Der Bundesrat als oppositionelles Blockadeinstrument?


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Bundesratsmacht: Verfassungsmäßige Konstellationen und empirische Indikatoren
2.1 Verfassungsmäßige Konstellationen als “Einfallstor” bundesratlicher Macht?
2.2 Der Anteil der Zustimmungsbedürftigen Gesetze als Indikator bundesratlicher Macht
2.3 Die Zahl der Anrufungen des Vermittlungsausschusses als Indikator bundesratlicher Macht
2.4 Fazit

3. Die Arbeit des Vermittlungsausschusses im Licht des „Battle-of-the-Sexes“
3.1 „Battle-of-the-Sexes“ – Eine kurze Einführung in die ihm zu Grunde liegenden Annahmen
3.2 „Battle-of-the-Sexes“ – Die Anwendung des Kooperationsdilemmas auf den Vermittlungsausschuss

4. Fazit und Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Seit dem Eklat bei der Abstimmung im Bundesrat über das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung vom 22. März 2002 wird in den Medien wieder intensiv darüber diskutiert, in wie weit der Bundesrat zunehmend als parteitaktisches Instrument missbraucht wird. Die Zeitschrift „Der Spiegel“ stellte beispielsweise dazu in einem am 25. März 2002 veröffentlichten Artikel fest: „Tricksereien und Showeffekte im Bundesrat: Die Endabstimmung zum lange geplanten Zuwanderungsgesetz geriet zum Trauerspiel der deutschen Parteien“ (Berg 2002).

Gerade unter der Voraussetzung der Determinierung durch die Opposition, wird der Bundesrat offenbar zunehmend zu einem medienwirksamen Blockadeinstrument degradiert, welches zum einen der Opposition die Mitgestaltung von Gesetzen über den Vermittlungsausschuss ermöglicht und zum anderen ein ideales Forum für die mediengerechte Darstellung parteipolitischer Fronten bietet. Daraus ergibt sich scheinbar das Problem, dass die durch den Bundestag beschlossenen Gesetze und Reformen im Vermittlungsausschuss des Bundesrates zunehmend zerredet werden, da zwischen Regierung und Opposition meist nur eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner möglich ist (vgl. Rudzio 2003: 332). In der öffentlichen Diskussion wird daher besagte „Blockadehaltung“ des Bundesrates immer wieder hervorgehoben. So veröffentlichte zum Beispiel die Zeitschrift „Der Spiegel“ vom 12. bis zum 26. Mai 2003 eine dreiteilige Serie mit dem Titel „Die verstaubte Verfassung“, in der unter anderem der Gesetzgebungsprozess der Bundesrepublik Deutschland kritisch betrachtet wurde und die Autoren konstatieren, Bundestag und Bundestag seien ineinander verschlungene, „unterschiedliche Entscheidungssysteme, die sich gegenseitig blockieren“ (Darnstädt 2002).

Ausgehend von der medialen Kritik, möchte ich in der vorliegenden Arbeit die Frage klären, ob tatsächlich von einer formellen oder inhaltlichen Blockademacht des Bundesrates die Rede sein kann, und in wie weit parteipolitische Frontlinien im Bundesrat daher die Bundespolitik zu beeinflussen in der Lage sind. Dafür soll zunächst an Hand der empirischen Daten der Bundesratsstatistik untersucht werden, ob die von den Medien konstatierte Blockademacht des Bundesrates tatsächlich existiert und welche verfassungsmäßigen Konstellationen ihre Entstehung begünstigen (Kap. 2). In einem weiteren Schritt soll dann geklärt werden, in wie weit der Vermittlungsausschuss und seine Strukturen eine bundesratliche Blockademacht in Form „konkordanzdemokratischer Züge“ (Rudzio 2003: 330) begründet d.h. in wie weit der Bundesrat über den Vermittlungsausschuss auf die Inhalte der Gesetzgebung Einfluss auszuüben in der Lage ist. Auf Grund der Schwierigkeit der empirischen Messung dieses vermuteten Phänomens, soll für die Klärung dieser Frage auf die Handlungstheorie des Rational Choice Ansatzes und das institutionenökonomische Koordinationsspiel „Battle-of-the-Sexes“ zurückgegriffen werden. Kapitel 3.1 stellt eine kurze Einführung in die Materie dar. Anschließend werde ich an Hand des „Battle-of-the-Sexes“ darstellen und analysieren, in wie weit der Vermittlungsausschuss die u.a. von Rudzio konstatierte konkordanzdemokratische Bundesratsmacht zu verursachen in der Lage ist (Kap. 3.2) und schließlich in Kapitel 4 meine Arbeitsergebnisse zusammenfassen.

2. Die Bundesratsmacht: Verfassungsmäßige Konstellationen und empirische Indikatoren

2.1 Verfassungsmäßige Konstellationen als “Einfallstor” bundesratlicher Macht?

Das Grundgesetz räumt dem Bundesrat ein Mitspracherecht „bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union“ (Art. 50 GG) ein.

Dem Bundesrat kommt somit die Rolle einer dem Parlament nachgelagerten, föderativen Kontrollinstanz mit legislativem Mitspracherecht zu und repräsentiert somit das föderative Prinzip der Bundesrepublik Deutschland. Die Einflussrechte von Bund und Ländern verschränken sich hier (vgl. Herzog 1987). Das Mitspracherecht des Bundesrates ist jedoch nicht unbegrenzt. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf seine Aufgaben als Bewahrer des Föderalismus (Schutz der Länderinteressen) und Administrativorgan des Bundes (Prüfung auf administrative Durchführbarkeit eines Gesetzes) (vgl. Rudzio 2003: 323). Im Gesetzgebungsprozess der Bundesrepublik Deutschland werden daher in diesem Kontext zwei verschiedene Arten von Gesetzen unterschieden: Zustimmungsgesetze und Einspruchsgesetze. Zustimmungsgesetze sind Gesetze, welche der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Hier übernimmt der Bundesrat die Funktion einer tatsächlichen zweiten Kammer, da Gesetze nur mit seiner Zustimmung rechtskräftig werden. Entsprechend den verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesrates sind dies unter anderem Gesetze, welche die Verfassung ändern, von den Bundesländern ausgeführt werden, die die Finanzverflechtung zwischen Bund und Ländern tangieren oder die Ausübung von Bundeszwang gegen die Länder betreffen (vgl. Hesselberger 2001: 281). Zustimmungsgesetze müssen explizit im Grundgesetz genannt werden. Einspruchsgesetze hingegen sind alle Gesetze, welche nicht Zustimmungsgesetze sind. Hier nimmt der Bundesrat eine untergeordnete Rolle ein, da er zwar sein Veto gegen ein Gesetz geltend machen kann, dieses Veto aber vom Bundestag in einer zweiten Abstimmung überstimmt werden kann. Allerdings ist auch bei Einspruchsgesetzen eine bundesratliche Vetomacht möglich, wenn die jeweilige Regierung nur über eine knappe Mehrheit im Bundestag verfügt und von daher nicht in der Lage ist, das Bundesratsveto zu überstimmen.

Betrachtet also man die verfassungsmäßigen Konstellationen, wird den Ländern somit eine Mitregierung auf Bundesebene ermöglicht und eine potentielle Blockademacht an die Hand gegeben, die den Gesetzgebungsprozess der Bundesrepublik zu lähmen in der Lage ist (vgl. Rudzio 2003: 326). Dass es allerdings gerade im Fall der Einspruchsgesetze sehr unwahrscheinlich ist, dass sie die Opposition im Bundestag über eine derart große Stimmenzahl verfügt, dass die Regierungsmehrheit problemlos überstimmen kann, zeigen die Zahlen aus Tabelle 1. Gerade einmal elf Einspruchsgesetze konnten seit 1953 vom Bundesrat endgültig gekippt werden. Somit scheint eine generelle Blockadehaltung des Bundesrates faktisch nicht möglich. Der Bundesrat kann also nur dann die Funktion einer blockierenden zweiten Kammer einnehmen kann, wenn im Rahmen von Zustimmungsgesetzen Länderkompetenzen tangiert werden. Ein Mitspracherecht seitens der Länder erscheint somit als sinnvoll und konstruktiv.

Eine Ausweitung dieser bundesratlichen Vetomacht scheint indes ebenfalls nicht möglich, müssen doch Zustimmungsgesetze gemäß des Enumerationsprinzips explizit im Grundgesetz genannt werden. Laufer und Münch konstatieren jedoch:

„Zwar konnte er [der Bundesrat, SK] das vom Grundgesetz vorgeschriebene Enumerationsprinzip nicht beliebig ausweiten, doch legte er die Zustimmungsbedürftigkeit sehr weit aus, vor allem wenn es um die Frage ging, ob und inwieweit die Änderungen zustimmungsbedürftiger Gesetze ihrerseits der Zustimmung des Bundesrates bedürfen“ (Laufer & Münch 1998: 171).

2.2 Der Anteil der Zustimmungsbedürftigen Gesetze als Indikator bundesratlicher Macht

Tabelle 1 scheint die Annahme von Laufer und Münch zu bestätigen. Selbst wenn man die erste Wahlperiode der Bundesrepublik wegen einer vermuteten politischen Sonderstellung Deutschlands zwischen 1949 und 1953 aus den Betrachtungen ausschließt, ergibt sich bis 2002 im Durchschnitt ein Anstieg des Anteils der zustimmungsbedürftigen Gesetze um 4,3%. Dies entspricht ungefähr 260 Gesetzen. Dennoch ist fraglich, ob dieser Anstieg tatsächlich zu einer wachsenden Bundesratsmacht führte. Zum einen ist der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze zwischen 1998 und 2002 wieder stark rückläufig und liegt außerdem für den gesamten Zeitraum ab 1953 mit 54% nicht in einem kritischen Bereich (vgl. Tab. 1). Darüber hinaus ließe sich der Anstieg zustimmungsbedürftiger Gesetze auch mit einem wachsenden Reformbedarf, durch welchen zunehmend Eingriffe seitens der Regierung in den Kompetenzbereich der Länder notwendig werden, erklären. Mit anderen Worten: Auch Regierungen können durch ihre Gesetzgebung den Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze ansteigen lassen, ohne das dies auf eine Aufweichung des Begriffes der Zustimmigkeit zurückzuführen sein muss.

Zum anderen ist der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze nur schwach positiv mit dem Anteil der Zustimmungsversagungen durch den Bundesrat korreliert (Gamma = 0,141, Gramérs V = 0,119), so dass nicht davon auszugehen ist, dass ein erhöhter Anteil zustimmungsbedürftiger Gesetze zu einer wachsenden Blockademacht des Bundesrates führt (vgl. Tab. 2): Der Anteil der Zustimmungsversagungen liegt seit 1953 bei durchschnittlich 2,5% (vgl. Tab. 1). Insofern kann man konstatieren, dass es zwar zu einer geringen Ausweitung der Zustimmungsbedürftigkeit kam, dies aber keine relevanten negativen Konsequenzen bezüglich der vermuteten Blockademacht des Bundesrates hatte. Mit anderen Worten: Es kam zwar zu einer leichten Zunahme der potentiellen Blockademacht des Bundesrates, allerdings wurde, ausgehend von den vorliegenden Daten, davon bisher nicht nennenswert Gebrauch gemacht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Bundesrat als oppositionelles Blockadeinstrument?
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Das politische System der BRD
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V54145
ISBN (eBook)
9783638494113
ISBN (Buch)
9783638693332
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Bewertung des Dozenten: "Klare Struktur, Eigenständigkeit der Argumentation, gelungene Arbeit."
Schlagworte
Bundesrat, Blockadeinstrument, System
Arbeit zitieren
Steffen Kroggel (Autor:in), 2004, Der Bundesrat als oppositionelles Blockadeinstrument?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54145

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