"Europa ist zunächst ein politisches Vorhaben, eher ein 'Inhalt' als ein 'Behältnis'. Europa besteht nicht nur aus Verordnungen, Richtlinien oder Streitigkeiten. Es ist in erster Linie ein intellektuelles Werk, ein Gesellschaftsmodell, eine Vision von der Welt."
Lionel Jospin in seiner Rede von 20. Mai 2001 in Paris zur Zukunft der Europäischen Union
Europa - aber wo liegt es?Diese Frage stellt Werner Weidenfeld in der Einleitung seines Sammelbandes über die Fragen, Positionen und Perspektiven zur Identität Europas. Europa aber wo liegt es?ist auch die immer wiederkehrende Frage in unzähligen Artikeln, Aufsätzen und Publikationen über die derzeitige Diskussion einer möglichen Aufnahme der Türkei in die Europäische Union. Nicht zum ersten mal macht sich die europäische Öffentlichkeit auf die Suche nach der geographischen, politischen, kulturellen, geschichtlichen, sozialen und nicht zuletzt religösen Gestalt Europas.
Mit dieser Arbeit möchte ich einigen Aspekten dieser groß angelegten Debatte über die Identität der Europäer beleuchten. Zunächst geht es um die Frage, was „Identität“, „kollektive Identität“ und „europäische Identität“ für begriffliche und theoretische Bedeutungen besitzen. In einem weiteren Schritt werde ich kurz die Hintergründe und Entwicklungen, die schließlich zum europäischen Einigungsprozess geführt haben, erläutern. Im dritten und ausführlichsten Teil widme ich mich schließlich am empirischen Befund den Fragen nach der Existenz und Gestalt einer europäischen Identität: Gibt es eine gemein same Identität der Europäer? Macht es überhaupt Sinn, von europäischer Identität zu sprechen? Bedroht sie die gewachsenen nationalen Identitäten? Kann oder soll sie sie ersetzen? Oder ist es vielleicht sogar gefährlich, weil zu irrealen Vorstellungen und Feindbildern verleitend?2
Für die Beantwortung dieser Fragen stand mir ein breites Spektrum an Literatur zu Verfügung, aus der ich allein wegen der Fülle an Publikationen zum Thema eine Auswahl treffen musst. Für die Diskussion um das Thema „Identität“ im ersten Kapitel waren die Beiträge von Jürgen Gerhards, Rainer Lepsius, Martin Kohli und Klaus Pöhle äußerst hilfreich. Das zweite Kapitel zu den geschichtlichen Hintergründen der Europäischen Einigung bezieht sich hauptsächlich auf die Darstellungen von Wilfried Loth.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff der europäischen Identität
- Das Konzept Identität
- Der Identitätsbegriff im kollektiven Kontext
- Theoretische Erklärungsansätze kollektiver Identitäten
- Charakteristika kollektiver Identitäten
- Identifikationsbedarf der Europäischen Union
- Gibt es eine europäische Identität?
- Schwierigkeiten beim Versuch eines Nachweises
- Nationale und Europäische Identität
- Demographische Gesichtspunkte
- Bewertung der EU-Mitgliedschaft
- Stabilität und Verlässlichkeit der europäischen Identität
- Einfluss der gesamtökonomischen Situation
- Status eines Mitgliedslandes als Nettozahler/Nettoempfänger
- Dauer der EU-Mitgliedschaft
- Europäische Identität und Demokratisierung der EU
- Keine Zufriedenheit mit der Demokratie in der EU
- Größere Popularität einer demokratischeren EU?
- Grundlagen einer demokratischen EU
- Der Entwurf einer Verfassung für Europa
- Zusammenfassung
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Frage nach einer kollektiven europäischen Identität. Das Hauptziel besteht darin, die begrifflichen und theoretischen Grundlagen des Identitätsbegriffs im kollektiven Kontext zu klären und anhand empirischer Befunde die Existenz und Beschaffenheit einer europäischen Identität zu analysieren. Die Arbeit beleuchtet die Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Nachweis einer solchen Identität und diskutiert deren Verhältnis zu nationalen Identitäten.
- Begriffsbestimmung von Identität, kollektiver Identität und europäischer Identität
- Historische Hintergründe des europäischen Einigungsprozesses
- Empirische Untersuchung der Existenz und Gestalt einer europäischen Identität
- Das Verhältnis von nationaler und europäischer Identität
- Die Bedeutung der europäischen Identität für die Demokratisierung der EU
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Existenz einer kollektiven europäischen Identität vor und umreißt den Aufbau der Arbeit. Sie verweist auf die vielschichtigen Debatten um die europäische Identität, insbesondere im Kontext der möglichen Aufnahme der Türkei in die EU, und benennt die wichtigsten Forschungsfragen, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt werden. Die Einleitung legt den Fokus auf die begriffliche und theoretische Klärung des Identitätsbegriffs sowie die Analyse empirischer Befunde zur europäischen Identität.
Der Begriff der europäischen Identität: Dieses Kapitel widmet sich der begrifflichen und theoretischen Klärung des Identitätsbegriffs. Es beginnt mit einer etymologischen Betrachtung des Begriffs "Identität" und untersucht dessen Bedeutung in der Psychologie. Anschließend werden die zentralen Elemente des Identitätsbegriffs – Identitätssubjekt, Identitätssobjekt und die spezifische Relation zwischen beiden – herausgearbeitet. Es wird erläutert, dass Individuen multiple Identitäten besitzen können, die sich je nach Kontext und Situation manifestieren und teilweise auch miteinander in Konflikt geraten können. Das Kapitel legt den Grundstein für die spätere Analyse der europäischen Identität, indem es die Komplexität und Vielschichtigkeit des Identitätsbegriffs aufzeigt.
Schlüsselwörter
Europäische Identität, kollektive Identität, nationale Identität, Identitätsbildung, Europäische Union, Einigungsprozess, Empirische Forschung, Eurobarometer, Demokratie, Verfassung.
Häufig gestellte Fragen zum Dokument: Europäische Identität
Was ist der Gegenstand dieses Dokuments?
Das Dokument untersucht die Frage nach der Existenz einer kollektiven europäischen Identität. Es beleuchtet die begrifflichen und theoretischen Grundlagen des Identitätsbegriffs im kollektiven Kontext und analysiert anhand empirischer Befunde die Beschaffenheit einer europäischen Identität. Ein Fokus liegt auf den Herausforderungen und Schwierigkeiten beim Nachweis einer solchen Identität und deren Verhältnis zu nationalen Identitäten.
Welche Themen werden im Dokument behandelt?
Das Dokument behandelt folgende Themen: Begriffsbestimmung von Identität (individuell und kollektiv), europäische Identität, historische Hintergründe des europäischen Einigungsprozesses, empirische Untersuchung der europäischen Identität, Verhältnis von nationaler und europäischer Identität, Bedeutung der europäischen Identität für die Demokratisierung der EU, sowie die Schwierigkeiten beim Nachweis einer europäischen Identität.
Wie ist das Dokument strukturiert?
Das Dokument ist in Kapitel gegliedert, beginnend mit einer Einleitung, gefolgt von einem Kapitel zur begrifflichen Klärung der europäischen Identität, einer Untersuchung der Existenz einer europäischen Identität, und abschliessend einer Zusammenfassung und einem Ausblick. Es enthält zudem ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, eine Beschreibung der Zielsetzung und der Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und eine Liste der Schlüsselwörter.
Welche Methoden werden verwendet?
Die Arbeit verwendet eine begrifflich-theoretische Analyse des Identitätsbegriffs und stützt sich auf empirische Befunde, um die Existenz und Beschaffenheit einer europäischen Identität zu untersuchen. Es wird auf die Komplexität und Vielschichtigkeit des Identitätsbegriffs hingewiesen und die Herausforderungen bei der empirischen Erfassung beleuchtet.
Welche zentralen Fragen werden gestellt und beantwortet?
Die zentrale Frage ist: Gibt es eine europäische Identität? Das Dokument untersucht diese Frage durch die Analyse des Identitätsbegriffs, die Betrachtung des Verhältnisses nationaler und europäischer Identität, die Berücksichtigung demografischer Aspekte, die Bewertung der EU-Mitgliedschaft und den Einfluss der demokratischen Entwicklung der EU. Es werden keine endgültigen Antworten gegeben, sondern die Komplexität des Themas aufgezeigt.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Schlüsselbegriffe sind: Europäische Identität, kollektive Identität, nationale Identität, Identitätsbildung, Europäische Union, Einigungsprozess, Empirische Forschung, Eurobarometer, Demokratie, Verfassung.
Welche empirischen Daten werden herangezogen?
Das Dokument erwähnt den Einsatz empirischer Befunde, ohne spezifische Datensätze oder Studien zu benennen. Es wird impliziert, dass Daten, möglicherweise aus Studien wie Eurobarometer, verwendet wurden, um die Existenz und Beschaffenheit einer europäischen Identität zu analysieren.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Das Dokument zieht keine expliziten Schlussfolgerungen, sondern präsentiert eine Analyse der komplexen Frage nach einer europäischen Identität. Es zeigt die Schwierigkeiten beim Nachweis einer solchen Identität auf und betont die Wechselwirkung mit nationalen Identitäten und der demokratischen Entwicklung der EU.
- Quote paper
- Tobias Roeder (Author), 2005, Gibt es eine kollektive Identität der Europäer?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54040