Bretonisch. Aktuelle soziolinguistische Sprachsituation und Einflussfaktoren des Sprachtods der inselkeltischen Minderheitensprache im westlichen Frankreich


Hausarbeit, 2019

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1. Einleitung

2. Grundlagen des Bretonischen
2.1 Sprecherzahlen in der historischen Entwicklung
2.2 Sozio-Demographische Entwicklung

3. Sprachenpolitische Einflussfaktoren auf den bretonischen Sprachtod
3.1 Auswirkungen der französischen Regionalsprachenpolitik
3.2 Auswirkungen der französischen Bildungspolitik
3.3 Weitere Einflussfaktoren lokalpolitischer Bemühungen

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

Le breton est une des langues minoritaires et régionales en France. Ce travail s’intéresse à la situation sociolinguistique et aux facteurs qui influencent le maintien du Breton pour finalement pouvoir identifier les problèmes et difficultés de la langue minoritaire. Premièrement, les fondements du breton sont donnés : catégorisation comme une langue celtique ; région où le breton est utilisé ; histoire de la Bretagne et du breton et variétés linguistiques du breton. Dans une deuxième étape, ce sont particulièrement des sondages traitant les nombres des utilisateurs du breton qui sont discutés. Après, on regarde d’autres facteurs sociolinguistiques comme l’âge des utilisateurs, la question si les vieilles générations des utilisateurs transmettent leur langue à leur descendants, les modes d’utilisation du breton et sa présence dans les médias sont traités. On prend aussi en vue les facteurs résultant de la politique linguistique : Cependant on regarde le développement de la politique des langues régionales et minoritaires de la France, mais on traite également les influences de la politique éducative, particulièrement l’offre des cours scolaires bilingues franco-bretons. Ensuite le travail s’occupe des autres facteurs résultant de la politique régionale comme par exemple le rôle de l’Office public de la langue bretonne et la création d’une codification linguistique : le néo-breton et les conséquences qui en résultent.

À la fin, ce travail identifie un avenir plutôt négatif pour le maintien de la langue bretonne qui résulte des difficultés et problèmes traité. En conclusion, quelques perspectives possibles pour le breton sont données.

1. Einleitung

« La langue de la République est le français. », so ordnet es der zweite Artikel der französischen Verfassung an. Doch die sprachliche Wirklichkeit weicht von dieser Wunschvorstellung der französischen Sprachenpolitik ab. Innerhalb Frankreichs existiert eine Vielzahl von in der Regel regional begrenzten Minderheitensprachen neben der offiziellen Standardsprache Französisch. Zum Teil handelt es sich dabei lediglich um Varietäten oder Dialekte des Französischen, wie etwa im Fall des Pikardischen (str.). Andererseits gibt es Minderheitensprachen, die einer anderen Nachbarsprache des Französischen nahestehen (z.B. Elsässisch oder Francique in Lothringen als dem Deutschen nahestehende Sprachen) oder eigenständige Sprachen, die ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet außerhalb Frankreichs begründen, aber deren Sprachraum über die Staatsgrenze in das Staatsgebiet Frankreichs hineinreicht (etwa Katalanisch oder Flämisch).

Darüber hinaus existieren jedoch auch Minderheitensprachen, die keiner anderen größeren Standardsprache nahestehenden, darunter das Baskische in Südfrankreich und das Bretonische in Westfrankreich, dessen sich diese Hausarbeit widmen wird.

Allen Minderheitensprachen ist gemein, dass diese wesentlich derselben restriktiven Sprachenpolitik Frankreichs ausgesetzt sind und dass sie nur zum Teil einen rechtlichen Schutzstatus genießen, darüber hinaus haben sie auch ähnliche sozio-demografische Probleme zu beklagen. In dieser Arbeit sollen die aktuelle soziolinguistische Sprachsituation des Bretonischen und die Einflussfaktoren auf einen möglichen Sprachtod der Minderheitensprache in der Bretagne analysiert werden, sodass final ein begründetes Urteil über die aktuelle Sprachgefährdung abgegeben werden kann.

2. Grundlagen des Bretonischen

Das Bretonische gehört sprachgenealogisch zu den inselkeltischen Sprachen und weist insofern eine Verwandtschaft mit dem Walisischen, dem Kornischen und dem Cumbrischen (†) auf (zu Verwandschaftsbeziehungen und der Stellung des Bretonischen innerhalb der keltischen Sprachen vgl. z.B. Radatz, 2013, S. 7 ff.).

Bretonisch wurde historisch in der gesamten Bretagne gesprochen. Das Gebiet der historischen Bretagne erstreckt sich heutzutage auf zwei Regionen Frankreichs, nämlich die gesamte Region Bretagne (Departements Ille-et-Vilaine (35), Côtes-d‘-Armor (22), Finistère (29) und Morbihan (56)) sowie das Departement Loire-Atlantique (44) innerhalb der Region Pays-de-la-Loire (Broudic, 2017, S. 415 ff.). Weiterhin unterteilt man die Bretagne in Haute-Bretagne (östlich) und Basse-Bretagne (westlich), hierbei ist hervorzuheben, dass sich der Sprachraum des Bretonischen heutzutage im Wesentlichen auf die Basse-Bretagne konzentriert und in der Haute-Bretagne nur noch wenige Sprecher der Minderheitensprache vertreten sind. Konkret hat sich die Sprachgrenze zwischen den Bretonischen und dem Französischen immer weiter Richtung Westen verschoben, wodurch der Sprachraum der Regionalsprache stetig verkleinert wurde (vgl. u.a. Broudic, 2017, S. 414 ff.). Die größeren städtischen Zentren der Region gelten ausnahmslos als frankophon, darüber hinaus verweisen einige Autoren auf die Geringschätzung, welche den in der ländlichen Bretagne lebenden « bretons bretonnants » durch die Städter entgegengebracht würde (vgl. Schmitt, 2006, S. 1864).

In der Forschung geht man davon aus, dass das Bretonische im Zuge diverser Einwanderungswellen durch inselkeltische Flüchtlinge in die Bretagne importiert wurde. Die Flüchtlingsströme, von welchen angenommen wird, dass sie im Wesentlichen aus dem Südwesten des heutigen Großbritanniens vor normannischen Überfällen und Plünderungen aufs Festland flohen, dienen sprachwissenschaftlich auch zur Erklärung des spezifischen Dialektkontinuums des Bretonischen (vgl. Kremnitz, 2015, S. 134; Radatz, 2013, S. 8 ff.). Denn innerhalb des Sprachraums des Bretonischen existiert historisch betrachtet kein Standardbretonisch, sondern es werden die vier Dialekte Vannetais, Cornouaillais, Léonard und Tréguier unterschieden, deren Benennung sich an den in den jeweiligen Verbreitungsgebieten befindlichen städtischen Zentren orientiert (vgl. Leutgeb, 2008 S. 28-30; Schmitt, 2006, S. 1864).

2.1 Sprecherzahlen in der historischen Entwicklung

Nachfolgend werden die Sprecherzahlen in ihrer historischen Entwicklung beleuchtet. Dabei ist zunächst hinsichtlich der Methode anzumerken, dass aus Gründen der Vergleichbarkeit im Wesentlichen auf Daten der Einrichtung TMO Régions Bretagne zurückgegriffen wird (Wakeford & Broudic, 2018), die dank einer regelmäßigen Erhebung der Sprecherzahlen der in der Bretagne vertretenen Minderheitensprachen Bretonisch und Gallo einen Einblick in das Kontinuum deren Entwicklung ermöglicht. Ferner werden hier vor allem die Sprecherzahlen in der Basse-Bretagne betrachtet, da es sich bei dieser geographischen Untergliederung der Bretagne um das hauptsächliche und vorwiegende Verbreitungsgebiet des Bretonischen handelt (vgl. oben).

Die Sprecherzahlen vor der Mitte des 20. Jahrhunderts werden vielfach nur geschätzt, da keine genauen Untersuchungen oder Befragungen vorliegen, valide Daten liegen erst ab dem Jahr 1997 vor. Dennoch kann ein Blick auf die Schätzungen der Sprecherzahlen im 19. und 20. Jahrhundert lohnen, um die generellen Entwicklungstendenzen nachzuzeichnen. Nach einer Schätzung des bretonischen Journalisten und Autoren Fañch Broudic, gab es 1830 noch über 1.000.000 Sprecher des Bretonischen (Kremnitz, 2015, S. 133). Für die 1960er Jahren werden die Sprecherzahlen des Bretonischen noch mit ca. 600.000 angegeben (Tristam, 2001, S. 16).

Im Jahr 1997 zählte die Basse-Bretagne (zur Vereinfachung im Folgenden nur noch als „Bretagne“ bezeichnet) 1.230.000 Einwohner, von denen 20,0 % oder konkret 246.000 Bretonisch-sprachig waren.

Zehn Jahre später ist die Gesamtbevölkerung auf 1.295.000 Einwohner gewachsen, die Anzahl der Sprecher jedoch auf 172.000 gesunken, was noch einem Prozentsatz von 13,0 % entspricht. Insofern ist innerhalb von 10 Jahren ein Rückgang um 7,0 % zu verzeichnen. Bezieht man im übrigen auch die restlichen Teile der historischen Bretagne mit ein, so erhält man für das Jahr 2007 mit 194.500 Sprechern einen Anteil von lediglich 5,5 % an der auf dieses geografische Gebiet bezogenen Gesamtbevölkerung (Lesk, 2012, S. 61).

Auch 2018 wurde die Anzahl der Bretonisch-sprachigen Bretonen untersucht: Von nunmehr 1.466.600 Einwohnern in der Bretagne waren 176.000 Bretonisch-sprachig. Aufgrund des gleichzeitigen Bevölkerungswachstums im Hinblick auf die Gesamtbevölkerung, bedeutet die leichte Zunahme der Sprecher in Bezug auf die konkreten Zahlen kein tatsächliches Erstarken der Bretonisch-sprachigen Gemeinschaft – im Gegenteil: 11 Jahre nach der letzten Untersuchung von 2007 ist der Anteil der Bretonischsprecher an der Gesamtbevölkerung auf 12,5 % und damit um 0,5 % zurückgegangen, auch wenn sich bei den konkreten Zahlen ein Wachstum von 4.000 Sprechern verzeichnen lässt.

Broudic prognostiziert für die zukünftige Entwicklung der Sprecherzahlen bis zum Jahr 2022 einen fortschreitenden Rückgang auf etwa 100.000 Sprecher und greift damit die empirisch beobachtbaren Entwicklungstendenzen der Sprecherzahlen auf, die langfristig deutlich zurückgehen (Lesk, 2011, S. 167).

Vergleicht man die Entwicklung der Sprecherzahlen des Bretonischen mit jener anderer Regionalsprachen in Frankreich so stellt man fest, dass das Bretonische in besonderem Maße von einem Rückgang betroffen ist:

„Am Ende des 20. Jahrhunderts ist nur mehr ein Zehntel des ursprünglichen Sprecheranteils zu verzeichnen. Der Anteil der baskisch sprechenden Bevölkerung hat sich hingegen nur halbiert, Elsässisch wird noch von einem Drittel der Bevölkerung gesprochen.“ (Lesk, 2011, S. 18)

2.2 Sozio-Demographische Entwicklung

Neben dem reinen stetigen Rückgang der Sprecherzahlen und dem kontinuierlichen Absinken des Anteils der „bretons bretonnats“ an der Gesamtbevölkerung, gibt es weitere empirisch nachvollziehbare Tendenzen und Entwicklungen, die für die heutige Situation des Bretonischen interessant sind. Hierzu zählen vor allem sozio-demographische Faktoren wie das Alter der Bretonischsprecher, die Weitergabe des Bretonischen von einer Generation an die nächste, die Verwendungsdomänen des Bretonischen und seine mediale Präsenz, sowie die Verwendungshäufigkeit im Alltag der Bretagne. Diese Einflussfaktoren und Tendenzen werden nachfolgend untersucht.

Zunächst wird das Alter der Bretonischsprecher in den Fokus gerückt. Die Untersuchung zum Stand des Bretonischen durch TMO Régions ergab, dass für das Jahr 2018 die größte Gruppe der Sprecher – 57 % – aus denjenigen Personen bestand, die 70 Jahre alt oder älter waren. Zwischen 60 und 69 Jahre alt waren 22 % der Sprecher, 16 % waren zwischen 40 und 59 Jahre alt und die Gruppen der jungen Sprecher machten insgesamt nur noch 5 % aus (2 % für die 25 bis 39-jährigen und 3 % für die 15 bis 24-jährigen Sprecher) (vgl. Wakeford and Broudic, 2018, S. 32).

Insofern zeigt sich, dass die Sprechergemeinde des Bretonischen ein imminentes Problem zu beklagen hat – jenes der demografischen Überalterung ihrer Mitglieder. Wakeford und Broudic heben in ihrer Studie hervor, dass 79 % der Sprecher 60 Jahre alt oder älter seien. Dies bringt unweigerlich mich sich, dass sich die Gesamtsprecherzahlen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten drastisch verringern wird, schlichtweg aufgrund der Verluste durch das Versterben der älteren Generation, es sei denn, es gelänge, diese Verluste durch junge Generation und den zweitsprachlichen Erwerb des Bretonischen auszugleichen. Zu demselben Ergebnis kommt auch Leutgeb:

„Des weiteren [!] wirkt sich auch die Alterspyramide der bretonischen Bevölkerung negativ aus, denn die bevölkerungsreichen Altersgruppen, die das Bretonische beherrschen, werden in den nächsten Jahren wegfallen.“ (Leutgeb, 2008, S. 40).

Interessant ist darüber hinaus die Frage der Weitergabe des Bretonischen durch die Elterngeneration. Aus der Gruppe der 15 bis 24-jährigen Bretonischsprecher geben lediglich 10 % an, das Bretonische durch ihre Eltern beigebracht bekommen zu haben, 90 % dagegen haben es auf dem Wege zweitsprachlichen Erwerbs – also in der Schule – gelernt. Betrachtet man dagegen die älteren Sprecher, so wurde etwa von den 60 bis 69-jährigen Sprechern 83 % die bretonische Sprache von den Eltern weitergegeben, 7 % haben sie als Zweitsprache über den Bildungsweg erworben und 5 % gaben an, sich die Sprache autodidaktisch beigebracht zu haben. Für die über 70-jährigen Sprecher ähneln sich diese Angaben stark; je jünger die Sprecher, desto geringer der Anteil der Sprecher, der das Bretonische durch seine Eltern erworben hat (Wakeford and Broudic, 2018, S. 51). Tristam bringt die Entwicklung auf den Punkt:

„Den seit den 60er Jahren geborenen Bretonen der ländlichen Bretagne wurde von ihren Eltern das Bretonische in der Regel nicht mehr weitergegeben.“ (Tristam, 2001, S. 16).

Hinsichtlich der Verwendungsdomänen des Bretonischen lässt sich feststellen, dass die Bretonen kein Recht zum Gebrauch der Minderheitensprach in offiziellen Kontexten ableiten können, dies ergibt sich aus dem aktuellen rechtlichen Schutzstatus. Es gibt zwar einige Gemeinden, in denen die Kommunikation (jedenfalls mündlich) mit französischen Verwaltungsangestelten auf Bretonisch geduldet und zugelassen wird, einen Rechtsanspruch darauf gibt es allerdings nicht. Im Allgemeinen gilt das Bretonische als Sprache ohne nennenswerte Präsenz im öffentlichen Leben. Sie wird größtenteils im alltäglichen, privaten Umfeld gesprochen und kommt vor allem mündlich zur Ausprägung. Man kann hier von einer Dilalie-Situation sprechen: Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung spricht Bretonisch und dies auch nicht in allen Domänen, sondern vor allem im Alltag (Lesk, 2011, S. 34).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Bretonisch. Aktuelle soziolinguistische Sprachsituation und Einflussfaktoren des Sprachtods der inselkeltischen Minderheitensprache im westlichen Frankreich
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
17
Katalognummer
V539541
ISBN (eBook)
9783346168238
ISBN (Buch)
9783346168245
Sprache
Deutsch
Schlagworte
aktuelle, bretonisch, einflussfaktoren, frankreich, minderheitensprache, sprachsituation, Sprachtod, Linguistik, Romanische Philologie, Sprachpolitik, Französisch, Westfrankreich, Bretagne, Regionalsprache, Romanistik, Französistik, Frankoromanistik, Breton, langue régionale, langue minoritaire
Arbeit zitieren
Philip Oppenländer (Autor:in), 2019, Bretonisch. Aktuelle soziolinguistische Sprachsituation und Einflussfaktoren des Sprachtods der inselkeltischen Minderheitensprache im westlichen Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539541

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