Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitixng: Zur Thematik des Seminars
2.Sprachverarbeitung
3.Prosodie
4.Spracherwerb bei Kindern
5.Die Silbe in der geschriebenen Sprache
6.Resiimee
7.Literaturverzeichnis
1. Einleitung: Zur Thematik des Seminars
In dem Proseminar „Silbenphonologie fur Sprache und Schrift" ging es darum, die Bedeutung der Silbe als prosodische Grundeinheit zu verdeutlichen. Dabei wurde auf ihre Rolle in der Phonetik und Phonologie eingegangen, sowie auch auf ihre grundlegende Bedeutung im Sprach- und Schriftspracherwerb. Weiterhin wurden wichtige Methoden gelehrt, um Sprachdaten sprachwissenschaftlich zu analysie-ren und viele Studien wurden kritisch reflektiert.
Zu Beginn des Seminars verfugte ich im Bereich der Sprachwissenschaften nur iiber das Wissen, welches man im Einfuhrungsseminar erlangen konnte, das heiBt, ich hatte grundlegende Kenntnisse iiber alle Teilbereiche der Linguistik: Syntax, Semantik, Pragmatik, Morphologie, Phonetik und Phonologie. Da ich die beiden letzten Themen schon im Einfuhrungsseminar besonders ansprechend fand, wahlte ich dieses Proseminar, ohne jedoch weiter zu wissen, was alles hinter dem Begriff der „Silbenphonologie" stecken wiirde.
Dieses Portfolio dient als Dokumentation der Erkenntnisse, die ich fur mich nach jeder Sitzung gewinnen konnte. Den Schwerpunkt lege ich dabei auf die Rolle der Silbe in der geschriebenen Sprache. Dazu werde ich mir anschauen, wie Kinder die Schriftsprache erwerben und unter anderem verschiedene didaktische Modelle dazu erlautern.
2. Sprachverarbeitung
Um die Sprachverarbeitung zu verstehen, ist es sinnvoll, vorweg zu erwahnen, dass es im Gehirn zwei wichtige Zentren gibt: das Broca-Zentrum und das Wernicke-Zentrum. Im Broca-Zentrum findet die Sprachproduktion (die motori-schen Funktionen) statt, im Wernicke-Zentrum hingegen die Sprachrezeption (die sensorischen Funktionen).
Die Sprachverarbeitung setzt sich also aus der Inputverarbeitung, der Outputverar-beitung und Speicherprozessen zusammen.
Unter der Inputverarbeitung versteht man die Aufnahme und Wahrnehmung sprachlicher AuBerungen. Beim Prozess der Subphonologisierung wird die chaine parlee in ihre morphologischen und semantischen Einheiten dekomponiert. Zuerst wird im akustisch-phonetischen Prozessor das Sprachsignal in eine phonetische Representation umgewandelt. Danach analysiert der Parser die phonologischen und grammatikalischen Informationen und aktiviert die passenden Worter dazu im mentalen Lexikon. Der Konzeptualisierer bindet diese nun in den Handlungskontext ein und schlussendlich versteht das Gehirn die sprachliche AuBerung.
Bei der Outputverarbeitung hingegen geht es um das Formulieren sprachlicher AuBerungen, also um den Wortabruf und die Artikulation. Dabei ist die Redein-tention (was mitgeteilt werden soil) der erste Schritt. Danach plant der Formulator die phonologischen und syntaktischen Aspekte und greift auf das mentale Lexikon zu. AnschlieBend erstellt der Artikulator einen phonetischen Plan, damit die moto-rische AuBerung gelingt und es kommt zur sprachlichen AuBerung.
Die Speicherprozesse laufen im mentalen Lexikon ab, das aus etwa 15.000 Wortern besteht, auf die im Bruchteil einer Sekunde zugegriffen werden kann. Dabei werden von einem Wort zwei verschiedene Bestandteile gespeichert: das Lemma (die semantischen und syntaktischen Informationen) und das Lexem (die phonologischen, graphemischen und orthographischen Informationen).
Im gesamten Sprachverarbeitungsprozess hat die Silbe eine relevante Bedeutung fur die Speicherung phonologischer und orthographischer Eintrage.
3. Prosodie
Gegenwartig gibt es noch keine konsensfahige Definition fur die „Silbe". Eindeutig ist jedoch, dass eine Silbe durch Druckerzeugung und den Wechsel der Atembewegungen angestoBen wird und so der Rhythmus beim Sprechen entsteht. Die Gliederungen, die dabei entstehen, bezeichnet man als prosodische Gliederungen. Bei der Untersuchung der silbischen Gliederung der Sprache durch ein Oszillogramm wird deutlich, dass Vokale sehr gut erkennbar sind, also die hochste Sonoritat besitzen und Konsonanten weniger gut. Die geringste Sonoritat weisen Plosive auf, gefolgt von Frikativen und Nasalen. Aufgrund dieser Annahme wurde das so genannte „Sonoritatsprinzip" entwickelt, das beschreibt, dass man die meisten Silben als Kurve darstellen kann, die jeweils ein Segment als Silbengipfel besitzt und ein oder mehrere Segmente, die dem Gipfel vorangehen und/oder folgen. Dabei nehmen die Sonoritatswerte zum Gipfel hin zu und danach wieder ab.
Das sogenannte Silbenstrukturmodell beschreibt, dass jede einzelne Silbe immer aus einem „Onset" und einem „Reim" besteht. Der Onset ist der konsonantische Anfangsrand der Silbe; wenn die Silbe mit einem Vokal anfangt, nimmt der „glot-tal stop" diese Stelle ein. Der Reim setzt sich aus dem „Nucleus" und gegebenenfalls noch aus der „Coda" zusammen. Jede Silbe hat obligatorisch genau einen Nucleus. Dieser besteht fast immer aus einem Vokal, gegebenenfalls aus einem Nasal oder Lateral. Die Coda macht aus, ob es sich um eine geschlossene Silbe (zum Beispiel „Man-" oder „Halm") handelt. Ist keine Coda vorhanden, so handelt es sich um eine offene Silbe (zum Beispiel „Re-").
Um den Begriff „Prosodie" zu verstehen, muss man vorangehend erklaren, wobei es sich um „Suprasegmentalia" handelt. Unter Suprasegmentalia versteht man akustische Merkmale wie Akzent, Rhythmus, Quantitat, Ton und Intonation, die sich nicht auf einzelne Laute beschranken lassen, sondern im Zusammenspiel ganze Lautketten begleiten. Diese prosodischen Merkmale erfullen also im Unter-schied zu einzelnen Lauten nicht nur linguistische Aspekte, sondern auch paralin-guistische, indexikalische und expressive Funktionen. Sie verraten zum Beispiel etwas iiber das Geschlecht und Alter des Sprechers und signalisieren Emotionen und Einstellungen.
So beschreibt zum Beispiel der Wortakzent, dass einzelne Silben eines Wortes lautlich hervorgehoben werden, das heiBt, dass sie relativ zu ihren Nachbarsilben als hoher oder tiefer wahrgenommen werden. Als FuB bezeichnet man die nach der Silbe nachsthohere segmentubergreifende Einheit. Ein FuB entha.lt immer genau eine starke Silbe, der eine oder mehrere schwache Silben vorangehen oder folgen konnen. Die am haufigsten vorkommenden FuBtypen sind der Jambus, der Trochaus, der Daktylus, die Anapast und der Amphibrachys. Fur die deutsche Sprache ist der Trochaus (betont 'S - S unbetont) der am haufigsten auftretende FuBtyp.
Die Intonation beschreibt, dass die Sprechmelodie innerhalb einer lautsprachlichen AuBerung steigen, fallen oder gleich bleiben kann. So lasst sich erkennen, ob es sich beispielsweise um eine Frage oder eine Aufzahlung handelt.
Auch in der Schrift werden diese unterschiedlichen Betonungsmuster reprasen-tiert. Die prominente (betonte) Silbe 'S gibt dem Wort seine Kontur. Unterschiede in der Orthographie entstehen dann zum Beispiel durch das Dehnungs -h oder Doppelkonsonanz. Die unbetonte Silbe °S wird in der Schreibsilbe anders als in der Sprechsilbe ausgedriickt. Ihre Unbetontheit wird orthographisch durch den Schwa-Laut markiert, indem das [a] bei Tilgungen durch Nasale verwendet wird (zum Beispiel bei „Mantel") und das [e], wenn ein vokalisiertes r auftritt (zum Beispiel bei „Kinder").
Es lasst sich also feststellen, dass die Silbe als phonologische Einheit wesentlich zur Wahrnehmung der gesprochenen Sprache beitragt. AuBerdem bindet sie unter-schiedliche Wortgestalten mit ihren unterschiedlichen Betonungsmustern an sich und diese Varianten werden auch in der Schrift reprasentiert.
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