete Binärsystem. Daten (Informationen) werden dadurch in Form von Bits und Bytes umgewandelt und werden so blitzschnell von A nach B übertragen. Die Basis für diese moderne Telekommunikation ist ein schnelles, leistungsfähiges Internet und ein dazu nötiges ausreichend ausgebautes Netz aus Glasfaserkabeln als Übertragungsmedium der Datenkommunikation. Zur Verarbeitung der digitalen Kommunikation werden Computer und Server benötigt. Als Ausgangs-, oder Empfangsmedium kommen immer häufiger auch Smartphones oder Tablets zum Einsatz.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird „digital“ als Abgrenzung zu analoger Technik verwendet, z.B. analoges Radio vs. digitales Radio. Unter dem Schlagwort „digital“ werden oft auch einfach nur neue Technologien zusammengefasst, wie Smartphones, Computer, das Internet, etc. und darüber hinaus unter dem Begriff „Digitalisierung“ dessen Integration und Nutzung in Berufs- und Privatleben. Oft wird die Digitalisierung eher als Teil der Computerisierung und damit einfach als ein weiterer Schritt in der Medienentwicklung betrachtet. Dabei handelt es sich nicht um eine Technologie. Es geht dabei nicht um Hard- oder Software, Cloud, KI, Breitband oder die IT-gestützte Automatisierung von Prozessen.
Der Begriff „Digitalisierung“ kann auch als digitale Wende, beziehungsweise als dritte Revolution verstanden werden. Es geht um das Zeitalter der Digitalisierung, indem wir uns alle gleichermaßen befinden. Es betrifft also jeden von uns, unseren Umgang unter- und miteinander. Es geht um unsere Umwelt und um unser alltägliches Leben. Diese digitale Revolution, die wir gerade durchmachen, dürfte durchaus vergleichbar mit der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert sein, da sie enorme Veränderungen und Erleichterungen in allen Bereichen des Lebens mit sich bringt. Die meisten Dinge, die früher analog erfolgten, wurden mittlerweile schon digitalisiert oder es wird gerade mit Hochdruck daran gearbeitet.
2.2 Digitalisierung im Gesundheitswesen
Digitalisierung, nicht nur im Gesundheitswesen, gehört ohne Zweifel zu den größten Umbrüchen in der Geschichte. Dieser Wandel eröffnet eine neue Dimension von Vorteilen für sämtliche Akteure des Gesundheitssystems, vor allem aber für Patienten. Was Digitalisierung für das Gesundheitswesen bedeutet, darüber herrscht allerdings keinesfalls Einigkeit. Nicht jeder wird den vorherigen Zeilen zustimmen, dass die Digitalisierung als eine grundlegende Entwicklung anzusehen ist, die einen signifikanten Einschnitt für das Gesundheitswesen bedeutet. Durch zunehmende Digitalisierung werden Prozesse im Gesundheitswesen stark verändert, manchmal aber auch nur zum Teil neu gestaltet. Schon heute stehen den Ärzten z.B. zuverlässige Informationen über Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten in einer extrem gut gefüllten Datenbank zur Verfügung, auf die jeder Arzt und Apotheker zugreifen kann.
Oft wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen direkt mit dem Begriff „eHealth“ übersetzt. Doch Digitalisierung im Gesundheitswesen, oder auch „Digital Health“ bedeutet eigentlich mehr5 (Abbildung 1). Unter eHealth ist „lediglich“ der gesundheitsbezogene Einsatz von Informations- und Kommunikations-technologien (IKT) zu verstehen, wie in Abbildung 2 nach Leppert und Greiner veranschaulicht. Die verschiedenen Digital Health Anwendungen sind Basis für
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Digital Health; Das WIG - Ordnugsmodel6
Big Data, da diese durch die Nutzung des Tech- und Trend Health erhoben werden. Unter Big Data lässt sich die Gewinnung von neuen Erkenntnissen und Zusammenhängen aus großen unstrukturierten Daten beschreiben. Um diese Daten zu verarbeiten, kommt die Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Die Aufgabe der Künstlichen Intelligenz ist es also, Information, Erkenntnisse und Zusammenhänge aus Big Data destillieren zu können. Ergebnisse aus Big Data Analysen dienen wiederum als Basis für die sinnvolle Nutzung von Digital Health. Diese Elemente stehen also in enger gegenseitiger Abhängigkeit zueinander.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Taxonomie der Digitalisierung im Gesundheitswesen nach Leppert und Greiner7
Die einhergehenden Datenmengen liefern die Möglichkeiten, in Zukunft eine optimale, schonende, personalisierte Medizinische Versorgung zu sichern. Auswertungen der zur Verfügung gestellten Patienten-, Krankheits- und Therapiedaten dienen der schnellen und effektiven Forschung und Entwicklung neuer Medikamente und Therapien, somit also auch den personalisierten Therapiealgorithmen. Kurz zusammengefast lässt sich eHealth auch folgend beschreiben:
- Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen, mit Hilfe von entsprechenden Konzepten, Methoden und Werkzeugen
- Integration der Prozesse im Gesundheitswesen unterstützt durch Einsatz von IT-Systemen
- Interoperabilität der Prozesse und IT-Systeme8
Die Definition der Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte also auch wie folgt sein:
„Die Digitalisierung im Gesundheitswesen umfasst sämtliche Veränderungen und Innovationen im Bereich der Gesundheitsversorgung, oder von Geschäftsmodellen, sowie Effizienzsteigerungen interner Prozesse und die Vernetzung von Akteuren, durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen“9
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, auch den Begriff „Telematik“ bzw. Gesundheitstelematik, oder auch verkürzt „Telemedizin“ zu erörtern. Der Begriff „Telematik“ wurde durch eine Studie von Nora und Minc aus dem Jahr 1978 geprägt („Die Informatisierung der Gesellschaft“). Die beiden Wissenschaftler kombinierten in deren Forschungen die beiden Disziplinen Telekommunikation und Informatik. Ihre Erkenntnisse haben die Diskussion über Vorteile der digitalen Kommunikation gegenüber der konventionellen unter anderem auch im Gesundheitswesen entzündet. Somit lässt sich die „Telemedizin“ wie folgt definieren:
„Telemedizin ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige ärztliche audiovisuelle Versorgungskonzepte“10. „Bei der Telemedizin beobachtet und beurteilt die Ärztin oder der Arzt die medizinischen Daten der Patientinnen und Patienten per Telekommunikation - zum Beispiel über das Internet. Patient und Arzt können dabei an unterschiedlichen Orten sein. Telemedizinische Anwendungen finden auch zwischen Ärzten statt. Dies geschieht, um Befunde elektronisch auszutauschen oder eine Zweitmeinung einzuholen“.11
2.2.1 Digitalisierung im Gesundheitswesen Deutschland – ist Zustand
Die Gesundheitswirtschaft Deutschlands befindet sich in einem extremen Wachstum. Die Bruttowertschöpfung ist seit dem Jahr 2004 bis zum Jahr 2016 von 114 Mrd. Euro auf 336 Mrd. Euro angewachsen. Jeder siebte Arbeitnehmer in der BRD (14,8 %), also 6,2 Mio. Beschäftigte sind in der Gesundheitswirtschaft tätig, was eine Steigerung von 1,3 Mio. gegenüber dem Jahr 2000 ausmacht. Aufgrund dessen gehen Experten davon aus, dass das Gesundheitswesen bald die Automobilindustrie als Jobmotor ablöst.12
Obwohl gerade im Gesundheitswesen die Digitalisierung enorme Potentiale hat, wurde in der Vergangenheit in diesem Bereich viel weniger investiert, als in anderen Branchen, wie es die Abbildung 3 zeigt.
Der Wirtschaftsindex DIGITAL 2016 bildet ab, in welchem Maße sich die elf beobachteten Branchen bis 2016 digitalisiert haben. Es wurden die prozentualen Anteile der Unternehmen in den Bereichen „hoch“ digitalisiert (70 Punkte und mehr), durchschnittlich digitalisiert“ (40- 69 Punkte) und „niedrig“ digitalisiert (weniger als 40 Punkte) ermittelt.
In Abbildung 3 ist deutlich zu erkennen, dass das Gesundheitswesen in Deutschland mit erreichten 36 Punkten zu den niedrig digitalisierten Branchen gehört, obwohl die ersten Schritte in Richtung digitale Gesundheit in Deutschland ziemlich früh gemacht wurden. Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) wurde zum Beispiel bereits am 29. September 2003 im Bundestag beschlossen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft 201613
Viele Kliniken und Arztpraxen haben sich aktuell bereits entschieden, den Weg der Digitalisierung zu gehen und sind in diesem Zuge bereits auf ein komplett computergesteuertes System umgestiegen. Sie nutzen täglich viele Vorteile der Digitalisierung, wie zum Beispiel:
- Zeitersparnis, da der Schreib- und Sortieraufwand wegfällt.
- Automatisierung verschiedener Prozesse, beispielweise das Einlesen von Ultraschall- oder Röntgenbildern und das Zuordnen zum entsprechenden Patienten.
- Möglichkeit der Überwachung der Symptome per App und die dazugehörige Auswertung.
- Schnelle und einfache Kommunikation zwischen Ärzten und Angestellten, so dass sich Zeitersparnis und auch verbesserte Abläufe ergeben.
Diese genannten Vorteile spiegeln sich dann in der allgemeinen Zufriedenheit, und das nicht nur bei den Mitarbeitern, sondern vor allem auch bei den Patienten wieder, die im Notfall sogar besser und schneller versorgt werden können. Hier sollte besonders die Telemedizin erwähnt werden, die definitiv viel Potential bietet und das nicht nur in der Vor- und Nachsorge. Besonders auf dem Land wird der Facharzt durch die Telemedizin entlastet. Der Wegfall des Fernbehandlungsverbotes ermöglicht die zeit- und kostensparende14 Online-Video-Sprechstunde.
Von Online-Terminbuchung über Chat-Sprechstunden bis hin zu Gesundheits-Checkups über App — die Möglichkeiten sind vielfältig, das Interesse zunehmend da, an der Umsetzung mangelt es allerdings bisher noch deutlich.
Warum ist das so? Warum verweigern sich viele nach wie vor so vehement der Digitalisierung? Vielleicht, weil nicht wirklich klar ist, was der Sinn und Zweck der Digitalisierung ist. Deshalb sind selbst heute noch Arztpraxen und Krankenhäuser, die ihre Patientenkarten händisch ausfüllen, keine Seltenheit.
Für Patienten hat sich in dieser Hinsicht bis heute kaum etwas verändert oder verbessert, wenngleich immer mehr Ärzte anbieten, zum Beispiel Online-Sprechstunden durchzuführen. Lediglich die Online-Terminvereinbarung oder Rezeptanforderung bei Dauermedikation findet langsam Nutzer und wird sich mit Sicherheit bald breiter etablieren.
Aktuell zeigt sich bei der Digitalisierung inzwischen ein starker Wille seitens der Regierung dieses Thema umfassend anzugehen. Aufgrund der Initiative von Gesundheitsminister Dr. Jens Spahn, wurde im Frühjahr 2019 der „health innovation hub“ gegründet. Dieser wird die digitale Transformation im deutschen Gesundheitswesen zum Wohle der Patienten beschleunigen, denn dessen Aufgabe ist es, „…Innovationen frühzeitig zu erkennen, ihren Nutzen zu bewerten, und ihre Umsetzung in die Regelversorgung zu befördern.“15 Auch die Lockerung des Verbotes der ausschließlichen Fernbehandlung Mitte 2018 und der Beschluss des Entwurfs eines Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation („Digitale-Versorgung-Gesetz“ - DVG16 ) im September 2019 durch den Bundesrat, wird die zeitgemäße moderne Gesundheitsversorgung in Deutschland nachhaltig nach vorne bringen und damit die jahrelange Stagnation durchbrechen.
Im Ausland gibt es dagegen bereits seit vielen Jahren etliche positive Beispiele, die eine optimale breite Nutzung der Digitalisierung im Gesundheitswesen zeigen.
2.2.2 Vergleich zur Digitalisierung in Gesundheitswesen Ausland
Während Deutschland noch Informationen auf Papier austauscht, Arztbriefe immer noch postalisch versendet werden und die Politik an den Grundlagen der digitalen Vernetzung arbeitet, gehen andere Länder schon die nächsten Schritte. Estland, als Vorreiter bei Digitalisierung, kann zum Beispiel ein digitales Gesundheitssystem mit breiter Nutzung und Akzeptanz in der Bevölkerung vorweisen. Somit können in einem Notfall jegliche Daten des Patienten abgerufen werden, egal ob vom Krankenhaus oder einem Rettungswagen, um Patienten schnellstens optimal versorgen zu können.17
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Digital-Health-Index von 17 untersuchten Ländern nach Bertelsmann Stiftung18
Ein Internationaler Vergleich der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass das deutsche Gesundheitswesen bei der digitalen Gesundheit vielen anderen Ländern hinterherhinkt. Die Stiftung hat dabei analysiert, wie aktiv die Gesundheitspolitik in den Ländern bei der Digitalisierung vorankommt. Es wird bewertet, welche Strategien es gibt, welche erfolgreich sind, welche Technologien vorhanden sind und welche in der Praxis tatsächlich genutzt werden.
Der ausgewertete Digital-Health-Index zeigt im internationalen Vergleich an, wie stark ein Land auf digitale Technologien setzt. Aus diesem Digital-Health-Index lässt sich ablesen, in welchen Ländern gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung im Gesundheitswesen gegeben sind, inklusive der Zugangsmöglichkeiten und der Fähigkeit der Bevölkerung, diese digitale Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen zu können. Im Jahr 2014 wurde eine Umfrage von EU-Kommission zur Digitalkompetenz durchgeführt und kam dabei zu vergleichbaren Ergebnissen. Naturgemäß etablieren sich technische Neuerungen am ehesten dort rascher, wo ihre Vorteile am deutlichsten zum Tragen kommen. So lässt sich auch erklären, dass in den Ländern, in denen Wegstrecken zum Arzt teils sehr weit sind, wie zum Beispiel in Kanada oder Schweden, deutlich früher auf die Möglichkeiten neuer Technologien zurückgegriffen wurde. Zudem hat sich gezeigt, dass eine zentralisierte und staatlich finanzierte Struktur eher vorteilhaft auf eine frühe Implementierung von Digitalisierung im Gesundheitswesen wirkt. Beispiele für diesen Typ sind die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland. In Finnland existiert zum Beispiel die elektronische Patientenakte bereits seit mehr als 20 Jahren und bereits seit 2010 werden hier Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente digital übermittelt.19 Nahezu alle Hausärzte im skandinavischen Raum verwenden zur Diagnose und Behandlung die elektronisch und digital erfassten Daten – in Deutschland dagegen sind es gerade einmal 84 %.20
Dezentrale Strukturen scheinen also die Schaffung übergreifender Standards und eine rasche Umsetzung eher zu verzögern. Beispiele für diesen Typ sind Länder wie Deutschland und Frankreich. Ebenso stehen sektorale Trennungen im Gesundheitssystem auf „ambulant“ und „stationär“ der einfachen Umsetzung der Digitalisierung tendenziell entgegen.
2.2.3 Telematikinfrastruktur in Deutschland
Bereits im Jahr 1996 hat das Bundesministerium für Gesundheit eine Studie zur Telematik erarbeiten lassen. Diese wurde durch die bereits erwähnte Studie „Die Informatisierung der Gesellschaft“ von Nora und Minc aus dem Jahr 1978 geprägt21. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (§ 291a SGB V) wurde im Jahr 2003 für den geplanten Start der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Einführung der elektronischen Gesundheitskarte) der erste rechtliche Rahmen geschaffen22. Im Jahr 2005 wurde die „Gematik“ (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) in der Rechtsform einer GmbH gegründet.23 Die Aufgabe dieser Körperschaft ist es, „…die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens durch eine wertgeschätzte Telematikinfrastruktur sicher zu stellen“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Telematikinfrastruktur für elektronische Gesundheitskarte und Patientenakte (eigene Darstellung nach Bundesrechnungshof24 )
Im Jahr 2017 wurde dieser Auftrag darauf ausgeweitet, „…Aktuelle Entwicklungen und Trends zu beobachten und beim Auf- und Ausbau der digitalen Vernetzung zu berücksichtigen“25. Trotzdem passierte im Bereich der Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland bis heute vergleichsweise wenig, wie es der Digital-Health-Index der Bertelsmann Stiftung belegt, auch auf Grund der Komplexität des Vorhabens (Abbildung 5).
Die komplizierte Telematikinfrastruktur, oder auch die „Datenautobahn für das Gesundheitswesen“, soll alle Beteiligten im Gesundheitswesen, wie Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen online miteinander vernetzen, unter Einhaltung von Sicherheits- und Datenschutzbestimmungen. Diese erste große Hürde sollte zum 30. Juli 2019 abgeschlossen sein. Als erste Anwendung sollte das Versichertenstammdatenmanagement durchführt werden. Für eventuelle Verweigerer könnte dies teuer sein, denn, laut Gesetz droht diesen Praxen ein Honorarabzug in Höhe von1%26, nach dem Beschluss vom 07.11.2019 dann sogar von 2,5%.27 Eine fehlerfreie und zufriedenstellende Telematikinfrastruktur ist die technische Voraus-setzung für die erfolgreiche Einführung und Nutzung der Digitalen Medizin in Deutschland. Dazu gehören auch:
- Der elektronische Heilberufe Ausweis (eHBA) hat dabei mehrere Funktionen. Er dient nicht nur als Ausweis zur Authentifizierung des Besitzers, sondern ermöglicht es auch, elektronische Dokumente rechtsverbindlich zu unterschreiben. Die qualifizierte elektronische Signatur ist jetzt schon bei eArztbriefen, digitalen Laboraufträgen oder Anforderungen von Telekonsilen notwendig.
- Der elektronische Praxisausweis (SMC-B) ist eine Smart-Card, die zur Authentisierung der Praxis gegenüber der Telematikinfrastruktur und der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) eingesetzt wird. Mit Hilfe einer SMC-B können zum Beispiel besonders geschützte Daten auf der eGK ausgelesen werden28
2.2.4 Zwischenfazit
Die „Gematik“ hat Ende 2018 die Vorgaben für die elektronische Patientenakte veröffentlicht. Es liegt nun in der Verantwortung der Industrie, ihre Produkte entsprechend zu entwickeln und deren Zulassung bei den Behörden, also bei der „Gematik“, zu beantragen. In der Tat ist die Telematikinfrastruktur für die elektronische Gesundheitskarte und Patientenakte kompliziert, sodass mit etlichen Reibungs- und Schwachpunkten und damit verbundenen eventuellen Verzögerungen durchaus zu rechnen ist.
Es ist also mehr als deutlich, wo Deutschland in Sachen „Digitalisierung im Gesundheitswesen“ steht: die Politik muss in Zukunft entschlossener handeln als bisher. Es kann nicht sein, dass sämtliche Akteure des Gesundheitssystems das Vorhaben gegenseitig blockieren, da jeder einzelne Teilnehmer des Systems unterschiedliche Interessen an der Entwicklung der Digitalisierung hat, oder auch nicht29. Am Ende ist es vor allem der Patient, der diese Ignoranz zu spüren bekommt und der Staat, der auf die enormen Einsparungen, die nach einer gut durchgeführten Digitalisierung zu erwarten sind, verzichten muss. Diese werden aktuell laut einer Studie von McKinsey & Company für Deutschland auf 34 Mrd. Euro jährlich berechnet30.
Dazu ist es auch wichtig zu erwähnen, dass bei der Umwandlung deutlich mehr die Nutzer, also Patienten und Ärzte, einbezogen werden sollten, denn der digitale Wandel braucht eine breite Akzeptanz und eine entsprechend angepasste Aufklärung für die Teilnehmer und Nutzer. Hier herrschen noch massive Mängel. Bei den Patienten ist die Situation dramatisch, denn 81% der Bürger fühlen sich laut Umfragen bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen nicht ausreichend informiert, wissen nicht, was sie von der Digitalisierung zu erwarten haben oder, wo Wissenslücken bestehen. Dabei sind 60% der Patienten durchaus bereit, sich zu informieren. Drei von vier Versicherten halten die elektronische Gesundheitsakte für eine gute Idee und wünschen sich eine umfassende Aufklärung durch Ärzte, Krankenkassen, oder Politik.31 Die elektronische Gesundheitsakte für eine gute Idee32 und wünschen sich eine umfassende Aufklärung durch Ärzte, Krankenkassen, oder Politik.33 Bei deutschen Ärzten spiegelt sich aktuell immer noch stark die allgemein unbefriedigende Situation der Entwicklung der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems wider. Es ist nicht selten, dass Ärzte mit latenter Skepsis die Digitalisierung selbst nicht aktiv vorantreiben wollen34. Leider zeigen sich immer noch eine nicht durchweg positive Einstellung und ein mangelnder Wissenstand praktizierender Ärzte im Bereich der Digitalisierung, manche Mediziner empfinden diese sogar eher als einen Störfaktor. Dabei gibt es unzählige Untersuchungen und Studien, die deutlich zeigen, wie effizient, vorteilhaft und gleichzeitig einfach die digitale Kommunikation und Medizin für alle Beteiligten sein kann.35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: eHealth Soziotechnisches System nach Lux; 201936
Es zeichnet sich eine Diskrepanz zwischen der Dimension der Entwicklung und Gestaltung des Informations- und Kommunikationssystems auf der einen Seite und den Wünschen und Anforderungen der Nutzer des Gesundheitssystems, die in diese Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse nicht adäquat einbezogen werden, auf der anderen Seite. Hier bedarf es noch an Harmonisierung und Balance des eHealth Soziotechnischen Systems.37 (Abbildung 6)
Es ist wünschenswert, dass neue technologische Entwicklungen die Aufgaben und Anforderungen an das Gesundheitssystem möglichst optimal unterstützen. Im Prinzip geht es darum, die verschiedenen Stakeholder des Gesundheitssystems als digitale Ökosysteme zu betrachten, deren Vernetzung mit technischen Geräten, wie Medizingeräten, medizinischen Messgeräten, Arztrechnern und anderen Medien, eine optimale Synchronisierung der gewonnenen Daten sichert. Dies bedarf allerdings einer Akzeptanz seitens der Akteure, die aktuell noch nicht uneingeschränkt gegeben ist.38 Für den Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen müssen eine gemeinsame Gesamtstrategie und auch ein Ordnungsrahmen geschaffen werden, der sowohl politische, rechtliche, aber auch ethische Aspekte umfasst.39 Leider besteht viel Unsicherheit in der Bevölkerung und unter dem medizinischen Personal. Gerade bei Künstlicher Intelligenz herrscht mistrauen was KI kann und wo eventuelle Risiken der KI liegen.40 Es bedarf also breiter Aufklärung, um KI zu definieren, und den wirklichen Nutzen aufzuzeigen. Eins ist nämlich klar, ohne breite Akzeptanz lässt sich die geplante Digitalisierung definitiv nicht umsetzen. Das notwendige Vertrauen in die digitale Revolution entsteht erst bei der Beteiligung an der Gestaltung.
2.3 Digitalisierung im Gesundheitswesen – Chancen und Erwartungen
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird bis jetzt oft als begrenzte Projekte oder Technologien verstanden. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen umfasst allerdings viel mehr, und sollte im Optimalfall die Integration von bestehenden Technologien, Prozessen und vor allem den Akteuren, wie Patienten, Ärzten, Pflegepersonal usw., in die neue erfolgsversprechende digitalisierte Welt der modernen innovativen Medizin ermöglichen, in welcher digitale Systeme Diagnosen erstellen, Krankheitsrisiken errechnen und individuelle Therapieempfehlungen geben.
Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen ist, durch eine flächendeckende Digitalisierung des Marktes, eine transparente und wirkungsvolle Gesundheitsversorgung zu bieten. Dies ist mit vielen Veränderungsprozessen verbunden und das sowohl an der Seite der Patienten, als auch bei den vielen Gesundheitsberufen. Durch neue Informations- und Kommunikations-möglichkeiten entsteht eine neue Art und Weise, auf welche Patienten und allgemein Nutzer die Gesundheitsversorgung betrachten. Der Patient fordert längst ein Mitspracherecht bei seiner Gesundheitsversorgung: 87% der Bevölkerung Deutschlands beanspruchen zum Beispiel einen direkten Zugang zu ihren Gesundheitsdaten,41 was in der Vergangenheit oft mit großem Aufwand und Unverständnis seitens des Arztes und anderen medizinischen Angestellten verbunden war42. Nur so lässt sich zum Beispiel ein reibungsloser Übergang bei einem Arztwechsel gewährleisten. Außerdem verhindert dies mittlerweile auch Missverständnisse und doppelte Untersuchungen43. Das alles sollte sich mit Digitalisierungserweiterung, nach dem im Dezember 2015 in Kraft getretenem eHealth Gesetz, nochmal steigern und deutlich optimieren. Die Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen lassen sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, wie zum Beispiel:
- Bessere medizinische Versorgung für Patienten (Personalisierte Medizin)
- Steigerung der Effizienz der Behandlungen und Dienstleistungen
- Kosten- und Personalsparend
2.3.1 Individualisierung und Personalisierung der Medizin
Eine womöglich individuelle und zielgerichtete Behandlung und Therapie war schon immer das Ziel der prinzipiell gut entwickelten Medizin in Deutschland. Dies war auch lange Zeit mit Hilfe von technologischen Fortschritten auf hohem Niveau umsetzbar. Somit ist das Anstreben einer personalisierten Medizin nicht neu, mit vielen neuen technischen Errungenschaften bekommt dies allerdings eine neue Dimension. Dank der enormen Menge an Daten, ist es heute schon möglich, Patienten nicht nur einer Diagnosegruppe zuzuordnen, sondern, diese auch als Individuen zu behandeln. Wie schon erwähnt, trägt die Digitalisierung auch zur Stärkung der Position des Patienten bei und verändert maßgeblich seine Rolle beim Streben nach der bestmöglichen individuellen Chance zur Vermeidung, Behandlung bzw. Heilung von Krankheiten. Die neuen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten nehmen den Patienten mehr in die „Pflicht“ und geben ihm gleichzeitig mehr Selbstbestimmung.
Dadurch verändert sich das Arzt-Patient Verhältnis enorm. Passend dazu ist die Aussage von Hood und Galas, dass die Medizin der Zukunft eine Veränderung der klassischen Medizin hin zur einer proaktiven „Disziplin“ mit sich bringen wird, bei der Krankheiten bereits sehr früh diagnostiziert werden können. Damit könnte die Therapie viel effizienter und gleichzeitig zeit- und kostensparender werden.44
2.3.2 Steigerung der Sicherheit und Effizienz der Leitungen, Behandlungen und Therapien
Bereits ein schnellerer Informationsaustausch über Krankheiten und Therapiemöglichkeiten unter den Akteuren des Gesundheitssystems trägt definitiv zu einem enormen Fortschritt im Gesundheitswesen bei. Patienten können somit zum Beispiel im Notfall besser und schneller versorgt werden. Dazu sind in den letzten Jahren auch neue Methoden und technische Errungenschaften gekommen, die die medizinische Versorgung in ganz andere Dimensionen versetzen können. Die Auswertung von Körperfunktionen, wie Puls, Blutdruck, Blutzucker, Schlaf, oder Schrittzahl, ist durch mobile Geräte, wie Smartwatches, oder Fitnessarmbänder möglich geworden. Sie bietet chronisch kranken Patienten mehr Kontrolle und Sicherheit. Noch mehr Patientensicherheit und Fehlervermeidung kann durch eine vernetzte Erhebung und Bereitstellung von Patienten- und Behandlungsinformationen, in Form der eGesundheitskarte und ePatientenakte (geplant zum 01.Januar 202145 ), erzielt werden, natürlich unter Erfüllung von Datenschutzvorkehrungen. Auch die vermeidbaren doppelt durchgeführten Untersuchungen könnten damit fast vollständig ausgeschlossen werden. Dies kann Patienten viel Leid, Ärzten Zeit und dem Gesundheitssystem Kosten sparen. Eine optimal geführte elektronische Akte kann sogar ein individuelles, gebündeltes Gesundheitsprofil ermöglichen und dadurch beispielsweise auch neue Möglichkeiten der Prävention „auf Maß“ vorschlagen. Generell bietet die Digitalisierung im Gesundheitswesen in Zukunft die Chance, mehr Prävention, statt Reparaturmedizin zu betreiben, zumal sich viele Krankheiten in Zukunft in einem sehr frühen Stadium erkennen lassen und ihr Ausbruch dadurch verhindert werden kann. Unser Verhältnis zur Medizin wird sich radikal ändern. Heute gehen Patienten zum Arzt, wenn sie gerade krank sind, der Arzt reagiert auf diesen Anlassfall. In Zukunft wird Medizin lebensbegleitend durch eMonitoring und eDiagnose eingesetzt werden. Die Medizin wird dann nicht nachträglich reagieren, sondern bereits vorab. Prävention wird in vielen Fällen die Reparaturmedizin ablösen. Eine Auswertung, eine Big-Data-Analyse, kann schon heute Korrelationen und Kausalitäten generieren, neue Erkenntnisse und medizinische Hypothesen zu Krankheitsentwicklungen ermöglichen und damit mehr Transparenz und qualitative Verbesserungen in der Versorgung erzielen. Digitale Transformation, Personalisierung und Prävention sind die Treiber der neuen digitalen Medizin.
Im Gesundheitswesen existieren inzwischen etliche digitale Angebotsmöglichkeiten, die bereits gut funktionieren, oder werden in Kürze den Patienten zur Verfügung stehen. Folgende Beispiele zeigen verschiedene Dienste und Leistungen für Patienten, die die Effizienz der Gesundheitsversorgung allgemein spürbar verbessern:
2.3.2.1 Digitalisierung von Prozessen
Elektronisches Rezept und Medikamentenplan
Mit der Verabschiedung des „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)“ am 16.Aufgust 2019, wurde definitiv ein grünes Licht für das eRezept gegeben. Seit dem Tag „… haben die Spitzenorganisationen im Gesundheitswesen sieben Monate Zeit, die notwendigen Grundlagen für die Verwendung des elektronischen Rezeptes zu schaffen. Neben einer Erprobung im Rahmen von Modellprojekten werden dann bis zum 30. Juni 2020 die technischen Festlegungen dafür getroffen, dass für die Übermittlung des elektronischen Rezepts zukünftig die sichere Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen verwendet werden kann“.46 Das E-Rezept verbindet auch weitere digitale Anwendungen, von der Medikationserinnerung bis hin zum Medikationsplan mit einem eingebauten Wechselwirkungscheck. Dies bringt enorme Sicherheitsverbesserungen für Patienten mit, denn so können sofort mögliche Neben- oder Wechselwirkungen bei der Medikation erkannt und ausgeschlossen werden.
Elektronische Krankmeldung
Mit der Durchführung der Studie „Pilotierung einer technischen Lösung für die Übermittlung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)“ die im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit bereits im Jahr 2012 erstellt und veröffentlicht war, wurden die erste Schritte für die Einführung der eArbeitsunfähigkeitsbescheinigung gemacht. Diese Studie hat die Zweckmäßigkeit des Vorhabens voll bestätigt und die Einführung empfohlen, vorausgesetzt, es wird eine entsprechende Telematikinfrastruktur zur Verfügung stehen.47
Digitale Terminvereinbarung
Der Wunsch nach Flexibilität und Komfort beflügelt generell neue Online-Services in der Gesundheitsversorgung. Eine Online-Terminvergabe ist immer möglich, nicht nur zu den Sprechzeiten der Praxis. Patienten können dabei alle verfügbaren Termine einsehen und den für sie besten Termin wählen. Am Telefon bestehen hingegen Skrupel, sich alle freien Termine vorlesen zu lassen. Damit bietet die Online-Terminvergabe einen besonderen Service für die Patienten – Flexibilität und Transparenz. Der Vorteil für Mitarbeiter der Arztpraxis liegt auf der Hand: das Telefon klingelt seltener und es bleibt mehr Zeit für andere Aufgaben.
Digitale Erinnerung – Impftermine, Vorsorge- und Folgeuntersuchungen
Eine Online-Terminvergabe erinnert den Patienten zusätzlich an den bevorstehenden Termin. Dieser kann selbständig verschoben werden. Somit könnten auch die nicht wahrgenommenen Arzttermine entscheidend verringert werden.
Armbänder zu mehr Patientensicherheit im Krankenhaus
Ein kurzer Scan genügt und schon wissen Ärzte, welcher Patient vor ihnen liegt, wie der Behandlungsplan aussieht und welche Medikamente zum Einsatz kommen. Kliniken gelingt es, mithilfe von modernen Armbändern, die Patientensicherheit auf ein neues Level zu heben und zugleich ein effizientes sowie kostengünstiges Verwaltungssystem zu etablieren.48
2.3.2.2 Digitalisierung bei Diagnostik
Eine bedeutende Rolle werden in Zukunft digital unterstützte Diagnoseverfahren spielen. Ein mit einer Datenbank verbundener Computer wird in der Lage sein, sekundenschnell große Datenmengen auszuwerten, Krankheitsbilder schneller und präziser zu erkennen und optimale Therapien vorschlagen. Keine App sollte allerdings ein Arztbesuch ersetzen.
Anamnese-App beim niedergelassenen Arzt
Diese kann digital Vorerkrankungen und aktuellen Krankheitsverlauf von Patienten vorab erfragen – also einen Teil der Anamnese übernehmen. Damit ist der behandelnde Arzt von Anfang an „im Bild“, die Behandlung gewinnt an Qualität und dauert kürzer.49
Diagnose von Hautflecken per Smartphone
Eine Erstmeinung über eine Teledermatologie-Anwendung sollte als ein möglicher Schritt vor einem Arztbesuch sein50.
2.3.2.3 Digitalisierung bei Behandlung
Online Sprechstunde
Patienten können sich auch direkt von Zuhause aus untersuchen lassen. Der Patient erhält bei seinem Arztbesuch, nach schriftlicher Einwilligung, einen Termin für die Folgeuntersuchung und den Zugang für die Online-Anmeldung. Die eigentliche Sprechstunde läuft dann ähnlich wie ein Video-Chat per Skype ab. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Fotos anzusehen und zu bearbeiten, Notizen zu machen und Skizzen des Arztes festzuhalten. Dies alles kann auf dem eigenen Computer gespeichert werden.
Tinnitus-App „Tinnitracks“
„Tinnitus-Patienten können von der Behandlung mit einer Smartphone-Applikation (App) profitieren, die speziell auf ihr Hörgeräusch zugeschnitten ist. Mittels der Tinnitracks-App können Patienten ihr Ohrgeräusch mit der eigenen Lieblingsmusik bekämpfen. Für dieses Hörtraining bestimmt ein HNO-Arzt zunächst gemeinsam mit dem Patienten die Frequenz seines Störtones. Einmal in die App auf dem Smartphone des Versicherten eingegeben, schaltet sie in dessen Lieblingsmusik genau diesen Ton aus. Die Aufgabe besteht für die Patienten darin, ein Jahr lang für 90 Minuten täglich Musik zu hören, in der die betreffende Frequenz gefiltert wird.
Durch das veränderte Klangbild kann sich die Aktivität der überaktiven Nervenzellen, die für den Tinnitus verantwortlich sind, reduzieren, sodass die Lautstärke des störenden Tons nach einer zwölfmonatigen Behandlungsdauer abnimmt“51
Digitales "Beruhigungsmittel" bei Eingriffen
„Bei Eingriffen in Lokalanästhesie oder längeren therapeutischen Interventionen haben Patienten keine Schmerzen, können aber unter Stress stehen, weil sie die Operation wahrnehmen und Angst verspüren. Das kann die medizinischen Risiken beeinflussen und einen höheren Bedarf an Medikamenten verursachen. Um diese innere Anspannung zu lösen, hat die HappyMed GmbH eine spezielle Videobrille entwickelt, die nun von den Asklepios Kliniken eingesetzt wird“.52
Methoden der virtuellen Realität bei der Adipositastherapie
Die Patienten sollen im Rahmen des Projektes zunächst ein realistisches Bild ihres eigenen Körpers erhalten. Dazu erschaffen die Forscher ein exaktes virtuelles Abbild der betroffenen Person, einen Avatar. Dazu werden Patienten mit 120 Kameras aus verschiedenen Perspektiven fotografiert.53
2.3.2.4 Digitalisierung bei Vorsorge / Reha / Pflege
Mobile Pflege
So dürfte die Pflegedokumentation, die derzeit noch häufig aus papierbasierter und digitaler Erfassung der Patientenakte besteht, einem anderen Prozessablauf folgen, sobald mobile Systeme eingeführt werden, mit denen die Informationen, etwa Vitaldaten und Pflegemaßnahmennahmen, direkt erfasst werden
Tool für Krebsvorsorge
Das ist eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software mit der Radiologen in der Brustkrebsfrüherkennung künftig Bildmaterial hundertprozentig gesunden Gewebes schneller von dem potenziell krebsbefallenen Gewebes unterscheiden können.54
Alternative Therapie nach einem Schlaganfall mit Virtualbrille
Mit der neuartigen VR-Therapie in Form von spielerischen Übungen können unterschiedliche Beeinträchtigungen behandelt und trainiert werden, etwa Handlähmungen, Sprachprobleme oder kognitive Störungen. Neben Rechenaufgaben können die Patienten beispielsweise virtuelle Objekte mit dem beeinträchtigten Arm bewegen, virtuell boxen oder Rhythmusaufgaben lösen. Die Übungen werden individuell an den Anwender angepasst.55
2.3.3 Digitalisierung im Gesundheitswesen – Kosten und Personal sparend
Die Kostenexplosion und der demographische Wandel zählen zu den großen Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens. Für die Bewältigung dieser Herausforderungen, kann Digitalisierung einen großen Beitrag leisten. Die Digitalisierung ermöglicht eine hochwertige, bezahlbare Versorgung für alle, denn laut einer McKinsey Studie kann eine gelungene Digitalisierung im Gesundheitswesen Einsparungen in Höhe von 34 Milliarden Euro bringen. Bereits die Einführung der ePatientenakte verspricht Kostenersparnisse in Höhe von 6,4 Milliarden Euro. Auch weitere damit verbundene Veränderungen versprechen deutlich, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, wie zum Beispiel um 9 Milliarden Euro durch papierlose Prozesse, und um 0,9 Milliarden Euro mit der Einführung des eRezeptes.56
Dazu kommen die enormen Zeitersparnisse (umgerechnet auf 7,7 Milliarden Euro), die durch vereinfachte Ablaufprozesse erheblich die Effizienz und Produktivität der Arbeit steigern können.57 Digitale Technologien, wie Künstliche Intelligenz oder robotergestützte Assistenzsysteme können dazu beitragen, Ärzte und Pflegekräfte deutlich zu entlasten, etwa bei administrativen Tätigkeiten und der Dokumentation, aber auch in der Diagnostik und bei alltagspraktischen Tätigkeiten.
Zusätzlich kann die Digitalisierung dazu beitragen, den aktuellen Fachkräftemangel zu reduzieren. Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen spitzt sich seit Jahren dramatisch zu. Nicht nur im niedergelassenen Sektor, auch im Krankenhaus fällt den Versicherten bereits der Personalmangel auf. Bis zum Jahr 2030 fehlen mindestens 400.000 Vollzeitkräfte in Deutschland, wie eine PWC-Studie belegt58 Die Digitalisierung im Gesundheitswesen sorgt ebenso dafür, dass Menschen in ländlichen, strukturschwachen Regionen durch telemedizinische Lösungen Zugang zu medizinischer Expertise haben. Alle genannten Aspekte würden also enorm für eine Verbesserung und Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung in Deutschland beitragen.
2.3.4 Digitalisierung im Gesundheitswesen – Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung in die Praxis
Für eine gelungene Einführung der digitalen Medizin, müssen grundsätzliche Voraussetzungen erfüllt sein (Abbildung 7). Aktuell wird aktiv an rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Anpassungen in SGB V) und einer störungsfrei funktionierenden Telematikinfrastruktur gearbeitet. Ein eMedikationsplan ist z.B. bereits zufriedenstellend erprobt worden. Von BfArM zugelassene Gesundheits-Apps sind für manche Patienten mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, ab 2020 können „gesunde Apps“ dann auf Rezept verordnet werden.59
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Die Haupt-Voraussetzungen für eine erfolgreiche digitale Medizin (eigene Darstellung)
Nach der Verabschiedung des „Digitalen-Versorgung-Gesetzes“ (DVG) im Bundestag am 07.November 201960, beginnen bereits „Probeläufe“ mit eRezepten und auch Online-Sprechstunden sollen zunehmend integriert werden, wie im bundesweit einmaligen Pilotprojekt im Raum Stuttgart und Tuttlingen.
Eine flächendeckende „Anwenderakzeptanz“ und eine entsprechende digitale Kompetenz bei Anwendern ist allerding leider immer noch nicht im nötigen Maße gegeben. Auch das neue „Digitale-Versorgungs-Gesetz“ beschäftigt sich mit dieser Problematik kaum. Lediglich die Sanktionen für Ärzte, die sich immer noch weigern, sich an die Telematikinfrastruktur anzuschließen, erhöhen sich wie bereits erwähnt, von 1% des Honorars auf 2,5%.61 Akzeptanz oder digitale Kompetenz der Patienten ist in keiner Weise im aktuellen DGV erwähnt oder diskutiert worden, obwohl gerade hier ein akuter Handlungsbedarf besteht, wie aktuelle Studien und Befragungen belegen.
2.4 Literatur-Auswertung
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein sehr breites Thema und wird aktuell in vielerlei Hinsicht diskutiert, so auch in der wissenschaftlichen Literatur. Um einen Überblick über das Thema zu geben, werden in dieser Arbeit zahlreiche Beiträge, Studien und Umfragen aus akademischen Datenbanken analysiert und überblicksartig nach Themenclustern zusammengefasst. Besonderer Fokus wird bei dieser Literaturanalyse vor allem auf das Thema „Digitalisierung im Gesundheitswesen und die Akzeptanz von Anwendern“ gelegt. Bereits im Vorfeld der Themenvergabe wurde eine entsprechende Literaturrecherche durchgeführt. Diese Literaturrecherche dient der theoretischen Grundlagen und ist die Basis für weitere Arbeitsschritte.
Da in dieser Arbeit ein außerordentlich aktuelles Thema behandelt wird, ist der Umfang der vorhandenen Literatur nur unterdurchschnittlich. Viel mehr wurden für diese Arbeit Informationen aus wissenschaftlichen Fachzeitschriften, amtlichen Veröffentlichungen in Printform und online gesammelt, um die höchste Aktualität der Forschung zu gewährleisten. Geichzeitig verändert sich die Lage bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen fast täglich, sodass diese Arbeit nur den Stand der Informationen zur Zeit der Entstehung berücksichtigen kann.
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1 Vgl.: Nuance; 2018; S.4
2 Vgl.: Mühlbacher/Berhanu¸2003; S. 6
3 Vgl.: Göbel,R./Wolff,D., 2018; S.V
4 Vgl.: Göbel,R./Wolff,D., 2018; S.VI
5 Angerer/Schmidt/Moll/Strunk/Brügger; 2017
6 Angerer/Russ/Ultsch; 2019
7 Bernnat et al.; 2016; S.27
8 Lux; 2017; S. 20-21
9 Bernnat et al.; 2016; S.27
10 Vgl.: Göbel,R./Wolff,D., 2018; S.161
11 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung; 11/2019
12 Vgl.: Göbel,R./Wolff,D., 2018; S.152
13 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi); 2016; S.22
14 Vgl.: Jörg, J.; 2018; S. VI
15 Vgl.: https://hih-2025.de
16 Vgl.: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/557-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/DVG_Bundestag.pdf
17 Vgl.: Berger, R.; 2019; S.2
18 Vgl.: Bertelsmann Stiftung; 2018
19 Vgl.: Schmitt-Sausen, N.; 2018
20 Vgl.: Liebrich, F.; 2017; S. 7
21 Vgl.: Haring; 2019; S.4
22 Vgl.: https://www.gematik.de/ueber-uns/gesetzliche-grundlagen/ 10/2019
23 Vgl.: https://www.gematik.de/ueber-uns/gesetzliche-grundlagen/ 10/2019
24 Vgl.: Bundesrechnungshofbericht; S.8
25 https://www.gematik.de/ueber-uns/vision/
26 Vgl.: KBV; 02/2019; S.3
27 Vgl.: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
28 Vgl.: https://www.kzbv.de/elektronischer-praxisausweis.1119.de.html
29 Vgl.: https//www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/2019/2019-bericht-einfuehrung-der-elektronischen-gesundheitskarte-und-der-telematikinfrastruktur
30 Vgl.: McKinsey&Company; 2018
31 Vgl.: https://www.hcm-magazin.de/was-wird-von-einem-digitalen-gesundheitswesen-erwartet/150/10737/381441?xing_share=news, 07.12.2018
32 Vgl.: Berger, R.; 2019; S.4
33 Vgl.: https://www.hcm-magazin.de/was-wird-von-einem-digitalen-gesundheitswesen-erwartet/150/10737/381441?xing_share=news, 07.12.2018
34 Vgl.: Mihn, A.; 2019
35 Vgl.: Maag, G.; 2018
36 Vgl.: Lux,T.; 2019; S.5
37 Vgl.: Lux,T.; 2017
38 Vgl.: Nuance, 2018; Häussler, B. 2017;
39 Vgl.: Reinhardt, K.; 2019
40 Vgl.: Haring; 2019; S.45
41 Vgl.: Liebrich, F.; 2017; S.12
42 Vgl.: Haring; 2019; S.125
43 Vgl.: Dietzel, G.; 2002; S. A-1417-1419
44 Vgl.: Liebrich, F.; 2017; S.13
45 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
46 BMG; 2019
47 Vgl.: BMG; Pilotierung einer technischen Lösung für die Übermittlung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU); 2012
48 https://www.brother.de/blog/branchentrends/2019/patientensicherheit-im-gesundheitswesen
49 Vgl.: https://www.unicross.uni-freiburg.de/2017/11/anamnese-per-tablet/ 12/2019
50 https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Diagnose-von-Hautflecken-per-Smartphone-229709.html
51 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/99777/Patienten-bewerten-Tinnitus-App-positiv
52 https://www.pharma-relations.de/news/asklepios-bietet-digitales-beruhigungsmittel-bei-eingriffen
53 https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/106374/Forscher-erproben-Methoden-der-virtuellen-Realitaet-bei-der-Adipositastherapie
54 Vgl.: https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Erstes-KI-Tool-fuer-Krebsvorsorge-zugelassen-403030.html
55 Vgl.: https://futurezone.at/start-ups/virtual-reality-als-neue-therapie-fuer-schlaganfall-patienten/400705860
56 Vgl.: McKinsey&Company; 2018
57 Vgl.: McKinsey&Company; 2018
58 Vgl.: PwC AG; 2012; S.8
59 Vgl.: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
60 Vgl.: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html
61 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/digitale-versorgung-gesetz.html