Pierre Bourdieus Kapitalperspektive. Die Ausschließung der in Deutschland lebenden jüdischen Menschen im Jahre 1933


Hausarbeit, 2016

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Kapital nach Pierre Bourdieu
2.1 Das ökonomische Kapital
2.2 Das kulturelle Kapital
2.3 Das soziale Kapital
2.4 Das symbolische Kapital

3. Das Jahr 1933

4. Fazit

Literaturliste

1. Einleitung

Anfangs stand für mich bei der Suche nach einem geeigneten Thema für meine Hausarbeit zum Thema „Partizipation & Ausschließung“ die Frage, wie Ausschließung und aufgrund welcher Merkmale entsteht. Dies führte mich über die Intersektionale Vorlesungsreihe an meiner Hochschule und Ringvorlesungen des zweiten Semesters zu Pierre Bourdieus Sozialraumtheorie. Die Idee Kapital anders als nur im ökonomischen Sinne zu begreifen, war für mich faszinierend, neu und nachvollziehbar. Der Fokus rückte immer mehr auf die Frage von was Menschen ausgeschlossen werden.

Immer wieder stieß ich auf schon bekannte, bereits angeschnittene Themen meines Studiums der Sozialen Arbeit. Pierre Bourdieus1 Werke beziehen sich beispielsweise primär auf die Grundlagen von Karl Marx, Max Weber und Emil Durkheim (vgl. Müller 1986a, S. 36).

Insbesondere für die Soziale Arbeit und die Soziologie ist heutzutage der Blick auf die Ausschließung von differenzierten Kapitalien2 im Angesicht der weiterhin wachsenden Schere zwischen armen und reichen Menschen immer wichtiger geworden. Dies ermöglicht auch neue Ausschließungsprozesse (vgl. Anhorn 2008, S. 13). Das war Grund genug für mich das Thema der Ausschließung von Kapitalien zu wählen. In Erinnerung an meine Kommentierte Literaturliste im Zusammenhang mit dem Judentum, entschied ich mich das theoretische Thema mit der Praxis der Ausschließung von Menschen jüdischen Glaubens zu verbinden und mir die Frage zu stellen, von welchen Kapitalien nach Bourdieu Menschen jüdischen Glaubens im Jahre 1933 in Deutschland vorrangig ausgeschlossen wurden.

Im 2. Kapitel möchte ich mich ausgiebig den verschiedenen Kapitalien nach Bourdieu widmen. Anschließend im 3. Kapitel wird die Theorie auf die Praxis der gesetzlichen3 Ausschließung Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland im Jahre 1933 übertragen. Abschließend folgt im 4. Kapitel das Fazit mit Bezug auf die Soziale Arbeit.

2. Das Kapital nach Pierre Bourdieu

In dem vorliegenden Kapitel geht es vorerst darum, sich einen kurzen Überblick über das Kapital nach Bourdieu als Gesamtes zu verschaffen, bevor die Kapitalien im Detail vorgestellt und untereinander verglichen werden.

Die Erweiterung des marxistischen Kapitalverständnisses sei ausschlaggebend für die Sozialraumtheorie des „ meistzitierten Wissenschaftler Europas “ (Der Spiegel 2002 (5), S. 166), schreibt Der Spiegel in seinem Nachruf über dem im Jahre 2002 verstorbenen Soziologen und Sozialphilosoph Pierre Bourdieu, der den Begriff des Kapitals in seinem bekanntesten Werk „Die Feinen Unterschiede“ als „soziale Energie“ (vgl. Bourdieu 2013, S.194) definiert. Energie lässt sich nach Bourdieu als akkumulierte Arbeit beschreiben (vgl. Bourdieu 1983, Müller 1986a, S. 36; S. 183 Schwingel 2003, S. 86; Barlösius 2006, S. 105). Somit bildet die durch akkumulierte Arbeit gewonnene Macht stets eine Ressource4 für die Akteur*innen5 und befähigt sie zugleich dadurch, Einfluss auf Handlungen in Relation zu ihren feldbezogenen Kapitalien innerhalb des sozialen Raumes zu nehmen (vgl. Barlösius 2006, S. 188).

Die ungleiche Verteilung durch Vererbung oder Aneignung der Kapitalien bestimmen über die Durchsetzungsfähigkeit und „(Macht-)Position“ (ebd.; vgl. Maurer 2006, S.142-143) der Akteur*innen innerhalb der Gesellschaft (vgl. Fuchs-Heinritz 2009, S. 73). Pierre Bourdieus Auffassung des Kapitals überschreitet den rein materiellen Wert, welcher auf Warenaustausch und Markt beruht (vgl. Fuchs-Heinritz, König 2011, S.160). Im Rahmen gewisser Bedingungen ist das eine Kapital in ein anderes Kapital konvertierbar (vgl. Müller 1986a, S. 31 u. 35). Nicht alle Kapitalien sind gleichwertig und gleichzeitig konvertierbar (vgl. S. 7).

Neben dem ökonomischen Kapital nennt Bourdieu auch das kulturelle, soziale und symbolische Kapital. In den folgenden Unterkapiteln werden die feinen aber bedeutenden Unterschiede der vier verschiedenen Kapitalien verdeutlicht.

2.1 Das ökonomische Kapital

Dieses Unterkapitel befasst sich mit dem ökonomischen Kapital, welches in der Sprache der Betriebswirtschaftslehre als die einzige Kapitalsorte bekannt ist.

Das ökonomische Kapital wird von Bourdieu als materieller6 Besitz aufgefasst, welcher auf einem entwickelten Markt in Geld konvertierbar ist (vgl. Fuchs- Heinritz, König 2011, S. 163). Im Unterschied zur marxistischen Denkweise bezieht Bourdieu den Begriff des Kapitals nicht nur auf das Eigentum an den Produktionsmitteln (vgl. ebd.; Schwingel 2003, S. 88), vielmehr geht es ihm um ein erweitertes Verständnis des Kapitals (vgl. Barlösius 2006, S. 105). Auch wenn Bourdieu das ökonomische Kapital als das wichtigste Kapital ansieht (vgl. ebd., S. 163; Fuchs-Heinritz 2009, S. 73; Fuchs-Heinritz, König 2011), hält er zugleich eine einseitige Perspektive des Kapitals, in Anbetracht der komplexen Relationen zwischen den Kapitalien, als zu simpel.

Ein weiteres Kapital könnte m.E. die von den Institutionen konstruierten und auf verschiedene Personengruppen angewandten Rechte darstellen. Dazu zählt die Bewegungsfreiheit. Diese wurde für jüdische Menschen unter Hitlers Herrschaft und noch heute in Deutschland für Menschen mit Fluchterfahrung partiell eingeschränkt (vgl. S.17). Nicht jeder Mensch hat überall die gleichen Rechte. Das Kapital dieser institutionalisierten Rechte ist nicht dem institutionellen Kulturkapital zuzuordnen, obwohl die Institution es konstruiert und kontrolliert. Dennoch muss Arbeit nach Bourdieu akkumuliert werden (vgl. Bourdieu 1983), um institutionelles Kulturkapital zu erreichen. Eine weitere Frage, die aufkommt ist, ob es nicht auch ein ästhetisches Kapital (durch Vererbung, Make-Up und Schönheitsoperation) und ein institutionalisiertes Kapital der personenbezogenen Rechte (Mobilitätskapital) gibt, welches begünstigte oder verminderte Lebensbedingungen, wie die anderen Kapitalien nach Bourdieu ermöglicht. Diese interessanten Fragen stehen jedoch nur am äußersten Rande meiner Hausarbeit. Eine weitere Ausarbeitung dieses Kapitals würde diese Arbeit sprengen, es wäre aber interessant, dies im Rahmen einer Bachelorarbeit zu bearbeiten.

2.2 Das kulturelle Kapital

Das kulturelle Kapital unterteilt Bourdieu in die drei weiteren Kategorien des inkorporierten, objektivierten und institutionalisierten Kulturkapitals (vgl. Müller 1986b, S. 168), welche in diesem Kapitel vorgestellt und ansatzweise verglichen werden.

Das inkorporierte Kulturkapital wird durch die kulturellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Individuums bestimmt. In der Alltagssprache wird darunter der Bildungssektor verstanden (vgl. Fuchs-Heinritz, König 2011 S. 164-167; Müller 1986a, S. 42).

Eine Besonderheit des inkorporierten Kulturkapitals ist die Unveräußerlichkeit. Da es personengebunden ist, kann das inkorporierte Kulturkapital weder durch Geld direkt erworben werden noch direkt in Geld konvertiert werden. (vgl. Fuchs- Heinritz, König 2011 S. 164-167). Im Gegensatz zu anderen Kapitalien kann der Aneignungsprozess dieses Kapitals nicht kurzfristig erfolgen.

Im Gegensatz zum ökonomischen Kapital (Geld), ist das inkorporierte Kapital nur schwer messbar.

Die Aneignung des Bildungskapitals in der Familie7 und Schule (vgl. Bourdieu 2013, S. 47) gilt als ein essenzieller Faktor, für die Zukunftsperspektive eines Menschen. Die Verkörperung des Wissens beginnt daher schon im Kindesalter und endet in der heutigen westlichen Bildungsgesellschaft des Lebenslangen Lernens (an VHS, Seminaren) erst mit dem Tod.8

Nicht selten ist die erfolgreiche Vermittlung des inkorporierten Kulturkapitals des Kindes von den kumulierten Kapitalien (Ressourcen) der Bezugspersonen8 abhängig, wie der aktuelle fünfte Armuts- und Reichtumsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2017, S. 13-22) zeigt. Die festgefahrenen Bildungsstrukturen innerhalb des zugehörigen Milieus belegt auch die Studie „Education at a Glance“ der OECD aus dem Jahre 2012.

Chart A6.5. Intergenerational mobility in education (2009)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: https://dx.doi.org/10.1787/888932662010 (graphisch bearbeitet durch Jan Elm), zuletzt geprüft am 25.07.2017.

Die Graphik zeigt, dass es nur in der Slowakei und Estland schwieriger als in Deutschland ist, ein höheres inkorporiertes Kapital im Vergleich zu seinen Eltern zu erreichen9. Im krassen Gegensatz zur der immer wieder proklamierten Chancengleichheit des „Sozialstaates“10, belegt diese Statistik auch, dass mehr 25- 34jährige hinter dem Bildungsniveau ihrer Eltern zurückbleiben, als dass sie den Aufstieg schaffen.

Das objektivierte Kulturkapital beinhaltet Kulturgüter, wie Statuen, Gemälde und Bücher (vgl. Müller 1986b, S. 167-168; Schwingel 2003, S. 88). Während der Erwerb ein ökonomisches Kapital vorrausetzt, ist der Kunstgenuss eines Gemäldes (objektivierten Kulturkapitals) nur in Verbindung mit inkorporiertem Kulturkapital möglich. Der Wert des Kulturguts wird wie bei dem ökonomischen Kapital für die breite Masse über das Geld definiert. Dahingegen benötigt die Aneignung der Kunstgenussfähigkeit durch das inkorporierte Kulturkapital Zeit (vgl. Müller 1986a, S. 44-45) und ist von den individuellen Fähigkeiten des Menschen abhängig, die wiederum den Wert des objektivierten Kulturkapitals für das Individuum bestimmen. Somit benötigt es eine Mischform von Kapitalien, um das objektivierte Kapital für das Individuum nutzbar zu machen. Aufgrund der hohen Hürden, Geld und Zeit für Genussmittel bereitstellen zu können, ist der Erwerb bestimmter Güter des klassischen objektivierten Kulturkapitals milieugebunden.

Das institutionalisierte Kulturkapital bezieht sich auf Abschlusszeugnisse und Bildungstitel (vgl. Fuchs Heinritz, König 2011, S. 166) des inkorporierten Kapitals, die durch die Institution anhand von Prüfungen gemessen und legitimiert werden. Wer über kein institutionalisiertes Kapital verfügt, muss nicht zwangsweise über kein inkorporiertes Kulturkapital verfügen, wie es bei Autodidakt*innen der Fall ist (vgl. ebd.). Das institutionalisierte Kapital geht meistens mit gesellschaftlicher Anerkennung (symbolisches Kapital) einher. Umso schwieriger der Titel zu erwerben ist, und umso mehr Geld (ökonomisches Kapital) sich aufgrund dieses Tittels verdienen lässt, umso höher ist i.d.R. die gesellschaftliche Anerkennung, wie z.B. bei Jurist*innen, Lehrer*innen, Ärzt*innen und Ärzten. Dieses Prinzip funktioniert nur durch künstliche Verknappung der Bildungsqualifikationen (vgl. Müller 1986a, S. 45). Könnte jedes Individuum einen Doktortitel erreichen, wäre die Qualifikation nicht mehr außergewöhnlich, sondern der Norm entsprechend.

Am institutionalisierten Kapital lässt sich hervorragend die Konvertierbarkeit und Kreisläufe der Kapitalien zeigen. Schon im Kindesalter wird das ökonomische Kapital in inkorporiertes Kulturkapital der jüngsten Generation investiert. In den Bildungseinrichtungen wird das inkorporierte Kulturkapital am Ende in einen institutionalisierten Kapital konvertiert. Diese Bildungsqualifikation erhöht den Wert des Humankapitals auf dem Arbeitsmarkt, was sich dann wiederum in einem überdurchschnittlich hohen ausgezahlten ökonomischen Kapital wiederspiegelt.

Dieser Prozess dauert i.d.R. 20-30 Jahre. Sollte die jüngste Generation Nachwuchs bekommen haben, kann sie das ökonomische Kapital wiederum in das inkorporierten Kapital ihrer Kinder anlegen. So schließt sich der Kreislauf.

Ein zusätzlicher Faktor ist, dass das Kapitalvolumen, also die Summe aller Kapitalien, tendenziell konstant bleibt. Dies führt zu einer Reproduktion der Verhältnisse (geringe De-Stratifizierungsrate). D.h. kurz gesagt: Wenn Eltern über ein hohes Kapital verfügen, werden ihre Kinder tendenziell im Alter ihrer Eltern über ein ähnlich hohes Kapitalvolumen verfügen.

2.3 Das soziale Kapital

Das folgende Kapitel konzentriert sich auf das soziale Kapital, dessen ubiquitärer Einsatz für die Öffentlichkeit oftmals nicht nachvollziehbar bleibt.

Das soziale Kapital ermöglicht gruppenbezogene Vorteile und Ressourcen seine Freund*innen, Vertrauenspersonen, Bekannte, Geschäftskolleg*innen) um Rat und Hilfe zu bitten (vgl. Fuchs Heinritz, König 2011, S. 168). Oftmals ist das Kapitalvolumen des sozialen Umfeldes kongruent mit dem eigenen Kapitalvolumen. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit hohen Kapitalvolumen durch ihr soziales Umfeld auf auswirkungsvollere soziale Netzwerke und daraus resultierende Einflüsse setzen können.

Die Pflege des Kapitals bedarf vor allem der Investition in Zeit, wie auch beim inkorporierten Kapital (vgl. S. 5-6). Der immaterielle Besitz dieses Kapitals ist niemals vollkommen gesichert und nicht rechtlich einklagbar. Durch Undankbarkeit, asymmetrischer Reziprozität und Unzumutbarkeit könne das soziale Kapital schnell verloren gehen, laut Müller (vgl. Müller 1986a, S. 47).

Der Wert dieses Kapitals bezogen auf eine einzelne Beziehung ist m.E. stets subjektiv und kann sich von den einen auf den anderen Tag aufgrund veränderter Beziehungsverhältnissen, mobilem Zugang, Mortalität der Beziehungsperson und weiterer Faktoren verändern. Beziehungen bzw. das Kapital der Beziehungen sind sehr schwer zu bemessen, da es dafür einer aggregierenden Einschätzung der Qualität und Quantität der Beziehungen bedarf und es keine eindeutigen Zahlen oder bestätigten Qualifikationen vorgelegt werden können, wie z.B. bei ökonomischem Kapital (Geld) oder inkorporiertem Kulturkapital (Bildungsabschlüsse) (vgl. S. 5-6). Die Anzahl an Freund*innen in sozialen Netzwerken sind m.E. auf jeden Fall ein ungeeignetes Mittel der Datenerhebung und -Messung.

Des Weiteren ist soziales Kapital aufgrund der doppelten Personenbindung schwer zu erwerben. Es reicht nicht, wenn eine Person ein Beziehungsverhältnis aufbauen will. Beide Individuen müssen sich beteiligen. Des Weiteren werden in der Gesellschaft besondere Charaktereigenschaften („sociable“) als besonders geeignet in der Beziehungs-Arbeit11 angesehen. Somit sind nicht nur der Kontakt, sondern auch Präferenzen und Fähigkeiten der Person bezüglich Qualitäts- und Quantitätsbeziehungen charakter- und personengebunden, wenn auch das soziale Umfeld maßgebende Voraussetzungen setzt. Dies macht das soziale Kapital äußert schwer in andere Kapitalien konvertierbar. Vielmehr kann das soziale Kapital zur Verstärkung von ökonomischen Interessen und des kulturellen Kapitals genutzt werden. (vgl. Fuchs Heinritz, König 2011, S. 169).

2.4 Das symbolische Kapital

Dieses Unterkapitel widmet sich dem symbolischen Kapital, welches in einigen Lehrbüchern vollkommen vernachlässigt wird. Dennoch ist es m.E. zu wichtig, als es zu ignorieren, da dieses Kapital eine übergeordnete Position in Bourdieus Kapitalperspektive einnimmt.

Bourdieu beschreibt das symbolische Kapital im Zusammenhang mit der männlichen Herrschaft als jene sanfte, für ihre Opfer unmerkliche, unsichtbare Gewalt, die im Wesentlichen über die rein symbolischen Wege der Kommunikation und des […] Anerkennens oder äußerstenfalls des Gefühls ausgeübt wird“ (Bourdieu 2005, S. 8).

[...]


1 An der französischen Elite-Universität École normale supérieure trifft Bourdieu auf Michel Foucault. Mit den Theorien seines Kommilitonen setzt er sich während seiner wissenschaftlichen Laufbahn kritisch auseinander und lässt sich von Foucaults Definition der Macht inspirieren (vgl. Fuchs-Heinritz 2009, S. 70-71).

2 Oftmals synonym mit dem französischen Begriff „ressource“ (Mittel-, Hilfs-, Einnahmequelle) benutzt (vgl. Liebermann, S. 247-248).

3 Auf die oftmals auch nicht institutionalisierte Ausschließung wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.

4 Um Definierungsverwechslungen entgegenzuwirken, schlägt Lüdtke den Begriff der „verfügbaren Ressourcen der Lebensorganisation“ (Lüdtke 1989, S. 57) für das Kapital nach Bourdieu vor.

5 Sprache gilt nicht nur als großes Identifikationselement eines Kulturkreises, sondern ist auch ein äußerst wichtigstes Kommunikationsmedium des Menschen. Daher ist es bedeutend, Sprache gendersensible einzusetzen, um sprachliche Diskrimination und Zuschreibungen von bestimmten Geschlechterrollen zu verhindern. Das Gendersternchen wird in der Informatik genutzt, um eine beliebige Anzahl von Möglichkeiten aufzuzeigen. Dies soll das Gendersternchen im sprachlichen Kontext ebenfalls in Bezug auf unendlich viele Geschlechtsidentifikationsformen verdeutlichen und darüber hinaus Menschen, die die Kategorie des Geschlechts vollkommen ablehnen, miteinschließen.

6 Im digitalen Zeitalter können m.E. auch immaterielle Objekte, wie digitale Daten zum ökonomischen Kapital gezählt werden, auch wenn die Datei an sich keine spezifische materielle (haptische) Form besitzt, wie z.B. ein Auto. Für den Zugang zu den Daten werden daher Hilfsgeräte- und Datenträger (CD, USB-Stick) benötigt. Zu allererst ist der Inhalt der Daten entscheidend. Programme, Steuer-CDs, sog. „Sozialen Netzwerke“ Virenprogramme (z.B. Wanna Cry), Börsendaten- und Filmdateien entscheiden in unserer heutigen Welt sowohl über Macht als auch über Reichtum. Die Welt der Daten durchdringt und beherrscht alle von Bourdieu konstruierte Kapitalien. Da der Wert der Information nicht mit seinem Datenträger korreliert, entsteht zur ökonomischen Bereicherung durch die Replikationen der Information nur ein minimaler Arbeitsaufwand. Dabei wird der Wert der originalen Datenquelle nur insofern gemindert, als dass den Besitzer*innen die Monopolstellung des Dateninhalts verloren geht. Dazu kommt der Vorteil, dass Daten nur minimalen Lagerraum (Server) benötigen und zu jeder Zeit an alle Server in der Welt innerhalb von wenigen Sekunden geschickt werden können. Die Mobilität, die im Grunde grenzenlose Replikationsmöglichkeit und die Durchdringung unseres Alltags durch die digitalen Medien gelten als bedeutende Faktoren für den hohen ökonomischen Wert der unfassbar vielen Daten, welche lediglich auf dem binären Zahlensystem (Nullen und Einsen) beruhen. Auch ihre große Konvertierbarkeit in Geld spricht dafür, Daten als ökonomisches Kapital zu begreifen. Die institutionalisierte Sicherung des Eigentums ist sowohl bei materiellen Objekten als auch bei digitalen Daten gegeben. Auf der anderen Seite stehen die symmetrischen Eigenschaften der digitalen Daten zum objektivierten Kulturkapital, wenn man an Musik in Form von MP3-Dateien denkt und materielle Bedingungen außer Acht lässt. Es besteht auf beiden Seiten kein hohes Schwundrisiko und setzt kulturelles Kapital zum Genuss voraus (vgl. Müller 1986a, S. 44). Abschließend lassen sich m.E. digitale Daten primär durch ihren Zweck zuordnen. Da Wissenschaftsproduktion und ökonomische Produktion ähnlich organisiert sind (vgl. ebd.), bedarf es sehr viel Abwägungen und klarer Differenzierungen, um zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen, sollte dies überhaupt möglich sein.

7 Hierunter soll nicht nur das tradierte Familienmodell Vater, Mutter, Kind(er) verstanden werden. Alle Familienkonstellationen, unabhängig von der Fremdetikettierung der normierten Geschlechtskonstruktionen, sind hierbei inbegriffen.

8 Mit diesem Begriff sind nicht nur Personensorgeberechtigte des öffentlichen Rechts gemäß § 7 Abs. 1 Nr.5 SGB VIII (Achtes Buch im Sozialgesetzbuch) gemeint, sondern alle Personen, die sich um das Kindeswohl sorgen und die durch die Summe aller Interaktion und Unterstützung des Kindes eine positive Entwicklung der Kapitalien des Kindes hervorrufen.

9 Dies unterstreicht die geringe De-Stratifizierungsrate des zentraleuropäischen/ konservativen Wohlfahrtstaatenmodells von Esping-Andersen (vgl. Kubon-Gilke 2013, S. 670-690).

10 Sechs Mal taucht das Wort „Chancengleichheiten“ und 69 Mal „Chance“ in dem Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode zwischen der CDU, CSU und SPD auf.

11 Auf der anderen Seite stehen die symmetrischen Eigenschaften der digitalen Daten zum objektivierten Kulturkapital, wenn man an Musik in Form von MP3-Dateien denkt und materielle Bedingungen außer Acht lässt. Es besteht auf beiden Seiten kein hohes Schwundrisiko und setzt kulturelles Kapital zum Genuss voraus (vgl. Müller 1986a, S. 44).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Pierre Bourdieus Kapitalperspektive. Die Ausschließung der in Deutschland lebenden jüdischen Menschen im Jahre 1933
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
21
Katalognummer
V539451
ISBN (eBook)
9783346176196
ISBN (Buch)
9783346176202
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalsozialismus, Juden, Verfolgung, Kapital, Bourdieu, Theorie, Ausschluss, Exklusion, 1933
Arbeit zitieren
Jan Elm (Autor:in), 2016, Pierre Bourdieus Kapitalperspektive. Die Ausschließung der in Deutschland lebenden jüdischen Menschen im Jahre 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539451

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