Die Demokratiebewegung in Südkorea und der Gwangju-Aufstand. Die Militärreaktion auf die Proteste in Gwangju von 1980


Hausarbeit, 2019

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsdesign
2.1 Methodik
2.2 Theoretisches Modell nach Lee (2015)
2.3 Fallauswahl

3. Empirische Analyse
3.1 Die Gwangju-Proteste 1980
3.2 Power-sharing: Die Hanahoe
3.3 Die Charakteristika des Gwangju-Aufstands

4. Fazit

5. Abbildungsverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Since the end of World War II, political and economic transformations of South Korea have been extraordinary, not only in Korean history but also in comparison with many other Asian nations” (Oh 1999: 2).

Die Republik Korea (im folgenden Südkorea) gilt als Musterbeispiel einer weitgehend gelungenen Demokratisierung im Rahmen der sogenannten Dritten Welle der Demokratisierung (vgl. Croissant 1998: 11). Gehörte das Land unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu den ärmsten Ländern der Welt, ist Südkorea im Jahr 2017 unter den elf reichsten Ländern, gemessen am Bruttosozialprodukt pro Kopf, und eine weitgehend stabile Demokratie (IMF 2018, Pascha 2005: 87 f., BTI 2018: 4). Das ist bemerkenswert, da das südliche Korea seit der Unabhängigkeit von der japanischen Kolonialmacht 1945 vergleichsweise schlechtere Ausgangsbedingungen aufwies. Anders als West-Deutschland war der südliche Teil „die Kornkammer“ der koreanischen Halbinsel gewesen. Eine weitgehend agrarisch geprägte Gesellschaft litt nach Kriegsende unter den Folgen der japanischen Besatzung. Es fehlte dem Land infolge des Krieges an Rohstoffen und die Inflation war hoch. Zudem hatte die japanische Kolonialmacht wichtige Produktionsstätten, etwa für Düngemittel und Strom, aus strategischen Gründen in den Norden verlegt (vgl. Oh 1999: 24 f.). In den folgenden Jahrzehnten durchlief Südkorea jedoch als Musterbeispiel eines sog. developmental state eine außergewöhnliche, vom Staat forcierte wirtschaftliche Entwicklung.

Kehrseite dieser wirtschaftlichen Entwicklung war ein oft autoritärer bis autokratischer Charakter der südkoreanischen Regime zwischen 1945 und 1987.[1] Besonders ab 1961 unter Präsident Park Chung-hee[2] (Regierungszeit 1961-1979) entwickelte sich das Land zunehmend zur vom Militär[3] geführten „Entwicklungsdiktatur“ (Köllner 2005: 50, 55 f.). Als Park die Präsidentschaftswahl 1971 trotz massiver Wählermobilisierung nur mit weniger als zehn Prozent Vorsprung vor seinen Konkurrenten Kim Dae-jung gewann, verhängte er Mitte Oktober 1972 das Kriegsrecht, löste das Parlament auf und schloss Parteien und Universitäten (Oh 1999: 59-60). In der Folge zeigte Park zunehmend autokratisches Verhalten. Die sogenannte Yushin-Verfassung (Yusin Heonbeop) führte die indirekte Wahl des Präsidenten durch die Nationale Wiedervereinigungskonferenz (Tongiljuche Gukminhoeui) ein und hob die konstitutionelle Begrenzung der Amtszeit auf (Kim 2004: 312). Im Oktober 1979 wurde Park von seinem Geheimdienstchef Kim Jae-kyu bei einem Dinner erschossen. Nachdem es bereits vor der Ermordung Parks zu landesweiten Demonstrationen gekommen war, erhofften viele Koreaner nun demokratische Reformen und eine politische Liberalisierung (vgl. Seo 2007: 211-218, Kim 2004: 315 f., Köllner 2005: 59). Statt demokratischer Reformen putschte jedoch ein Teil des südkoreanischen Militärs unter Führung des Generalmajors Chun Doo-hwan gegen die demokratische Übergangsregierung unter Choe Kyu-ha (der sogenannte 12.12 Coup). In der Folge brachen erneut landesweite Proteste aus (Oh 1999: 75, 78 f.). Besonders heftige Proteste brachen im Mai 1980 in der Stadt Gwangju in der südwestlichen Jeollanam-Provinz aus. Das Chun-Regime entsandte Militär und ließ die anfangs friedlichen Proteste blutig niederschlagen. Diese Reaktion ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens intensivierte die Reaktion des Regimes auf den Gwangju-Aufstand die ohnehin auf Grund des Putsches bestehende Legitimationskrise des Chun-Regimes (vgl. Croissant 2004: 368). Zweitens ist für einen Diktator der Einsatz von Militär im Inland das letzte Mittel. „If soldiers and tanks appear in the streets, it is a sure sign that the dictatorship’s threat assessment has started to „flash red“ (…)“ (Croissant et al. 2018: 141). Die Proteste in Gwangju entwickelten sich im Vergleich zu anderen Massenprotesten in Südkorea ungewöhnlich brutal.

Im Rahmen dieser Arbeit soll deshalb die Frage untersucht werden, warum das Chun-Regime die Aufstände in Gwangju brutal niederschlug. Dabei wird zunächst untersucht, warum das Militär letztendlich geschlossen hinter dem Chun-Regime stand. Dabei wird in Anlehnung an das Modell von Terence Lee (Lee 2015) zur Erklärung von Militärreaktionen auf Massenproteste argumentiert, dass das Chun-Regime das südkoreanische Militär über einen power-sharing -Mechanismus kontrollierte, der ein Überlaufen von Militärs unwahrscheinlich machte, die Hanahoe. Mit Blick auf andere Proteste unter Chun, insbesondere 1987, die letztlich zum Regimewechsel führten, wird jedoch argumentiert, dass power-sharing allein nicht ausreichend ist, um die konkrete Form der Niederschlagung zu erklären. Vielmehr war die Zusammensetzung der Gwangju-Proteste und eine mögliche Bedrohung durch die Demokratische Volksrepublik Korea (im folgenden Nordkorea) weitere Faktoren für den konkreten Outcome.

Die Arbeit ist wie folgt gegliedert. Im zweiten Kapitel wird das Forschungsdesign ausführlich vorgestellt. Nach Darlegung der Kernannahmen Lees wird die Methodik erläutert. Im dritten Kapitel folgt eine Darstellung der Gwangju-Proteste bevor der power sharing- Mechanismus der Hanahoe dargelegt wird. Anschließend wird dargelegt, warum die Charakteristika des Gwangju-Aufstands ebenfalls als notwendige Bedingungen erachtet werden. Im vierten Abschnitt werden die Ergebnisse zusammengefasst.

2. Forschungsdesign

Im Rahmen der Arbeit wird mit Hilfe einer Prozess und Kongruenzanalyse eine qualitative Einzelfallstudie durchgeführt. Dabei wird in fünf Teilschritten vorgegangen (vgl. Muno 2009: 127). Nach einer Einführung folgen die theoretische Rahmung, die Begründung der Fallauswahl und schlussendlich die eigentliche Fallstudie mit Schlussfolgerung.

Im Anschluss an die Einführung (vgl. Kapitel 1) werden nun die methodischen Grundlagen der Arbeit und die theoretischen Annahmen dargelegt. Ziel der Arbeit ist es, die Reaktion des südkoreanischen Chun-Regimes auf die Massenproteste in Gwangju 1980 zu erklären. Dafür erscheinen qualitative Methoden sinnvoll, denn sie stellen grundsätzlich die Eigenschaften von Fällen in den Fokus, nicht ihr zahlenmäßiges Vorkommen. Fallstudien helfen daher, ein besseres Verständnis von Funktionsweisen, etwa politischer Systeme, zu entwickeln (Blatter et al. 2018: 10). Häufig wird der Fall von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Mit Hilfe von Fallstudien können diese Einflussfaktoren miteinbezogen und der Fall in seinem historischen Kontext untersucht werden. Fallstudien eignen sich daher für neue, komplexe und abstrakte Themen (Behnke et al. 2010: 83 f., Blatter & Haverland 2012: 8). Da die Untersuchungsfrage darauf abzielt, den kausalen Mechanismus[4] der Militärreaktion zu rekonstruieren, bietet sich ein theoriebasierter Zugriff auf den Fall an. Durch die Theoriebasierung soll ein erweitertes Verständnis des Gwangju-Aufstands erreicht werden.

2.1 Methodik

Methodisch wird eine kombinierte Prozess und Kongruenzanalyse nach Blatter et al. (2018) angewandt, d.h. es werden zunächst aus dem Modell Lees empirisch beobachtbare Voraussagen abgeleitet, die anschließend überprüft werden. Gleichzeitig wird der Prozess analysiert, der zur Niederschlagung geführt hat, um den Einfluss der Bedrohung durch Nordkorea und die Lage Gwangjus zu untersuchen. Die Arbeit wird auf Grund sprachlicher Barrieren im Wesentlichen als Literaturanalyse durchgeführt.

Die Kongruenzanalyse zielt auf den Vergleich abstrakter theoretischer Konzepte und konkreter empirischer Beobachtungen. Diese vertikalen Beziehungen grenzen die Kongruenzanalyse von einer variablenorientierten, horizontalen Prozessanalyse ab (Blatter et al. 2018: 187). Die Verbindung von Theorie und Empirie geschieht durch die Spezifizierung abstrakter Konzepte mit Hilfe der Festlegung von Eigenschaften. Theorie bedeutet hier eine „Spezifizierung grundlegender paradigmatischer Perspektiven“ (Blatter et al. 2018: 265). Theorien sind dann gedankliche Rahmungen, welche abstrakt Gedachtes bereitstellen. Durch ihre meist empirische Forschungsbasis lassen sie Vorhersagen über den konkreten Einzelfall zu (Blatter et al. 2018: 1). Eine Falsifikation oder Verifikation von Theorien im positivistischen Sinne ist allerdings nicht möglich. Wertvoll ist folglich eine Theorie dann, wenn sie neue konzeptuelle und praktische Einblicke in einen Fall ermöglicht (Blatter & Haverland 2012: 145). Daten werden folglich mit dem Ziel erhoben, die theoretischen Erwartungen zu bestätigen oder zu widerlegen. Eine Zusammenfassung der Daten in einer Variablen ist im Falle der Kongruenzanalyse nicht zwingend erforderlich (Blatter & Haverland 2012, Blatter et al. 2018: 275 f.). Die Datenanalyse erfolgt mit expliziter Erörterung, inwieweit die Daten die getroffenen Vorhersagen bestätigen oder widerlegen.

Da in er Arbeit auch eine „umfassende Erklärung eines ganz konkreten Ereignisses“ (Blatter et al. 2018: 238) angestrebt wird, erscheint weiter die Prozessanalyse als geeignete Methode. „Ein solches Forschungsdesign zielt darauf ab, die komplexen Voraussetzungen, die ein konkretes Ereignis (…) möglichen machen, zu identifizieren“ (Blatter et al. 2018: 241). Die Identifizierung kausaler Faktoren erfolgt durch die historische Rekonstruktion des Prozesses, der zum Ergebnis, der Niederschlagung der Proteste in Gwangju, in seiner konkreten Form geführt hat. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die Generalisierbarkeit der Befunde stark begrenzt ist (vgl. Blatter et al. 2018: 244). Es werden also die notwendigen Bedingungen gesucht, „die zusammen hinreichend sind, um im untersuchten Fall zum Ergebnis zu führen“ (Blatter et al. 2018: 248 f.). Innerhalb des kausalen Mechanismus werden ein Handlungsmechanismus, ein Situationsmechanismus und Transformationsbzw. Aggregationsmechanismus unterschieden (Abb. 1). Während der Handlungsmechanismus darstellt, wie das Handeln der Akteure auf der Mikroebene erklärt werden kann, stellt definiert der Situationsmechanismus, „wie eine soziale bzw. politische Situation oder Struktur von den Akteuren wahrgenommen wird (…)“ (Blatter et al. 2018: 252). Der Transformationsbzw. Aggregationsmechanismus legt die Bedingungen fest, wie aus dem Handeln individueller Akteure ein kollektives Ergebnis entsteht.

[...]


[1] Geddes et al. (2014) klassifizieren Südkorea zwischen 1949 und 1960 als personalistisches, 1960 als demokratisches und von 1961 bis 1987 als Militärregime.

[2] Für bekannte koreanische Persönlichkeiten wird grundsätzlich die im deutschsprachigen Sprachraum gängige Romanisierung von koreanischen Begriffen verwendet (also: Park Chung-hee statt Bak Jeong-hui). Bei Orten oder weniger bekannten Begriffen wird die revidierte Romanisierung verwendet („Gwangju statt „Kwangju“). Hilfsweise wird die Romanisierung der Originalquelle verwendet. Bei koreanischen Namen wird die koreanische Reihenfolge verwendet, d.h. erst Nachdann Vorname.

[3] “Militär ist jene gesellschaftliche Institution, die über einen konstitutionellen Konsens mit der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols zum Schutz der Gesellschaft vor äußeren Gefahren beauftragt ist“ (Croissant & Kuehn 2011: 16 f.). Im Rahmen der Arbeit ist dies die Arnee der Republik Korea.

[4] Kausale Mechanismen sind „configurational entitites combining three different types of social mechanisms: ‘situational mechanisms’, ‘action-formation mechanisms’ and ‘transformational mechanisms’” (Blatter & Haverland 2012: 95)

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Details

Titel
Die Demokratiebewegung in Südkorea und der Gwangju-Aufstand. Die Militärreaktion auf die Proteste in Gwangju von 1980
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
23
Katalognummer
V539326
ISBN (eBook)
9783346142702
ISBN (Buch)
9783346142719
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Korea, Südkorea, Militär, Demonstration, diktatur, Gwangju, Park
Arbeit zitieren
Julian Klose (Autor:in), 2019, Die Demokratiebewegung in Südkorea und der Gwangju-Aufstand. Die Militärreaktion auf die Proteste in Gwangju von 1980, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539326

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