Zu spezifisch „okzidentalen Kulturerscheinungen“ zählt Max Weber neben rationalem Recht, Kapitalismus und Beamtentum auch die Kunst. Eigens zur Musik bemerkt er: „Das musikalische Gehör war bei anderen Völkern anscheinend feiner entwickelt als heute bei uns; jedenfalls nicht minder fein. [...] Aber rationale harmonische Musik [...] gab es nur im Okzident.“ An anderer Stelle fragt Weber „warum sich gerade an einem Punkt der Erde aus der immerhin ziemlich weitverbreiteten Mehrstimmigkeit sowohl die polyphone wie die harmonisch-homophone Musik und das moderne Tonsystem überhaupt entwickelt hat, im Gegensatz zu anderen Gebieten mit einer [...] mindenstens gleichen Intensität der musikalischen Kultur.“
Hieran anknüpfend untersucht die Arbeit das Verhältnis zwischen Christentum und Musik für die Zeit der Spätantike; eine Epoche, die auf besondere Weise die Bedingungen und die Eigenart der abendländischen Musikentwicklung veranschaulicht. Von musiktheoretischer Fachkunde wird dabei abgesehen, die Arbeit beschränkt sich auf historische und soziologische Perspektiven. Vor allem die Thesen von Max Weber und Kurt Blaukopf werden beleuchtet und befragt: Kam es in der Spätantike bedingt durch das Christentum zu einer spezifischen Rationalisierung, einer „Entsinnlichung“ der Musik, was eine folgenschwere Trennung von Musik und Sprache bewirkte, so daß überhaupt die Musik als autonomes Gebilde, als selbstreferentielle Kunst zu existieren begann? So und ähnlich könnten Leitfragen lauten. Bezogen auf das Christentum bedeutet und bedeutete dies auch: Musik als rein ästhetischer Genuß oder als Gefäß und Instrument eines im Geiste allein auf Gott gerichteten Gebets? Und tatsächlich kommt diese Gegensätzlichkeit der Musikauffassung v.a. in der Kirchenmusik zum Vorschein. Bereits im frühen Christentum bewegte sich die theologische Debatte zur Musik auf dem Hintergrund der Frage, ob Sinnliches für den Gottesdienst geeignet sei. Die moderne Zeit fragt hier nach strukturellen Überschneidungen zwischen Musik und Religion. Quasi in einer Konkurrenzsituation beargwöhnte ‚die Religion‘ die Musik, domestizierte und instrumentalisierte sie – mit weitreichenden, teils unintendierten Folgen. Seitens der Quellen soll Aurelius Augustinus (354 - 430 n. Chr.) zu Wort kommen, in seiner Eigenschaft als großer Gelehrter der Spätantike, der, sowohl in den paganen Wissensdisziplinen bewandert als auch theologisch maßgebend, wohl mehr denn exemplarisch angeführt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Musikgeschichtlicher Überblick
- Musik in der Antike - Kulturbetrieb
- Musik im frühen Christentum - Skepsis dem Wohlklang
- Augustinus und die Musik
- Musiksoziologisches
- Augustinus und die „Entsinnlichung”
- Schlußüberlegungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Christentum und Musik in der Spätantike. Sie untersucht, wie das Christentum die Entwicklung der Musik im Abendland beeinflusst hat, insbesondere im Hinblick auf die Rationalisierung und „Entsinnlichung“ der Musik. Dabei werden die Thesen von Max Weber und Kurt Blaukopf beleuchtet.
- Die Rolle der Musik im antiken Kulturbetrieb
- Die Skepsis gegenüber Musik im frühen Christentum
- Augustinus' Einfluss auf die Musiktheorie
- Die „Entsinnlichung" der Musik in der Spätantike
- Die Trennung von Musik und Sprache
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die Fragestellung vor und beleuchtet die Relevanz des Themas im Kontext der abendländischen Musikentwicklung. Sie führt die zentralen Thesen von Max Weber und Kurt Blaukopf ein, die im weiteren Verlauf der Arbeit diskutiert werden.
- Musikgeschichtlicher Überblick: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Rolle der Musik in der Antike und im frühen Christentum. Es betrachtet Aspekte wie das Musikverständnis, das Verhältnis von Musik zu Wissenschaft und Religion, sowie die ethische Bedeutung von Musik.
- Musik in der Antike - Kulturbetrieb: Dieses Kapitel untersucht die Bedeutung von Musik im antiken Kulturbetrieb, von rituellen Tänzen und Prozessionen bis hin zur klassischen Bildung. Es beleuchtet das Konzept der Ethoslehre und die Bedeutung von Musik für die Geistesbildung.
- Musik im frühen Christentum - Skepsis dem Wohlklang: Dieses Kapitel erörtert die Skepsis gegenüber Musik, die im frühen Christentum bestand. Es analysiert die theologische Debatte über die Frage, ob Sinnliches im Gottesdienst geeignet sei.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der Musik im Kontext der Spätantike und dem Einfluss des Christentums auf die Musikentwicklung. Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Musik, Christentum, Spätantike, Rationalisierung, Entsinnlichung, Max Weber, Kurt Blaukopf, Ethoslehre, Augustinus, Kirchenmusik, Musiktheorie.
- Arbeit zitieren
- Mathias Pfeiffer (Autor:in), 2006, A corporeis ad incorporea - Augustinus und der Strukturwandel musikalischen Verhaltens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54199