Begriffserklärung "Finanzialisierung"


Hausarbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung und Gesellschaftliche Relevanz

2. Finanzialisierung Allgemein
2.1 Finanzialisierung als Kapitalakkumulation
2.2 Finanzialisierung in Unternehmen: „Maximising Shareholder Value“
2.3. Finanzialisierung in der Politik
2.4. Finanzialisierung in der Gesellschaft (private Haushalte)

3. Fazit und Kritik

4. Quellen

1. Einleitung und Gesellschaftliche Relevanz

In der Stadt Frankfurt ist das Stadtbild geprägt von Banken. Hohe Bankentürme zieren den Himmel und geben einen imposanten und mächtigen Eindruck auf jene die sie betrachten.

Das Eurozeichen mitten in der Stadt als ein weiteres Symbol für den dort ansässigen Finanzmarkt. Doch nicht nur die bloße materielle Präsenz des Finanzmarktes bedeutet, dass dieser präsent und in dem Sinne wichtig im Gesamtbild der Gesellschaft ist.

Geschehnisse wie die Finanzkrise aus 2008, welche durch eine Überzahl von Immobilien-Krediten, die nicht zurückgezahlt werden konnten, ausgelöst wurde, hatten schließlich auch Auswirkungen auf die Gesamtbevölkerung ohne, dass sich diese aktiv am Finanzmarkt beteiligen mussten.

Ein anderes Beispiel sind börsennotierte Unternehmen, welche sich bei wirtschaftlichen Entscheidungen auch durch die Forderungen der Aktionäre beeinflussen lassen.

Oder auch die Lebensläufe von Börsenmillionären oder auch Milliardären, welche sich ihr Vermögen im Finanzmarkt erwirtschaftet haben wie der Finanzmogul Warren Buffett, sind Beispiele für verschiedene Interpretationen, welche Rolle der Finanzmarkt in der aktuellen Zeitperiode spielt.

Nun sind zum einen visuelle Eindrücke vorhanden, die die Bedeutung des Finanzmarktes unterstreichen, als auch Beispiele aus der Realwirtschaft wie der Finanzmarkt an Relevanz hinzugewonnen hat.

In dieser Hausarbeit soll eine Reihe von verschiedenen Interpretationen und Definition von dem Begriff „Finanzialisierung“ veranschaulicht werden.

Diese sollen verschiedene Aspekte von Finanzialisierung aufgreifen, dabei soll jedoch keine Wertung über deren Richtigkeit vorgenommen werden, denn die Definitionen basieren auf gesellschaftlich und wirtschaftlich beobachteten Veränderungen innerhalb des gesellschaftlichen Systems. Somit vereinen sie sich darin, dass das was betrachtet wird der Finanzmarkt ist und dessen Einfluss auf das derzeitige Gesellschafts- und Wirtschaftssystem.

2. Finanzialisierung Allgemein

Im Allgemeinen werden bei der Finanzialisierung drei Hauptströmungen unterschieden, jene welche Finanzialisierung verstehen als die Möglichkeit durch Finanzprodukte Geld zu erwirtschaften, jene welche Finanzialisierung sehen als die den Anstieg des Shareholder Values und die Definition welche Finanzialisierung vor allem im alltäglichen Leben beschreibt (Aalbers 2008: 2). Jede dieser Perspektiven wird hier beleuchtet und auch deren Ausprägungen dargestellt. Finanzialisierung kann demnach von verschiedenen Ebenen betrachtet werden und durchzieht unterschiedliche Themengebiete wie etwa Unternehmen, Politik und auch Kultur.

Gerald E. Epstein fasst diese aufsteigende Rolle der Finanzmärkte in einer oft zitierten Definition zusammen:

„[…] financialization means the increasing role of financial motives, financial markets, financial actors and financial institutions in the operation of the domestic and international economies.“ (Epstein 2005: 3).

Diese Definition sagt aus, dass Finanzialisierung bedeutet, dass finanziellen Motive, Finanzakteure und auch finanzielle Insitutionen an Einfluss gewinnen sowohl auf die nationale und als auch die internationale Ökonomie. Somit ist das Hauptmerkmal der Finanzialisierung, dass sich zunehmend verschiedene Bereiche nach den Prinzipien dieser ausrichten.

2.1 Finanzialisierung als Kapitalakkumulation

Luis Carlos und Greta Krippner beschreiben Finanzialisierung als die neue Möglichkeit der Kapitalakkumulation mithilfe von Finanzinstrumenten, ohne dabei ein reales Produkt produzieren zu müssen (Bresser-Pereira: 2010, Krippner 2005).

Krippner geht hierbei auch weiter, indem sie feststellt, dass Finanzialisierung bedeutet, dass es möglich ist sogar den größten Teil seines finanziellen Profites auf dem Kapitalmarkt zu erwirtschaften, indem ein Investor seine vorhandenen finanziellen Mittel dazu verwendet, eine Rendite zu erwirtschaften (Krippner 2005: 174). Dies geschieht indem dieser das Geld anlegt und temporär in Form eines Finanzproduktes wie bspw. einer Aktie hält. Krippner betitelt ihre Herangehensweise an das Thema Finanzialisierung als „accumulation-centred“ (Krippner 2004: 176).

Diese Möglichkeit kritisiert Carlos bereits in seiner Definition, denn er nennt das erwirtschaftete Vermögen „fiktives Vermögen“ (Besser-Pereira 2010: 2). Er beschreibt seine Sichtweise recht deutlich in einem prägnanten Satz:

„Financialization will be understood here as a distorted financial arrangement based on the creation of artificial financial wealth, that is, financial wealth disconnected from real wealth or from the production of goods and services.“ (Besser-Pereira 2010: 3).

Besser-Pereira beschreibt Finanzialisierung hierbei als eine verzerrte Umverteilung von Profitmöglichkeiten. Es bedeutet, dass die ursprünglichen Regeln des Marktes von Produktion und Nachfrage gebrochen werden, denn durch das Kaufen und Verkaufen einer Aktie ist auf den ersten Blick kein Mehrwert geschaffen, im gleichen Sinne wie wenn ein Auto vom Händler an den Kunden verkauft wird. Dieser bezahlt mit seinem Geld ein Produkt, welches in seinem Leben diverse Funktionen erfüllt, welche das Geld, welches der Händler damit erwirtschaftet rechtfertigt. Es ist zwar Kapital, was in ein Unternehmen investiert wird, dennoch ist es nicht gebunden an dieses, da die Aktien jederzeit wiederverkauft werden können. Es gibt auch Finanzinstrumente, welche lediglich auf eine Entwicklung von Aktienkursen, Währungskursen, und so weiter spekulieren und somit noch weiter entfernt sind von der Idee einen anderen Mehrwert in irgendeiner Form zu bieten als nur neues Kapital für den Investor zu generieren.

Nun fehlt dieser sichtbare produktive Mehrwert, wenn analysiert wird durch welche Art sich ein Finanzier Vermögen schafft. Somit ist eine Abkopplung entstanden von der traditionellen Vermögensakkumulation durch Produktion realer Güter hin zu einem auf Finanzinstrumenten basierten Vermögensausbau. Ein reales Beispiel für einen beachtlichen Vermögensaufbau mithilfe von Finanzprodukten ist der Großinvestor Warren Buffett. Dieser vermehrte sein Startkapital von 100.000 innerhalb ein paar Jahrzehnte auf eine Summe von 70 Milliarden Dollar (Landmesser: 2015). Dies tat er mithilfe von diversen langfristigen Aktienkäufen und später durch eine Gründung eines eigenen Unternehmens (ebd.). Dieser Fall ist der erfolgreichste in der Finanzwelt und es gibt noch einige weitere Investoren, welche sich ein Vermögen durch den Handel an der Börse erwirtschafteten.

Durch diese Änderungen von Gewinnmöglichkeiten ist auch ein struktureller Vorteil für bereits wohlhabende Personen geschaffen, diese können ihr vorhandenes Kapital dazu einsetzen um ihre beispielsweise aktienbasierte Rendite zu erwirtschaften und werden in absoluten Zahlen auch immer mehr Geld erwirtschaften können als andere, welche nicht das entsprechende Kapital haben (Lazonick 2011: 1). Diese Möglichkeit hohe Gewinne zu erwirtschaften sorgt auch für den Aufstieg an institutionellen Anleger, welche das Handeln an der Börse als ihren Hauptberuf klassifizieren (Kädtler: 2009). Bis 1960 waren Kleinaktionäre die Regelform eines Investors (Müller 2012: 560). Diesen fehlte die Zeit und das Engagement sich intensiver mit dem Finanzmarkt auseinander zu setzen und so hielten diese langfristig Aktien und erwirtschafteten somit auch eine geringere Rendite als die institutionellen Investoren, welche hohe Renditen mit hohem Risikoeinsatz erwirtschaften durch kurzfristige Investements (ebd.).

2.2 Finanzialisierung in Unternehmen: „Maximising Shareholder Value“

Andreas Nölke und Heires verstehen als einen weiteren Aspekt unter der Finanzialisierung, dass es zu einer Verschiebung der Macht von Realwirtschaftsinteressen zu Finanzwirtschaftsinteressen gekommen ist (Heires, Nölke 2011 :38). Diese Machtverschiebung ist damit begründet, dass große Kapitalanteile mittlerweile auch durch Finanzmärkte geschaffen werden und die Realwirtschaft in ihrer Stellung als Kapitalakkumulator sinkt. Ähnlich wie bei Krippner und Carlos, jedoch liegt der Fokus hierbei auf der Machtumverteilung beider Wirtschaftszweige. Durch die ansteigende Profitabilität des Finanzmarktes entstehen neue Interessensgruppen, welche durch ihre finanziellen Mittel Druck auf die Realwirtschaft und die Politik ausüben können.

Diese Veränderung ist unter anderem daran zu erkennen, dass sich der prozentuale Anteil des Gesamtumsatzes der USA, welcher durch den Finanzsektor entsteht, in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt hat (Heires, Nölke 2011: 39). Auch die Rendite, welche im Finanzsektor erwirtschaftet werden kann, hat sich vorteilhafter entwickelt als die des Produktionsmarktes (ebd.). Diese Entwicklung führt auch dazu, dass Unternehmen selbst ihre Interessen dem Finanzmarkt anpassen und Ziele anhand von Marktgegebenheiten stecken (ebd.) Demnach steigt sowohl die Wichtigkeit vom Finanzmarkt, als auch finanzmarktorientierten Zielen, finanziellen Institutionen und auch die der Finanzelite (ebd.).

Ein somit entstehender Aspekt, welcher die Machtverschiebung verdeutlicht, ist die Zunahme der Wichtigkeit des sogenannten „Shareholder Values“, mit Shareholder (=Anteilseigner) sind jene Personen gemeint, welche in ein Unternehmen in Form von Aktien investieren. Fligstein und Shin benannten diese Herangehensweise einer Unternehmensstrategie als „maximizing shareholder value“ (Fligstein, Shin 2007: 399).

Die Wichtigkeit des „Shareholder Values“ äußert sich darin, dass sich Unternehmen zunehmend an den Interessen von Aktionären orientieren, anstatt an den Interessen der eigenen Beschäftigten (Heires, Nölke 2011: 40). Das Management eines Unternehmens orientiert sich durch die wachsende Bedeutung des Shareholder Values zunehmend daran, dass die Zahlen im Jahresabschluss stimmen, dass keine Produkte produziert werden, welche nicht den größten Profit einbringen und auch, dass sich ähnliche Unternehmen fusionieren, um somit einen noch größeren Wert erreichen zu können (Fligstein, Shin 2007: 401). Ansonsten sehen sich Manager in ihrer Position bedroht, wenn sie sich nicht an den Interessen der Shareholder orientieren (ebd.). Die Aktionäre geben vor in welcher Höhe sie Renditen erwarten, welche das Unternehmen zu erfüllen hat, bei Misserfolg bekommen dies auch die Beschäftigten zu spüren zum Beispiel durch Entlassungen, Lohnkürzungen oder höherem Arbeitsdruck (Heires, Nölke 2011: 40).

Die Wichtigkeit die Erwartungshaltung der Shareholder zu treffen, ist damit begründet, dass ihre Renditeerwartungen nicht vertraglich festgehalten sind, so wie bei Kreditgebern beispielsweise, welche das Recht haben die in einem Vertrag festgehaltenen Zinssätze für ihren Kapitaleinsatz zu verlangen. Shareholder hingegen investieren ihr Kapital in eine Firma und gehen dabei das Risiko ein, dass sie auch eine negative Rendite erwirtschaften und somit Verluste einfahren (Lazonick 2011: 2). Sie investieren ihr Kapital somit in dem Glauben, dass das Unternehmen in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich sein wird durch ein gutes Produkt, eine gute Strategie, richtige Entscheidungen des Managements.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Begriffserklärung "Finanzialisierung"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Wirtschaftssoziologie im 21. Jahrhundert
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V542141
ISBN (eBook)
9783346188083
ISBN (Buch)
9783346188090
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzen, Finanzialisierung
Arbeit zitieren
Erika Schreiner (Autor:in), 2019, Begriffserklärung "Finanzialisierung", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/542141

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